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Unfehlbarkeit
#1
Während es beim Thema "ex cathedra" meines Erachtens um Fragen der Formerfordernis geht, geht es beim Thema "Unfehlbarkeit" um die Thematik der Wertung des Inhalts

Beim Thema "Unfehlbarkeit" geht es eigentlich um die Frage, wer die "letzte Instanz" ist.

Beispiel:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist letzte Instanz, es gibt keine Instanz darüber, man vermied halt das Wort "unfehlbar" - meint aber materiell dasselbe.

Ich traue mich wetten: würde die Katholische Kirche die Unfehlbarkeit des Papstes abschaffen, dann müßte sie zwangsläufig eine höhere Instanz definieren.
Entweder das ganze Konklave müßte zusammenkommen (in Zeiten des Flugzeugs kein großes Problem, heute dauert eine Anreise von Japan kürzer als im Jahre 1840 eine Anreise von Salzburg) - oder es müßte ein Gremium definiert werden, beispielsweise 20 Kardinäle

In beiden Fällen (Konklave beziehungsweise ein definiertes Kardinalskollegium) wäre ein schwer enden wollender Streit die Folge, es gäbe manchmal unschöne Mehrheiten, 60 gegen 57 (Konklave) beziehungsweise oder 11 gegen 9 (Gremium), und dies wäre dem Christenvolk schwer zu verkaufen.
Um derartige Streitereien bei Glaubensfragen elegant aus der Welt zu schaffen, ohne daß der Vatikan ein unschönes Bild von Zerwürfnissen gibt, würde das Konklave sehr bald den Papst mit dem Recht auf letztinstanzliche Entscheidung vulgo Unfehlbarkeit ausstatten

Den Anglikanern ist die Letztinstanzlichkeit des Papstes systemfremd, aber es sollte bedacht werden, daß sich Henry VIII als König dieses Recht herausnahm. Materiell war seither der Englische König Papst für sein Weltreich

Ich denke, hier kann eine interessante Diskussion im "Religionsforum" zustandekommen, da ich beiweitem nicht alle Facetten angerissen habe
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#2
Ich glaube nicht, dass das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes was allgemeine Glaubensinhalte angeht (zB die Haltung gegenüber Abtreibung, gleichgeschlechtlicher Ehe, etc.), hier bei uns für die Mehrheit der Gläubigen noch eine Rolle spielt. Der Zeitgeist hat sich verändert.

In dogmatischer Hinsicht kann ich dem nichts abgewinnen, sondern es ist vielmehr der gebotene Gehorsam im Sinne einer spirituellen Erziehung, die ich darin sehe. Ebenso sind ja die Priester dem Bischof, und die Mönche ihrem Abt gehorsam, es werden darüber Gelübde abgelegt. So heißt es zB in der Benediktinerregel über den Abt: "Er vertritt im Kloster die Stelle Christi".

Es ist ja so, dass v.a. im kath. Christentum Christus der universelle Meister ist (Mt 23,8). In Asien, wo eine persönliche Meister-Schüler-Beziehung hochgehalten wird, spielt der Gehorsam gar keine besondere Rolle, weil der Meister schon auf das Ego des Schülers "achtgibt". Da es hier jedoch nicht so ist, gibt es den Gehorsam, oder anders gesagt die vollständige Unterordnung unter Gottes Willen. So verstanden macht die kirchliche Hierarchie also schon Sinn.

Es sollte daher nicht um starre Dogmen gehen, sondern um den lebendigen Glauben, und darum, darin zu wachsen. Damit kann auch gezeigt werden, dass es sich manche zu einfach machen, die solche Dinge gänzlich als Blödsinn abtun. Wenn man versucht, auf den tieferen Sinn zu kommen, kann es sich dennoch als substantiell erweisen.
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#3
(30-10-2018, 19:51)eddyman schrieb: A) Ich glaube nicht, dass das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes was allgemeine Glaubensinhalte angeht (zB die Haltung gegenüber Abtreibung, gleichgeschlechtlicher Ehe, etc.), hier bei uns für die Mehrheit der Gläubigen noch eine Rolle spielt. Der Zeitgeist hat sich verändert.

B) In Asien, wo eine persönliche Meister-Schüler-Beziehung hochgehalten wird, spielt der Gehorsam gar keine besondere Rolle, weil der Meister schon auf das Ego des Schülers "achtgibt".


zu A) Ich denke, die Kath Kirche hat in den letzten Jahrzehnten ihre europäische Prävalenz verloren; Ulan hat in einem anderen Thread richtigerweise darauf hingewiesen, daß das Gros der Katholiken in Afrika, Südamerika und Indien lebt.
Kommt ja auch der Papst aus Südamerika
Somit ist es wenig relevant, was die Katholiken "hier bei uns" denken
Die - rasch wachsende - Mehrheit der Katholiken lebt außerhalb Europas; was die Mehrheit der rapid schrumpfenden katholischen Population in Europa denkt und fühlt, hat immer weniger Gewicht.
Abgesehen davon glaube ich nicht, daß die Mehrheit der europäischen Katholiken für Abtreibung und Homoehe ist

zu B) Das ist ein sehr interessantes Thema. Ich habe mich früher mit asiatischen Sportarten beschäftigt, die nach einer anfänglichen sportlichen Grundausbildung alle in Richtung "Philosophie" führen. Zuerst nur dezent am Rande, aber dann nach einiger Zeit immer mehr. Die persönliche Meister-Schüler-Beziehung spielt hier eine große Rolle, sie ist das Fundament der ganzen Übung. Das hast Du sehr richtig festgestellt. Ganz egal, welchen asiatischen Sport Du betreibst, am Anfang ist es Sport, aber dann wollen sie alle nur das Eine, dich psychisch zu prägen. Meist - nach meiner Erfahrung immer - ist es für den Schüler gar nicht möglich, zu erkennen, in welche Richtung die Reise geht. Eine seltsame Mischung aus Zen-Buddhismus und Shintoismus wenn ich mich nicht irre
Mischung ist nicht das richtige Wort, jeder Meister, jede Schule vermeint, einen eigenen Weg (Do) gefunden zu haben
Egal, ob du Bogenschießen praktizierst, Ikebana (Blumen arrangieren), einen Kampfsport (je nach Körperbau gibt es unterschiedliche Systeme), kunstvolles basteln mit Seidenpapier, alle enden sie dann letztlich im meditativen Bereich.

Den Halbsatz "spielt der Gehorsam gar keine besondere Rolle, weil der Meister schon auf das Ego des Schülers "achtgibt"" verstehe ich inhaltlich und/oder sprachlich nicht.

inhaltlich: nach meiner Beobachtung spielt der Gehorsam in der Meister-Schüler-Beziehung in asiatischen Künsten eine extreme Rolle
Der Schüler muß seinen Meister vergöttern. Tut er es nicht, wird er zwar nicht dazu gezwungen (zumindest nicht in Europa und im heutigen Japan) - aber er wird nicht weiterkommen. Tut er es, dann wird ihm Erfolg beschieden sein

sprachlich: was meinst Du konkret damit, daß der Meister schon auf das Ego des Schülers "achtgibt" ?
Meinst Du daß er es respektiert - oder meinst Du daß er es genau erforscht, um es dann gezielt ausschalten zu können ?
Nach meiner Beobachtung beobachtet der Meister den Schüler genau - ist er eitel, ruhmsüchtig, ehrgeizig, egoistisch, prahlerisch - und bringt dann den Schüler laufend in Situationen, wo er den inneren Schweinehund bekämpfen muß.  
Innerer Schweinehund - Wikipedia
Dies soll langfristig zur Selbstdisziplin erziehen
Dabei Verzicht auf Fleisch, essen von ungeschältem Reis, Verzicht auf Bier, trinken von Tee, Verzicht auf hedonistische Gelüste (Fernsehen, Kino, etc)
Ein Abstumpfen ist das Ziel. Der Schüler wird zur anspruchslosen, unempfindlichen Maschine
Ich vermute, daß das klösterliche Leben des Mittelalters aus ostasiatischen Schulen kam; vielleicht über die mannigfaltigen Routen der Seidenstraßen (von denen eine in Damaskus endete)
Die ostasiatische höhere Schule macht aus dem Schüler emotionell langsam einen Krieger - anspruchslos und unempfindlich
Dabei spielt es gar keine Rolle, daß er unbewaffnet ist. Abgesehen von den waffenlosen Kampfsystemen wird der Schüler auch bei friedlichen ostasiatischen Sportarten und Künsten anspruchslos und unempfindlich gemacht. Kleidung spielt dann keine Rolle mehr
Der Schüler sitzt in halb kniender Stellung in seiner schmucklosen Uniform (Tracht) und schlürft dankbar seinen ungezuckerten Tee und genießt seinen fleischlosen Reis
Vergessen ist die Euphorie des Blumenarrangierens, vergessen ist das blitzende Kendo Schwert. Er sitzt schweigend da und meditiert über das vor ihm liegende Schwert. Ich habe zwar nie Kendo gefochten, aber ich kenne einen japanischen Kendo Schüler, der mittlerweile selbst Meister wurde. Früher war er vom fechten begeistert, dann wurde er überzeugt, daß das nur Blödsinn für die Anfänger ist. Jetzt wurde er Philosoph (dieser altgriechische Ausdruck ist natürlich unpassend) und lacht über die Euphorie der Anfänger für das Fechten.
In Wahrheit sind all diese ostasiatischen Sportarten und Künste nur Einfallspforten für die "Philosophie"
Der Köder, um junge Leute zu fangen (Menschen fischen)

Das klösterliche Leben des Mittelalters sieht sehr ostasiatisch aus. Ein Mantel zum Umhängen, geschorenes Haupt, Barfuß im Sommer und Sandalen im Winter
Aus 10 Meter Entfernung von hinten nicht von einem lamaistischen Mönch in Tibet zu unterscheiden !

Neben diesen christlichen Bettelorden bildeten sich dann allerdings auch normale - nicht asketische - Orden, die der Mentalität der Europäer entsprachen, und die asketischen Orden wurden zur Minderheit

Ich denke, daß es eine kleine Minderheit bei den Europäern gibt (unter 1 Prozent), die sich nach derartiger absterbender Spiritualität (unpassendes Wort) sehnen.
Ein halbes Prozent von 100 Millionen ist schon 500.000
Daher die vielen aus Ostasien stammenden Sekten
Die Katholische Kirche hat dieses Marktsegment längst erkannt und einzelne derartige Gruppen gebildet
Diese Gruppen sind in der Regel Jugendgruppen (meist unter 25) und extrem hierarchisch organisiert.
Es sind Kleingruppen (8 Leute) die von einem Anführer spirituell geleitet werden, extrem viel meditieren, sich von der Umwelt abschotten (außer zum wöchentlich stattfindenden Missionieren auf Bahnhöfen und in Fußgängerzonen) und gelegentlich Massenveranstaltungen bilden, wo sich alle Gruppen treffen

Dort wird nicht kritsch diskutiert (dies wird verachtet) und der Papst wird als unfehlbar angesehen.
Psychisch schwache Menschen ohne Selbstwertgefühl lieben diesen Kadavergehorsam
Kadavergehorsam - Wikipedia

Es gibt halt zwei Gruppen von Menschen. Die einen lieben die freie Meinung und die Diskussion (die sie sich von der Universität abgeschaut haben) - die anderen lieben die Geborgenheit der Diktatur

Erstere scheuen den Gruppenzwang und sind Individualisten
Zweitere lieben die Gruppe, den starken Mann da oben (egal ob er Papst, Stalin, Mussolini, Mao, Dalai Lama heißt) und lieben die Uniform (Mao Look und Mönchskutte als Krönung). Dies ist kein Zeichen von Armut, man bedenke die schlichten und eintönigen Schuluniformen von teuren englischen Privatschulen

Eigentlich kann man nicht sagen, wer "Recht hat", de gustibus non disputandum
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#4
Mein Punkt ist schlicht, dass es in der Religion um das Innere geht, wogegen Du in Bezug auf die Unfehlbarkeit das Äußerliche (Entscheidungsfindung) betont hast. Man hat da ja immer die Wahl, ob man das starr Dogmatische oder eben das Praktische oder Tiefergehende betrachtet.

Das kommt bei Deinem Beispiel des asiatischen Do sehr gut zum Ausdruck. Ursprünglich war das Äußerliche (Schwertkampf, Blumenstecken, ...) lediglich ein Mittel, das einem innerlichen Zweck diente, also zu allererst der charakterlichen Formung des Schülers, bis hin zu höheren spirituellen Zielen. 
Dann wurde das v.a. hier im Westen umgedreht, das Innerliche (was ist übriggeblieben?) ist nur noch ein Mittel für den äußerlichen Zweck (Medallien, Gruppensieg, Weltranglistenerster, Geld, Ruhm). Für mich unfassbar, dass das erwachsene Menschen in aller Öffentlichkeit immer und immer wieder tun, dass der FC Bayern jedes Jahr das Tripple holen muss, usw. usf., was für eine hochstilisierte Sinnlosigkeit!

Bin dieses Jahr irgendwie beim Frauentennis hängengeblieben. US-Open Finale, die junge Osaka (man ahnt den Gleichmut, man sieht das konstante Spiel, ein Funke des asiat. Do!) gegen Serena Williams. Letztere hat sich dann mal wieder aufgeführt wie eine Kuh von der Weide von einer Tarantel gestochen, die sie ja eingentlich ein Vorbild für ihre 22 jährige Kontrahentin sein sollte. Und dann schreit es eben wieder zum Himmel, was dieser westliche Ansatz denn eigentlich bringen soll?! Was nützen der 36 jährigen Amerikanerin ihre 86 Mio Preisgeld und unzähligen Karrieretitel, wenn ihre charakterliche Entwicklung offenbar auf der Strecke geblieben ist?? Es ist dieser Verrat am Do, das Ignorieren der Innerlichkeit, mit dem man sich dann auch der Lächerlichkeit preisgibt. Man sieht es leider viel zu oft v.a. beim wenig ruhmreichen Abgang großer Spitzensportler...
Hätten diese Leute einen echten Trainer, und würden sie sich diesem unterordnen, würde ihnen viel erspart. Letztes Beispiel, Sloane Stephens, ein Wahnsinnstalent, aber auch wieder eine hochnäsige Schnepfe, die erst eine einjährige Verletzungspause gebraucht hat, um "weiser" zu werden, wie sie sagte... Weiß auch nicht, wir im Westen brauchen halt immer erst eine Krise, um nur mal den Blick nach Innen zu wenden...

So kommt es dann eben, um auch wieder auf den Gehorsam oder die hierarchische Kirchenstruktur zurückzukommen Icon_wink . Nur Ich Ich, nur mein Ehrgeiz und Eigenwille, ohne Spannung zu einer innerlichen Instanz, wie sie idealerweise ein Meister verkörpert, ist alles nur Schall und Rauch.
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#5
(31-10-2018, 13:34)eddyman schrieb: Was nützen der 36 jährigen Amerikanerin ihre 86 Mio Preisgeld und unzähligen Karrieretitel, wenn ihre charakterliche Entwicklung offenbar auf der Strecke geblieben ist?? Es ist dieser Verrat am Do, das Ignorieren der Innerlichkeit, mit dem man sich dann auch der Lächerlichkeit preisgibt.



86 Mio Dollar oder Euro ?

Egal - es ist ein riesen Vermögen. Für so eine Summe verraten wohl 9999 von zehntausend Menschen ihren Do

Man muß unterscheiden zwischen der originalen japanischen Kunst, die ein Weg (ein Do) der charakterlichen Entwicklung sein soll - und dem kommerzialisierten Wettkampfsport wo ganze Industrien dahinter sind.

Die Japanerin hätte an diesem kommerzialisierten Wettkampf gar nicht teilnehmen dürfen.

Im Übrigen finde ich es pervers, daß irgendwelche Sportler (egal welcher Sportart) ums zehnfache reicher werden können, als ein Arzt in seinem ganzen Leben verdient

Nach meiner Meinung soll die Gesellschaft im Wege demokratisch erzeugter Gesetze derartiges verbieten
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#6
Sportkommerz: Geht nicht hin, seht es euch nicht an und bestellt die Abonnements ab, die davon berichten, dann trocknet der Sumpf aus!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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