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Philosophie des Mythos
#16
(22-09-2017, 20:58)scilla schrieb: Mythen entstehen,
wenn die historisch korrekte Abfolge in Vergessenheit geraten
oder unerwünscht ist

Bei dem unerwünscht hast du recht. Wenn man irgendwas großartiges vollbringt, bekommt man Aufmerksamkeit. Diese ist nicht immer erwünscht. Nicht nur von den Zivilisten des Mythos, sondern manchmal auch vom Helden.
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#17
(04-10-2017, 17:02)scilla schrieb: KERENYI
Vielleicht waren sie in den alten Erzählungen wirklich nur Tauben, die der wilde Jäger wirklich erjagen wollte
...
Eben darum hieß es wohl, daß die Plejaden, die Orion verfolgte, Jagdgefährtinnen der Artemis waren

Vielleicht könntest du beim Zitieren den Mindeststandard (Autor, Werk, Seite) einhalten?

Ich hatte doch angemerkt, dass ich die Geschichte mit den Tauben anders kenne. Und dass für diese Annahme aus πλειάδες (Pleiaden) πελειάδες (Tauben) werden mussten, hat auch Kerenyi angemerkt. Er macht übrigens das, was ich eingefordert hatte. Die verschiedenen Traditionen nebeneinander gleichwertig stehen zu lassen:

Als Mutter der Pleiaden wird Pleione oder Aithra genannt, die 'Helle', die eine wie die andere eine Okeanine. Von den Töchtern hieß es, dass sie eine jungfräuliche Schar der Artemis bildeten und vom wilden Jäger Orion verfolgt wurden, bis Zeus sie in Tauben (peleiades), schließlich aber sowohl Verfolgte als Verfolger in Gestirne verwandelte.
K. Kerenyi. Die Mythologie der Griechen, Bd 1. 2007 München, 24. Aufl., Verl. dtv, S. 129

Sie wurden - nach einer Erzählung nur ein einziges Mädchen, namens Pleione, nach anderen Pleione und ihre Töchter - von Orion durch Böotien verfolgt, fünf oder sieben Jahre lang. Vielleicht waren sie in den alten Erzählungen wirklich nur wilde Tauben (peleiades), die der wilde Jäger wirklich erjagen wollte, zugleich aber auch Göttinnen, wie die Bärin, die mit ihnen und mit Orion an den Himmel kam.
Ebd. S. 159

(04-10-2017, 17:02)scilla schrieb: griechisch peleiades (Tauben) ist nah an Plejaden

Das ist eine von vielen Möglichkeiten. Weitere denkbare Etyma sind: wie schon erwähnt πλέειν, schiffen ; πλείονες, weil sie mehrere sind; πλησίον, weil sie nahe beieinander stehen;  πολεῖν, weil sie sich wenden und drehen.

Naheliegender ist, dass sie nach ihrer Mutter Pleione benannt sind.

(04-10-2017, 17:02)scilla schrieb: griechisch hys (Schwein) ist nah an Hyaden

Dass man das erst in römischer Zeit in Erwägung gezogen hat, hatte ich schon berichtet. Ich jedenfalls halte die konventionelle Deutung, nach der die um ihren Bruder trauernden Schwestern nach diesem benannt sind, für einleuchtend.

Die Hyaden von ὗς (Sau) herzuführen und aus ihnen Ferkel werden zu lassen, hat jedenfalls den Mangel, dass im Griechischen in der Regel χοῖρος  steht, wenn 'Ferkel' gemeint ist.

(04-10-2017, 17:02)scilla schrieb: ein Komet hat die Herrschaft von Helios/Phaeton beendet

Lukians Version (Göttergespräche) hat höheren Unterhaltungswert:

XXV. Phaëthon
JUPITER: Was hast du da gemacht, du Heillosester aller Titanen? Die ganze Erde ist beinahe darüber zugrunde gegangen, dass du deinen Wagen einem unbesonnenen Knaben anvertraut hast, die eine Hälfte hat er verbrannt, weil er ihr zu nahe kam, und die andere musste vor Frost verderben, weil er sich zu weit von ihr entfernte: kurz, er hat alles in die äußerste Zerrüttung und Verwirrung gesetzt, und hätte ich nicht noch in Zeiten wahrgenommen, was vorging und ihn mit meinem Donnerkeil vom Wagen heruntergeschmissen, es würde vom ganzen Menschengeschlecht nicht ein Gebein mehr übrig sein; so einem sauberen Kutscher hast du deinen Wagen zu führen gegeben!

HELIOS: Ich habe gefehlt, Jupiter; aber zürne nicht so sehr, dass ich den inständigen Bitten eines Sohnes nachgegeben habe! Wie konnte ich mir vorstellen, dass ein solches Unglück daraus entstehen würde?

Usw.

(04-10-2017, 17:02)scilla schrieb: die griechische Mythologie ist (bis auf PARMENIDES) orphisch und später platonisch
(die Orphiker/Platoniker waren frauenfeindliche Männer, welche die Geschichte/Philosophie umgeschrieben haben)

hier und da finden sich jedoch in ihren Gesängen Spuren von dem,
was 3000, 4000, 5000 vor Christi passiert ist/gedacht wurde

Ich halte diese Annahme für unsinnig und wünsche viel Glück beim Auffinden von Spuren von Dingen, die vor 7000 Jahren passiert sind bzw. gedacht wurden.
MfG B.
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#18
(04-10-2017, 17:21)scilla schrieb: die Theorien stammen meist von (früheren) Professoren
meine Theorie ist genauso gut, also ...

Ist sie das? Es ist ja nett, wenn Du auf Deine Theorie stolz bist; die Bewertung uebernehmen aber wohl andere.

(04-10-2017, 17:21)scilla schrieb:
Zitat:Sie hatte keine Funktion in der Religion, und es gibt keinerlei Grund, so etwas anzunehmen

schaue Dir zur Sicherheit die Liste aus Beitrag 1 noch mal an
  • Wiederbewaldung (Plejaden = Sträucher)
  • Überflutung
  • Verschwinden der Jäger & Sammler (Plejaden = Tauben)
  • Konflikt zwischen Bauern und Hirten
  • Alkohol
  • Metallurgie (Pleione ist älter als Helios)
  • Züchtung
  • Nautik (Plejaden = Himmelskompass)
  • Mondkalender (Plejaden = Menstruation)
  • Sonnenkalender
  • Sternbilder (Plejaden = Siebengestirn)
  • Indogermanen
  • Aufkommen von Adel und Militär
  • ...

Ueber die reden wir doch die ganze Zeit. Du benutzt die Pleiaden als Lueckenbuesser an allen moeglichen Stellen Deiner Liste. Auch wenn ich bezweifele, dass sie historisch fuer auch nur irgendetwas hergehalten haben, ausser als Himmelskompass, und annehme, dass der Rest lediglich Geschichten von Dichtern sind, die in den Himmel schauten, wuerde ich es generell ablehnen, wenn solche Figuren gleich zur Erklaerung von mehreren ganz unterschiedlichen Stationen der Menschheitsgeschichte missbraucht werden. Zumindest solltest Du mir mal erklaeren, wie so etwas vonstattengegangen sein sollte.

Und dass Pleione (eine Gestalt, die in der Religion keine Rolle spielte) aelter ist als Helios, ist vollkommen ausgeschlossen, wie ich bereits angemerkt habe. "Helios" ist kein Eigenname. "Helios" ist das griechische Wort fuer "Sonne" und hat dieselbe Wurzel wie in fast allen indogermanischen Sprachen. Und die Sonne (ob indogermanisch oder nicht) spielt wohl schon laenger eine Rolle in der Gedankenwelt der Voelker als diese Nebenfigur, die keinerlei andere, erkennbare Rolle spielt als als Lueckenbuesser in einer ausgedachten Genealogie.

Die Geschichte von Orion und den Pleiaden hat alle Anzeichen davon, dass sie sekundaer ist. Es ist schlicht der poetische Ausdruck dessen, was am Himmel passiert, wo Orion sie "jagt", also ihnen scheinbar folgt. Ihr "Untergang" im Morgengrauen von Oktober/November kennzeichnet das Ende der Schiffahrtssaison. Wo siehst Du da Geschichte? Es ist, ganz im Gegenteil, genau das, was Du als mythologisches Prinzip selbst vertrittst: der Mythos kehrt tatsaechliche Vorgaenge um. Hier wird aus der Sternenbeobachtung eine Geschichte gesponnen, wobei dann, als Umkehrung, in der Geschichte dieselbe wieder an den Himmel gesetzt wird.
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#19
(04-10-2017, 23:06)Ulan schrieb: Und dass Pleione (eine Gestalt, die in der Religion keine Rolle spielte) aelter ist als Helios, ist vollkommen ausgeschlossen, wie ich bereits angemerkt habe.

Du hast keinen grünen Daumen
und Du hast DIch noch nicht gefragt, warum Knaben beschnitten werden


Zitat:Es ist ja nett, wenn Du auf Deine Theorie stolz bist; die Bewertung uebernehmen aber wohl andere.

der nächsten Generation ist komplett egal,
welchen Erfolg ein Text zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung hatte

es hat ja bereits ein Professor von mir kopiert


Zitat:Zumindest solltest Du mir mal erklaeren, wie so etwas vonstattengegangen sein sollte.

man nehme eine Buch
und lese nach, wie sich die Bedeutung desselben Begriffes im Laufe der Zeit verändert hat

alternativ schlage man in einen etymologischen Wörterbuch nach,
um zu sehen, wie die Wörter zu ihren Bedeutungen kamen

da also die Sprache ihre Entstehungsgeschichte konserviert hat,
kann man bspw. mittels der deutschen Sprache das Denken der Germanen zur Landnahmezeit rekonstruieren,
obwohl es keine schriftlichen Zeugnisse von damals gibt,
die nicht missionarisch verfälscht sind

darüber hinaus sollte es auch möglich sein,
solche Aussagen über das Denken zu machen,
die mit der modernen Sprache nicht mehr möglich sind

Bion schrieb:und wünsche viel Glück beim Auffinden von Spuren von Dingen, die vor 7000 Jahren passiert sind bzw. gedacht wurden.


die Geographen sind eben gut
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#20
(06-10-2017, 13:38)scilla schrieb:
(04-10-2017, 23:06)Ulan schrieb: Und dass Pleione (eine Gestalt, die in der Religion keine Rolle spielte) aelter ist als Helios, ist vollkommen ausgeschlossen, wie ich bereits angemerkt habe.

Du hast keinen grünen Daumen
und Du hast DIch noch nicht gefragt, warum Knaben beschnitten werden

Helios ist bereits proto-indoeuropaeisch. Der Rest ist an dieser Stelle irrelevant.

Woran dieser ganze Thread krankt, ist, dass Du unfaehig oder unwillig bist, einen Gedanken ordentlich zu entwickeln.

(06-10-2017, 13:38)scilla schrieb: der nächsten Generation ist komplett egal,
welchen Erfolg ein Text zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung hatte

es hat ja bereits ein Professor von mir kopiert

Und? Wer soll das sein? Der Einzige, der mir hier einfallen wuerde, der aehnliche Theorien unermuedlich verbreitet, waere Harald Haarmann. Aufgrund seiner linguistischen Grundausbildung scheint er sich in diese Richtung eingeschossen zu haben, und er ist "Archaeomythologe". Obwohl publizistisch sehr erfolgreich, da er anscheinend den Nerv der Zeit trifft, sieht die Fachwelt ihn eher kritisch, da er die archaeologischen Daten falsch darstellt.

(06-10-2017, 13:38)scilla schrieb:
Zitat:Zumindest solltest Du mir mal erklaeren, wie so etwas vonstattengegangen sein sollte.

man nehme eine Buch
und lese nach...

darüber hinaus sollte es auch möglich sein,
solche Aussagen über das Denken zu machen,
die mit der modernen Sprache nicht mehr möglich sind

Aber selbst bist Du zu faul, das irgendwie aufzudroeseln? Tut mir leid, aber da gibt es viele Buecher, und oft mit vielen verschiedenen Etymologien (siehe Bions Anmerkungen zu "Pleiaden"). Da musst Du schon spezifizieren, wie das genau vonstattengehen soll, wie ich anmerkte. Mit Allgemeinplaetzen entwickelt man keinen Gedanken.

(06-10-2017, 13:38)scilla schrieb: die Geographen sind eben gut

Fragt sich nur, fuer was, wenn sie nicht mal ihre eigenen Thesen vernuenftig darzustellen in der Lage sind.
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#21
Zitat:1) Helios ist bereits proto-indoeuropaeisch. Der Rest ist an dieser Stelle irrelevant.

2) Woran dieser ganze Thread krankt, ist, dass Du unfaehig oder unwillig bist, einen Gedanken ordentlich zu entwickeln.

das ist zweimal wirres Zeug

zu 1)
proto-indoeuropäisch waren zunächst mal die Bauern in der Jungsteinzeit
und die haben sich sicher am Mond orientiert
(das tun die Bauern bis heute)

für die proto-indoeuropäischen Jäger war der Mond ebenfalls interessiert,
weil der nachts so gut leuchtet

nur bei den Hirten sehe ich keinen zwingenden Nutzen durch die Mondperiode
(die Hirten waren aber auch nicht proto-indoeuropäisch, sondern die Indogermanen selbst)


zu 2)
dafür, daß man mich scheinbar nicht verstehen kann,
ist Dein Widerspruch gegen meine Theorien auffallend heftig


Zitat:Und? Wer soll das sein?

der spekulative Realismus stammt wahrscheinlich von mir

Zitat:Da musst Du schon spezifizieren, wie das genau vonstattengehen soll,

methodisch habe ich das doch schon längst getan
(spekulativer Realismus)

Zitat:Fragt sich nur, fuer was, wenn sie nicht mal ihre eigenen Thesen vernuenftig darzustellen in der Lage sind.

was hat Dich geritten, den Sonnengott als ursprünglich anzunehmen?

die Himmelsscheibe von Nebra beweist doch das Gegenteil


Zitat:https://de.wikipedia.org/wiki/Himmelsscheibe_von_Nebra

  1. Erster Zustand: links der Vollmond, rechts der zunehmende Mond, oberhalb dazwischen die Plejaden
  2. Zweiter Zustand: Ergänzung um die Horizontbogen für Sonnenauf- und untergang. Einzelne Sterne wurden versetzt bzw. überdeckt.
  3. Dritter Zustand: Ergänzung um die Sonnenbarke.
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#22
(06-10-2017, 19:25)scilla schrieb:
Zitat:1) Helios ist bereits proto-indoeuropaeisch. Der Rest ist an dieser Stelle irrelevant.

2) Woran dieser ganze Thread krankt, ist, dass Du unfaehig oder unwillig bist, einen Gedanken ordentlich zu entwickeln.

das ist zweimal wirres Zeug

zu 1)
proto-indoeuropäisch waren zunächst mal die Bauern in der Jungsteinzeit
und die haben sich sicher am Mond orientiert
(das tun die Bauern bis heute)

für die proto-indoeuropäischen Jäger war der Mond ebenfalls interessiert,
weil der nachts so gut leuchtet

nur bei den Hirten sehe ich keinen zwingenden Nutzen durch die Mondperiode
(die Hirten waren aber auch nicht proto-indoeuropäisch, sondern die Indogermanen selbst)

Ah, sind wir mal wieder in der "wenn wir das eigentliche Argument wegschneiden, koennen wir so tun, als waere es nicht gekommen"-Phase? Ich wiederhole es Dir gerne noch ein drittes Mal: bei Helios haben wir es nicht mit einem Eigennamen zu tun, wie es bei einem Sonnengott Apollon der Fall waere, sondern mit dem etymologisch aus dem Proto-Indoeuropaeischen stammenden Wort fuer den Himmelskoerper, also genau wie das deutsche Wort "Sonne" selbst. Du benutzt Etymologie also auch nur dann, wenn sie Dir in den Kram passt, und ignorierst sie, wenn sie Dir widerspricht.

Deine Argumentation bezueglich Bauern, Jaegern und Hirten ist auch am Problem vorbei. Auch Hirten muessen gerade nachts auf das Vieh aufpassen. Ausgesprochene Mondkulte sind deshalb gerade eben auch bei reinen Hirtenkulturen zu finden (z.B. in Arabien). Die eigentlichen Unterschiede bestehen eher klimatisch-geographisch und betreffen die Anknuepfung der Monate an das solare Jahr.

(06-10-2017, 19:25)scilla schrieb: zu 2)
dafür, daß man mich scheinbar nicht verstehen kann,
ist Dein Widerspruch gegen meine Theorien auffallend heftig

Nee, gerade so wird ein Schuh daraus. Wenn Du Theorien nicht ordentlich entwickelst, also keine guten Begruendungen fuer Deine Aussagen lieferst, faellt es relativ leicht, diese zu verwerfen, wenn man dazu widersprechende Informationen zur Hand hat.


(06-10-2017, 19:25)scilla schrieb: der spekulative Realismus stammt wahrscheinlich von mir
...

methodisch habe ich das doch schon längst getan
(spekulativer Realismus)

Egal welcher Methode Du Dich bedienst, die Last einer ordentlichen Begruendung von Aussagen liegt immer noch bei Dir.

(06-10-2017, 19:25)scilla schrieb: was hat Dich geritten, den Sonnengott als ursprünglich anzunehmen?

die Himmelsscheibe von Nebra beweist doch das Gegenteil

Zitat:https://de.wikipedia.org/wiki/Himmelsscheibe_von_Nebra

  1. Erster Zustand: links der Vollmond, rechts der zunehmende Mond, oberhalb dazwischen die Plejaden
  2. Zweiter Zustand: Ergänzung um die Horizontbogen für Sonnenauf- und untergang. Einzelne Sterne wurden versetzt bzw. überdeckt.
  3. Dritter Zustand: Ergänzung um die Sonnenbarke.

Das ist mal wieder so ein typisches Beispiel, wie Du hier argumentierst. Sagt diese Scheibe irgendetwas ueber Religion aus? Woraus schliesst Du das? Ich weiss, dass es Leute gibt, die so argumentieren (ein paar Beispiele stehen ja auch im Wikipedia-Artikel), aber das ist wieder so ein typisches Beispiel von Ueberinterpretation. Das Objekt selbst wurde wohl wertgeschaetzt. Nur, sieht so eine Gottesabbildung aus? Dafuer sind darauf viel zu viele Elemente, selbst urspruenglich. Auch wenn die direkte Sonnenbeobachtung hier sekundaer ist, so liegt das wohl daran, dass sie tatsaechlich etwas schwieriger druchfuehrbar ist als naechtliche Beobachtungen, die hier den urspruenglichen Zustand der Scheibe dominieren. Nur, bei beiden Elementen geht es doch um genau dieselbe Fragestellung, die die Scheibe tangiert: wenn wir die runde Scheibe als Vollmond interpretieren (mal ausser Acht lassend, dass sie auch als Sonne interpretiert wird), dann geht es auch hier um die Bestimmung von Fruehlings- und Herbstanfang, also um eine Art Synchronisation mit dem Sonnenjahr.

Bei den meisten Lunarkalendern, wenn sie nicht sowieso schon von vorneherein lunisolare Kalender (wie z.B. der juedische Kalender) darstellen, findet irgendeine Anpassung an das solare Jahr statt. Auch der roemische Lunarkalender wurde alle paar Jahre durch Schaltmonate angepasst, auch wenn das relativ willkuerlich und nicht nach festgelegten Regeln passierte. Lunarkalender, die einfach durch das Sonnenjahr "rollen", wie der islamische Kalender, sind nur in Gegenden vonnutzen, wo sich ueber das (Sonnen-)jahr nicht viel aendert. Zumindest hatten auch die uns noch bekannten keltischen oder germanischen Kalender, auch wenn sie mondbasiert waren, verschiedenste Anpassungsmechanismen an das Sonnenjahr.

All das zeigt uns, dass wir hier nicht vorschnell irgendwelche Schluesse in Richtung Religion ziehen koennen. Gerade bei Gegenstaenden wie der Scheibe von Nebra, die wohl jahreszeitliche Himmelsbeobachtungen darstellt, sieht man zwar einen praktischen Nutzen, der vielleicht auch von irgendwelchen Wuerdentraegern prestigetraechtig ausgenutzt wurde; nur wer oder was da verehrt wurde, oder ob ueberhaupt irgendetwas verehrt wurde, ist dabei nicht erkenntlich. Das einzige, was man hier schliessen kann, ist, dass wir es wohl mit einer hierarchischen Gesellschaft zu tun hatten, in der einige Leute eine herausragende Position hatten.
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#23
Ulan,
die Sonne dürfte schon immer benannt worden sein

daraus zu folgern,
daß der Sonnengott älter als die Mondgöttin ist,
überzeugt nicht,
weil auch der Mond schon immer benannt worden sein dürfte

Dein Standpunkt,
daß in der Jungsteinzeit der Sonnengott wichtiger als die Mondgöttin war,
widerspricht vielmehr
  • der gleichzeitigen Menstruation der Frauen in den Langhäusern
  • dem Keimverhalten von Samen
  • dem anfänglichen Fehlen der Sonne auf der Himmelscheibe von Nebra
das sind harte Fakten

Zitat:Auch wenn die direkte Sonnenbeobachtung hier sekundaer ist, so liegt das wohl daran, dass sie tatsaechlich etwas schwieriger druchfuehrbar ist als naechtliche Beobachtungen, die hier den urspruenglichen Zustand der Scheibe dominieren.

der zweite Zustand ergänzt die Himmelscheibe doch nur um die beiden Horizontpunkte,
welche morgens und abends auch mit dem bloßen Auge zu sehen sind

erst der dritte Zustand ergänzt die Himmelscheibe um ein Symbol,
welches auf einen mythologischen Zusammenhang verweist,
den es früher so wohl nicht gegeben hat


Zitat:Das Sonnenschiff ist ein häufiges Motiv der Ikonografie der Nordischen Bronzezeit. Schiffe sind neben Pferd und Sonne die am häufigsten auftretenden Symbole. ... Es stellt, je nach seiner Ausrichtung, die Fahrt der Sonne am Tag (von links nach rechts) am Himmel oder in der Nacht (von rechts nach links) durch die Unterwelt dar. In einigen Darstellungen wechselt sich das Sonnenschiff mit dem Pferd oder anderen Tieren wie der Schlange oder dem Fisch ab und bekommt von diesen die Sonne übergeben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenschiff

Helios/Phaeton (ein Pferdegespann statt einem Schiff) gehören zu diesem dritten Zustand,
aber sicher nicht zum ersten oder zum zweiten
(allein schon die Pferde beweisen das, denn die kamen mit den Indogermanen aus der Steppe nach Europa)
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#24
(08-10-2017, 17:19)scilla schrieb: Ulan,
die Sonne dürfte schon immer benannt worden sein

daraus zu folgern,
daß der Sonnengott älter als die Mondgöttin ist,
überzeugt nicht,
weil auch der Mond schon immer benannt worden sein dürfte

Eben. Als die Menschheit dazu ueberging, Himmelskoerper zu vergoettlichen, gibt es keinen wie auch immer gearteten Grund, anzunehmen, dass zwar der Mond vergoettlicht wurde, die Sonne aber nicht. Das passierte wohl gleichzeitig.

(08-10-2017, 17:19)scilla schrieb: Dein Standpunkt,
daß in der Jungsteinzeit der Sonnengott wichtiger als die Mondgöttin war,
widerspricht vielmehr
  • der gleichzeitigen Menstruation der Frauen in den Langhäusern
  • dem Keimverhalten von Samen
  • dem anfänglichen Fehlen der Sonne auf der Himmelscheibe von Nebra
das sind harte Fakten

Nicht wirklich. Wie gesagt, jahreszeitliche Bestimmung war halt am Nachthimmel einfacher, da der Mond vor dem Sternenhimmel sichtbar ist, waehrend die exakte Bestimmung der Sonnenposition einen zu dem Zeitpunkt, wenn die Sonne sichtbar ist, nicht oder halt kaum sichtbaren Sternenhimmel voraussetzt. Das alles sagt nichts ueber die Wichtigkeit eines eventuellen Mond- oder Sonnengottes aus. Es ist ja nicht mal das Geschlecht sicher; die aeltere Geschlechterverteilung war oft auch weiblich fuer die Sonne und maennlich fuer den Mond, wie im Proto-Indoeuropaeischen oder Deutschen heute noch. Auch sonst sind maennliche Mondgoetter haeufig auf der Welt anzutreffen. Es sind gerade uebrigens die maennlichen Mondgoetter, von denen wir tatsaechlich manchmal herausragende Positionen ueberliefert haben (wie bei den Sumerern oder den semitischen Voelkern).

Bei der Himmelsscheibe von Nebra ist ja nicht mal sicher, ob die runde Scheibe nicht doch die Sonne darstellt. So weit zu "harten Fakten".

(08-10-2017, 17:19)scilla schrieb:
Zitat:Auch wenn die direkte Sonnenbeobachtung hier sekundaer ist, so liegt das wohl daran, dass sie tatsaechlich etwas schwieriger druchfuehrbar ist als naechtliche Beobachtungen, die hier den urspruenglichen Zustand der Scheibe dominieren.

der zweite Zustand ergänzt die Himmelscheibe doch nur um die beiden Horizontpunkte,
welche morgens und abends auch mit dem bloßen Auge zu sehen sind

Es geht um die Horizontpunkte des Sonnenuntergangs, also eine direkte Sonnenbeobachtung, und um eine Winkelmessung. Dass man die Sonne beim Untergang mit dem blossen Auge sieht soll was ausdruecken? Womit sollte man denn sonst gucken damals?

(08-10-2017, 17:19)scilla schrieb: erst der dritte Zustand ergänzt die Himmelscheibe um ein Symbol,
welches auf einen mythologischen Zusammenhang verweist,
den es früher so wohl nicht gegeben hat

Nun, von mythischen Zusammenhaengen wissen wir hier halt sowieso ueberhaupt nichts. Das ist alles reine Spekulation. Was Du hier aber korrekt darstellst, ist, dass erst ab diesem Punkt ueberhaupt ein kultischer Zweck fuer die Scheibe erkennbar wird.
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#25
Zitat:gibt es keinen wie auch immer gearteten Grund, anzunehmen, dass zwar der Mond vergoettlicht wurde, die Sonne aber nicht. Das passierte wohl gleichzeitig.

die Jahreszeitenfeste gegen doch allesamt in Richtung Fruchtbarkeitskult
(Tod/Neugeburt, Gerammle, Tanz, Erntedank)

Du müsstest jetzt irgendwelche kultischen Praktiken aufzählen,
die typisch für einen Sonnengott sind


Zitat:So weit zu "harten Fakten".

1) Menstruation
2) Keimung
3) Himmelsscheibe

4) auch die Astrologie beißt sich mit der Sonne,
denn dort interessieren die Planeten
(die Astronomie ist sehr viel später erfunden worden)

5) auch die Auguren haben sich eher die Vögel oder den Wind angeschaut
als die Sonne

Zitat:Dass man die Sonne beim Untergang mit dem blossen Auge sieht soll was ausdruecken?

die Sonne geht nur im Frühjahr und im Herbst im Osten auf und im Westen unter,
im Sommer dagegen eher im NO bzw. im NW
und im Winter eher im SO bzw. SW

wenn man über das Jahr hinweg an derselben Stelle steht,
kann man daran,
wo die Sonnenbahn den Horizont schneidet,
ermessen,
in welcher Jahreszeit man sich befindet



Zitat:ob die runde Scheibe nicht doch die Sonne darstellt.


das ist deshalb unwahrscheinlich,
weil das naheliegendste diagnostische Etwas der Sonne
erst später angebracht wurde

das naheliegenste diagnostische Etwas des Mondes (Vollmond, Neumond, Sichel)
ist jedoch von Anfang an vorhanden
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#26
Bei Frauen, die eng zusammen leben, gleicht sich der Menstruationszyklus an, das stimmt wohl.
Das ist aber auch heute noch so, auch ohne Mondgott / Sonnengott. Das wird wohl auch schon vor der Jungsteinzeit und ohne Langhäuser so gewesen sein, sofern Frauen eng zusammengelebt haben.
Als Mann hat man dazu womöglich keinen Bezug und weiß so was nicht.
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#27
(09-10-2017, 16:07)Hase schrieb: Bei Frauen, die eng zusammen leben, gleicht sich der Menstruationszyklus an, das stimmt wohl.
Das ist aber auch heute noch so, auch ohne Mondgott / Sonnengott und Langhäuser.
Als Mann hat man dazu womöglich keinen Bezug und weiß so was nicht.

Eben. Deshalb kann man also nicht, wie scilla das tut, dies als "Nachweis" fuer seine These heranziehen.
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#28
ok.

Die Argumentation hier in diesem Thread trifft nicht so ganz meine Wellenlänge, aber solang Ihr da Spaß dran habt. Icon_lol
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#29
(09-10-2017, 13:50)scilla schrieb:
Zitat:gibt es keinen wie auch immer gearteten Grund, anzunehmen, dass zwar der Mond vergoettlicht wurde, die Sonne aber nicht. Das passierte wohl gleichzeitig.

die Jahreszeitenfeste gegen doch allesamt in Richtung Fruchtbarkeitskult
(Tod/Neugeburt, Gerammle, Tanz, Erntedank)

Du müsstest jetzt irgendwelche kultischen Praktiken aufzählen,
die typisch für einen Sonnengott sind

Deine Aufzaehlung passt exakt so auch fuer Sonnenkulte oder andere Kulte, die rein gar nichts mit Himmelskoerpern zu tun haben. Daran scheitert Deine Hypothese ja eben gerade.

(09-10-2017, 13:50)scilla schrieb: 1) Menstruation
2) Keimung
3) Himmelsscheibe

1) Das ist der einzige Punkt, der hier irgendein Gewicht hat, da das tatsaechlich ein Monat ist.
2) Geht genau so gut mit Sonnenbezug.
3) Betrifft ebenfalls nicht den Monat sondern das Jahr und enthaelt, wie gesagt, eventuell sogar in der 1. Phase eine Sonnenabbildung.

(09-10-2017, 13:50)scilla schrieb: 4) auch die Astrologie beißt sich mit der Sonne,
denn dort interessieren die Planeten
(die Astronomie ist sehr viel später erfunden worden)

Was soll das jetzt heissen? Sonne und Mond zaehlen astrologisch beide unter die Planeten, ja. Das ist fuer unsere Betrachtung hier aber irrelevant, da die Sonne ganz klar schon weit frueher in der Menschheitsgeschichte eine Rolle im Kult gespielt hat.

(09-10-2017, 13:50)scilla schrieb: 5) auch die Auguren haben sich eher die Vögel oder den Wind angeschaut
als die Sonne

Und das sagt uns jetzt was? Mit dem Mond hat das auch nichts zu tun.

(09-10-2017, 13:50)scilla schrieb:
Zitat:Dass man die Sonne beim Untergang mit dem blossen Auge sieht soll was ausdruecken?

die Sonne geht nur im Frühjahr und im Herbst im Osten auf und im Westen unter, im Sommer dagegen eher im NO bzw. im NW und im Winter eher im SO bzw. SW

wenn man über das Jahr hinweg an derselben Stelle steht, kann man daran, wo die Sonnenbahn den Horizont schneidet, ermessen, in welcher Jahreszeit man sich befindet.

Das kann man auch einfach dadurch, dass man die Taglaenge beobachtet oder die Temperaturen. Um solche Grobabschaetzungen geht es doch gar nicht. Sowohl die Mond/Pleiaden-Hypothese fuer Phase 1 der Scheibe als auch die Sonnenbeobachtungsthese fuer Phase 2 wollen etwas anderes: die exakte Bestimmung eines Datums im Jahr. Die Mondkonjunktion mit den Pleiaden ist auf sechs Tage genau fuer einen "Fruehlings"- und einen Herbst-Punkt und braucht keine weiteren Hilfsmittel. Die Bestimmung der Sonnenwenden aber, wie fuer Phase 2 der Scheibe von Nebra postuliert, braucht eine exakte Sonnenpositionsbestimmung, die ohne Hilfsmittel recht schwierig ist, da die Sonnenposition sich um den Sonnenwendpunkt herum nur noch sehr wenig bewegt. Das sieht man ja auch bei anderen Sonnenpositionsbestimmungen, wie z.B. der von Newgrange (um 3200 v.Chr.), die eine Bestimmung der Wintersonnenwende auf den Tag genau ermoeglicht, und dies mit erheblichem Bauaufwand. Newgrange zeigt ueberigens die Wichtigkeit der Sonnenbeobachtung (und wohl auch eines mit der Sonne verbundenen Kultes) zu einem Zeitpunkt, der weit vor der Himmelsscheibe von Nebra liegt.

(09-10-2017, 13:50)scilla schrieb:
Zitat:ob die runde Scheibe nicht doch die Sonne darstellt.

das ist deshalb unwahrscheinlich, weil das naheliegendste diagnostische Etwas der Sonne erst später angebracht wurde

das naheliegenste diagnostische Etwas des Mondes (Vollmond, Neumond, Sichel) ist jedoch von Anfang an vorhanden

Das ist nicht ueberzeugend. Die Theorie fuer die meisten Sterne auf der Scheibe besagt ja immer noch, dass sie lediglich Verzierungen darstellen. Und ob das in der ersten Phase nun Sonne oder Vollmond ist, ist nicht entscheidbar.

Die These der Abfolge Mondkult -> Sonnenkult erscheint mir mit Blick auf die Befundlage nicht haltbar.
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#30
(09-10-2017, 16:18)Hase schrieb: ok.

Die Argumentation hier in diesem Thread trifft nicht so ganz meine Wellenlänge, aber solang Ihr da Spaß dran habt. Icon_lol

Ich weiss jetzt nicht, was Du meinst? Dass Frauen, die in einem Haushalt zusammenleben, dazu tendieren, ihre Menstruationszyklen zu synchronisieren, gehoert doch mehr oder weniger zur Allgemeinbildung? Mir geht es hier um die ganze Argumentation, die hinter der Hauptthese dieses Threads steckt: dies ist ein riesiger Zirkelschluss. Das wurde ja schon der urspruenglichen Theorie von Marija Gimbutas vorgeworfen: sie ist durch nichts gedeckt, sondern im Gegenteil, wird durch archaeologische Befunde oft genug widerlegt.
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