Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Eure Fragen zu den Bahá'í
#1
Question 
Liebe Foren-Community,

ich bin grad neu dazugestoßen und wollte gleich vorweg schon einmal anbieten, dass ich gerne für alle Fragen bezüglich der Bahá'í-Religion ansprechbar bin, dalls welche auftauchen sollten. Ich weiß ja nicht, wie viele Bahá'í hier im Forum unterwegs sind und wie aktiv die sind, ich jedenfalls habe vor, mich hier längerfristig einzurichten, und bin absolut schmerzbefreit, was (kritische) Fragen angeht Icon_wink

Liebe Grüße vom Neuling
Sören
Zitieren
#2
Hallo Sören,
ich weiß mehr oder weniger überhaupt nichts über die Bahá'í-Religion, wünsche Dir aber dennoch eine angenehme Zeit hier im Forum.
beste Grüße
Hase
Zitieren
#3
Hallo Sören, herzlich willkommen! Bahá'í-Anhaenger gibt es hier wohl derzeit ausser Dir keine, aber vielleicht ergeben sich ja trotzdem interessante Gespraeche.

Beste Gruesse, Ulan
Zitieren
#4
Hallo Sören,
auch von mir ein herzliches Willkommen!
Wir hatten uns durchaus schon mal mit den Bahà´i befasst. Nur seither bis heute gab es keine ernsthaften Interessenten mehr.

Du kannst ja mal mit folgenden, Links anfangen:
Grundsatzbeitrag, Thread (Link!)
Lexikonbeitrag (Link!)
Vielleicht gibt es Ergänzungen?!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Zitieren
#5
(05-09-2017, 00:02)Hase schrieb: ich weiß mehr oder weniger überhaupt nichts über die Bahá'í-Religion, wünsche Dir aber dennoch eine angenehme Zeit hier im Forum.

Das ist glaube ich die Besonderheit der Baha'i - keiner kennt sie, aber sie expandieren :)
Zitieren
#6
(04-09-2017, 23:52)Sören schrieb: ich bin grad neu dazugestoßen und wollte gleich vorweg schon einmal anbieten, dass ich gerne für alle Fragen bezüglich der Bahá'í-Religion ansprechbar bin, dalls welche auftauchen sollten. Ich weiß ja nicht, wie viele Bahá'í hier im Forum unterwegs sind und wie aktiv die sind, ich jedenfalls habe vor, mich hier längerfristig einzurichten, und bin absolut schmerzbefreit, was (kritische) Fragen angeht Icon_wink

Ok, dann stelle ich mal einige Fragen, die mich interessieren:

Wieso kritisieren Bahai die Vorstellung der einzelnen Religionen, dass die jeweilige Religion den letzten Propheten kennt und danach nichts mehr kommt, während sie selbst behaupten, Baha'u'llah wäre der letzte Prophet in einem bestimmten Zeitabschnitt. Die Historie hat doch gezeigt, dass Gott immer einen neuen Propheten schickt und meistens anders als die Erwartungen der jeweiligen Religion. Wenn in 500 Jahren ein neuer Prophet kommt, würden die Bahai ihn genauso ablehnen wie das Judentum Jesu, das Christentum Mohammed und der Islam den Baha'u'llah.

Wie kommt es, dass die Bahai Religion den Eindruck erweckt, dass sie eigentlich in allen Religionen Eine Religion sehen, eben nur zeit- und kulturbedingt anders geformt, gleichzeitig aber für die administrativen Rechte verlangt, dass jemand aus seiner alten Religion austritt. Damit zeigt sich auch hier das "meine Wahrheit vs. deine Wahrheit" Denken. Wenn Bahai wirklich überzeugt davon sind, dass alle Religionen Religionen des einen Gottes sind, stellt sich die Notwendigkeit eines Austritts gar nicht.

Wieso weichen in manchen Bahai-Videos zum langen Pflichtgebet die Gesten von den Beschreibungen ab, die man zum langen Pflichtgebet findet; wurden die Gesten nicht vom Religionsstifter eindeutig offenbart?

Nimmt die Bahai Religion das Selbstverständnis der anderen Religionen als solches an oder strickt sie einen eigenen Mythos zu diesen Religionen, um eine eigene Historie zu konstruieren? Ich denke da nur an die armseligen Versuche seitens des Islam, das Christentum völlig umzudeuten, mit etlichen theologischen Fehlern im Hinblick auf die Dreifaltigkeit. Die Frage ist also: nimmt das Bahaitum die anderen Religionen an oder bastelt es seinen eigenen Mythos über die Religionen?

Wieso haben Bahais die gleichen Probleme mit Homosexuellen wie jede andere Religion, während viele Bahais gleichzeitig die Einführung der sog. "Homo Ehe" gefeiert haben? Wäre es nicht sinnvoll, auch weil Bahai immer Wissenschaft und Glaube in Einklang bringen wollen, die rigide Untersagung der Homosexualität abzuschaffen? Damit meine ich jetzt nicht, dass Homosexualität hinreichend erforscht ist, aber zumindest ist es wissenschaftlicher Konsens, dass jemand, der seine Sexualität unterdrückt, damit seiner Psyche nicht langfristig etwas Gutes tut.

Wieso sind in einer Religion, die sich der Gleichberechtigung von Mann und Frau verschrieben hat, nur Männer im Leitungsorgan? Das wäre doch der Ort, wo gezeigt werden könnte, dass man Gleichberechtigung wirklich lebt.

Mir scheint, die Bahai Religion war in dieser Form ein Befreiungsschlag von alten religiösen Denkmustern im islamisch geprägten Iran, ähnlich wie das Christentum das für das Judentum war, aber letztlich ist es dann doch in diesem Denken noch verblieben. Man könnte also meinen: so wie Jesus kam, um Nord- und Südreich Israel zu verbinden und die Gottesbeziehung in den Mittelpunkt zu rücken, kam für die Schiiten der Baha'u'llah, um viele Zwänge des Islam aufzuheben - dennoch sind die Bahai darin noch verwurzelt. Es fehlt also quasi ein Prophet für alle Menschen, der eben nicht in diesem Kontext steht. Der kann aber lt. Bahai Auffassung nicht kommen, weil die 1000 Jahre noch nicht rum sind. Verrückt, oder?
Zitieren
#7
Ich habe dazu auch noch Ergänzungsfragen:

Bei Wikipedia steht, Ihr glaubt, Euer Gott sei allmächtig und allwissend. Gleichzeitig geht Ihr davon aus, die moderne Wissenschaft sei anzuerkennen. Ob Ihr an den freien Willen glaubt oder nicht, weiß ich nicht.
Allmächtig ist aber ein Widerspruch in sich, wenn man den Begriff wörtlich nimmt und verstößt damit gegen die Logik und damit auch gegen die Wissenschaft. Allwissenheit ist ebenso unlogisch und steht im Widerspruch zur Wissenschaft (Unbestimmtheitsrelation, wohl eher kein Determinismus, keine versteckten Parameter)  und im Widerspruch zu einem freien Willen. 

Wie definiert Ihr also Allmächtigkeit, Allwissenheit und freien Willen, so daß dies logisch konsistent und in Übereinstimmung mit der Wissenschaft wäre?

Ist Allgütigkeit Eures Gottes auch Glaubensbestandteil und wie steht Ihr dann zur Theodizee Problematik?

Glaubt Ihr, die "heiligen Schriften" seien von Eurem Gott direkt oder indirekt geschaffen und wie steht Ihr zu den unzähligen Widersprüchen darin, untereinander und zu den Erkenntnissen der Naturwissenschaft?
Zitieren
#8
Lieber sanctus, lieber HJS6102,

ich beantworte eure Fragen gleich mal gesammelt, da einige ganz gut ineinander greifen.

sanctus schrieb:Wieso kritisieren Bahai die Vorstellung der einzelnen Religionen, dass die jeweilige Religion den letzten Propheten kennt und danach nichts mehr kommt, während sie selbst behaupten, Baha'u'llah wäre der letzte Prophet in einem bestimmten Zeitabschnitt.

Hier muss man glaube ich doch nochmal differenzieren zwischen einer absoluten Exklusivität, die behauptet, der eigene Prophet sei nicht nur der letzte, sondern auch der größte Gottesbote aller Zeiten und niemals könnte ein anderer dem nahe kommen, und einer relativen Exklusivität, die nicht darauf aufbaut, andere in ihrer Bedeutung herabzusetzen, sondern alle Offenbarer als gleichberechtigte Kette einer historischen Entwicklung begreift, die auch mit dem eigenen Offenbarer nicht abgeschlossen ist. Da besteht für mich ein sehr deutlicher Unterschied.

Dass man aber die Alleingültigkeit der eigenen Offenbarung für einen bestimmten Zeitabschnitt annimmt (und Bahá'u'lláh hat sehr eindeutig geschrieben, dass diese Aussage (ausnahmsweise) wörtlich zu verstehen sei), ist der inneren Logik der Konstruktion "Offenbarungsreligion" geschuldet. Wenn man kein Geltungskriterium formuliert, bleibt die Religion beliebig und verzerrt ihren eigenen Anspruch. Und dieser ist nun einmal, einen ganz bestimmten Entwicklungsschritt innerhalb der Menschheitsentwicklung zu begleiten und anzuregen, namentlich die politische Welteinheit, verbunden mit der Entwicklung eines "Weltbewusstseins", das die Menschheit als Einheit versteht, die nur geschlossen überleben und vorankommen kann.

Vor allem aber lehnen die Bahá'í die traditionelle Vorstellung eines kosmischen Weltgerichts ab. Die Welt wie auch die Menschheit werden sich im Grundsatz unendlich weiterentwickeln und daher wäre es völlig unsinnig, anzunehmen, die Fragen von heute wären auch die Fragen von in 1000 Jahren. In 1000 Jahren werden die Menschen sich mit völlig anderen Lebensrealitäten auseinandersetzen müssen, als sie das heute tun. Sie werden ihr Wissen erweitert und noch mehr und tiefere Einblicke in die Gesetze des Universums erlangt haben. Daher ist es völlig unumgänglich, dass irgendwann auch Bahá'u'lláh abgelöst wird und daher die Bahá'í in Gänze verpflichtet sind, sich dem Nachfolger Bahá'u'lláhs anzuschließen. Ich glaube keine andere Religion auf der Welt fordert ihre eigene Auflösung.

sanctus schrieb:Die Historie hat doch gezeigt, dass Gott immer einen neuen Propheten schickt und meistens anders als die Erwartungen der jeweiligen Religion. Wenn in 500 Jahren ein neuer Prophet kommt, würden die Bahai ihn genauso ablehnen wie das Judentum Jesu, das Christentum Mohammed und der Islam den Baha'u'llah.

Nun ist es aber ein Unterschied, ob ich mich auf eine Prophezeiung verlassen muss, die ich nicht verstehe, oder auf handfeste Angaben und Kriterien, die ich nutzen kann, um den Anspruch eines neuen Offenbarers zu prüfen. Wenn das Kriterium der Prophezeiung ist, dass "die Sterne vom Himmel fallen", dann kann ich lange warten, zumindest wenn man diese Aussage wörtlich zu nehmen versucht. Wenn ich sie aber nicht wörtlich nehmen kann - und das sollte ja von der Astrophysik hinlänglich bewiesen sein - woran mache ich dann die "richtige" Interpretation fest? Ich persönlich bin daher der Ansicht, dass man Prophezeiungen ohnehin erst ex post facto deuten kann. Und ja, ich weiß, andere Bahá'í haben ein absolutes faible für Prophezeiungen...

Die Zahl 1000 brauche ich nicht zu deuten, sie steht fest. Bahá'u'lláh hat sogar festgelegt, nach welchem Kalender diese 1000 Jahre berechnet werden sollten. 'Abdu'l-Bahá hat später die Kriterien zur Prüfung eines Offenbarers niedergelegt, damit jeder Bahá'í selbst für sich prüfen kann, ob und wer zur festgelegten Zeit seinen Anspruch entsprechend durch "Zeichen" untermauern kann. So bin ich nicht mehr auf Interpretationen irgendwelcher Theologen angewiesen, die sich allesamt als falsch erwiesen haben, sondern nur auf eine klar umrissene Beschreibung dessen, wie ein solcher Mensch sein muss.

sanctus schrieb:Wie kommt es, dass die Bahai Religion den Eindruck erweckt, dass sie eigentlich in allen Religionen Eine Religion sehen, eben nur zeit- und kulturbedingt anders geformt, gleichzeitig aber für die administrativen Rechte verlangt, dass jemand aus seiner alten Religion austritt. Damit zeigt sich auch hier das "meine Wahrheit vs. deine Wahrheit" Denken. Wenn Bahai wirklich überzeugt davon sind, dass alle Religionen Religionen des einen Gottes sind, stellt sich die Notwendigkeit eines Austritts gar nicht.

An dieser Stelle sollte man erst einmal die Frage vorwegschicken, was in unserem Verständnis die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft aussagt. Klar kann man Gemeinden in erster Linie als soziale Gebilde sehen, in denen Menschen mit einem immerhin grob ähnlichen Glaubensverständnis zusammenkommen und etwas gemeinsam unternehmen, gemeinsam feiern etc. Das Bahá'í-Verständnis geht allerdings davon aus - und das tun im Wesentlichen auch die anderen Religionen - dass man mit seiner Mitgliedschaft die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bekenntnis zum Ausdruck bringt. Deshalb steht auf dem Mitgliedschaftsantrag der Bahá'í, der sogenannten "Erklärungskarte" auch, dass man sich Bahá'u'lláh und der von ihm gebrachten Offenbarung bekennt. Das Bekenntnis ist also mit der Mitgliedschaft verbunden. Im Prinzip schließt das nicht aus, dass man als Bahá'í z.B. wie ich eine besondere Beziehung zu Jesus hat oder sich weiterhin mit christlich geprägten Fragestellungen beschäftigt oder anderswie etwas von seinem Ursprungsglauben in die Gemeinde "mitnimmt".

Wenn nun aber die Kirchenmitgliedschaft nicht nur die Beziehung zu Jesus voraussetzt, sondern gleichermaßen auch die Identifikation mit der kirchlichen Lehre, gibt es da schon markante Unterschiede, die man verwischen würde, bliebe man Mitglied der Kirche. So gehen die christlichen Kirchen alle davon aus, Jesus sei bisher noch nicht wiedergekehrt, während die Bahá'í glauben, dass genau das schon passiert ist. Die christlichen Kirchen glauben an eine Erbsünde, die durch die Taufe überwunden werden muss. Die Bahá'í tun das nicht. Und so setzen sich die theologischen Differenzen zwischen den Kirchen und der Bahá'í-Lehre fort. Man würde also im Prinzip zwei sich widersprechenden Bekenntnissen die Treue halten, was schlicht scheinheilig ist. Man wäre z.B. auch gezwungen, das Glaubensbekenntnis mitzusprechen, wobei einige wesentliche Passagen mit dem Bahá'í-Verständnis konträr gehen. Es ist also im wesentlichen eine Sinnfrage, ob man gleichzeitig zwei Religionsgemeinschaften angehören kann.

sanctus schrieb:Nimmt die Bahai Religion das Selbstverständnis der anderen Religionen als solches an oder strickt sie einen eigenen Mythos zu diesen Religionen, um eine eigene Historie zu konstruieren? Ich denke da nur an die armseligen Versuche seitens des Islam, das Christentum völlig umzudeuten, mit etlichen theologischen Fehlern im Hinblick auf die Dreifaltigkeit. Die Frage ist also: nimmt das Bahaitum die anderen Religionen an oder bastelt es seinen eigenen Mythos über die Religionen?

Zwischen Islam und Bahá'í-Religion gibt es einen wesentlichen Unterschied dadurch, dass die Mehrheit der islamischen Gelehrten, gestützt auf Hadithe, annimmt, die Juden und Christen hätten ihre Heiligen Schriften verfälscht und diese seien daher als Quelle nicht mehr zu gebrauchen. Das schlägt sich unter anderem darin nieder, dass im Koran wenig bis gar kein biblisches Material rezipiert wird, dafür aber Berge von Apokryphen, sei das nun das Protoevangelium des Jakobus (in dem die Kindheitsgeschichten Mariens und Jesu erzählt werden) oder syrische Apokryphen, aus denen einige der Jesus zugeschriebenen Sprüche im Koran stammen. Fakt ist aber, dass man davon ausgeht, dass der Koran die einzige vollständig erhaltene Heilige Schrift sei und alle anderen Schriften Fälschungen. Daher kann man dann auch relativ frei eine eigene Historie konstruieren.

Die Bahá'í hingegen erkennen das Alte und das Neue Testament als authentische und gültige Heilige Schriften an und sind daher auch den in ihnen überlieferten Inhalten verpflichtet. Das bedeutet z.B., dass überhaupt kein Zweifel daran bestehen kann, dass Jesus gekreuzigt worden ist. Juden, Christen und Bahá'í verfügen also für die Entflaltung der Theologie über die gleichen Quellen. Nun ist aber die Frage, was du mit "Selbstverständnis" meinst. Gehört dazu nur das in den Heiligen Schriften zusammengetragene Material? Dann ja! Gehört dazu aber auch die auf Basis dieser Texte entwickelte Theologie, muss ich das im Grundsatz verneinen. Denn dem Selbstverständnis aller Religionen gleichermaßen zu entsprechen, ist schlicht unmöglich, da schon Juden und Christen das Alte Testament unterschiedlich interpretieren und sich die Grundlagen der Theologie, die sich daraus ergeben, massiv unterscheiden. Christen lesen aus dem Schöpfungsbericht eine Erbsünde heraus, die Juden tun das, obwohl sie den selben Text vor sich haben, nicht.

Es sollte also nicht verwundern, dass die Bahá'í das Alte und Neue Testament noch einmal anders lesen als Juden und Christen. Das ist in meinem Empfinden auch nichts Außergewöhnliches, schließlich kommt mit Bahá'u'lláh und den Grundzügen seiner Lehre ein neuer Interpretationsschlüssel hinzu, der zum Verständnis der Bibel herangezogen wird. Dazu gehört z.B., dass die in der Bibel geschilderten Vorgänge keine Tatsachenbeschreibungen darstellen, sondern Glaubenswahrheiten ausdrücken sollen. Das gilt für die Schöpfungsgeschichte ebenso wie z.B. für die Auferstehung Jesu. Diese hat zwar nach Bahá'í-Verständnis - es wird ja im Neuen Testament darüber berichtet - durchaus stattgefunden, aber eben nicht in einer physisch greifbaren Form, sondern in einer geistigen. Das heißt, Jesus wurde in den Herzen der Jünger wieder lebendig, was ihnen Mut und Kraft gab, seine Lehren in die Welt hinauszutragen. Sie haben aber nicht mit ihm Fisch gegessen. Ähnlich verhält es sich mit der Trinität. In den Bahá'í-Schriften findet sich ein strenger Monotheismus, der als solcher reflektiert werden will. Trotzdem wird versucht, den Sinn hinter der Trinitätslehre deutlich zu machen und in einer verständlichen und den Bahá'í-Lehren entsprechenden Form neu zu deuten, weil man sich durchaus des Wertes dieses Sinnbildes bewusst ist. Man vermeidet nur seine Verabsolutierung, wie bei den Ökumenischen Konzilien geschehen. Der Bahá'í-Theologie geht es nicht darum, das Wesen Gottes genau zu beschreiben und zu ergründen, sondern darum, Annäherungen an ein undurchdringliches Mysterium zu gewährleisten, von denen die Dreifaltigkeit nur ein Ansatz unter vielen ist.

Wie man das jetzt von Außen bewertet, ob das das Selbstverständnis der Religion angemessen reflektiert oder sich "eine eigene Historie spinnt", überlasse ich deinem Urteil.

sanctus schrieb:Man könnte also meinen: so wie Jesus kam, um Nord- und Südreich Israel zu verbinden und die Gottesbeziehung in den Mittelpunkt zu rücken, kam für die Schiiten der Baha'u'llah, um viele Zwänge des Islam aufzuheben - dennoch sind die Bahai darin noch verwurzelt.

An dieser Stelle muss man eine deutliche Unterscheidung einziehen zwischen dem, was die Religion selbst "ist" und dem, wie sie von den Anhängern gelebt und verstanden wird. In der Tat ist es immer noch so, dass die Bahá'í-Theologie im Wesentlichen von einem klassisch-abrahamitischen Verständnis dominiert wird, das eben auch solche Dinge wie eine enge Gesetzlichkeit oder das Bedürfnis nach Vereinfachung einschließt. Ich glaube aber für meinen Teil nicht, dass Bahá'u'lláh gekommen ist, um genau diese alten Denkmuster in ein neues Gewand zu kleiden. Ich glaube auch nicht, dass es heutzutage einem Bahá'í möglich wäre, genau zu wissen, was Bahá'u'lláh uns wie vermitteln wollte, weil zum einen unser Verständnis noch sehr von unserem kulturellen und religiösen Hintergrund geprägt ist und zum anderen, weil der weit überwiegende Teil der Schriften Bahá'u'lláhs noch gar nicht übersetzt ist. Klar, die Bahá'í-Gemeinde muss ihrer kulturellen Verwurzelung im schiitischen Islam noch entwachsen, genauso wie das Christentum seinen jüdischen Wurzeln entwachsen musste. Mag sein, dass wir die Ansätze dazu noch erleben, mag sein, dass das eine Aufgabe für meine Kinder und Enkel ist. Jetzt aber schon zu behaupten, die Bahá'í-Religion sei nicht brauchbar, weil sie noch merklich Züge ihres kulturellen Backgrounds mit sich herumschleppt, finde ich unfair. Es braucht Zeit, ein umfassendes Bild dessen zu bekommen, wie die Bahá'í-Religion sein könnte bzw. sein sollte.

sanctus schrieb:Es fehlt also quasi ein Prophet für alle Menschen, der eben nicht in diesem Kontext steht. Der kann aber lt. Bahai Auffassung nicht kommen, weil die 1000 Jahre noch nicht rum sind. Verrückt, oder?

Der gravierende Fehler, den wir in unseren Breiten immer noch allzu bereitwillig machen, ist Westeuropa als Maßstab für die Welt zu nehmen. Denn im Grunde störst du dich am kulturellen Hintergrund der Bahá'í-Religion. Wenn nun aber ein Offenbarer mit einem westeuropäischen Hintergrund käme, inwiefern wäre der für die Perser oder Afrikaner relevant? Die Welt ist noch viel zu weit auseinander als dass jetzt ad hoc ein westliches Religionsverständnis überall dankend angenommen werden würde. Dazu ist die Mentalität zu verschieden. Die Bahá'í-Religion ist im Prinzip fähig, sich auf unterschiedliche kulturelle Gegebenheiten einzustellen und in unterschiedlichen Kulturkreisen verstanden zu werden. Man wird sie sicherlich in anderen Kulturkreisen deutlich anders verstehen (müssen), als im Mittelmeerraum, aber genau das macht auch einen Teil ihres Charmes aus. Dass die "westliche Welt" im Moment ein wenig aus dem Blick gerät innerhalb der Bahá'í-Gemeinde, hat zum einen etwas damit zu tun, dass in anderen Gebieten andere, dringendere Herausforderungen bewältigt werden müssen - z.B. Frauenbildung - und zum anderen damit, dass Religion aktuell nicht wirklich das Lieblingsthema der Europäer ist. Es gibt leider genug Bahá'í, die sich nicht mehr trauen, in den Dialog zu treten, weil sie befürchten, dann von Antireligiösen überfahren zu werden. Das ist weißgott kein haltbarer Zustand, aber ich kann die Vorbehalte schon irgendwo nachvollziehen. 

sanctus schrieb:Wieso sind in einer Religion, die sich der Gleichberechtigung von Mann und Frau verschrieben hat, nur Männer im Leitungsorgan? Das wäre doch der Ort, wo gezeigt werden könnte, dass man Gleichberechtigung wirklich lebt.

Dazu gibt es keine offizielle Erklärung, ich kann daher nur meine eigenen Gedanken zum Thema anbringen.

Ich verweise auf das Argument von eben, dass in anderen Kulturkreisen bestimmte Grundlagen erst noch geschaffen werden müssen. Während in Westeuropa die größten verbleibenden Probleme der Frauen der Gender Pay Gap, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie sexuelle Belästigung sind, muss in manchen Ländern erst ein Verständnis dafür geschaffen werden, dass es sich bei Frauen ebenfalls um menschliche Wesen handelt. In vielen Ländern ist es Frauen nach wie vor verboten, Lesen und Schreiben zu lernen oder es wird einfach als überflüssig betrachtet, weil ja der Mann der Herr im Haus ist und die Frau dazu da, ihm zu dienen und seine Kinder zu gebären. In anderen Regionen gelten Frauen rechtlich als Besitz und stehen in der Rangordnung nicht wesentlich höher als Nutztiere.

Wenn man solchen Menschen ein Gremium vor die Nase gesetzt hätte, in dem Frauen sie zur Förderung der Frauenrechte auffordern, hätten die sich schlicht kaputtgelacht. Im Zweifel hätte es dazu geführt, dass sich die Lage der Frauen sogar noch viel mehr verschlechtert, weil man fürchtet, die Bahá'í könnten ihnen "Flausen in den Kopf setzen". Ein Gremium, das ausschließlich aus Männern besteht und ihnen sagt, sie sollten Frauenrechte fördern, macht da schon mehr Eindruck. Es ist traurig, so etwas als Argument anführen zu müssen, aber die Lebensrealität in manchen Ländern ist einfach noch eine völlig andere als hierzulande. Ich würde diese Regelung daher als ein (temporäres) Zugeständnis an die "Verstocktheit" einiger Männer und als Maßnahme interpretieren, damit das Haus der Gerechtigkeit auch von diesen Menschen so ernst genommen wird, dass es in der Lage ist, wirklich etwas zu bewegen.

So hatten z.B. bis in die 70er Jahre hinein Frauen in der iranischen Bahá'í-Gemeinde kein Wahlrecht. Erst das Haus der Gerechtigkeit hat die iranische Gemeinde dazu gebracht, das Frauenwahlrecht einzuführen. Erst auf lokaler Ebene, dann auf nationaler. Ich denke, es geht bei dieser Regelung vor allem darum, niemanden abzuhängen und auch denjenigen, denen ein Verständnis der Gleichwertigkeit von Mann und Frau völlig abgeht, die Möglichkeit zu geben, sich langsam und schrittweise daran zu gewöhnen. Denn der Bahá'í-Ansatz zielt immer auf Evolution, niemals auf Revolution. Das ist z.B. ein wesentlicher Unterschied zu "europäischen Mentalität", die Dinge lieber sofort und radikal ändern will, statt darauf zu warten, dass sich Veränderungen quasi natürlich entwickeln.

Außerdem, das sei noch nachgeschoben, halte ich es für eine gute Möglichkeit, Wiedergutmachung für die Jahrtausende der Unterdrückung der Frauen zu leisten, wenn es jetzt Männer sind, denen die Aufgabe obliegt, die Gleichberechtigung der Frauen überall auf der Welt durchzusetzen. Diesem Auftrag können und wollen sich die Mitglieder des Hauses der Gerechtigkeit auch nicht entziehen. Auch da wieder ein Unterschied zum "europäischen" Verständnis. Denn bei den Bahá'í gilt es als besonders verdienstvoll, sich für die Rechte Anderer einzusetzen und aufeinander zu achten und einander zu stärken, statt nur für seine eigenen Rechte zu kämpfen und für sich persönlich etwas erreichen zu wollen. Denn da wäre die Schwelle zum Egoismus wieder sehr dünn. Man sieht es z.B. daran, dass zahlreiche Vertreterinnen des modernen Feminismus aktuell auf Transgender losgehen, nachdem wesentliche Forderungen der feministischen Bewegung durchgesetzt worden sind. Statt dass man aber nun andere Diskriminierungsopfer unterstützt, fängt man selbst an, zu diskriminieren. Das ist eine Gratwanderung, die echt nicht sein müsste.

sanctus schrieb:Wieso haben Bahais die gleichen Probleme mit Homosexuellen wie jede andere Religion, während viele Bahais gleichzeitig die Einführung der sog. "Homo Ehe" gefeiert haben? Wäre es nicht sinnvoll, auch weil Bahai immer Wissenschaft und Glaube in Einklang bringen wollen, die rigide Untersagung der Homosexualität abzuschaffen? Damit meine ich jetzt nicht, dass Homosexualität hinreichend erforscht ist, aber zumindest ist es wissenschaftlicher Konsens, dass jemand, der seine Sexualität unterdrückt, damit seiner Psyche nicht langfristig etwas Gutes tut.

Das Thema Homosexualität ist in der Tat eine "offene Wunde", will ich mal sagen. Innerhalb wie außerhalb wird sehr emotional darüber diskutiert. Ich für meinen Teil bin durch einen Freund relativ früh in meinem Bahaisein mit dem Thema in Berührung gekommen. Ich habe mich dann in den gemeindeinternen Diskussionen zum Thema vor allem darauf konzentriert, gewisse Vorurteile gegenüber Homosexuellen abzubauen - zo z.B. die Verknüpfung von Homosexualität und Pädophilie, die Behauptung, Homosexualität sei mehr ein "Lifestyle" oder auch die aberwitzige Zuspitzung des Themas auf bestimmte Sexualpraktiken, wobei der zwischenmenschliche und in meinen Augen viel wesentlichere Aspekt völlig ausgeblendet wird. In diesen Diskussionen habe ich im Übrigen auch meine Frau kennengelernt, die zu dem Zeitpunkt gerade ihre Magisterarbeit über Homosexuelle in der Bahá'í-Religion geschrieben hat. Kann ich, um einen Eindruck dessen zu bekommen, wie Homosexuelle jeweils für sich mit der Lehre und ihrem Bahaisein umgehen, nur wärmstens empfehlen:

Hanna Langer, I don't want to be Tahirih. Homosexuality in the Baha'i religion in theology and practice, Hamburg 2015.

Man muss bei der Beschäftigung mit dem Thema auch bedenken, dass die Religion immer von Menschen gelebt wird und die unterschiedlich mit dem Thema umgehen. Da gibt es diejenigen, die schon eine latente Homophobie aus ihrer Herkunftskultur mitbringen und die dann in den Bahá'í-Schriften bestätigt sehen. Dann gibt es diejenigen, die eigentlich kein Problem mit Homosexuellen haben, aber nicht hinter die Schriften zurückgehen können oder wollen. Dann gibt es diejenigen, die versuchen, erst einmal herauszufinden, was genau überhaupt in den Schriften drinsteht und alles andere als das Vorurteil, das es ist, zu entlarven. In den Schriften findet sich nämlich nirgens ein ausdrückliches Verbot von Homosexualität. Es finden sich Verurteilungen von Päderastie und Analverkehr, die man zwar auf Homosexualität im Allgemeinen beziehen kann, aber keinesfalls muss. Und dann gibt es das Keuschheitsgebot, das von jedem Menschen fordert, außerhalb der Ehe keinen Geschlechtsverkehr zu haben. Da jetzt die Situation von Homo- und Heterosexuellen einfach gleichzusetzen, greift in meinem Empfinden zu kurz, da jeder Heterosexuelle zumindest die prinzipielle Möglichkeit hat, zu heiraten.

Es bleibt die Frage, wie mit fortschreitender Zeit eventuell die Anerkennung der staatlich geschlossenen Ehe auf gleichgeschlechtliche Verbindungen ausgedehnt werden könnte. Bisher gibt es in diesem Punkt noch keine Bewegung, dafür aber in einem anderen, nicht minder entscheidenden. Denn das Haus der Gerechtigkeit hat noch in den 1990er Jahren erklärt, Homosexualität sei heilbar und daher sollte eine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung angestrebt werden. In den letzten Jahren hat das Haus mehrere Briefe geschrieben, in denen anerkannt wird, dass die Homosexualität als sexuelle Orientierung nicht veränderbar ist und daher auch keine medizinische Behandlung greifen kann. Da wird also durchaus die veränderte medizinische Bewertung der Homosexualität reflektiert.

Ich glaube aber, dass die Veränderung, die ich mir wünschen würde, vor allem im zwischenmenschlichen Umgang liegen muss und nicht in der Theologie. Die Fixierung auf Ehe und Familie wird man aus den Bahá'í-Schriften ebensowenig rausstreichen können wie aus der Bibel. Damit muss man irgendwie umgehen lernen. Dass dieser Umgang aber Diskriminierung einschließen darf, hat auch das Haus der Gerechtigkeit mehrfach entschieden verneint. Ich würde mir wünschen, dass die Partnerschaft als solche Wertschätzung erfährt und ein gleichgeschlechtliches Paar genauso selbstverständlich zu Bahá'í-Veranstaltungen dazugehört, wie unverheiratete heterosexuelle Pärchen, bei denen sich auch niemand darüber Gedanken macht, was die des Nachts so treiben. Überwunden werden muss die Verengung der Homosexualität auf das Sexuelle. Ich glaube sogar, dass die Diskussionen über das Thema mittel- bis langfristig dazu führen können, sich noch mehr und intensivere Gedanken darüber zu machen, welchen Stellenwert Sex überhaupt in einer Beziehung und in der Gesellschaft haben sollte und ob nicht die Übersexualisierung des Zwischenmenschlichen zu sehr in die Bahá'í-Gemeinde hineingeschwappt ist. In meinem Verständnis geht es schlicht niemanden etwas an, was ich in meinem Schlafzimmer mache und mit wem. Und es sollte auch nicht Thema in der Öffentlichkeit sein. Nicht ohne Grund sind die Gebote im Wesentlichen eine Sache zwischen Gott und dem eigenen Gewissen.


sanctus schrieb:Wieso weichen in manchen Bahai-Videos zum langen Pflichtgebet die Gesten von den Beschreibungen ab, die man zum langen Pflichtgebet findet; wurden die Gesten nicht vom Religionsstifter eindeutig offenbart?

Darauf kann ich dir leider keine Antwort geben. Ich kenne keine Videos vom langen Pflichtgebet. Kannst du mir die mal schicken?

Im Grundsatz gilt aber, dass Bahá'u'lláh relativ genau offenbart hat, wie das Gebet abzulaufen hat. Kleinere Unwägbarkeiten bleiben z.B. bei der Hand- oder Sitzhaltung, aber das empfinde ich zumindest als abolut marginal. Gott wird kaum so pedantisch sein, da den Winkel des Handgelenks oder Ellenbogens nachzumessen... Icon_rolleyes

HJS6102 schrieb:Bei Wikipedia steht, Ihr glaubt, Euer Gott sei allmächtig und allwissend. Gleichzeitig geht Ihr davon aus, die moderne Wissenschaft sei anzuerkennen. Ob Ihr an den freien Willen glaubt oder nicht, weiß ich nicht.
Allmächtig ist aber ein Widerspruch in sich, wenn man den Begriff wörtlich nimmt und verstößt damit gegen die Logik und damit auch gegen die Wissenschaft. Allwissenheit ist ebenso unlogisch und steht im Widerspruch zur Wissenschaft (Unbestimmtheitsrelation, wohl eher kein Determinismus, keine versteckten Parameter)  und im Widerspruch zu einem freien Willen. 

Wie definiert Ihr also Allmächtigkeit, Allwissenheit und freien Willen, so daß dies logisch konsistent und in Übereinstimmung mit der Wissenschaft wäre?

Wir definieren diese Begriffe überhaupt nicht. Das Wesen Gottes ist ein Mysterium, das durch keine menschliche Beschreibung angemessen wiedergegeben werden kann. Daher muss jedes Attribut, das wir Gott zuschreiben, von seinem menschlichen Ursprung her gedeutet werden. Der Mensch erlebt sich selbst als machtlos und schreibt Gott daher ins Absolute gesteigerte Macht zu. Der Mensch erlebt sein Wissen als begrenzt, schreibt Gott also Allwissenheit zu. Gott liegt aber jenseits aller Begriffe der Realität selbst zugrunde und kann von Teilen des Ganzen nie umfassend betrachtet werden. Jede Zuschreibung ist also immer relativ auf das Gottesverhältnis des Menschen hin zu verstehen und nicht als genaue Beschreibung irgendeiner Eigenschaft.

Trotzdem kann man sich bestimmten Fragestellungen aber zumindest annähern. So kann man unter Allmacht natürlichweise verstehen, dass Gott die Macht hat, die Realität zu beeinflussen. Das tut er nach unserem Glauben maßgeblich durch die Naturgesetze, die dafür sorgen, dass das Universum im Gleichgewicht gehalten wird und die einzelnen Teile zueinander in einer Wechselwirkung stehen. er könnte wohl in das Gefüge dieser Ordnung nachträglich eingreifen, aber warum sollte er? Wäre nicht eine Manipulation der Naturgesetze eher ein Beweis dafür, dass er sich mit sich selbst nicht einig ist? Schließlich funktionieren sie ja genau so, wie sie es sollten. Eine nachträgliche Änderung ließe in meinem Empfinden eher Zweifel an seiner Kompetenz als Schöpfer aufkommen^^

Allwissenheit kann man mit einem Beispiel illustrieren. Wenn ich heute behaupte, morgen würde die Sonne aufgehen, dann wird das mit 100%iger Wahrscheinlichkeit auch eintreffen. Das bedeutet nicht, dass die Sonne nicht aufgehen würde, wenn ich das nicht behauptet hätte, sondern einfach, dass ich mir der wirkenden Naturgesetze bewusst bin, die dafür verantwortlich sind, dass sich die Erde in 24 Stunden ein Mal um sich selbst dreht. Ähnlich kann man sich das Vorherwissen Gottes vorstellen, der sich der wirkenden Gesetze, die er geschaffen hat, natürlich bewusst ist und daher mit entsprechender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, wie die Dinge ablaufen werden.

Das widerspricht in unserem Glauben keinesfalls der Vorstellung von einem Freien Willen, den der Mensch hat und der - neben der Fähigkeit, die Wirkung der Naturgesetze zu erforschen und zu verstehen sowie sie sich nutzbar zu machen - einen wesentlichen Teil seiner Gottebenbildlichkeit ausmacht. Denn der Mensch wird als ein Wesen mit körperlichen und geistigen Eigenschaften verstanden. Die körperliche Seite ist natürlich an die Naturgesetze gebunden und kann darüber nicht hinaus. Wenn der Mensch nicht isst, verhungert er. Insofern ist also die Nahrungsaufnahme zur Energiegewinnung determiniert, ob, wann und was der Mensch isst, entscheidet er aber frei.

HJS6102 schrieb:Ist Allgütigkeit Eures Gottes auch Glaubensbestandteil und wie steht Ihr dann zur Theodizee Problematik?

"Der Allgütige" ist einer der Namen Gottes, ja. Nun muss man aber aufpassen, an welchen Stellen man unwissentlich ein "westliches" Verständnis solcher Begriffe wie "Güte" oder "Gerechtigkeit" voraussetzt, wo es gar nicht passt. Außerdem muss man zwischen Phänomenen unterschiedlicher Kategorien unterscheiden.

Ich würde dabei deutlich trennen zwischen Naturkatastrophen, menschlichen Fehlern und göttlich gefügten Begebenheiten.

Naturkatastrophen sind in erster Linie das Resultat der Unfähigkeit (oder Unwilligkeit) des Menschen, die Naturgesetzee richtig einzuschätzen und dementsprechend zu reagieren. Wenn ich im mittleren Westen der Vereinigten Staaten, in dem jährlich im Schnitt drei Tornados toben, Häuser aus Presspappe baue, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn die auch dreimal jährlich abgerissen werden. Das ist dann nicht Gottes Werk, sondern die Unfähigkeit des Menschen. Für Überschwemmungsgebiete gibt dasselbe. Wer da Häuser baut, muss damit rechnen, dass sie weggeschwemmt werden, solange er sie nicht auf genau diese Eventualität einstellt, indem er z.B. den Keller wasserdicht versiegelt oder andere Schutzmaßnahmen trifft. Stabile Häuser aus Stein fliegen auch bei einem Tornado nicht so einfach davon. Ich glaube, dass gerade solche Ereignisse und daran erinnern sollten, dass der Mensch eben nicht allmächtig ist, sondern nach wie vor bestimmten Naturkräften ausgeliefert ist, derer er nicht Herr werden kann.

Die zweite Kategorie von Leid auf dieser Welt entsteht durch den Menschen selbst. Jede Form von Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Krieg, Hunger, Armut usw. entsteht durch die Unfähigkeit des Menschen, die Ressourcen des Planeten gerecht zu verteilen. Gegen diese (vermeidbare) Art von Leid geht Gott nach unserem Glauben aktiv vor, indem er immer wieder Boten sendet, die einen besseren Weg aufzeigen sollen, die Probleme der Welt zu lösen. Ob der Mensch diese Angebote dann auch annimmt, obliegt aber wieder seinem freien Willen.

Die dritte Kategorie sind dann göttlich gefügte Begebenheiten. Dazu würde ich z.B. Krankheiten zählen. Nicht, dass Gott aktiv neue Krankheiten erfinden würde, aber die Naturgesetze lassen Raum für die Entstehung neuer Krankheiten, Viren und Bakterien. Krankheiten wären ein Beispiel für Probleme, die in der Welt liegen, die den Menschen dazu anregen sollen, sich weiterzuentwickeln, zu forschen und die Welt besser zu verstehen, um sie irgendwann auszurotten. Krankheiten sind in der Tat seit jeher ein wichtiger Motor der Forschung gewesen - neben dem Krieg. Natürlich wäre das nur ein Beispiel und sicher macht das das Leid von Krankheitsopfern nicht besser. Mir hilft es aber jedenfalls, darin irgendeinen Sinn bzw. eine positive Richtung sehen zu können, die zwar nicht jeden Einzelnen, wohl aber die Menschheit als Ganze weiterbringen kann. Denn dadurch sterben z.B. heute kaum noch Menschen an Pocken. Das Leiden der früheren Pockeninfizierten hat also zumindest den Kindern, die heute auf die Welt kommen, dieses grausame Schicksal erspart. Ich fände es tröstlich, zu wissen, dass ich selbst mit meinem Leid für Andere etwas bewirken kann, indem Ärzte dadurch schneller ein Heilmittel finden. Und so empfände ich es auch nicht als ungerecht, dass es Dinge in dieser Welt gibt, die dazu geschaffen sind, dass wir über uns hinauswachsen können. Denn Möglichkeiten zur Entfaltung und Weiterentwicklung sind nur gegeben, wenn die Aufgaben dementsprechend gestaltet sind. Das wird dir übrigens auch jeder Erziehungswissenschaftler bestätigen.

HJS6102 schrieb:Glaubt Ihr, die "heiligen Schriften" seien von Eurem Gott direkt oder indirekt geschaffen und wie steht Ihr zu den unzähligen Widersprüchen darin, untereinander und zu den Erkenntnissen der Naturwissenschaft?

Wir glauben nicht, dass Gott irgendeine Heilige Schrift persönlich diktiert oder gar geschrieben hat. Die Sprache der Heiligen Schriften ist ganz klar menschlich und von kulturellen und historischen Zusammenhängen abhängig, die man wissenschaftlich erforschen kann, um sie besser zu verstehen. Wir glauben im Gegenteil, dass dem Offenbarer ein instinktives Verständnis für die Zusammenhänge in der Welt und den Willen Gottes verliehen worden ist, sodass sie diesen erfühlten Willen Gottes am Ende in menschliche Begriffe und menschliche Sprache kleiden können, da jeder Offenbarer eben auch ein Mensch ist, der in einen kulturellen, religiösen und sozialen Kontext hineingestellt ist und diesen mitreflektiert. So kann man also sagen, dass die Heiligen Schriften von den Offenbarern geschrieben wurden und darin ihre Übersetzungsleistung in Hinblick auf den Willen Gottes zum Ausdruck kommt. So tappen die Bahá'í nicht in die Falle, dass mit der historisch-kritischen Durchleuchtung der Texte gleichzeitig ein Abgehen von ihrem göttlichen Ursprung verbunden wird.

Dass die Offenbarer immer in einem bestimmten kulturellen, religiösen und sozialen Kontext auftreten zeigt sich auch an der Sprache und den Bildern, die sie verwenden. Die Schöpfungsgeschichte der Bibel widerspricht wissenschaftlichen Fakten, ja. Diese waren aber den Menschen zur damaligen Zeit nicht bekannt und wie man heute weiß folgt die Geschichte einem Vorbild aus Mesopotamien. Sie reflektiert also im Wesentlichen das Vorverständnis ihrer Leser. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht trotzdem zeitlos gültige, nicht vom kulturellen Kontext abhängige Aussagen enthalten würde. Und die wäre in dem Fall, dass es einen Schöpfer gibt, der sich mit seinen Geschöpfen, den Menschen im Besonderen, in Beziehung setzen will. Diese Aussage bleibt durch alle Zeiten die gleiche, auch wenn sich die Sprache, in der sie ausgedrückt wird, teilweise deutlich unterscheidet. Man darf Heilige Schriften halt nicht wörtlich nehmen, wenn man ihren Inhalt erfassen und wertschätzen will. Das Funktioniert bei Gedichten aus der Romantik ja auch nicht.
"Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da." - Sophokles: Antigone, Vers 523
Zitieren
#9
Uff, schonmal Danke für Deine lange Antwort. Ich komme heute nicht mehr dazu und möchte mir für eine angemessene Antwort die gebührliche Zeit nehmen.
Zitieren
#10
Lieber Sören, Danke noch einmal für Deine umfangreiche Antwort. Zwischenzeitlich habe ich einige Literatur gefunden, die mich in meinen Fragen weiterbringt und auf meiner Liste stehen:

- Christ sein heißt
- Beantwortete Fragen
- Buch der Gewissheit
- Christus und Bahá'u'lláh sc 


An dieser Stelle daher auch noch einmal der Hinweis, dass mein Anliegen die kritische Würdigung des Bahaitum ist; es geht mir vorrangig darum, mehr davon zu verstehen, da mein Wissen momentan recht begrenzt ist.


Zitat:Hier muss man glaube ich doch nochmal differenzieren zwischen einer absoluten Exklusivität, die behauptet, der eigene Prophet sei nicht nur der letzte, sondern auch der größte Gottesbote aller Zeiten und niemals könnte ein anderer dem nahe kommen, und einer relativen Exklusivität, die nicht darauf aufbaut, andere in ihrer Bedeutung herabzusetzen, sondern alle Offenbarer als gleichberechtigte Kette einer historischen Entwicklung begreift, die auch mit dem eigenen Offenbarer nicht abgeschlossen ist. Da besteht für mich ein sehr deutlicher Unterschied.


Ok, soweit kann ich Dir folgen. Der Islam hatte zumindest in seiner Theorie hier bereits Ansätze geliefert. Oft wurde es als Vereinnahmung verstanden, wenn der Islam alle Propheten und gläubigen Menschen zu Muslimen machte, letztlich steckte hierin aber eine Überwindung der eigenen religiösen Begrenztheit - zumindest der Theorie nach, dass es in der Praxis ganz anders aussieht, da müssen wir nicht drüber reden. Ich denke, die Bahais haben diese Grundlage vom Islam mitbekommen und sie erst konsequent zu Ende gedacht bzw. umgesetzt. In der Annahme, dass eine Religion dann nichts wert ist, wenn sie Unfrieden und Zwist bringt, steckt meiner Meinung nach diese Vorerfahrung.



Zitat:Dass man aber die Alleingültigkeit der eigenen Offenbarung für einen bestimmten Zeitabschnitt annimmt (und Bahá'u'lláh hat sehr eindeutig geschrieben, dass diese Aussage (ausnahmsweise) wörtlich zu verstehen sei), ist der inneren Logik der Konstruktion "Offenbarungsreligion" geschuldet.


Da kann ich soweit mitgehen. Es wäre natürlich unsinnig anzunehmen, der eigene Prophet wäre kein Prophet und hätte eine ungültige Botschaft, das wäre in der Tat ein Widerspruch zum Selbstverständnis einer Offenbarungsreligion. Aber zumindest hätte der Zeitabschnitt nicht klar definiert werden müssen. Wenn man davon ausgeht, der nächste Prophet bringe die zu einem bestimmten Zeitabschnitt notwendige Botschaft oder Erneuerung, dann kann die Frage, wann dieser Zeitabschnitt sein wird, offen gelassen werden. Denn es kann ja durchaus sein, dass es bereits in 600 Jahren einen neuen Propheten geben wird.


Zitat:An dieser Stelle sollte man erst einmal die Frage vorwegschicken, was in unserem Verständnis die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft aussagt. Klar kann man Gemeinden in erster Linie als soziale Gebilde sehen, in denen Menschen mit einem immerhin grob ähnlichen Glaubensverständnis zusammenkommen und etwas gemeinsam unternehmen, gemeinsam feiern etc. Das Bahá'í-Verständnis geht allerdings davon aus - und das tun im Wesentlichen auch die anderen Religionen - dass man mit seiner Mitgliedschaft die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bekenntnis zum Ausdruck bringt.


Gut, hier würde dann mein Kritikpunkt greifen, dass es um Zugehörigkeiten geht. Zugehörigkeiten sind aber etwas zutiefst menschliches und meist der Grund, warum Menschen an Riten und kulturell und zeitlich bedingten Normen festhalten: weil diese Dinge Zugehörigkeiten konstituieren. Deshalb wachsen viele Religionen nicht mit dem Menschen, sondern zersplittern sich in Konfessionen, weil sie einzelne soziale Strukturen erhalten, die die Menschen binden. Die Frage von Zugehörigkeiten gehört dazu.

Andererseits wissen wir jenseits idealisierter Religionsvorstellungen, dass man hierzulande sehr wohl formal Mitglied religiöser Institutionen sein kann ohne dass dies mit einem Glaubensbekenntnis einhergeht. Das scheint mir die Realität der als Kind Getauften zu sein:

In Markus 16 macht Jesus darauf aufmerksam, dass die Seligkeit an Taufe und Glaube gebunden ist - nur die Taufe reicht nicht. Hingegen reicht fehlender Glaube, um verdammt zu werden, völlig unabhängig von einer Taufe.

Wer durch die Taufe als Kind Kirchenmitglied wurde und als Erwachsener inaktiv ist, also keinen Glauben bekundet, weil er an keinen Aktivitäten teilnimmt, die ihn zu einem Glaubensbekenntnis nötigen, ist formal Mitglied einer Kirche, aber äußert kein Bekenntnis. Vielmehr können die Umstände, wie z.b. bei einer Arbeit in kirchlichen Einrichtungen, dazu führen, dass die Kirchenmitgliedschaft nicht einmal mehr freiwillig ist. Dazu kommt, dass es rein weltliche Aspekte gibt, weshalb man beispielsweise keinen Grund sieht, aus der Kirche auszutreten (z.b. weil man die Seelsorge für psychologisch wertvoll hält oder die Kirchensteuer caritativen Zwecken zugeführt wird).


Zitat:Wenn nun aber die Kirchenmitgliedschaft nicht nur die Beziehung zu Jesus voraussetzt, sondern gleichermaßen auch die Identifikation mit der kirchlichen Lehre


Du kannst davon ausgehen, dass 99% aller Christen den Lehren ihrer Kirche nicht zustimmt. Auch gibt es zu der Frage, ob z.b. Mohammed ein Prophet war, innerhalb der Christenheit verschiedene Positionen. Es gehört ja zum christlichen Konsens, dass man nur glauben kann, was einem einsichtig ist. Zu anderen Dingen niemand gezwungen werden kann, weil das praktisch gar nicht funktionieren würde.


Zitat:gibt es da schon markante Unterschiede, die man verwischen würde, bliebe man Mitglied der Kirche.


Das Argument des Verwischens greift doch nur dann, wenn man Religionen konkurrierend denkt und nicht als Einheit: aus christlicher und muslimischer Sicht sind z.b. die Lehren der Bahai verwischend, weil sie sowohl Christentum als auch Islam aus einer anderen, eigenen Perspektive betrachten. Das konkurrierende Denken macht aus Sicht von Muslimen und Christen Sinn, aber meiner Meinung nach nicht aus Bahai-Sicht, weil aus Bahai-Sicht im Grunde doch beide Religionen darauf hinauslaufen, eine Religion von einem Gott zu sein, selbstverständlich mit anderen Akzenten, die in der jeweiligen Kultur und Zeit begründet sind. Aber selbst innerhalb des Islams und des Christentums gibt es so viele verschiedene Akzente, dass das ganze Unheilich schwer als monolithischer Block betrachtet werden kann – zumindest dann, wenn man selbst einen größeren Rahmen der Betrachtung hat.



Zitat:So gehen die christlichen Kirchen alle davon aus, Jesus sei bisher noch nicht wiedergekehrt, während die Bahá'í glauben, dass genau das schon passiert ist.


Dann haben wir hier quasi 2 konkurrierende Wahrheiten. Aber grundlegend ist es nicht verkehrt, wenn Christen geglaubt haben, dass Jesus wieder kommen wird, wenn doch Bahais davon ausgehen, dass Jesus in Baha’u’llah wieder gekommen ist. Du müsstest also das Christentum in die Zeit vor Baha’u’llah splitten und in die Zeit nach ihm. Wenn man aber davon ausgeht, dass Gott „außerhalb“ der Zeit existiert, kippt das Modell sowieso und von der Wiederkehr Christi auszugehen kann schon deshalb nicht falsch sein, weil in Baha’u’llah bewiesen wurde, dass diese Annahme, dass Christus wieder kommt, vollkommen korrekt ist. Darüber hinaus: wenn in den Manifestationen Gottes - Moses, Jesus, Mohammed, Baha’u’llah - sich den Menschen immer wieder Gott gezeugt hat, sich also das Göttliche Manifestierte, dann ist auch der Prophet, der nach Baha’u’llah kommt, wieder dieses Göttliche, bzw wieder Moses, Jesus, Mohammed - die Kette ist schließlich nicht abgeschlossen, weshalb aus Bahai Perspektive doch auch in einer Zeit nach Baha’u’llah nicht verkehrt ist anzunehmen, dass ein „neuer Jesus“ kommt ?



Zitat:Die christlichen Kirchen glauben an eine Erbsünde, die durch die Taufe überwunden werden muss.


Im Glaubensbekenntnis gibt es keine Erbsünde. Nun könnte man argumentieren, dass die Erbsünde ein Dogma ist. Dann wäre nur die Frage, ob dieses Dogma wirklich Teil des christlichen Glaubens ist, wenn es nicht „bekannt“ wird. Dann würde sich die Frage stellen, was Dogma überhaupt ist: meist ist es ein definierter Rahmen, der etwas als Glaubensbestandteil sichern will, was inhaltlich aber nicht konkret wird. Diesbezüglich könnte man z.b. an das Dogma erinnern, dass die Messe immer ein Opfer ist (in Trient hat man das festgehalten), wenngleich aber auch gesagt wurde, dass die Frage, was unter einem Opfer verstanden wird, in den Bereich der theologischen Diskussionen gehört und an dieser Stelle nicht geklärt wird. Ein Dogma ist also nicht mehr als ein sprachlicher Rahmen, der individuell mit Bedeutung gefüllt werden muss. Deshalb würde ich eher sagen: die Kirche reflektiert die Schwäche des Menschen in Begriffen und Symbolen einer Erbsünde. Unabhängig von der Frage, ob wir nicht viele Sünden, in die wir verstrickt sind, vielleicht tatsächlich ererbt haben - seien es die biologischen Schwächen als auch die gesellschaftlichen Strukturen - gehört das eben zu den unzulänglichen Erklärungsmodellen, die wir Menschen benötigen, um eine Sache besser fassen zu können. Das macht sie aber nicht unwahr.


Zitat:Man wäre z.B. auch gezwungen, das Glaubensbekenntnis mitzusprechen


Niemand ist gezwungen, an einer Aktivität teilzunehmen, in der ein Glaubensbekenntnis gesprochen wird, wenn er rein formales Kirchenmitglied ist.




Zitat:Zwischen Islam und Bahá'í-Religion gibt es einen wesentlichen Unterschied dadurch, dass die Mehrheit der islamischen Gelehrten, gestützt auf Hadithe, annimmt, die Juden und Christen hätten ihre Heiligen Schriften verfälscht und diese seien daher als Quelle nicht mehr zu gebrauchen. (…)
Die Bahá'í hingegen erkennen das Alte und das Neue Testament als authentische und gültige Heilige Schriften an und sind daher auch den in ihnen überlieferten Inhalten verpflichtet.



Ok, das beantwortet meine Frage, Danke :)


Zitat:Ich glaube aber, dass die Veränderung, die ich mir wünschen würde, vor allem im zwischenmenschlichen Umgang liegen muss und nicht in der Theologie.


Ja, das dürfte in der Tat religionsübergreifend das größte Problem sein. Im Katechismus der katholischen Kirche wird ja auch darauf hingewiesen, dass man Homosexuellen mit Respekt und Achtung begegnen soll. Kriegen aber viele Gläubige nicht hin - und wenn sie sich mehr um ihre eigenen Sünden kümmern würden, dürften die meisten Heteros über das Thema eh net reden :)


Zitat:Darauf kann ich dir leider keine Antwort geben. Ich kenne keine Videos vom langen Pflichtgebet. Kannst du mir die mal schicken?


Ja, ich such es mal raus. Habs auf geistigenahrung mal gefunden.
Zitieren
#11
(09-09-2017, 10:55)sanctus schrieb:
Zitat:Die christlichen Kirchen glauben an eine Erbsünde, die durch die Taufe überwunden werden muss.

Im Glaubensbekenntnis gibt es keine Erbsünde. Nun könnte man argumentieren, dass die Erbsünde ein Dogma ist. Dann wäre nur die Frage, ob dieses Dogma wirklich Teil des christlichen Glaubens ist, wenn es nicht „bekannt“ wird.

Ausserdem glauben nicht alle christlichen Gemeinschaften an eine "Erbsuende". Die Vorstellung ist typisch westlich (katholisch und evangelisch) und wurde von Augustinus von Hippo ausgearbeitet, aber spielt in den orthodoxen Kirchen keine Rolle. Dort gibt es zwar die urspruengliche Suende von Adam und Eva, an deren Folgen die Menschheit immer noch leidet, aber der Mensch wird nach orthodoxer Vorstellung nicht suendig geboren. Er neigt nur dazu, im Laufe seines Lebens Suenden zu begehen, weil er Angst vor dem Tod hat, und diese sind es, die ihm vergeben werden muessen. Die Erloesungstat Jesu besteht hier also darin, dass er den Menschen die Angst vor dem Tod genommen hat, was den Antrieb fuer das Suendigen beseitigt.

Das ist also, wie Du schon andeutest, kein allgemein christliches Problem.
Zitieren
#12
Hallo Sören,
von den Bahaú´llah hatte ich vor deinem Eintrag hier auch noch nichts gehört. Soviel wie ich hier lesen konnte, hört sich das sehr interessant an.

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: ...zwischen einer absoluten Exklusivität, die behauptet, der eigene Prophet sei nicht nur der letzte, sondern auch der größte Gottesbote aller Zeiten und niemals könnte ein anderer dem nahe kommen,
...und einer relativen Exklusivität, die nicht darauf aufbaut, andere in ihrer Bedeutung herabzusetzen, sondern alle Offenbarer als gleichberechtigte Kette einer historischen Entwicklung begreift, die auch mit dem eigenen Offenbarer nicht abgeschlossen ist. Da besteht für mich ein sehr deutlicher Unterschied. ...

Dass man aber die Alleingültigkeit der eigenen Offenbarung für einen bestimmten Zeitabschnitt annimmt (und Bahá'u'lláh hat sehr eindeutig geschrieben, dass diese Aussage (ausnahmsweise) wörtlich zu verstehen sei), ist der inneren Logik der Konstruktion "Offenbarungsreligion"geschuldet.

Alles Wissen basiert auf das Wissen eines Menschen davor, egal wer das Wissen zuerst hatte.
So ein Gottesbote ist auch nur sowas wie ein Wissenschaftler oder Funktionsentdecker. Und solange es kein besseres Wissen über einer Sache gibt, zählt auch dort immer das letzte Wissen als das allgemeingültige Wissen. Aber auch da hinken so manche Menschen immer hinterher, denn bis sich ein neues Wissen rumgesprochen hat, oder verstanden wurde, vergeht oft etwas Zeit.

Was hat ein Gott schon für Botschaften, wenn es nicht Wissen um eine Funktion ist? Wenn ein Gott eine Botschaft versenden will, dann handelt es sich doch bestimmt um ein Funktionswissen des Lebendigen.
Wenn es um die Menschheit geht, kann Gott derartige exklusive Ansprüche doch nicht stellen, jede Religion ist ihm recht und schlecht zugleich. Welche Religion da gerade den wacheren Boten hat, wird Gott egal sein. Ein Gott der sowieso für alle Menschen da ist, dem sind Namen egal. Darum hat Gott ja keinen Namen.
Der Namne Gottes ist unaussprechbar, er kann nicht ausgesprochen werden weil es zu viele Namen geben kann und somit keinen einzigen Namen gibt.
Ein einziger Name oder Begriff wird immer sofort eine Sache/Situation in eine einzige Schiene führen, also in einer einzigen spezifischen Verdichtung fallen uns somit ist alles was auch wichtig ist nichtmehr erkennbar/sichtbar. Ein Blick aus dem Flugzeug AUF 1 Sache ermöglicht das Ganze zu sehen und einen kleinen Punkt, angenommen das ist ein Baum. Sowie man aber direkt am Baum steht, ist der große Blick über das Ganze WEG. Eine Verdichtung...das "am Baum stehen" führt dazu den großen Überblick zu verlieren. Gott ist aber doch das Ganze, so kann Gott doch nicht der eine Baum/Name sein. Gott ist ja auch der Fluß neben dem Baum, die Erde in der der Baum steckt usw., alle Namen und Begriffe sowie jede Religion ist nur ein kleiner Teil VON Gott. Erst wenn ALLE und ALLES harmonisch zusammen sind ist Gott als Ganzes unter uns und der Welt.
Ein einziger Name kann Gott nicht gerecht kommen. Gott IST ja ALLES. Also keine Namen = keine Streiterei. ...naja zumindest hätte das so sein können.

Das einzige Ziel dass Gott hat, ist Harmonie unter allen Geschöpfen, auch wenn die Erde ein Planet mit Umwelzgefahren ist. Auch die Erde ist 1 Kind Gottes. Die Erde lebt. Sie ist wie 1 "Organ". So wie wir die "Erde" für Bakterien sind, sind die Menschen die "Bakterien" auf der Erde. "Wie im Großen so im kleinen UND wie im Kleinen so im Großem."
Eine Gottesbotschaft kann also nur aus Information bestehen. Wir werden Informiert, wir bekommen Daten.
Es gibt nicht viel Wissen mitzuteilen, denn das Allwissen Gottes ist ein Wissen um das Wissen können. Also ein Wissen um das WIE man ständig neues Wissen erlangen kann.
Jedes Wissen ist nur ein Ergebnis aus anderen Wissensteilen. Das Allwissen von Gott kann also ein kleines Wissen sein. Dieses kleine Wissen IST zum Großen fähig.
Der Denkfehler beginnt darin zu denken, dass ein Wissen groß sein muß um groß zu sein. Aber das Wissen kann auch sehr klein sein um groß zu sein. Gott ist die Summe seiner Teile und das Mehr aus dieser Summe.

Die Bewustseinserweiterung ist das einzige Ziel das Gott für seine "Kinder" haben kann.
Nur mit bewussten Wissen können die Menschen eine faire, harmonischen Ordnung und Regelung zum gemeinsamen Sein auf der Erde organisieren.

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: die politische Welteinheit, verbunden mit der Entwicklung eines "Weltbewusstseins", das die Menschheit als Einheit versteht, die nur geschlossen überleben und vorankommen kann.  

Ja, das wäre schön. Aber das haben die Menschen denke ich noch lange nicht verstanden. Dieses Bewusstsein wird noch eineig Zeit wachsen müssen. Wenn die Politiker es nicht haben, werden die Menschen es nicht bekommen können. Die Politik regelt das Leben auf der Erde. Also kann der Anfang nur in der Politik liegen. Solange es zu wenige Politiker mit diesem Bewusstsein gibt, müssen die die das Bewusstsein haben verdammt viel Geduld aufbringen.

Die Menschen können nur geschlossen vorankommen, also als Einheit weil wir eine Einheit sind. Auch wenn viele Menschen das nicht erkennen, das ändert die Tatsache nicht. Es ist deswegen auch so dass jedes Gegendenken, also niedere Bewusstsein also ein Bewusstsein der Trennung, eine Sache verhindern oder ewig hinauszögern kann.
Gerade weil wir eine Einheit sind, sind wir auch von den nieder Denkenden ABHÄNGIG!!! Jeder IST ein Einflußfaktor auf das Ganze, der Einheit. ALS Dazugehöriges hat das EINE automatisch ein Einflußpotenzial. 1 für Alle und Alle für Einen!
Selbst den größten Verbrecher muß das Einheits-System mitnehmen! SONST wäre es ja keine EINheit mehr! JEDES TEIL muß in der einheit bleiben, auch wenn dieses Teilchen böse ist!

Solange Verdummung gefördert wird, und zu wenig selbstverständlich deutlich und verständlich für JEDEN geredet und informiert wird, wird das nix mit der Einheit! Einheit bedeutet eben auch KOMMUINIKATIONS-Einheit.
Es muß alles was kommuniziert wird FÜR ALLE zu verstehen sein! DAS wird doch von den Gescheiten verhindert.
Wenn Begriffe AUS den Begriffen fallen und keine ERKENNUNG mehr IN sich haben/tragen, dann kann es logisch immer mehr zu Mißverständnissen kommen.
Solange sich die Sprache immer weiter weg vom Verstand bewegt, und sich zu schnell mit neuen Begriffen formuliert, werden immer ältere Menschen in der Gesellschaft sprachlich abgehängt. Viele ältere Menschen verstehen die Politiker doch nichtmehr. Ein Witz.
Solange die sich nur gescheit anhören wollen um als gescheit wahrgenommen zu werden, wird das mit der Einheit eh nix! Logo.
Weil Einheit nun mal auch Einheit bedeutet ist die Sprache ein VERBINDUNGSmedium. So wie Sprache TRENNT (wenn sie regelrecht zu einer "Geheimsprache" also Insitersprache wird), ist es automatisch aus mit der Einheit. 1 System bedingt DAS Zusammenspiel von ALLEN. Alle bedeutet auch alle.
Eine Einheit LEBT durch Kommunikation miteinander! DAS ist ein sehr wichtiges Merkmal einer EINheit! Davon entfernen sich die Menschen leider immer mehr.

Es braucht dazu nicht eine einzige Sprache, ABER jede Sprache sollte innerhalb ihrer IMMER eine verständliche Grundsprache haben und von den Politikern verwendet werden. Aber vielleicht soll der Bürger ja nicht alles verstehen?

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Vor allem aber lehnen die Bahá'í die traditionelle Vorstellung eines kosmischen Weltgerichts ab.  

Das erledigen die Menschen ja ständig sofort. Ein Weltgericht in einer Zeitlosigkeit findet ständig statt.
Also JEDER Moment, jedes Jetzt ist ein Gericht. Jede Entscheidung ist ein Gericht. Und weil eben DIE Einheit zählt, ist jede menschliche Entscheidung die die ganze Menschheit betrifft DIE Entscheidung also DAS Gericht.
Wir Richten und selber. Doch die Richter sind leider die Mächtigen.
Die Menschen dürfen den falschen Politikern (falsche Proheten und falsche Götter) nicht die Macht überlassen.
Wenn Arm und Reich zu weit auseinandertrifften IST DAS EIN sicheres ZEICHEN dafür, dass die Politiker falsch regieren! Logo!

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Wenn das Kriterium der Prophezeiung ist, dass "die Sterne vom Himmel fallen", dann kann ich lange warten, zumindest wenn man diese Aussage wörtlich zu nehmen versucht. Wenn ich sie aber nicht wörtlich nehmen kann - und das sollte ja von der Astrophysik hinlänglich bewiesen sein - woran mache ich dann die "richtige" Interpretation fest? Ich persönlich bin daher der Ansicht, dass man Prophezeiungen ohnehin erst ex post facto deuten kann. Und ja, ich weiß, andere Bahá'í haben ein absolutes faible für Prophezeiungen...

Sterne können erlöschen, also fallen sie vom Himmel WEG. Würde man die Sterne zählen wollen, fallen da immer Sterne aus der Zählung weg.
Erloschene Sterne leuten ja nichtmehr am Sternenhimmel, ...sie sind glaube ich schwaze Löcher, gell.
War das wörtlich genommen genug um wörtlich genommen zu sein?

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: In den Bahá'í-Schriften findet sich ein strenger Monotheismus,.. ... wird versucht, den Sinn hinter der Trinitätslehre deutlich zu machen und ... neu zu deuten, weil man sich durchaus des Wertes dieses Sinnbildes bewusst ist. Man vermeidet nur seine Verabsolutierung,... Der Bahá'í-Theologie geht es nicht darum, das Wesen Gottes genau zu beschreiben und zu ergründen, sondern darum, Annäherungen an ein undurchdringliches Mysterium zu gewährleisten, von denen die Dreifaltigkeit nur ein Ansatz unter vielen ist.  

Wenn das Wesen Gottes die Dreiheit ist, und man dennoch Gottes Wesen nicht genau beschreiben will, bleibt immernoch die Drei.
Da Gott alles ist, ist alles 3faltig. Das Absolute Prinzip ist ein 3er-Prinzip. Egal wie man das Ding/Wesen genau nennt.
Die Dreifalltigkeit ist kein Ansatz unter vielen, in jedem Ansatz, egasl wie man denkt und auf welchen Wegen man geht, es ist immer die Dreifalltigkeit dabei. Immer. Es geht garnicht ohne! Es gäbe keine Existenz ohne die Drei. Die Drei IST in allem, ob das einer verstehen oder nicht, egal!

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: ...Wenn nun aber ein Offenbarer mit einem westeuropäischen Hintergrund käme, inwiefern wäre der für die Perser oder Afrikaner relevant? Die Welt ist noch viel zu weit auseinander als dass jetzt ad hoc ein westliches Religionsverständnis überall dankend angenommen werden würde. Dazu ist die Mentalität zu verschieden. Die Bahá'í-Religion ist im Prinzip fähig, sich auf unterschiedliche kulturelle Gegebenheiten einzustellen und in unterschiedlichen Kulturkreisen verstanden zu werden.  

Na ja, da müssten doch nur die Boten mit den Boten in harmonischer Kommunikation treten und einen einzigen gemeinsamen Kern verfolgen....nämlich: Frieden und Harminie FÜR ALLE und somit auch auf der GANZEN Erde.
Also es müsste doch nur die Offenbahrung Übersetzt werden, übersetzt im sinne ihrer Denkens..dem Inhalt..also wieder dem Kern der Aussage. (Das Gedachte übersetzen, nicht die Sprache.)

--------------
Den Rest lese ich später...

Liebe Grüße

Zitieren
#13
(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: ...dass die Bahá'í das Alte und Neue Testament noch einmal anders lesen als...
...ein neuer Interpretationsschlüssel hinzu, der zum Verständnis der Bibel herangezogen wird. Dazu gehört z.B., dass die in der Bibel geschilderten Vorgänge keine Tatsachenbeschreibungen darstellen, sondern Glaubenswahrheiten ausdrücken sollen. ...

Tatsachenbeschreibungen
sind die Geschichten die sich ereignet haben sollen, aber ob diese ein Gleichnis oder eine echte Begebenheit darstellen ist nicht gesichert zu erkennen, oder?
Zudem werden wahre Ereignisse von den Schreiben mit Geschichten aufgemotzt. Hinter jeder derartigen Schrift steht ein größerer Beweggrund.

Glaubenswahrheiten
sind pure Aussagen darüber wie man Glauben soll, oder? Also eher eine Vermittlung von Gesetz, eine "du sollst nicht, du darfst nicht - Informationsmitteilung" oder?
Also Glaubenswahrheiten ohne Erklärung, weil man sie auch befolgen muß, wenn man diese Wahrheit nicht verstanden hat, darum ist es auch egal ist ob man sie verstanden hat.
Alles was man sowieso tun muß, braucht man ja nicht unbedingt zu verstehen um es zu tun. (Was aber nicht heißt dass es nicht besser wäre.)
Das ist eine verherende Denkweise, denn sowie das Bewusstsein gewachsen ist, ist auch das Bedürfnis im Menschen da die Dinge verstehen zu wollen. Und wenn dann eine Religion keine gescheiten Erklärungen hat, weil ihnen die ganzen Jahre ja blind geglaubt wurde und die Menschen alles befolgt haben, dann ist das "Kraut fett".

Deutungsmöglichkeiten
gibt es ja auch zu genüge, da die Sprache ihre "Verstecke" hat. Die Interpretation und die Denkweise sind fast sowas wie eine Verschlüsselung.
Die Schreiber könnten da eigendlich auch locker absichtlich etwas im Text verbergen. Mit einer Art "Denk-Interpretationsschlüssel.
Aus Zufall oder in Absicht kann es noch einen tieferen verborgenen Sinn in der Bibel geben.

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Es ist traurig, so etwas als Argument anführen zu müssen, aber die Lebensrealität in manchen Ländern ist einfach noch eine völlig andere als hierzulande.
Ich würde diese Regelung daher als ein (temporäres) Zugeständnis an die "Verstocktheit" einiger Männer und als Maßnahme interpretieren, damit das Haus der Gerechtigkeit auch von diesen Menschen so ernst genommen wird, dass es in der Lage ist, wirklich etwas zu bewegen. ...
...Erst das Haus der Gerechtigkeit hat die iranische Gemeinde dazu gebracht, das Frauenwahlrecht einzuführen.
...ein Verständnis der Gleichwertigkeit von Mann und Frau ...
Denn der Bahá'í-Ansatz zielt immer auf Evolution, niemals auf Revolution. Das ist z.B. ein wesentlicher Unterschied zu "europäischen Mentalität", die Dinge lieber sofort und radikal ändern will, statt darauf zu warten, dass sich Veränderungen quasi natürlich entwickeln.

Mich wundert es schon, warum es noch derartige Lebensrealitäten gibt. Einerseits gibt es Menschen weit im Bewusstsein fortgeschritten und andererseits Menschen die noch in einem Frauen unterdrückendem Bewusstsein sind. Ich denke da hat man diese Menschen einfach in ihrem niederen Denken gelassen weil sie so besser auszubeuten waren.

Was genau ist das Haus der Gerechtigkeit?
Eine Entwicklung nach dem Prinzip der Evolution, schön da stimme ich dir zu, das ist deutlich das bessere.
Wer etwas sofort und radikal verändern muß, hat zu lange geschlafen.


(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Denn das Haus der Gerechtigkeit hat noch in den 1990er Jahren erklärt, ...

Woran legen die Bahaí Gerechtigkeit fest? Also was ist ihre "Denk-Formel" zur Gerechtigkeit?

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Gott wird kaum so pedantisch sein, da den Winkel des Handgelenks oder Ellenbogens nachzumessen...  

In dem von dir gedachten sinne nicht, ja. Ansonsten muß Gott pedantisch sein um gerecht zu sein. Gott hat ein Maß. Und dieses Maß muß er selber auch einhalten. Sowas widersprüchliches würde Gott nicht tun. Was nicht sofort durch das Maß zu bestimmen ist, kann mit einem Spielraum und dem Wechelspiel im Gleichgewicht gehalten werden. Das Vorgehen verteilt die Kräfte gerecht duch den zeitlichen Wandel, also der Wechsel bringt die Gerechtigkeit....(Wechselwirkung).
Ein banales Beispiel:
3 Autos kann man nicht an 2 einzelne Menschen zu ihrem jeweiligen festen Besitz verschenken, das dritte Auto kann nur der Zeit nach verteilt werden. Erst eine Zeitlang dem einen und dann dem anderen. Da kann also nur die Zeit die Gerechtigkeit bringen.
1 ist nicht teilbar um noch ein Ganzes zu sein.
1 Baby kann man nicht in 2 Hälften teilen! (Bibel)...da war es die Liebe die die Wahrheit zeigte und zur Gerechtigkeit führte.

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Wäre nicht eine Manipulation der Naturgesetze eher ein Beweis dafür, dass er sich mit sich selbst nicht einig ist? Schließlich funktionieren sie ja genau so, wie sie es sollten. Eine nachträgliche Änderung ließe in meinem Empfinden eher Zweifel an seiner Kompetenz als Schöpfer aufkommen  
Ja, zustimmung. Icon_razz
Wenn dann könnte er nur etwas hinzufügen oder etwas entwickeln um die Naturgesetze zu benutzen. Wie wir Menschen das ja auch machen.

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Allwissenheit kann man mit einem Beispiel illustrieren. Wenn ich heute behaupte, morgen würde die Sonne aufgehen, dann wird das mit 100%iger Wahrscheinlichkeit auch eintreffen. Das bedeutet nicht, dass die Sonne nicht aufgehen würde, wenn ich das nicht behauptet hätte, sondern einfach, dass ich mir der wirkenden Naturgesetze bewusst bin, die dafür verantwortlich sind, dass sich die Erde in 24 Stunden ein Mal um sich selbst dreht. Ähnlich kann man sich das Vorherwissen Gottes vorstellen, der sich der wirkenden Gesetze, die er geschaffen hat, natürlich bewusst ist und daher mit entsprechender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, wie die Dinge ablaufen werden.  

Ach du meinst die Schlaumeierei? Icon_cheesygrin guck, dass kann ich auch:
Weil die Sonne ja immer scheint und nicht irgend wohin geht, ist mit 100% Wahrscheinlichkeit immer irgendwo Sonnenschein auch wenn es Nacht ist. Ja, und hinter den Wolken scheint die Sonne auch weiter.

Im Grunde geht die Sonne überhaupt nicht auf und unter, sie wird irgendwann total ausgehen/erlöschen..ausgelöscht werden... und sie wird dann nichtmehr angehen...erleuchten...
Was wird die Sonne dann?...oh Ende meiner Schläue Icon_cheesygrin

Ja, Gott kann alles vorher Wissen, weil er alles nach seinem einzigen Muster laufen läßt. Wir laufen ihm nach. ... wir "fließen" in und als ein Muster immer nach den Plan, dem Grundmuster, auch wenn es innerhalb dieses Musteres wieder Muster gibt und es so immer zu neuen Mustern kommt.
Also das Unvorherbestimmte IM Vorherbestimmten.
Ein gibt ein großes Grundmuster das wir nicht sehen können. Wie... Eusa_think ...kennt ihr so bunte Sandbilder die man bewegt und immer ein neues Muster ergeben, aber ALS Bild ist es immer diese eine ART Bild und es besteht immer aus dem SandMusterspiel des Sandes. Egal welchen Verlauf der Sand nehmen wird, es kommt trotzdem immer ein Sandbild dabei heraus.
Gott braucht nix zu tun, es kommt sowieso so wie er will. Ständig neue Muster aus dem ersten Urmuster.
Der "Sand" ist immernoch der selbe, auch wenn er bereits viel Muster hatte.
So ist es auch mit dem Menschen, er ist immer der eine, auch wenn er vielfach da war. So ist es auch mit Jesus, er war immer der Eine, auch wenn er viele Namen hatte.
So ist es mit Gott, er war immer nur der eine, auch wenn es viele Glaubenskonstrukte gibt.

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Denn der Mensch wird als ein Wesen mit körperlichen und geistigen Eigenschaften verstanden.
Die körperliche Seite ist natürlich an die Naturgesetze gebunden und kann darüber nicht hinaus. Wenn der Mensch nicht isst, verhungert er. Insofern ist also die Nahrungsaufnahme zur Energiegewinnung determiniert, ob, wann und was der Mensch isst, entscheidet er aber frei.  

Nö, da kann es noch zu Manipulationen kommen. Diese Freiheit hat doch die Lebendmittelindustrie im Würgegriff.
Suchtstoffe usw., wenn z.B. erst großflächig der Zucker verteilt wird, und der Mensch sich an das Süße gewöhnt hat, hat der Wille ja etwas das er wollen kann. Hätte die Lebensmittelindustrie nie so viel Zucker unter die Menschen gebracht, hätten diese weniger konsumiert. Der Mensch würde heute weniger Zucker verbrauchen, weil er das Verlangen ja nie so stark hätte entwickeln können. Aber wer verdient am Zucker und unserere Geschmacksvielheit?
Der Mensch ist nun wiederum auch selbst zum Produkt geworden, z.B. können jetzt die Pharmaindustrie ihr Geschäft mit den Zuckerkrankheiten machen.
Als das hat doch mit den Naturgesetzen nix zu tun.

Das Problem ist weil die einen Menschen ihren Geist verwenden können sie den anderen Menschen am Körper schaden. Das könnte natürlich auch im Guten gehen, aber die Macht des Geldes herrscht über die Vernunft.

Der Mensch ist mehr als nur Körper und Geist, er hat auch eine Seele, oder Psyche...wenn dir das Wort lieber ist.
Der Mensch hat eine Prägung, ein Urmuster. Und der Mensch verändert ständig dieses Muster. Wenn da je einmal ein schönes Muster sein soll, so müssen ALLE Menschen eine Einheit bilden....und keiner darf den anderen für seine Machtzwecke ausnutzen.


(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Die zweite Kategorie von Leid auf dieser Welt entsteht durch den Menschen selbst. Jede Form von Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Krieg, Hunger, Armut usw. entsteht durch die Unfähigkeit des Menschen, die Ressourcen des Planeten gerecht zu verteilen.
Gegen diese (vermeidbare) Art von Leid geht Gott nach unserem Glauben aktiv vor, indem er immer wieder Boten sendet, die einen besseren Weg aufzeigen sollen, die Probleme der Welt zu lösen. Ob der Mensch diese Angebote dann auch annimmt, obliegt aber wieder seinem freien Willen.
...
Die dritte Kategorie sind dann göttlich gefügte Begebenheiten. Dazu würde ich z.B. Krankheiten zählen. Nicht, dass Gott aktiv neue Krankheiten erfinden würde, aber die Naturgesetze lassen Raum für die Entstehung neuer Krankheiten, Viren und Bakterien. Krankheiten wären ein Beispiel für Probleme, die in der Welt liegen, die den Menschen dazu anregen sollen, sich weiterzuentwickeln, zu forschen und die Welt besser zu verstehen, um sie irgendwann auszurotten.

Der ersten Kategorie stimme ich zu.
Zur zweiten... glaubst du dass die Menschen das Leid verhindern wollen und ihren freien Willen dafür einsetzen würden? Ist das wirklich die Unfähigkeit oder ist das leider gerade der freie Wille?
DIE Leidenden sind ja nicht die die die Ressoursen verwenden und die Erde bis zum Übermaß ausbeuten.
Die dritte... du meinst an den Krankheiten kann man die Probleme der Welt erkennen?...und dann soll man die Krankheit ausrotten?
Wäre es da nicht besser man würde sofort besser verstehen und könne auf diese KrankheitsZeichen ganz verzichten.  
Aber vielleicht sind Krankheiten auch nur der Beginn einer Veränderung des Menschen. Die Evolution ist ja sicher noch nicht fertig.

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Das Leiden der früheren Pockeninfizierten hat also zumindest den Kindern, die heute auf die Welt kommen, dieses grausame Schicksal erspart. Ich fände es tröstlich, zu wissen, dass ich selbst mit meinem Leid für Andere etwas bewirken kann, indem Ärzte dadurch schneller ein Heilmittel finden. Und so empfände ich es auch nicht als ungerecht, dass es Dinge in dieser Welt gibt, die dazu geschaffen sind, dass wir über uns hinauswachsen können. Denn Möglichkeiten zur Entfaltung und Weiterentwicklung sind nur gegeben, wenn die Aufgaben dementsprechend gestaltet sind. Das wird dir übrigens auch jeder Erziehungswissenschaftler bestätigen.  

Wenn diese Dinge die dazu geschaffen sind um über uns hinaus zu wachsen ein wirkliches echtes eigenes Schicksal ist, dann ja.
ABER wenn ein Schicksal künstlich verursacht und hervorgerufen wird, dann NEIN!
Das kommt m.E. also darauf an!
Ein heutiges Leben ist genauso wertvoll wie das Leben welches man später angeblich retten kann. Das kann nur auf einer freiwilligen Basis geschehen und auch nur dann wenn man wirklich eine Krankheit bekommen hat und diese nicht eingeimpft wurde. ...zumindest nicht ohne Freiwilligkeit.

(08-09-2017, 11:12)Sören schrieb: Man darf Heilige Schriften halt nicht wörtlich nehmen, wenn man ihren Inhalt erfassen und wertschätzen will.

Na ja, zumindest ist es denke ich so, dass wenn man sie wörtlich nehmen will, man die Wortkombinationen wenigstens anderes verstehen können muß.

Die Bahai lesen also die Bibel, oder haben sie eine eigene?

Zitieren
#14
Adamea schrieb:Was genau ist das Haus der Gerechtigkeit?

Das Universale Haus der Gerechtigkeit ist die gewählte weltweite Gemeindeleitung der Bahá'í. Auf der nationalen und lokalen Ebene gibt es zudem sogenannte Geistige Räte, die ebenfalls leitende Funktion haben und ebenso gewählt werden. Es gibt also in dem Sinne keine Hierarchie von Oben nach Unten wie z.B. im Klerus der Katholischen Kirche.

Adamea schrieb:Woran legen die Bahaí Gerechtigkeit fest? Also was ist ihre "Denk-Formel" zur Gerechtigkeit?

Uff, ich glaube das ist ein Thema, das man nicht in ein paar Sätzen abgehandelt bekommt. Eine einfache Faustformel zur Berechnung von Gerechtigkeit gibt es jedenfalls nicht. Es kommt immer auf die konkreten Umstände und den Einzelfall an.

Adamea schrieb:Der Mensch ist mehr als nur Körper und Geist, er hat auch eine Seele, oder Psyche...wenn dir das Wort lieber ist.

Geistig ist in diesem Zusammenhang erst einmal als "metaphysisch" oder "nicht-körperlich" zu verstehen. Im weiteren Sinne tauchen die drei von dir genannten Begriffe auch in den Bahá'í-Schriften auf, in dem Sinne, dass der Mensch Seele IST und einen Körper besitzt. Der Geist ist die lebendig machende Kraft, die beides zusammenhält.

Adamea schrieb:Zur zweiten... glaubst du dass die Menschen das Leid verhindern wollen und ihren freien Willen dafür einsetzen würden? Ist das wirklich die Unfähigkeit oder ist das leider gerade der freie Wille?

In der Bahá'í-Anthropologie ist der Begriff der Erziehung entscheidend. Der Mensch ist von Natur aus weder gut noch schlecht. Erst die Erziehung macht den Menschen dem Guten zugeneigt. Falsche Erziehung oder das völlige Fehlen einer solchen verdirbt ihn und lässt ihn sich vom Guten abwenden. Die Abwendung vom Guten geht einher mit Selbstbezogenheit und Egoismus, die letztendlich für einen Großteil der von dir genannten Probleme verantwortlich sind. Ob die Menschen Leid beenden wollen, ist also eine Frage der richtigen Erziehung. Das berührt den Freien Willen nicht, da sie die reflektierte Entscheidung überhaupt erst ermöglicht.

Adamea schrieb:Die dritte... du meinst an den Krankheiten kann man die Probleme der Welt erkennen?...und dann soll man die Krankheit ausrotten?

Nein, das meine ich nicht. Krankheiten sind für sich ein Problem, das es zu lösen gilt. Um dieses Problem zu lösen muss der Mensch sich weiter entwickeln und seine kreativen Energien und seinen investigativen Verstand einsetzen, um Behandlungsmöglichkeiten zu erforschen. So generieren Krankheiten und andere natürliche Hemmnisse ein stetes Potential der Weiterentwicklung.

Adamea schrieb:Das kann nur auf einer freiwilligen Basis geschehen und auch nur dann wenn man wirklich eine Krankheit bekommen hat und diese nicht eingeimpft wurde. ...zumindest nicht ohne Freiwilligkeit.

Ich denke wir sind uns einig, dass Experimente an Gesunden absolut verwerflich sind und mit gutem Grund weltweit geächtet sind. Niemand sollte absichtlich mit einer Krankheit infiziert werden, um schneller ein Heilmittel finden zu können. Ich wüsste allerdings auch von keinem Fall, in dem das in den letzten Jahrzehnten geschehen wäre.

Adamea schrieb:Die Bahai lesen also die Bibel, oder haben sie eine eigene?

Die Bahá'í erkennen die Bibel und den Koran als authentische Heilige Schriften an, ja. Basis des Glaubens sind allerdings in erster Linie die Schriften Bahá'u'lláhs und seines Sohnes 'Abdu'l-Bahá sowie die Erläuterungen der Gemeindeleitung dazu. Bahá'u'lláh und 'Abdu'l-Bahá haben in ihren Schriften vielfach auf die früheren Heiligen Schriften Bezug genommen oder sie interpretiert, inwieweit einzelne Bahá'í aber darüber hinaus zur Bibel greifen, ist denke ich typabhängig.
"Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da." - Sophokles: Antigone, Vers 523
Zitieren
#15
Hallo Sören!

Deinen Ansatz, (nur) gestellte Fragen (soweit und so gut wie dir möglich) …
sinnvoll beantworten zu wollen, begrüße ich.
Deine bisherigen Antworten, auf gestellte Fragen (soweit ich diese „richtig lese“) …
entsprechen weitgehend meinen heutigen Denkweisen.
Ich selbst bin weder Bahai – noch gehöre ich einer anderen religiösen Gemeinschaft an.
Einst, zwar in christlichen Glaubens-Traditionen erzogen – interprtiere ich heute
(neben anderen – auch biblische) Schriften … oft sehr anders als „Gläubige“.


Im letzten Absatz (deines Beitrag v. 11.9.) schreibst du ...

Zitat:
Die Bahá'í erkennen die Bibel und den Koran als authentische Heilige Schriften an, ja.
Basis des Glaubens sind allerdings in erster Linie die Schriften Bahá'u'lláhs und seines Sohnes 'Abdu'l-Bahá sowie die Erläuterungen der Gemeindeleitung dazu.
Bahá'u'lláh und 'Abdu'l-Bahá haben in ihren Schriften vielfach auf die früheren Heiligen Schriften Bezug genommen oder sie interpretiert, ...


Meine Frage:
Anerkennen Bahaii …
die in Bibel und Koran enthaltenen „zeitlosen Weisheits-Lehren
oder …
die in einer Zeit und Kultur(und gemäß dem jeweiligen Verständnis)
sprachlich fixierten Schriften (als authentisch und heilig)?


Als Unwissender
erkenne in Ersterem den tieferen Sinn … von Religionen
in Letzterem hingegen das Grundübel der meisten „Religionsgemeinschaften“.


Gruß
Wolf
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Bahá'u'lláh zur Reinkarnation Klaro 8 16395 17-04-2014, 13:44
Letzter Beitrag: Harpya
  Die Weltordnung Baha'u'llah's t.logemann 173 295942 06-02-2014, 15:22
Letzter Beitrag: Klaro
  Die Institution der Baha'i Aysha 19 29936 20-01-2014, 19:26
Letzter Beitrag: Klaro

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste