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Jesus ist Gott
#3
@Bridge: Die Auslegung, die Du hier aufzeigst, folgt natuerlich normaler christlicher Exegese. Trotzdem sieht das alles bei weitem nicht so klar aus, wie Du es hier darstellst.

Erst einmal vorweg: Natuerlich ist es klar, dass der Anspruch, bei Jesus handele es sich um Gott, hauptsaechlich auf dem Johannes-Evangelium beruht. Dieser Aspekt ist vollkommen unstrittig - dass dort Jesus einen goettlichen Anspruch erhebt ist offensichtlich. Es ist weniger klar, ob er eigentlich behauptet, der gleiche Gott wie Jahwe (Gottvater) zu sein. Die ueblichen Uebersetzungen der ersten zwei Zeilen von Joh sind:

"1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
2 Im Anfang war es bei Gott."

Der erste Satz erscheint klar. Der zweite weniger, da er etwas aus dem ersten Satz zu bestaetigen scheint, naemlich, dass das Wort und Gott nicht ein- und dasselbe sind. Dabei sollte man beachten, dass eine moegliche Uebersetzung der ersten Zeile auch lautet:

"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war ein Gott."

Es kann also gut sein, dass hier ein Vielgoetterglaube hinter dem Evangelium schlummert. Dabei habe ich bereits frueher darauf hingewiesen, dass hier sogar drei Goetter in diesem Evangelium stecken koennten (nein, nicht der Hl. Geist).

Hebr schlaegt in dieselbe Kerbe. Dem von Dir zitierten Vers 1,8 folgt:

"8 von dem Sohn aber: Dein Thron, o Gott, steht für immer und ewig, und: Das Zepter seiner Herrschaft ist ein gerechtes Zepter.
9 Du liebst das Recht und hasst das Unrecht, darum, o Gott, hat dein Gott dich gesalbt mit dem Öl der Freude wie keinen deiner Gefährten."


Hier haben wir es also mit mehreren Goettern zu tun, mit Jesus als einem Untergott, der noch jemanden ueber sich hat. Trotzdem, er wird hier immer noch Gott genannt.


Die anderen Stellen dagegen taugen alle nicht, um Deinen Punkt fuer Dich zu machen. Die Stelle in der Apg bezieht sich auf "das eigene Blut Gottes", aber wir sollten die Doppeldeutigkeit der Formulierung nicht unterschlagen. "Das eigene Blut" sind die Kinder. Als Beweis fuer die Identitaet von Jesus mit Gott taugt die Stelle also nicht.

Die "Beweise" mit den angeblich blasphemischen Verehrungen Jesu taugen auch allesamt nichts. Diese Sichtweise vergisst, dass wir es hier mit streng hierarchischen Gesellschaften zu tun hatten, in der die Verehrung einer hoehergestellten Person dadurch, dass man sich vor ihr auf den Boden warf mit dem Gesicht zur Erde, vollkommen normal war. Das galt fuer den Chef genau so wie fuer den Koenig. Und wenn die Weisen aus dem Morgenland Jesus huldigen, so tun sie das, wie sie auch selbst sagen, fuer einen Koenig, nicht fuer einen Gott; mit Jesus als Gott haben diese "Verehrungs-" Episoden also allesamt nichts zu tun. Was Christen gegenueber den Kaiserfiguren nicht tun durften, war ihr zu opfern. Dem Kaiser die zustehende Ehrung zu erweisen, war kein Problem. Das ist also ein kulturelles Missverstaendnis.

Bei dem Jesaja-Zitat geht es um uebliche Kroenungformeln, also frommen Wuenschen, wie sie einem frisch Gekroenten, in seine Regierungszeit mitgegeben wurden. Dies ist eine Kopie der pharaonischen Kroenungformeln (die Einheitsuebersetzung weist darauf hin).

Bei dem abschliessenden Zitat aus 1Kor ist Gott lediglich in Christus. Das entspricht der Vorstellung der anderen Evangelien, wie z.B. Markus, wo der heilige Geist Gottes bei der Taufe in Jesus faehrt und ihn von nun an steuert. Das ist also eher ein Hinweis, dass Jesus in vielen NT-Texten nicht als Gott gesehen wurde.


Nun ist es natuerlich interessant, wie diese Vorstellung, dass Jesus Gott sei, eigentlich entstanden ist. Bei den Hellenisten war die Vergoettlichung grosser Verstorbener nichts Ungewoehnliches, wobei das Konzept "Gott" allerdings auch nicht diese ueberfrachtete Bedeutung hatte, wie wir sie heute haben. Wenn jemand im Leben irgendetwas geleistet hatte, wurden eventuell Statuen fuer ihn aufgestellt, und ihm oder ihr wurde geopfert. So ist uebrigens auch der roemische Kaiserkult angestossen worden - gegen Widerstaende aus Italien. Die griechischen Kolonien fragten an, ob sie Altaere fuer den Kaiser aufstellen durften, und nach einigem hin und her wurde dem entsprochen, da es halt in Griechenland so Sitte war. Das verselbstaendigte sich dann irgendwann.

Beim Christentum trifft diese eher griechische Ueberhoehung des kuerzlich Verstorbenen auf die juedisch-hellenistische Tradition,  Konzepte wie das Denken (Logos) oder die Weisheit (Sophia) zu personifizieren und im Hofstaat Gottes anzusiedeln. Beim Aufeinandertreffen mit griechischen Traditionen hat sich das dann verselbstaendigt, worauf das fruehe Christentum endgueltig zu einer polytheistischen Religion geworden war. Diese wurde dann wohl re-judaisisiert, mit der Einfuehrung eines philosophisch-monotheistischen Ueberbaus in Form der Trinitaetslehre, die juedischen Monotheismus mit fruehchristlichem Polytheismus vermaehlen sollte.


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Jesus ist Gott - von bridge65 - 15-08-2017, 23:39
RE: Jesus ist Gott - von HJS6102 - 16-08-2017, 12:38
RE: Jesus ist Gott - von Ulan - 16-08-2017, 13:28
RE: Jesus ist Gott - von Ulan - 16-08-2017, 13:48
RE: Jesus ist Gott - von HJS6102 - 16-08-2017, 13:54
RE: Jesus ist Gott - von HJS6102 - 16-08-2017, 14:00
RE: Jesus ist Gott - von Ulan - 16-08-2017, 14:11
RE: Jesus ist Gott - von HJS6102 - 16-08-2017, 16:05
RE: Jesus ist Gott - von Ulan - 16-08-2017, 17:29
RE: Jesus ist Gott - von Kunigunde Kreuzerin - 22-08-2017, 21:11
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RE: Jesus ist Gott - von scilla - 22-08-2017, 09:05
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