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die islamische Welt und die Säkularisierung
#1
Guten Tag,

... die Terra X Folge vom Sonntag (ZDF) zeigt deutlich, weshalb eine fehlende Sekularisierung fatale Folgen haben kann. In diesem Zusammenhang ist mir bis heute kein Staat bekannt der eine Trennung zw. Islam und Staatsführung konsequent durchgeführt hat. Die Verknüpfung von Religion und Staatsinteressen wird in der islamischen Welt nicht selten nicht verstanden. Ich sehe immer wieder in Talk-Shows Muslime die Sachen das bspw. die Burka kein politisches Signal ist. Dabei hat jede politische Aktion in der Regel auch eine religiöse Bedeutung wie ich finde.
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#2
Es ist richtig, dass der Islam sehr deutlich Ideologien pflegt. Ideologien sind leicht erkennbar an der Trennung zwischen "wir" (beispielsweise Gläubig, Muslime) und "anderen" (beispielsweise Ungläubigen, Feinde). Nun könnten sich einfach alle zum Islam bekennen. Das wäre aber bei weitem gefehlt; denn Ideologien brauchen zwingend ein (Zerr-) Bild der "anderen". So werden geringfügige Unterschiede in den Glaubensausrichtungen zur Todfeindschaft zwischen "uns" und den "anderen".

Die Säkularisierung müsste im Islam weit mehr leisten, als was die Aufklärung (oder der Westfälische Friede 1648) im Falle des Christentums geleistet hat. Erinnern wir uns daran, dass die christlichen Ideologen während des Dreißigjährigen Krieges ganze Landstriche entvölkert haben. Diese Geschichte wird sich aus zwei Gründen wiederholen:
1. die Auftrennung in "wir" und die "anderen" geht im Islam viel tiefer.
2. die Bevölkerungen sind weltweit sehr stark gewachsen, so dass es den Einen ("wir") immer scheint, dass ihnen die Anderen (Ungläubige, Feinde) alles wegnehmen.

PS Ich habe mir erlaubt, im Titel das Wort "Säkularisierung" zu berichtigen. Man findet es sonst nicht bei korrekter Schreibweise.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#3
Der Moslem an sich kennt wohl  keinen Opportunismus. Vor diesem Hintergrund
gibt es dort wohl auch so wenige Prakmatiker. Im Iran soll es diese Klasse von Politikertypen tatsächlich geben.
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#4
(13-04-2017, 12:18)Kreutzberg schrieb: Der Moslem an sich kennt wohl  keinen Opportunismus.
Gut kann sich nur an Böse messen.
Wenn der Moslem sich selbst als gut und gerecht loben will, dann braucht er dafür eine Gegenüberstellung. Der Koran liefert die Zerrbilder die er dafür braucht. Es ist ja auch nicht so, dass der Moslem selbst immer nach den Geboten des Koran lebt, sondern sich diese viel mehr passend auslegt. Dafür stehen ihm die "Suna" oder die "Shia" zur Verfügung..
Es gibt im Islam ziemlich wenige Gebote, an die er sich immer strikt zu halten hat..(die Säulen des Islam) und selbst hier hat der Koran Ausnahmeregelungen des Erbarmens mit dem Moslem..

Wie du siehst, ist der Islam eine ziemlich opportunistische Religion..

Das Ganze hat natürlich auch (s)eine blöde scheinheilige Kehrseite... "Die Gruppendynamik" (Umma) in der sich alle menschlichen Eitelkeiten, alles Imponiergehabe und sehr wahrscheinlich alle menschliche Dummheit immer verselbstständigen.

Das ist nämlich genau das eigentliche Problem mit der Säkularisierung des "Islam", weil in dieser Gruppendynamik immer scheinheiligsten "Schreier"" und testosterongesteurtesten WICHTel (am Bartwuchs erkennbar) das große wichtige Wort haben. Also auch hier wieder besondere Opportunität für Halblustige....

(13-04-2017, 12:18)Kreutzberg schrieb: Vor diesem Hintergrund
gibt es dort wohl auch so wenige Prakmatiker. Im Iran soll es diese Klasse von Politikertypen tatsächlich geben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pragmatismus Der Ausdruck Pragmatismus (von griech. πρᾶγμα pragma „Handlung“, „Sache“) bezeichnet umgangssprachlich ein Verhalten, das sich nach bekannten praktischen Gegebenheiten richtet, wodurch das praktische Handeln über die theoretische Vernunft gestellt wird. Im Pragmatismus bemisst sich die Wahrheit einer Theorie an ihrem praktischen Erfolg, weshalb pragmatisches Handeln nicht an unveränderliche Prinzipien gebunden ist.

Muslime sind (leider) sehr pragmatisch. Weil eben der Koran immer pragmatisch und nicht theoretisch ausgelegt wird...
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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#5
(13-04-2017, 11:08)Kreutzberg schrieb: Guten Tag,

... die Terra X Folge vom Sonntag (ZDF) zeigt deutlich, weshalb eine fehlende Sekularisierung fatale Folgen haben kann. In diesem Zusammenhang ist mir bis heute kein Staat bekannt der eine Trennung zw. Islam und Staatsführung konsequent durchgeführt hat. 

das problem bei der säkularisierung ist oft, dass sich statt religion, langfristig industrielle eliten einnisten und so der neoliberalismus auf voller tour geht und den namen der demokratie quasi gewinnbringend für sich verfremdet und ausnutzt. eine art industrielle monarchie fängt an zu evolvieren, die schufagesellschaft eben.

wohingegen der neoliberalismus wieder radikale strömungen langfristig quasi füttert, weil die spanne der industriellen eliten und der armut zu gesllschaftlichen spannungen führt, und parteien wie afd versuchen das für sich zu nutzen. trump ist nicht anders an die macht gekommen als durch solche umstände. bernie sanders wurde z.b nicht zur wahl eingebracht, sondern der kreis unter sich, wollte weiterhin möglichst unter sich bleiben.

der IWF gibt ländern kredite, will aber dafür politisches mitspracherecht, also was passiert da mit einer demokratie ? die finanzspitze hebelt für sich die demokratie einfach aus, und nennt es einfach weiterhin demokratie.

das andere problem ist, dass die demokratie gemessen wird mit 2 maß, jenachdem welcher gruppe man angehört. es gibt ein mal die selbsternannten "oberdemokraten" aus dem westen, die eine demokratie in anderen ländern nur dann akzeptieren, wenn diese nach deren spielregeln laufen bzw. die selbst davon profitieren. ansonsten wird ein mossadegh einfach gestürzt und ein mulla platziert, damit man dann sagen kann "ey ne demokratie in iran ist nicht möglich". d.h man erwartet eine art nutzdemokratie quasi, keine selbstbestimmte demokratie. ansonsten ist denen ne diktatur ala sisi lieber, solange er brav gegenüber den "richtigen" ist.

das bedeutet das dadurch echte demokratien eben es schwer haben fuß zu fassen, weil auch im namen der demokratie will man die hierachie für sich gewinnen.

demokratie ist nicht gleich demokratie. mit dem begriff allein kann man erst mal nicht viel erklären.
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#6
Was sind "echte Demokraten"?
Bin ich ein "schlechter Demokrat", weil ich nicht jedem Hansel Mitsprache bei größeren Projekten einräumen möchte?
Da es hier um "fehlende Säkularisierung" geht, möchte ich insbesondere Religionsgemeinschaften keine Sonder- und Mitspracherechte einräumen. Der Grund: Diese sind ideologiegebunden und entscheiden der Ideologie entsprechend. Ideologien sind realitätsfern und willkürlich! Wie realitätsfern sich Massen verhalten und entscheiden, haben wir Sonntag 16.4.17 erlebt. Ich denke, dass eine "repräsentative Demokratie" + Gewaltenteilung die einzige Chance ist, dem Staat Grenzen aufzuerlegen.

Artist schrieb:der IWF gibt ländern kredite, will aber dafür politisches mitspracherecht, also was passiert da mit einer demokratie ? die finanzspitze hebelt für sich die demokratie einfach aus, und nennt es einfach weiterhin demokratie.
Das ist ein Bisschen arg einseitig erzählt. Die politische Mitsprache des IWF ist dringend und zwingend erforderlich, damit die Entwicklung hin zu Einnahmequellen der betreffenden Völker in Gang kommt. Ansonsten werden nur die (korrupten) Eliten der Empfängerländer gemästet. Es wird nicht die Demokratie "ausgehebelt", sondern der Spielraum der Gevatterleswirtschaft gebremst (mehr wohl auch nicht).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#7
Wenn man grds. diskutiert müsste man die Frage stellen weshalb der Westen anderen Staatsordnungen gegenüber grds. mit Argwohn begegnet. Faktisch ist es aber auch so, dass eine echte Sekularisierung in der islamischen Welt fast gar nicht praktisch bisher ausprobiert wurde : es sei denn das Indonesien als gelungenes Beispiel für eine Trennung zw. Religion und Staat verstanden werden kann.

Der IWF hat mit dieser Problematik m. E. jedoch gar nichts zu tun. Am Kern des Problems sollte man festhalten
sonst kommt man vom Hölzchen zum Stöckchen.
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#8
"grds." = Juradeutsch, Abk. f. "grundsätzlich"
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#9
Mir ist bis dato kein islamisch geprägter Staat bekannt der die Sekularisierung jemals ansatzweise durchgeführt hat. Das ist sicherlich schon ein grundlegender Unterschied der nur kulturell zu erklären ist. Vor diesem Hintergrund bleibt die Frage offen ob es überhaupt einen modernen Islam gibt. Ich meine jedoch mitbekommen zu haben, dass in Jordanien bspw. wegen der deutlichen Westorientierung die Religion keinen Platz hat staatlich prägend Einfluß zu nehmen. Das wäre vielleicht das einzige Beispiel, dass mir auf Anhieb einfiele, wo eine Trennung. zw. Religion und Staat wenigstens ernsthaft versucht wird.
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#10
(25-04-2017, 09:50)Kreutzberg schrieb: Mir ist bis dato kein islamisch geprägter Staat bekannt der die Sekularisierung jemals ansatzweise durchgeführt hat.

Ich wuerde sogar behaupten, dass die meisten islamischen Staaten in der zweiten Haelfte des 20. Jahrhunderts saekular ausgerichtet waren. Viele waren (Militaer)diktaturen rechter oder linker Praegung (oft mit scheindemokratischem Maentelchen), die mit Religion nichts am Hut hatten oder diese sogar aus diversen Gruenden als Gegner ansahen. Der Iran war mal eine funktionierende Demokratie. Die islamischen Staaten Suedasiens waren auch, was Religion angeht, zwar nicht komplett frei, hatten aber ein deutliches Primat des saekularen Staates als Prinzip verankert. Heutzutage bleibt uns noch das Beispiel Bosnien-Herzegowina.

Was wir jetzt erleben, ist eine Renaissance eines sehr konservativen Islams mit politischem Machtanspruch. Dem Christentum traue ich diesen Weg jetzt nicht mehr zu, auch wenn einige User auf diesem Board dieser Idee durchaus zugetan waeren; unsere Gefahren fuer die Demokratie kommen von anderen Seiten.
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#11
Diese Einschätzung teile ich auch. Das kann man ja auch faktisch gut belegen. Für mich ist es aber doch merkwürdig, dass insbesondere die USA nicht versuchen einen islamischen Musterstaat Ihrer Vorstellungen zu prägen. Im Irak wollte man das nie, sonst hätte man einen deutlich sichtbaren Umgestaltungsplan des Landes seinerzeit auf dem Tisch gelegt. Ein instabiler Staat wie im IRAK passt auch besser in die Vorstellungen der USA.
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#12
Ich glaube, auch fuer die USA gilt hier der allgemeine Ausspruch, dass man niemandem eine boese Absicht unterstellen sollte, wenn man dasselbe auch mit Inkompetenz erklaeren kann. Bei den USA herrscht der Irrglaube, dass man den Leuten die offene Demokratie nur zu geben braeuchte, und die Leute wuerden von selbst erkennen, dass dies die beste aller Herrschaftsformen ist. Dieser Schluss ergibt sich aus der Geschichte der USA: Jeglicher Angriff auf die Demokratie in ihrem eigenen Land wurde letztlich in den 240 Jahren ihres Bestehens in ausnahmslos jedem Fall von den demokratischen Institutionen und den Buergern vereitelt. Hier herrscht also der Irrtum, dass Menschen in aller Welt sich genau so verhalten wuerden, wenn sie zwischen Freiheit und Zwang waehlen koennen. Sie bauen immer noch auf das Praezedenzbeispiel des faschistischen Europas, wo der Uebergang zur Demokratie auf breiter Front geklappt hatte; dabei vergessen sie aber, dass mehr oder weniger all diese europaeischen Staaten bereits eine interne demokratische Tradition in diversen Formen hatten, also etwas Eigenes, auf das sie aufbauen konnten. Die Menschen Europas hatten etwas verloren, was ihnen lediglich zurueckgegeben wurde. Diese eigenen Traditionen fehlen in den meisten islamischen Laendern, weshalb das Modell nicht uebertragbar ist.

Letztlich braucht es hier also eine Umkehr von innen heraus, aus den islamischen Staaten selbst. Der sogenannte Arabische Fruehling war ein Anfang, der uns aber gezeigt hat, dass die demokratischen Kraefte in diesen Laendern immer noch eine viel zu kleine Schicht stellen, um erfolgreich zu sein.
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#13
Das ist eine gute Analyse, dem ist nicht viel hinzuzufügen. In Nordafrika wird der Herrscher mit harter Hand jedoch eher bewundert, weil das mit Führungsstärke gleichgesetzt wird. Daher gibt es ja nicht nur unterdrückte sondern auch Unterdrücker.
 dort

> dennoch fehlt bis heute ein anschauliches Modellbeispiel für eine gelungene Trennung zw. Religion und Staat in der islamischen Welt.
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#14
Die heilige Schrift des Islam, der Koran, trieft geradezu von Ideologie ("Gläubige" = wir und "Ungläubige" = böse Feinde). Der Koran lässt keine noch so kleine Gelegenheit aus, "die Ungläubigen" in schlechtes Licht zu rücken, zu verdammen, zu bekriegen. (Man kann irgendwo aufschlagen und findet solche ideologiegetränkten Passagen; sei es eine Ermahnung oder als Kontrast. Übrigens ist Hitlers "Mein Kampf" in gleichem Stil verfasst. Die heutigen "Populisten" machen vor, wie man eine ganz ähnliche Ideologie unters Volk bringt und damit Stimmen fängt. Also "business as usual"!)

Recht verstandene Demokratie ist das genaue Gegenteil. Mehrheiten sind nicht "die Guten"/wir und Minderheiten haben auch ihre (oppositionellen) Rechte und Berechtigungen und sind nicht böse. Minderheitsansichten können morgen zum Mainstream, Mehrheitsansichten verworfen werden. Das Wesen der Demokratie ist die Verhandlung über alles, was gesellschaftlich relevant ist oder sein könnte. Vielen Menschen ist genau dieses "Hin-und-her" suspekt, macht unsicher und flößt Angst ein - seltsamerweise am meisten denen, die unter der Mehrheitsansicht leiden und sich unter Gleichgesinnten eingeigelt haben Icon_evil . Jemand, der in den Kategorien "Wir, das Gute" und "Jene, das Böse" zu denken gelernt hat, wird kaum davon zu überzeugen sein, dass das Andere zumindest eine Daseinsberechtigung hat. Jeder kann sich selbst prüfen, in dem er "jene" betrachtet, die nicht seiner Clique/Gesellschaftsschicht angehören, leicht zu erkennen an der Formulierung "Die ..." (Deutschen, Reichen, Flüchtlinge).

Die Säkularisation im Falle der islamischen Staaten hat die Aufgabe, den Staatsapparat von Ideologien zu entrümpeln. Das wird deshalb schwierig, weil Ideologien und die idelogisch gerechtfertigte Staatsdoktrin die Machtbasis darstellen. Nicht einmal im aufgeklärten Europa gelingt es, aus den Köpfen ideologische Verblendungen zu entfernen. Und das, obwohl wir im Dreißigjährigen Krieg des 17. wie auch in den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts den Ideologien Abermillionen Menschen geopfert haben.

Offenbar sind der Leidenswille und die Opferbereitschaft weit höher, als der Wille zum Ausmisten der Ideologien (wo immer sie auftreten!!!).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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