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Religion in Taiwan
#5
*Uebrigens wuerde ich mich ueber Fragen und Korrekturen freuen. Ich bin mir sicher, dass ich gerade zum Buddhismus das eine oder andere nicht ganz richtig hinbekomme, da ich darueber zwar so Einiges gelesen habe, aber das meist schon sehr lange her ist.


Der eigentliche Grund fuer den buddhistischen Boom der letzten Jahrzehnte in Taiwan liegt aber weniger in den traditionellen Tempeln oder Kloestern begruendet, sondern in den sogenannten "vier himmlischen Koenigen des taiwanesischen Buddhismus", die vier buddhistische Grossorganisationen gruendeten, Dharma Drum Mountain, Fo Guang Shan, die Tzu Chi Foundation und Chung Tai Shan. Zwei davon (Dharma Drum Mountain und Tzu Chi) sind hauptsaechlich Hilfsorganisationen, waehrend die anderen beiden (Fo Guang Shan und Chung Tai Shan) an die beiden groessten buddhistischen Tempel Taiwans geknuepft sind, dabei aber internationale Organisationen bilden, die sogar Vertretungen hier in Oesterreich haben (Fo Guang Shan in Wien und Chung Tai Shan in Linz).

Ihrem Selbstverstaendnis entsprechen auch monumentale Neubauten in Taiwan. So ist der Haupttempel der Chung Tai Shan-Sekte ein hypermodernes, 136 Meter hohes Gebaeude in den Bergen, das eine Art Abbild der buddhistischen Welt darstellen soll, vollverkabelt mit Glasfaser, LEDs und Lasershow. Wer sich ein Bild davon machen will, kann sich ihr Werbefilmchen ansehen (Vorsicht, grosse Mediendatei; der architektonische Rundgang kommt gleich nach dem etwas bombastischen Intro: *http://crs.ccdntech.com/rds/playerh5?vod77/discoverCT_eng.mp4 ) oder, zumindest die Innengestaltung, als virtuelle Tour hier: *http://www.ctworld.org/english-96/html/a5Architectural%20Design1-1.htm . Das groesste buddhistische Kloster Taiwans, Fo Guang Shan, hat auf einem mehr als 100 Hektar grossen Gelaende ein Besucherzentrum erstellt, das mit mehreren Stupas, 8 chinesischen Pagoden und einem 108 Meter hohen sitzenden Metall-Buddha klotzt (Bilder siehe hier: *https://www.englishintaiwan.com/travel-in-taiwan/south-taiwan-travel/foguangshan). Im Prinzip aehnelt das Auftreten hier also neueren Mega-Kirchen amerikanischem Zuschnitts, die ja auch nicht gerade bescheiden daherkommen und aehnlich erfolgreich sind.

Dieser aeussere Wandel geht einher mit einem grundsaetzlichem Wandel im buddhistischen Selbstverstaendnis hin zur Philosophie des sogenannten Humanistischen Buddhismus, auch als "Buddhismus der menschlichen Welt" bekannt. Dieser Wandel ist zwar im Mahayana-Buddhismus schon von vorneherein rudimentaer angelegt, aber erscheint mir doch als eine recht drastische Abkehr von bestimmten buddhistischen Grundprinzipien. Mit dem Schwenk des Blickes vom eigenen Innern auf diese unsere menschliche Welt ist die Aehnlichkeit zu christlichem Selbstverstaendnis weitaus groesser geworden, was wohl auch erklaert, warum das Christentum in Taiwan weitgehend ein Auslaufmodell darstellt, da es durch eine einheimische Glaubensvariante aufgesaugt wird.

Mahayana ist im Prinzip der chinesisch beeinflusste Buddhismus (in China, Korea, Japan, im Prinzip auch Tibet, das aber zu einer separaten Untergruppe gehoert (Vajrayana)). Was fuer das Thema hier speziell wichtig ist, ist, dass der Mahayana neben das Streben zur eigenen Erleuchtung die Wichtigkeit des Mitgefuehls mit allen anderen Wesen dieser Welt betont. Dies fuehrt sogar soweit, dass die letzte Stufe der eigenen Erleuchtung (die Buddha-Werdung) solange zurueckgestellt wird, bis man allen anderen Wesen den Weg dorthin geebnet hat. Verkoerperung dieses Prinzips simd im chinesischen Buddhismus die sogenannten acht Bodhisattvas, die im Diesseits verblieben sind, um den Menschen beim Weg zur Erleuchtung zu helfen. Guanyin habe ich dabei schon mehrfach erwaehnt, und sie/er wird oft als "tausendarmiger Guanyin" dargestellt, wie z.B. im Guandu-Tempel in Taipeh (Fotos siehe *http://www.goteamjosh.com/blog/qianshou). Die Legende geht, dass der Amithaba-Buddha Guanyin elf Koepfe und tausend Arme verliehen hatte, weil sich diese beschwerte, dass sie nicht alle Noete der Menschen hoeren und ihnen angemessen helfen koennte. Hier ist also die Hilfe des "humanistischen Buddhismus" im Prinzip schon angelegt; allerdings war die urspruengliche Idee eher, dass die Bodhisattvas durch das eigene Vorbild halfen; im humanistischen Buddhismus wird aber direkt Hand angelegt.

Jedenfalls sahen die letzten Jahrzehnte das Aufkommen unzaehliger buddhistischer Schulen, Universitaeten, Krankenhaeuser, Sozial- und Hilfsprojekte und auch oekologischer Initiativen, was dem Buddhismus in Taiwan diesen enormen Schub verlieh, auch wenn es das Gesicht des Buddhismus selbst entscheidend veraenderte.
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Religion in Taiwan - von Ulan - 22-03-2017, 17:22
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