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Joseph und die dürftigen historischen Beweisstücke
#31
(09-02-2017, 20:56)Sinai schrieb: Die Existenz einer Lehrgeschichte im aristokratischen Ägypten ist keinerlei Entkräftung dafür, daß ein Joseph (der bekanntlich ein extremes Naheverhältnis zur ägyptischen Hocharistokratie hatte, viellicht sogar einen ägyptischen Titel einer der zahllosen regionalen Priesterbünde angenommen hatte  - Joseph - und in der herrschenden Schicht voll assimiliert war) nicht auch Opfer eines brünftigen Weibes geworden ist. Der Paarungstrieb war in früheren Zeiten tendentiell stärker als heute, der Mensch war noch mehr von den Hormonen gesteuert

Es geht hier nicht um irgendwelche Lehrgeschichten. Die Geschichte um Bata und Anubis ist ein profanisierter Goettermythos. Bata und Anubis sind die Goetter des 17. oberaegyptischen Gaus. Bata wird uebrigens als Stiergott verehrt. Und die Geschichte der rachsuechtigen Moechtegern-Ehebrecherin ist halt nicht nur aehnlich, sondern so ziemlich dieselbe. Danach weicht die weitere Geschichte ab, auch wenn auch dort ein Exil (hier umgekehrt im Libanon) und ein Pharao eine Rolle spielen.

Entscheidend ist vor allem, dass dieses Maerchen existierte, bevor die Tora verfasst wurde. Die uns erhaltene Niederschrift ist aus einer Zeit, als Sethos II. Prinz war, also evtl. aus der Regierungszeit Merenptahs, desjenigen Pharaos, dessen Stele die erste und einzige Erwaehnung Israels (als besiegter nichtsesshafter Stamm in Canaan) in den aegyptischen Texten enthaelt.
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#32
(09-02-2017, 21:30)Ulan schrieb:
(09-02-2017, 20:56)Sinai schrieb: Entscheidend ist vor allem, dass dieses Maerchen existierte, bevor die Tora verfasst wurde. Die uns erhaltene Niederschrift ist aus einer Zeit, als Sethos II. Prinz war


Dazu möchte ich zwei Punkte sagen:

Du solltest nun versuchen, möglichst genau zu sagen, wann aus Deiner Sicht die beiden Perioden waren:
Prinzenzeit des Sethos II.
Niederschrift der Thora

Für den Fall, daß die allegorische Lehrgeschichte älter ist als die Thora, wäre dies kein schlüssiges Argument
Solche Probleme traten in allen Hochkulturen zu allen Zeiten auf, möglicherweise schon im alten Gomorrah
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#33
(09-02-2017, 21:30)Ulan schrieb: Entscheidend ist vor allem, dass dieses Maerchen existierte, bevor die Tora verfasst wurde.

Richtig!

Die verschmähte, beleidigte und sich rächende Frau ist eines der großen Motive der Weltliteratur und schon im Gilgamesch-Epos vorzufinden. Dort ist es Ischtar/Astarte die verschmäht wird und auf Rache sinnt.

Die Josef-Potiphar-Geschichte tritt in altorientalischen Erzählungen in unzähligen Motivvarianten auf. Auch in die griechisch-römische Dichtung ist sie - ebenfalls außerordentlich variantenreich - eingegangen.

Aufs äußerste (erotisch) zugespitzt wurde das Motiv von Euripides in seiner Hippolytos-Tragödie, und zwar in der ersten, von den Athenern abgelehnten, nicht erhaltenen Fassung: "Hippolytos, der sich verhüllende".
MfG B.
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#34
(09-02-2017, 21:30)Ulan schrieb: Bata und Anubis sind die Goetter des 17. oberaegyptischen Gaus. Bata wird uebrigens als Stiergott verehrt. Und die Geschichte der rachsuechtigen Moechtegern-Ehebrecherin ist halt nicht nur aehnlich, sondern so ziemlich dieselbe. ( . . . )

Entscheidend ist vor allem, dass dieses Maerchen existierte, bevor die Tora verfasst wurde.


Ich ahne, worauf Du vielleicht anspielst. Möglicherweise willst Du sagen, daß sich Moses bei der Verfassung der Thora durch Erzählungen des Niltals beeinflussen ließ und diverse Traditionen auch außerhalb der Thora weitergab (Priesterketten)

Diese Idee ist sehr interessant.
Professor Jan Assmann (Ägyptologe Universität Heidelberg) veröffentlichte 2000 in diesem Sinne eine bahnbrechende Untersuchung:
Laut Assmann sei der 'Sonnengesang' des Echnaton im viel später entstandenen 145. Psalm (15 und 16) und vor allem (ganz deutlich) im 104. Psalm (27 und 28) wiederzuerkennen !
Die Parallele Sonnengesang - Psalm 104 ist ein Angelpunkt in der zeitgenössischen Forschung.
Assmann druckt Stellen des Sonnengesangs und korrespondierende Psalmentexte zu Vergleichszwecken ab.
Vgl  Assmann, Jan. Moses der Ägypter. Frankfurt am Main. 2000
Fischer Taschenbuch Verlag, ISBN 3-596-14371-3
Seite 256

Interessanterweise vermutet Assmann, daß Moses vor seiner Flucht ein ägyptischer Gaufürst war, der sich einen Sklavenpöbel mitnahm
"Wenn er ein Gaufürst war, dann konnte sein Gau sehr gut Gosen sein, wo die Israeliten siedelten"
Assmann. Moses. Seite 136
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#35
(09-02-2017, 22:16)Sinai schrieb: Du solltest nun versuchen, möglichst genau zu sagen, wann aus Deiner Sicht die beiden Perioden waren:
Prinzenzeit des Sethos II.
Niederschrift der Thora

Prinzenzeit des Sethos II.

Sethos II. bestieg entweder im Jahr 1204 oder 1200 v.Chr. den Pharaonenthron, je nachdem, ob er mit seinem Bruder zeitweise zusammen regierte oder diesem folgte. Seine Prinzenzeit liegt also davor.

Dabei ist zu beachten, dass die tatsaechliche, physikalische Papyrosrolle dieser Geschichte, die wir haben, aus dieser Zeit stammt. Die Geschichte selbst ist wohl viel aelter (evtl. Armana-Zeit). Der Schreiber nennt auch mehrere Quellen.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/c...others.jpg

Niederschrift der Thora

Die Geschichten der Tora stammen aus mehreren Jahrhunderten. Der Haupterzaehlstrang wurde wohl moeglicherweise schon waehrend der Babylonischen Gefangenschaft niedergeschrieben, hauptsaechlich aber danach und im 5. Jahrhundert v. Chr.

Die Josefsgeschichte selbst gilt dabei als eine der juengsten Geschichten in der Tora. Sie wurde nach Harald Schweizer in ihrer Originalfassung etwa um 400 v.Chr. verfasst. Sie ist Theologie- und Kult-kritisch angelegt und wurde wohl als Gegenentwurf zur Mosesgeschichte geschrieben. Ihren Platz im Buch Genesis bekam sie, mit zahlreichen Einschueben versehen, um die urspruenglich separaten Gruendungslegenden Israels durch die Stammvaeter mit der Moseslegende zu verbinden.
https://publikationen.uni-tuebingen.de/x...0900/68090

(09-02-2017, 22:16)Sinai schrieb: Für den Fall, daß die allegorische Lehrgeschichte älter ist als die Thora, wäre dies kein schlüssiges Argument

Solche Probleme traten in allen Hochkulturen zu allen Zeiten auf, möglicherweise schon im alten Gomorrah

Wie von Bion angemerkt, dies ist ein allzeit beliebtes Sujet in der Unterhaltungsliteratur; das aegyptische Maerchen, das ich ansprach, ist schlicht die aelteste Version die wir kennen.
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#36
(09-02-2017, 23:55)Ulan schrieb: Dabei ist zu beachten, dass die tatsaechliche, physikalische Papyrosrolle dieser Geschichte, die wir haben, aus dieser Zeit stammt. Die Geschichte selbst ist wohl viel aelter (evtl. Armana-Zeit).

Laut Professor Assmann lebte Moses zur Amarnazeit in Ägypten
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#37
Das stimmt nicht!

Laut J. Assmann ist "Moses ist eine Figur der Erinnerung, aber nicht der Geschichte".

J. Assmann. Moses, der Ägypter. 1998 Carl Hanser Verl.,  S. 18
MfG B.
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#38
(09-02-2017, 23:31)Sinai schrieb: Interessanterweise vermutet Assmann, daß Moses vor seiner Flucht ein ägyptischer Gaufürst war, ...
Assmann. Moses. Seite 136

Nein, das vermutet Assmann nicht!

Diesen Unsinn trägst du immer wieder vor. Wir hatte das schon einmal.

Assmann schreibt, dass Toland das behauptet hat.
MfG B.
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#39
(09-02-2017, 23:31)Sinai schrieb: Interessanterweise vermutet Assmann, daß Moses vor seiner Flucht ein ägyptischer Gaufürst war, der sich einen Sklavenpöbel mitnahm
"Wenn er ein Gaufürst war, dann konnte sein Gau sehr gut Gosen sein, wo die Israeliten siedelten"
Assmann. Moses. Seite 136

Das ist nicht Assmanns Position, sondern die von John Toland in Origines Judaicae, London 1709, wie Assmanns Text einfach zu entnehmen ist.

Edit: Ups. Bion hat das schon geschrieben, waehrend ich nachgeschaut habe.
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#40
Ich denke man müsste hier einmal anders ran gehen um dem wahren Kern näher zu kommen. Die Chronisten des Altertums standen in Diensten ihres Herrn und der bestimmte was erwähnenswert war für die Nachwelt oder nicht. Das erklärt auch entsprechende Verzerrungen.

Die Logik lässt auch die naheliegende Mutmaßung zu, dass der Fall JOSEPH für die ägyptischen Pharaonen (kein ernsthaftes Thema) war. Die Hungersnöte im Alten Ägypten aber umso mehr, weil diese gesellschaftsgefährdenden Charakter hatten. Die Bewältigung von Krisen war wahrscheinlich stets ein großer Phyrus-Sieg für den jeweiligen Pharao und demonstriert seine Fähigkeiten vor dem Volk.

Wenn JOSEPH einen ägyptischen Namen angenommen hat wird es natürlich noch etwas schwieriger, aber die Story war wohl einmalig und ein Vorzeigebeispiel für die damalige Wahrsagerei. Die Interpretation von JOSEPH als Medium Gottes zeigt zudem die besondere Perspektive des Ereignisses in der Wahrnehmung der Israeliten.

Ob man JOSEPH mit HIOB im übrigen vergleichen kann im Hinblick auf die Schlüsselbotschaft des gehorsamen Diener Gottes ist natürlich schwierig. Damit habe ich mich  noch nicht beschäftigt.
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#41
(10-02-2017, 10:30)Kreutzberg schrieb: Ich denke man müsste hier einmal anders ran gehen um dem wahren Kern näher zu kommen. Die Chronisten des Altertums standen in Diensten ihres Herrn und der bestimmte was erwähnenswert war für die Nachwelt oder nicht. Das erklärt auch entsprechende Verzerrungen.

Die Logik lässt auch die naheliegende Mutmaßung zu, dass der Fall JOSEPH für die ägyptischen Pharaonen (kein ernsthaftes Thema) war. Die Hungersnöte im Alten Ägypten aber umso mehr, weil diese gesellschaftsgefährdenden Charakter hatten. Die Bewältigung von Krisen war wahrscheinlich stets ein großer Phyrus-Sieg für den jeweiligen Pharao und demonstriert seine Fähigkeiten vor dem Volk.

Im Prinzip sind die meisten heutigen Alttestamentler sich ueber folgende Punkte einig:

1. Die Josephsgeschichte (ohne Einschuebe) hatte einen einzigen Autoren.
2. Sie ist ein rein literarisches Werk und gehoert in die Gattung der Weisheitsnovelle.
3. Ihre Entstehungszeit war fruehestens im 5. Jahrhundert v. Chr. in der persischen Zeit.

Da nach irgendwelchen geschichtlichen Grundlagen zu stochern ist ziemlich aussichtslos.

Eine kleine Anmerkung: Ein Pyrrhussieg ist ein Sieg, der so teuer erkauft ist, dass er eigentlich eine Niederlage ist. Mit so etwas macht man sich keine Pluspunkte.

(10-02-2017, 10:30)Kreutzberg schrieb: Wenn JOSEPH einen ägyptischen Namen angenommen hat wird es natürlich noch etwas schwieriger, aber die Story war wohl einmalig und ein Vorzeigebeispiel für die damalige Wahrsagerei. Die Interpretation von JOSEPH als Medium Gottes zeigt zudem die besondere Perspektive des Ereignisses in der Wahrnehmung der Israeliten.

Ob man JOSEPH mit HIOB im übrigen vergleichen kann im Hinblick auf die Schlüsselbotschaft des gehorsamen Diener Gottes ist natürlich schwierig. Damit habe ich mich  noch nicht beschäftigt.

Gut, hier geht's ja eher um exegetische Fragen. Das Christentum hat durchaus versucht, Joseph als Vorlaeufer Christi in der Form des leidenden Dieners zu interpretieren. Die Geschichte taugt dafuer aber nur wenig, da sie viel zu positiv und leichtherzig geschrieben ist. In der juedischen Interpretation geht es demnach eher um Gottvertrauen. Ansonsten wird die Geschichte in der Liturgie gemieden, da den meisten Theologen die tempel- und priesterkritischen Aspekte nicht entgehen.
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#42
(10-02-2017, 10:30)Kreutzberg schrieb: A)  Die Logik lässt auch die naheliegende Mutmaßung zu, dass der Fall JOSEPH für die ägyptischen Pharaonen (kein ernsthaftes Thema) war.

B)  Die Hungersnöte im Alten Ägypten aber umso mehr, weil diese gesellschaftsgefährdenden Charakter hatten.

C)  Wenn JOSEPH einen ägyptischen Namen angenommen hat wird es natürlich noch etwas schwieriger,

D)  aber die Story war wohl einmalig und ein Vorzeigebeispiel für die damalige Wahrsagerei.


ad A)  Dies dürfte zutreffen. Der Mann - wie er auch geheißen haben mag - ist für die Israeliten und deren Derivate (Christen, Mohammedaner) wichtig, ist eines ihrer Idole, aber für die ägyptischen Pharaonen war er ein Diener, ein Nichts. Ein dynastiefremder Mann. Er war vielleicht nützlich, vielleicht langfristig schädlich (er führte die Getreidespakulation ein), ein cleveres Schlitzohr das dem Herrscher eine Zeit lang gefällt, weil er Reichtum aus dem Volk herausschindet, aber von dem man wieder überdrüssig wird weil die Gaugrafen Wirbel machen da das Volk überall zu "murren" beginnt.

ad B)  Hungersnöte
Die waren in der Zeit vor 3600 Jahren selbstverständlich, niemand interessierte das, waren selbstverständlich damit die Dörfer und Felder nicht überquellen. Damit nicht mehr Leute auf den Feldern herumwursteln als das Feld vom Ertrag seiner Fläche ernähren kann. Damals gab es schon das Nilometer; somit war man sich der Ernährungsproblematik wohl bewußt.

*)Themenferner Bericht über das Hühnerköpfen und das Katzen-gegen-die-Mauer-werfen auf Bauernhöfen entfernt.

ad C)  Wahrscheinlich hatte er mehrere Namen und Titel wie im alten Ägypten üblich, wobei Namen und Titel nicht immer zu unterscheiden sind. Wenn sogar bei Pharaonen Unklarheiten bei der Identifikation bestehen (Nofretete zum Beispiel) dann wäre es völlig absurd anzunehmen, daß es beim Mann Joseph oder wie er sonst noch hieß, besser gewesen wäre. Wahrscheinlich steht er hinter einer realen ägyptischen Persönlichkeit, irgend ein ägyptischer Wesir - die Israeliten empfinden als einen der ihren (a Insriga) und verehren ihn. Das ist ihr Mann. Aber in der ägyptischen Hierarchie eine eher unbedeutende Null, ein schädlicher Kornwucherer, den das ägyptische Volk verachtete. Wohl ein ḥk3 worauf Traumdeuterei und Herkunft schließen lassen ! 

ad D)  Jetzt sind wir schon beim letzten von Dir angeführten Punkt, der Wahrsagerei
Wie immer bedeuert der Traumdeuter er habe seine Fähigkeit von einem Gott, und seine Kritiker behaupten er habe sie von einem Dämon
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#43
Es bleibt aber noch die Überlieferung, dass JOSEPH eine außergewöhnliche Statusverbesserung erfahren hat, vergleichbar wie bei POTIFAS. Diese Form der Beförderung ist unbestreitbar für einen Israeliten einmalig. Auch hilft vielleicht die Logik weiter. Eine Sondervollmacht vom Pharao konnte auch wieder weggenommen werden.

Überdies besteht ungeachtet dessen noch die Möglichkeit, dass JOSEPH es erleben musste wie der Nachfolger des Pharaos im seine Privilegien wieder entzogen hat. Immerhin gilt stets die Regel neue Herrscher bringen auch Veränderungen mit sich.
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