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Gesellschaftsvertrag - contrat social
#1
Jean-Jacques Rousseau stellte seine Theorie vom "Gesellschaftsvertrag" vor.   frz. contrat social

Wäre mal ein interessantes Diskussionsthema !

Hier ist anzumerken, daß ein Vertrag eine Vereinbarung zwischen mehreren gleichberechtigten Partnern ist.
Die Geschichte der Menschheit zeigt jedoch, daß jeder Staat eine Momentaufnahme im Kräfteparallelogramm unterschiedlicher miteinander ringender Volksgruppen ist !

Hier lebte ein Ackerbauvolk. Plötzlich kamen bewaffnete Fremde und errichteten einen Staat.

.)  Die neuen Herren waren tonangebend, setzten ihre Sprache als Staatssprache durch; die Bauern am weiten Land sprachen zunächst mangels Schulwesen aber weiterhin ihre alte Sprache. Nach drei bis vier Generationen sprachen aber auch die Bauern die Staatssprache, allerdings regional eingefärbt, von ihrer Aussprache eingefärbt, als Dialekt.

.)  Kult und Umgangsformen und Kultus der Herren war - allerdings nur bei den Herren - tonangebend.  Die "adeligen" Umgangsformen entstanden.

Die Menschen die auf diesem Gebiet lebten, gehörten nicht derselben Volksgruppe an, und es war vor allem keine freiwillige Vereinbarung unter Gleichberechtigten

Es entstand eine geschichtete Population:
1.) Die Herrenschicht nannte sich "Adel" - sie vererbte Ländereien samt zugehöriger Bauernschaft
2.) Darunter die Bauernsippen - sie vererbten ihre Höfe und Felder samt zugehörigem Gesinde
3.) Darunter das nicht seßhafte Gesinde
4.) Darunter die ins Land geschleppten Sklavinnen und Sklaven (Kriegsgefangene)

Niemand außer (4) und eingewanderte intellektuelle Umstürzler hatte ein Interesse daran, von einem "Gesellschaftsvertrag" zu sprechen - und daraus Konsequenzen (Gleichschaltung) abzuleiten . . .
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#2
(13-09-2016, 10:41)Sinai schrieb: Hier ist anzumerken, daß ein Vertrag eine Vereinbarung zwischen mehreren gleichberechtigten Partnern ist.
Wo hast du denn studiert? Verträge sind nicht zwingend Vereinbarungen zwischen gleichberechtigten Partnern. Verträge können sogar jegliche Gleichberechtigung ausschließen...
Sie müssen noch nicht mal gleichberchtigte Ansprüche erfüllen.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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#3
Selbst wenn du als italienischer Kleinbauer einen Vertrag mit dem italienischen Staat abschließt, dann seid ihr beide Vertragspartner

Denn es handelt sich um einen freiwilligen privatwirtschaftlichen Vertrag

zB Du verkaufst dem Staat Getreide für die Armee

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Ganz anders ist es mit Regierungshandlungen. Hier tritt der Staat mit Imperium auf; von privatwirtschaftlicher Vertragspartnerschaft keine Spur.  Wenn dich der Radar auf der Autostrada del Sole erwischt, nehmen sie dir den Führerschein ab. Das ist kein Vertrag, sondern staatliche Zwangsgewalt

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Der Philosoph Voltaire war im Irrtum, als er Regierungshandlungen auf einen auch nur fiktiven Gesellschaftsvertrag zurückführen wollte.
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#4
Ich muss Geobacter hier rechtgeben. Ein Vertrag hat in keiner Weise die Voraussetzung, dass beide Parteien gleichberechtigt sind. Die Geschichte ist voll von Vertraegen, die aus einer Zwangssituation geboren sind und in denen eine Partei die Bedingungen diktiert. Das ist nicht nur nach Kriegen der Fall, sondern auch heutezutage gang und gaebe, in der Wirtschaft zum Beispiel. Wenn die Alternative zur Unterschrift Tod oder Verhungern ist, dann ist da keine Gleichberechtigung in diesen Vertraegen. Und trotzdem sind die Vertraege gueltig und muessen eingehalten werden.

Z.B., wenn der Bauer in Deinem Beispiel keinen alternativen Kaeufer hat, dann kann der Staat den Preis diktieren, selbst wenn der unter den Eigenkosten des Bauers liegt. Wenn die Alternative ist, sofort bankrott zu sein oder wenigstens noch eine kleine Chance auf einen Ausweg im naechsten Jahr zu haben, waehrend das Gegenueber sich den Vertragspartner frei aussuchen kann, weil es ein Ueberangebot gibt, dann bist Du in einer "friss oder stirb" Situation. Und doch ist der Vertrag gueltig, wenn Du Dein wirtschaftliches oder komplettes Ende vermeiden willst.

Deine Geschichte der Entstehung der gesellschaftlichen Schichten stimmt so auch nicht, zumindest nicht fuer den deutschen Raum.
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#5
(14-09-2016, 08:02)Sinai schrieb: Selbst wenn du als italienischer Kleinbauer einen Vertrag mit dem italienischen Staat abschließt, dann seid ihr beide Vertragspartner
In meinem demokratischen Staat gibt es keine Verträge zwischen einzelnen Kleinbauern und dem Staat. Alles andere würde unter den Strafbestand der Korruption fallen. Sehr zum Nachteil für den Kleinbauern.

(14-09-2016, 08:02)Sinai schrieb: Denn es handelt sich um einen freiwilligen privatwirtschaftlichen Vertrag
Du bist wohl in einer Volksdemokratischen Republik aufgewachsen? Mit Bestechung hat man sich dort sicher den einen oder andere parteiwirtschaftlichen Privatvertrag erschleichen können..[grin]

(14-09-2016, 08:02)Sinai schrieb: zB Du verkaufst dem Staat Getreide für die Armee..
In einer Volksrepublik wird das sicher ein paar Lieferungen lang gut gehen....
Man hat aber schon gehört, dass dabei selbst in China erst dann von einer gleichberechtigten Partnerschaft die Rede ist, wenn der Kleinbauer mit dem bestochenen Beamten vor dem gleichen Erschießungskomando steht.....

(14-09-2016, 08:02)Sinai schrieb: Der Philosoph Voltaire war im Irrtum, als er Regierungshandlungen auf einen auch nur fiktiven Gesellschaftsvertrag zurückführen wollte.
Zu Zeiten Voltaires waren die meisten Gesellschaftsverträge sicher noch ziemlich "fick tief"....
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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#6
Alles egal.  Ehrliche Menschen haben meine Zeilen gelesen
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#7
Rousseau unterscheidet zwei Arten von Eigentum:

Zunächst das vor-staatliche Eigentum, das entsteht, indem ein Individuum Besitzanspruch auf ein Stück Land erhebt und bereit ist, diesen Anspruch mit Gewalt durchzusetzen. Das ist die Ursache von sozialer Ungleichheit:

Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und dreist sagte: 'Das ist mein' und so einfältige Leute fand, die das glaubten, wurde zum wahren Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wieviele Verbrechen, Kriege, Morde, Leiden und Schrecken würde einer dem Menschengeschlecht erspart haben, hätte er die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinesgleichen zugerufen: 'Hört ja nicht auf diesen Betrüger. Ihr seid alle verloren, wenn ihr vergeßt, daß die Früchte allen gehören und die Erde keinem.'“ (Diskurs, 173)

Den mit dieser Entwicklung einhergehenden Gesellschaftsvertrag zwischen den antagonistischen Klassen Reich und Arm stellt Rousseau ironisch wie folgt dar:

"Fassen wir in vier Sätzen den Gesellschaftsvertrag der beiden Stände zusammen: Sie haben mich nötig, denn ich bin reich und Sie sind arm. Machen wir untereinander einen Vertrag: Ich erlaube, daß Sie die Ehre haben, mich zu bedienen, unter der Bedingung, daß Sie mir das wenige geben, das Ihnen bleibt, und dafür die Mühe, die ich habe, Ihnen zu befehlen..." (Pol. Ök., 50 f.)

Rousseaus Alternativvorschlag, der Contrat Social, sieht dagegen vor, dass in einem ersten Schritt das Eigentumsrecht an Grund und Boden an den Staat übergeht, der dieses Eigentum dann in einem zweiten Schritt an die Bürger als deren ´Besitz´ zurückerstattet. Rousseau unterscheidet also Eigentum (Staat) und Besitz (Bürger). Damit ist folgender Wandel vollzogen:

1) Im 2-Klassen-System verfügt das Individuum über "natürliche Freiheit", d.h. seine Freiheit wird nur durch seine (gewaltbereite) Stärke begrenzt. Besitz (Verfügungsrecht) und Eigentum sind identisch. Es besteht kein alle Individuen einschließendes Recht auf Besitz.

2) Im Rousseau´schen Staat verfügt das Individuum über "bürgerliche Freiheit", d.h. seine Freiheit wird durch die Regeln des Gemeinwohls begrenzt. Besitz und Eigentum werden unterschieden. Jedes Individuum hat ein Recht auf Besitz, das ihm der Staat als Gesamteigentümer garantiert.

Rousseau geht davon aus, dass die Einführung der Agrarwirtschaft das individuelle Eigentumsdenken begründete. Das dürfte historisch falsch sein; vielmehr war es die 2000 Jahre später aufkommende Rinderzucht, die im Zuge des einsetzenden patriarchalischen Denkens der Ausgangspunkt für private Anhäufung von ´Kapital´ (Rinderherden) war.

Die Pointe in Rousseaus idealisierender Theorie ist, dass der Staat dem Bürger nicht als eine fremde Macht gegenüber steht, sondern den Volonté générale repräsentiert, den ´allgemeinen Willen´ des Volkes, der mehr ist als die Summe seiner Teile. Der ´Volkswille´, dessen gewählte Vertreter die Besitzverteilung regeln und kontrollieren (gegen Missbrauch), ist also nichts dem Individuum Fremdes, sondern ein Instrument und Wahrer der Interessen des Individuums. 
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#8
(16-09-2016, 13:43)Tarkesh schrieb: Im Rousseau´schen Staat verfügt das Individuum über "bürgerliche Freiheit", d.h. seine Freiheit wird durch die Regeln des Gemeinwohls begrenzt. Besitz und Eigentum werden unterschieden. Jedes Individuum hat ein Recht auf Besitz, das ihm der Staat als Gesamteigentümer garantiert.
[...]
Die Pointe in Rousseaus idealisierender Theorie ist, dass der Staat dem Bürger nicht als eine fremde Macht gegenüber steht, sondern den Volonté générale repräsentiert, den ´allgemeinen Willen´ des Volkes, der mehr ist als die Summe seiner Teile. Der ´Volkswille´, dessen gewählte Vertreter die Besitzverteilung regeln und kontrollieren (gegen Missbrauch), ist also nichts dem Individuum Fremdes, sondern ein Instrument und Wahrer der Interessen des Individuums.

Richtig!

Dazu heißt es im Kapitel 7 des 'Gesellschaftsvertrags':

...erkennt man, dass der Gesellschaftsvertrag eine gegenseitige Verpflichtung zwischen dem Gemeinwesen und den einzelnen in sich schließt, und dass sich jeder einzelne, da er gleichsam mit sich selbst einen Vertrag abschließt, doppelt verpflichtet sieht, und zwar als Glied des Staatsoberhauptes gegen die einzelnen und als Glied des Staates gegen das Staatsoberhaupt.

Und im Kapitel 8:

Der Verlust, den der Mensch durch den Gesellschaftsvertrag erleidet, besteht in dem Aufgeben seiner natürlichen Freiheit und des unbeschränkten Rechtes auf alles, was ihn reizt und er erreichen kann. Sein Gewinn äußert sich in der bürgerlichen Freiheit und in dem Eigentumsrecht auf alles, was er besitzt.
MfG B.
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#9
(13-09-2016, 10:41)Sinai schrieb: Jean-Jacques Rousseau stellte seine Theorie vom "Gesellschaftsvertrag" vor.   frz. contrat social

Wäre mal ein interessantes Diskussionsthema !

Hier ist anzumerken, daß ein Vertrag eine Vereinbarung zwischen mehreren gleichberechtigten Partnern ist.
Die Geschichte der Menschheit zeigt jedoch, daß jeder Staat eine Momentaufnahme im Kräfteparallelogramm unterschiedlicher miteinander ringender Volksgruppen ist !

Hier lebte ein Ackerbauvolk. Plötzlich kamen bewaffnete Fremde und errichteten einen Staat.

Mit Rousseaus 'Gesellschaftsvertrag' hat das nichts zu tun. Rousseau legt eine staatsrechtlich-philosophische Untersuchung vor, die sich mit älteren Staatstheorien, insbesondere mit jenen von Hobbes und Filmer auseinandersetzt und zu anderen Ergebnissen kommt. Die Position Filmers lehnt Rousseau insbesondere deshalb ab, weil sie sich auf göttliche Einsetzung der Staatsmacht beruft, jene Hobbes, weil von einem Staatswesen, das auf dem Prinzip von Herrschaft und Unterwerfung beruht, eine gerechte Beurteilung von Recht und Unrecht nicht erwartet werden könne.
MfG B.
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#10
Beiträge, die die Entwicklung von Sozialstrukturen in antiken Gesellschaften zum Inhalt haben, wurden abgetrennt. Dieses Thema bitte HIER (klick!) diskutieren.
MfG B.
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