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Ursachen für ... Verständnisprobleme des AT
#1
Sehr geehrte Forenfachleute
und Foren-Mitglieder,

... das sog. biblische Alter wird ja nicht nur durch Metusalem und Abraham begründet. In der Exegese ist aber auffällig, dass diese Angaben gerne im Kern angegriffen werden um die Glaubwürdigkeit der dortigen Verkündigungen und Botschaften in Zweifel zu ziehen.

a) Mein Vater brachte dies vor vielen Jahren mal auf den Punkt : Diese Aussagen kommen insbesondere in Kulturen zum tragen, wo man keinen Perso kannte. Ein Alter über 100 Jahre ist rational betrachtet bei harter Lebensführung eigentlich nicht zu erreichen. Auf der anderen Seite enthalten einige Texte auch relativ exakte topographische Angaben, so dass der 40 jährige Exodus durchaus plausibel zu sein scheint.

b) Ich bin in diesem Zusammenhang immer noch erstaunt wie reformierte Prediger versuchen im AT praktische Anleitungen zur Lebensführung herauszulesen. Das ist im Prinzip nicht besonders durchdachte, denn wir haben es hier mit einem patriaschischen Lebensmodell zu tun im Kontext mit einer nomadischen Lebensweise. Der Zeitgeist fällt hier verständlicher Weise mehr ins Gewicht als im Vergleich zur Lebenswirklichkeit des 18. Jahrhunderts bspw.

c) Die meisten Botschaften des Alten Testaments kann ein interessierter Laie ohne entsprechenden Entstehungskontext m. E. gar nicht verstehen : kein Wunder das hier die Bibelexegese wesentlich intensiver betrieben wird als bspw. im Vergleich zum NT. Deshalb sollten hier eigentlich Historiker mehr gehört finden, die sich mit der semitischen Lebensweise dieses Zeitalters gut auskennen.
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#2
(25-07-2016, 14:53)Kreutzberg schrieb: ... das sog. biblische Alter wird ja nicht nur durch Metusalem und Abraham begründet. In der Exegese ist aber auffällig, dass diese Angaben gerne im Kern angegriffen werden um die Glaubwürdigkeit der dortigen Verkündigungen und Botschaften in Zweifel zu ziehen.

a) Mein Vater brachte dies vor vielen Jahren mal auf den Punkt : Diese Aussagen kommen insbesondere in Kulturen zum tragen, wo man keinen Perso kannte. Ein Alter über 100 Jahre ist rational betrachtet bei harter Lebensführung eigentlich nicht zu erreichen. Auf der anderen Seite enthalten einige Texte auch relativ exakte topographische Angaben, so dass der 40 jährige Exodus durchaus plausibel zu sein scheint.

Um solche Details geht es im Prinzip bei diesen Geschichten doch gar nicht mehr, ausser im Gespraech mit Fundamentalisten. Man geht davon aus, dass all diese Geschichten bis ins 6. Jahrhundert vor Christus hauptsaechlich muendlich weitererzaehlt wurden. Wie alle muendlichen Ueberlieferungen waren sie dabei im Fluss und haben Elemente aus spaeterer Zeit uebernommen. Wenn Abraham mit Kamelen handelt, obwohl es damals, als er angeblich lebte, keine domestizierten Kamele in der Gegend gab, so ist das ein Hinweis, dass die Geschichte irgendwann ihre Form aenderte. Und was die Genauigkeit topographischer Angaben angeht, so ist die fuer die Saulsgeschichten ein halbes Jahrtausend entfernt von den Gegebenheiten, als die Geschichten angeblich spielten. Ein guter Geschichtenerzaehler wird immer erkennbare Elemente in die Geschichte einflechten, aber die sind erkennbar fuer seine Zuhoerer, also aus deren Zeit.

Im Grossen und Ganzen wird angenommen, dass der Pentateuch z.B. in der nachexilischen Zeit zusammengestellt wurde, alleine schon wegen der persischen Elemente. Eine erste Bearbeitung kann auch schon zur Zeit Josias erfolgt sein, aber da ist man sich nicht sicher, wie die wohl aussah. Einige Buecher des AT sind auch erst aus der hellenistischen Zeit, wie Daniel oder Esther, die fruehestens aus dem 2. Jhdt. v.Chr. sind. Esther ist eigentlich erst bei Josephus belegt (1. Jhdt. nach Chr.) und hatte es sehr schwer, akzeptiert zu werden (in der Geschichte kommt Gott nicht vor); woran man uebrigens sieht, dass es oft andere Dinge sind, die entscheiden, ob eine Geschichte in die Bibel kommt oder nicht.

Was die Redewendung "40 Jahre" angeht, so ist das der hebraeische Ausdruck fuer "eine Generation" und hat sonst keine Bedeutung. Die vielen Schichten des Pentateuch sind ein sehr interessantes Thema. Auch fuer den gesamten Umfang der Texte ist die Textgeschichte vielfaeltig und heterogen. Die Qumran-Texte zeigen uns, dass auch zu dieser Zeit die Textentwicklung noch nicht abgeschlossen war, da man dort mindestens 6 Textfamilien unterscheiden kann. Da die alle nebeneinander existierten, hatte sich zu der Zeit noch keine Version durchgesetzt. Das geschah dann spaeter durch die aeusseren Umstaende.

Oder kurz gesagt: Bei der Exodusgeschichte geht's in der Forschung gar nicht darum ob der Exodus 40 Jahre gedauert hat oder nicht, sondern um viel grundlegendere Fragen, z.B., ob nicht die Moses-Geschichte urspruenglich vollkommen unabhaengig von der Wuestenwanderungsgeschichte war, und wann diese Geschichten zusammengeschnitten wurden.

(25-07-2016, 14:53)Kreutzberg schrieb: b) Ich bin in diesem Zusammenhang immer noch erstaunt wie reformierte Prediger versuchen im AT praktische Anleitungen zur Lebensführung herauszulesen. Das ist im Prinzip nicht besonders durchdachte, denn wir haben es hier mit einem patriaschischen Lebensmodell zu tun im Kontext mit einer nomadischen Lebensweise. Der Zeitgeist fällt hier verständlicher Weise mehr ins Gewicht als im Vergleich zur Lebenswirklichkeit des 18. Jahrhunderts bspw.

Na ja, da kommt's wohl darauf an, wie man das macht. Im Prinzip ist das schon immer der Sinn dieser Texte gewesen. Auch bei den Qumran-Texten kann man sehen, dass die Interpretatoren nicht nach einem geschichtlichen Sinn dahinter gesucht haben, sondern die Texte auf die Geschehnisse ihrer Zeit bezogen haben. Vom Prinzip her ist das also nicht verkehrt. Die Gesellschaftsmodelle von damals sollte man aber wohl wirklich nicht uebernehmen.

(25-07-2016, 14:53)Kreutzberg schrieb: c) Die meisten Botschaften des Alten Testaments kann ein interessierter Laie ohne entsprechenden Entstehungskontext m. E. gar nicht verstehen : kein Wunder das hier die Bibelexegese wesentlich intensiver betrieben wird als bspw. im Vergleich zum NT. Deshalb sollten hier eigentlich Historiker mehr gehört finden, die sich mit der semitischen Lebensweise dieses Zeitalters gut auskennen.

Ich glaube, ein solcher Ansatz ueberfrachtet den Sinn dieser Texte. Sie sind nur insofern relevant, als sie eventuell zeitlose, menschliche Konflikte und deren Loesungen vermitteln koennen. Ansonsten ist das Werk von Historikern sicherlich wichtig und auch eins meiner persoenlichen Hauptinteressen, fuer die Glaeubigen aber sollte das eigentlich keine Rolle spielen. Zumindest, solange man nicht einer Sekte angehoert, die auf die woertliche Auslegung der Bibel pocht, aber dann hat man glaube ich sowieso andere, selbstgemachte Probleme.
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#3
Das mag alles so stimmen ; dennoch drängt sich mir jedoch eine zentrale Frage hierzu auf : Wenn bspw. konkrete Angaben über Personen und Orte beim AT in Zweifel gezogen werden können, wieso nicht dann auch inhaltliche Kernaussagen ?

Ich möchte in diesem Zusammenhang insbesondere einmal darauf aufmerksam machen, dass wir über das "Alte Testament" doch wesentlich
weniger über die Entstehung und Herkunft wissen als im Vergleich dazu über das "Neue Testament".
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#4
Da bin ich mir gar nicht mal so sicher, ob wir wirklich ueber die Herkunft des NT mehr wissen als ueber die des AT. Ausser Paulus fuer einige seiner Briefe gilt keine einzige Autorenzuweisung als gesichert. In gewissem Sinne ist die Aufarbeitung des AT weiter, wohl auch, weil das die meisten Glaeubigen nicht so stoert und da unbefangener herangegangen werden kann.

Aber ansonsten ist diese Problematik, die Du ansprichst, eher eine grundsaetzliche: es heisst nicht umsonst "Glaube". Die Geschichten sollen nicht als Geschichte "wahr" sein, sondern als religioese Aussagen. Sie sind ja auch immer noch so beeindruckend, weil sie so quasi Einblick in die Entwicklung unserer heutigen, sozialen Wirklichkeit erlauben. Die Geschichten sollen dabei Hilfestellung im Hier und Jetzt bieten.

Wie ich das meine, sei am Beispiel des Buches Esther kurz erlaeutert. Das Buch hatte es, wie schon erwaehnt, schwer, in den juedischen Kanon aufgenommen zu werden, weil Gott darin nicht vorkommt. Trotzdem war die Geschichte aeusserst beliebt. Mordechai ist der Archetyp des Juden in der Verfolgung. Generationen von Menschen in schwierigen Lagen haben sich darin wiedergesehen und haben dann Hoffnung auf eine bessere Zukunft daraus geschoepft. Diese Aufgabe als Hoffnungsbringer begruendet die Wertschaetzung der Geschichte; in Israel ist sie die Geschichte, die den Anlass eines Festes untermalt. Dass fuer heutiges Empfinden die Blutorgie am Ende etwas unschoen herueberkommt, zeigt halt, von wann die Geschichte ist; da sieht man dann grosszuegig drueber hinweg.

Egal, ob Du ein katholisches oder protestantisches Einleitungswerk zum AT in die Hand nimmst, so werden sie Dir erzaehlen, dass die Geschichte niemals so stattgefunden haben kann, und Dir wohl eine halbe Seite an Gruenden fuer diese Einschaetzung aufzaehlen. Das war, auf einer gewissen Ebene, wohl auch den Juden klar, die dafuer gesorgt haben, dass die Geschichte in die hebraeische bis in die protestantische Bibel aufgenommen wurde. Im Prinzip kann man aus zwei Targums oder einem alten juedisch-persischen Gedicht sehen, dass da eine Goettersage mit Marduk (=Mordechai) und Ishtar (=Esther) darunterliegt und das den Gelehrten damals im Prinzip bewusst war. Zumindest der Marduk-Teil findet sich noch relativ aehnlich in dem Enuma Elisch wieder (einer Geschichte, von der andere Abschnitte grossen Einfluss auf das Buch Genesis hatte). Die Geschichte war wohl so beliebt, dass sie mehrfach wiederverwendet wurde, erst einmal von Ischtar-Anhaengern und dann irgendwann von juedischen Bewohnern "Babylons", von wo wohl auch das Purim-Fest kommt (der Name des Fests selbst ist assyrisch). Da fand dann wohl auch die Uebertragung auf das persische Koenigsmilieu statt.

Und trotzdem, wen kuemmert's? Die Geschichte ist in der Bibel, weil sie Verfolgten Hoffnung macht. Das ist ihr Sinn, und in diesem Sinn hat sie den Anspruch, "wahr" zu sein.
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#5
Ja wenn man zw. Phantasie, Übertreibung und belastbaren Fakten nicht mehr unterscheiden will darf man sich nicht wundern, wenn viele konfessionslose Menschen sich über das Alte Testament immer wieder lustig machen.

Für mich ist jedoch ungeachtet erst einmal wissenswert, wie die RKK die hier vertretene Verknüpfung zw. AT und NT versucht zu legitimieren. Abraham und Moses als Wegbereiter Jesu zu glorifizieren ist eigentlich zu weit hergeholt ...

Nach meiner Wahrnehmung ist das AT ein biblisches Werk, dass auch verantwortlich dafür war, dass überhaupt eine Bewegung wie der ZIONISMUS entstehen konnte. Ein Problem das auch heute noch sehr schwer wiegt !!!

b) Kann es sein, dass Ur-Überlieferungen zum AT in einer Form von alt-häbräisch verfasst wurde ?
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#6
(27-07-2016, 11:18)Kreutzberg schrieb: Ja wenn man zw. Phantasie, Übertreibung und belastbaren Fakten nicht mehr unterscheiden will darf man sich nicht wundern, wenn viele konfessionslose Menschen sich über das Alte Testament immer wieder lustig machen.

Wie ist das genau gemeint? Was ist fuer Dich "Phantasie" und was ein "belastbares Faktum" in diesem Zusammenhang?

Falls Du die Gleichsetzung von Ester und Mordechai mit Ischtar und Marduk meinst, so klingt das nur im Deutschen weiter hergeholt. In den alten Sprachen (Aramaeisch oder Griechisch) sind die Namen fast identisch. Und wie gesagt, das ist auch ein sehr gut belegter Punkt durch alte Texte. Das wird nur meist nicht erwaehnt, weil es fuer das Textverstaendnis des Bibeltexts nicht viel hilft.

(27-07-2016, 11:18)Kreutzberg schrieb: Für mich ist jedoch ungeachtet erst einmal wissenswert, wie die RKK die hier vertretene Verknüpfung zw. AT und NT versucht zu legitimieren. Abraham und Moses als Wegbereiter Jesu zu glorifizieren ist eigentlich zu weit hergeholt ...

Nun, soweit uns die antimarkionitischen Schriften in dem Zustand, wie sie uns ueberliefert sind, erklaeren wollen, gab es ja durchaus Bestrebungen im fruehen Christentum, sich des ATs zu entledigen. Das ist aber sehr schwer, da sehr viele Dinge im NT nur durch das AT verstaendlich werden. Im Prinzip herrscht heute das Bild von Jesus als juedischer Reformer vor, also Jesus als Jude, der weder die Absicht hatte noch dem es je in den Sinn kam eine neue Religion zu gruenden. Noch Hunderte von Jahren spaeter gab es Diskussionen darueber, ob Christen sich jetzt Juden nennen sollen oder nicht. Es scheint auch klar, dass viele fruehe Christen die griechische Version des Tanach als einziges heiliges Buch hatten; zumindest geht das so aus den Briefen des Paulus hervor.

Ohne eine gewisse Kenntnis des juedischen Gesetzes bleibt Vieles im NT unverstaendlich; der Text setzt diese voraus. Die Evangelien nehmen auch extensiven Bezug auf Texte der Propheten.

(27-07-2016, 11:18)Kreutzberg schrieb: Nach meiner Wahrnehmung ist das AT ein biblisches Werk, dass auch verantwortlich dafür war, dass überhaupt eine Bewegung wie der ZIONISMUS entstehen konnte. Ein Problem das auch heute noch sehr schwer wiegt !!!

Die Landverheissung an die Israeliten ist das einzige Thema, das sich durch alle fuenf Buecher des Pentateuch zieht, und dies in zig-facher Wiederholung. Insofern stimmt es, dass dies das nationale Gruendungsbuch Israels ist. Nur, was heisst das jetzt genau fuer das Thema des Threads? Was bedeutet das fuer Christen?

(27-07-2016, 11:18)Kreutzberg schrieb: b) Kann es sein, dass Ur-Überlieferungen zum AT in einer Form von alt-häbräisch verfasst wurde ?

Unter "Althebraeisch" versteht man den kanaanaeischen Dialekt, in dem fast der gesamte Tanach verfasst ist. Die Schrift des Tanach ist allerdings groesstenteils von der aus Babylon mitgebrachten aramaeischen Schrift abgeleitet. Spaeter wurde noch ein anderer Stil der persisch-aramaischen Schrift zur heutigen Quadratschrift. Nur die Samaritaner hielten an eine palaeo-hebraeischen Schrift fest, und manchmal schrieben die Juden auch das Tetragrammaton in einer alten Schrift.

Wirklich alte Schreibweisen kennt man eigentlich nur vom "Lied am Schilfmeer". Das wurde aus irgendeinem Grund in einer von der Restkomposition der Tora abweichenden Schrift und abweichendem Verssatz geschrieben. Das ist ein Grund, warum annimmt, dass dieses Lied wirklich alt ist.

Ansonsten gibt's halt nicht viel Schriftliches aus dem alten Israel, was ueberlebt hat. Die aeltesten Texte der Tora, die wir haben, sind erst aus dem 2. Jahrtausend nach Chr. Unsere aeltesten erhaltenen Bibeln sind also wesentlich aelter. Allerdings gibt es auch viele Einzeltexte oder Teile davon, die sich in Qumran erhalten haben, also wenigstens von 250 v.Chr. bis 30 n.Chr. Die sind alle nicht alt genug, um diese Fragen zu klaeren. Sie zeigen allerdings, wie unterschiedlich die Texte um die Zeit waren. Ausser dem Buch Esther sind alle Texte des Tanach dort zumindest durch Schnipsel belegt, nebst einigen Texten, die es spaeter nicht in den juedischen Kanon geschafft haben.
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#7
Das ist etwas traurig, aber verständlich wenn man bedenkt wie auch die Babylonier mit Jerusalem umgegangen sind.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass dabei einige Papyrusrollen vernichtet wurden. Das setzt jedoch voraus, dass Alt-Jerusalem so etwas wie eine eigene Vermächtnisbibliothek besessen hat. Die Geschichtsbücher schreiben hierüber so gut wie nicht, schade !!!
Im übrigen habe ich den Eindruck, dass Jerusalem im Altertum fast immer in irgendwelchen Kriegshandlungen verwickelt war.
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#8
(27-07-2016, 17:47)Kreutzberg schrieb: Das ist etwas traurig, aber verständlich wenn man bedenkt wie auch die Babylonier mit Jerusalem umgegangen sind.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass dabei einige Papyrusrollen vernichtet wurden. Das setzt jedoch voraus, dass Alt-Jerusalem so etwas wie eine eigene Vermächtnisbibliothek besessen hat. Die Geschichtsbücher schreiben hierüber so gut wie nicht, schade !!!
Im übrigen habe ich den Eindruck, dass Jerusalem im Altertum fast immer in irgendwelchen Kriegshandlungen verwickelt war.

Wohl auch nicht mehr als sonstwo. Ich bin mir nicht sicher, ob man allerdings viel Schriftliches erwarten sollte. Ich hatte ja schon erwaehnt, dass man annimmt, dass die Geschichten der Tora noch bis ins 6. Jhdt. v. Chr. groesstenteils muendlich ueberliefert wurden. Der grosse Schreibschub kam erst nach der babylonischen Gefangenschaft. Der babylonische Einfluss muss in persischer Zeit sehr gross gewesen sein, sonst haette man wohl nicht die Schrift zu der des Reichsaramaeisch gewechselt. Die Samaritaner waren da eher Traditionalisten, aber die haben das Problem, dass von ihnen noch weniger uebrig ist.

Ansonsten ist Schriftliches, wenn es nicht auf Tontafeln ist, vergaenglich. Juedische Braeuche tragen noch das Ihrige dazu bei. Zumindest in rabbinischer Zeit war und ist es noch immer ueblich, dass eine Tora-Rolle, wenn sie verschlissen ist, nicht etwa irgendwo aufbewahrt wird, sondern ein feierliches Begraebnis bekommt. Die ist dann also verloren, wenn man diese "Grabstaette" nicht findet. Man hatte grosses Glueck, als man Ende vorletzten Jahrhunderts in Kairo die Geniza einer Moschee fand, wo noch viele Textschnipsel aus dem Jahr 800 zu finden waren.
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#9
Immerhin gilt die Überlieferungskultur der "semitischen Volksstämmen" seitens Experten und Historiker jedoch schon als mehr oder weniger zuverlässig, weil die Weitergabe von Erzählungen im Altertum einer zentralen Bedeutung zu kam. Das ist doch richtig oder ?!
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#10
(28-07-2016, 16:08)Kreutzberg schrieb: Immerhin gilt die Überlieferungskultur der "semitischen Volksstämmen" seitens Experten und Historiker jedoch schon als mehr oder weniger zuverlässig, weil die Weitergabe von Erzählungen im Altertum einer zentralen Bedeutung zu kam. Das ist doch richtig oder ?!

Es stimmt, dass diese Behauptung in der theologischen Literatur wieder und wieder aufgestellt wird, um so Vertrauen in die Ueberlieferung zu erwecken. Allerdings steht sie auf wackeligen Fuessen. Neuere Studien im Feld der Gedaechtnistheorie haben gezeigt, dass die Vorstellung einer zuverlaessigen muendlichen Weitergabe von Geschichten unhaltbar ist. Jeder Ueberliefernde macht Aenderungen an einer Geschichte. Interessanterweise steht die tatsaechliche Genauigkeit der Ueberlieferung in umgekehrtem Verhaeltnis dazu, wie sicher sich der Erzaehler ist, den Text oder das Ereignis exakt wiederzugeben. Bekommt er wenigstens die grundsaetzlichen Fakten richtig hin? Vielleicht. Das kommt immer darauf an, warum etwas erzaehlt wird.

So wird auch verstaendlich, wie aus Marduks Auftritt im Enuma Elisch nach vielen Hundert Jahren des Weitererzaehlens die verschiedenen Versionen des Buch Esthers wurden, oder halt aus dem Gilgamesch-Epos die Geschichte im Buch Genesis.

Wenn es interessiert, Zeba Crook, Professor fuer Religionswissenschaften in Ottawa, hat hier etwas zu einem etwas anderen Thema geschrieben, das sich aber genau mit dem Thema der Veraenderung von Erinnerungen beschaeftigt. Interessant sind vor allem auch die Literaturverweise darin, die alle Auffassungen zu dem Thema abdecken:

*https://www.academia.edu/10169321/Collective_Memory_Distortion_and_the_Quest_for_the_Historical_Jesus
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#11
(27-07-2016, 11:18)Kreutzberg schrieb: Für mich ist jedoch ungeachtet erst einmal wissenswert, wie die RKK die hier vertretene Verknüpfung zw. AT und NT versucht zu legitimieren. Abraham und Moses als Wegbereiter Jesu zu glorifizieren ist eigentlich zu weit hergeholt ...
 
Abraham entstammte einer heidnischen Sippe, die dem Götzendienst huldigte und war DER Begründer des Glaubens an den einen wahren Gott. Den gleichen Glauben vertritt später auch Moses und andere Propheten.

Als Christ ist es wohl kaum vorstellbar, dass Gott seinen Sohn in eine Familie und in ein Volk hätte inkarnieren lassen, die nicht ihn sondern Baal oder sonstwelche niederen Dämonen verehrten. Die Erlösung hätte kaum bewerkstelligt werden können.

Von einer Glorifizierung kann hier also nicht gesprochen werden. Es bedurfte logischerweise eines Volkes mit dem richtigen Glauben, aufdass die Erlösung stattfinden konnte.
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#12
Linus Hinweis ist sicherlich interessant. Wenn Du das so sagst wird das schon stimmen. Ur war doch sicherlich die inoffizielle Hauptstadt der Asyrer ?!

- Der Auszug aus (UR) dürfte meines Wissens wegen Resourcen-Mangels bedingt gewesen sein. Das war ein zentrales Problem der prosperierenden Städte im gesamten Zweistromland ...
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#13
(08-08-2016, 09:55)Kreutzberg schrieb: Linus Hinweis ist sicherlich interessant. Wenn Du das so sagst wird das schon stimmen. Ur war doch sicherlich die inoffizielle Hauptstadt der Asyrer ?!

Ur ist viel aelter, und es ist ganz im Sueden des Zweistromlands, also weit weg von Assyrien. Es war einer der bedeutendsten, alten sumerischen Stadtstaaten. Der Ort ist seit etwa 6500 v.Chr. bewohnt gewesen, seit 3800 v.Chr. als Stadt. Die bekannte Ziqqurrat des Mondgottes Nanna, die immer noch zum Teil steht, ist von etwa 2200 v.Chr.

Die Stadt war urspruenglich ein bedeutender Hafen, aber wie alle suedlichen Staedte des Zweistromlands ist sie irgendwann verlandet, als die Kueste weiter nach Sueden wanderte. In assyrischer Zeit bestand sie fort, und neubabylonischer Zeit hatte sie ihre letzte Bluete. Zwischen 550 und 500 v.Chr. wurde die Stadt dann aufgegeben.

(08-08-2016, 09:55)Kreutzberg schrieb: - Der Auszug aus (UR) dürfte meines Wissens wegen Resourcen-Mangels bedingt gewesen sein. Das war ein zentrales Problem der prosperierenden Städte im gesamten Zweistromland ...

Es gab einen Einbruch wegen Kriegs mit den Elamitern um 2000 v.Chr. Die Stadt erholte sich davon aber offensichtlich sehr gut. Die Bibel spricht vom "Ur der Chaldaeer". Die regierten da etwa vom Ende des 7. Jhdts. v. Chr. bis um 550 v.Chr., was bedeutet, dass die Geschichte in ihrer jetzigen Form wohl aus der Zeit der Babylonischen Gefangenschaft stammt. Oder es handelt sich um eine komplett andere Stadt als die, die wir als Ur kennen.

Was sicherlich der Fall ist, ist, dass zentrale Geschichten im Buch Genesis sumerischen Ursprungs sind, also dort in der Gegend ihren Ursprung haben.


Um auf das Threadthema zurueckzukommen, so kann man sich eine Einfuehrung zum AT anschauen. Ohne Vorkenntnisse und nach der wahrscheinlichen Entstehungszeit der Einzelgeschichten geordnet, kann ich das recht preiswerte Buch "Einführung in das Alte Testament - Biblische Texte - imperiale Kontexte" von Prof. David M. Carr im Kohlhammer Verlag empfehlen (*http://www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/Theologie/Altes-Testament/Einfuehrung-in-das-Alte-Testament/). Da wird dann deutlich, in welchem Umfeld und aus welchen Befindlichkeiten die jeweiligen Geschichten zu erklaeren sind.
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#14
Meine Favoriten sind:

Richard Elliott Friedman. Wer schrieb die Bibel? Die spannende Entstehungsgeschichte des Alten Testaments. 1987. 3. Auflage 1997.
ISBN 3-404-60320-6

Norman Cohn. Die Erwartung der Endzeit. Vom Ursprung der Apokalypse. 1997
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#15
(08-08-2016, 09:55)Kreutzberg schrieb: Der Auszug aus UR dürfte meines Wissens wegen Ressourcen-Mangels bedingt gewesen sein.

Eine schwache Vermutung.  Allzu harmlos kaschierend.  Eine menschenopfernde oder nennen wir das Kind beim Namen ritualmordende (siehe Isaak) Zauberer-Sippe war's die verjagt wurde.

Bei der Ermordung des eigenen Sohns hat sich Abraham das in letzter Sekunde noch anders überlegt, aber bereit war er zunächst, machte Vorbereitungen. Wer weiß, wieviele unschuldige Kinder der alte Kerl schon vorher getötet hat.
Geübt war er ja bei der Errichtung der Schlachtbank und beim aufschichten des Brennholzes . . . schaut nicht nach Erstmaligkeit aus . . .
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