Zitat:Aber warum ist man dann religiös?
Eine einfache Antwort darauf gibt es wohl nicht. Aber man kann sich an der Aufgabe entlang hangeln, Sachverhalte mitteilbar zu machen.
Dazu muss es eine gemeinsame Plattform (im Denken) zwischen den Partnern geben. Diese Plattform besteht aus einem ererbten und einem erworbenen "Weltwissen". Die einzelnen Fakten sind miteinander verknüpft und es muss klar sein, wie Neues damit zu Verknüpfen ist. Also muss es so etwas wie ein gemeinsames "Deutungsgerüst" oder "Erfahrungsfilter" geben. Das Ganze ist nun nicht unabhängig von der jeweiligen Person - im Gegenteil: dieses Deutungsgerüst dient ständig als Messlatte für die eigene Stellung.
Das alles klingt ziemlich rational, ist es aber nicht. Denn diese Plattform muss vor aller Mitteilung vorhanden sein - ist also schon von der Notwendigkeit her etwas Irrationales, nennen wir es den "eigenen Mythos". "irrational" heißt hier nicht, dass die Dinge nicht durch Erfahrung zurecht gerückt würden. Es wird aber immer ein Rest "eigener Mythos" bleiben, den man auch als Wertungsfunktion bezeichnen kann. Die haben wir alle. Denn dummerweise gibt es keine allgemeine Definition, was "gut" und was "böse" oder was "richtig" und was "falsch" ist.
Dies sind schlicht gelernte und übernommene Vereinbarungen unter uns Menschen, die den eigenen Mythos im Laufe des Lebens bestimmen (alternative Begriffe: allgemeine und persönliche Tradition).
Zitat:Nur "weil man an etwas glauben soll"?
Nein, weil man etwas glaubt - nämlich jenen "persönlichen Mythos".
Zitat:Was gibt mir die Religion sonst, was ich auch ohne Sie haben kann ...?
Die Frage ist m.E. falsch gestellt. Ich entnehme der Formulierung die Unterstellung, du seiest areligiös - als ohne Religion. Wäre es so, könnten wir uns (fast) gar nicht verständigen. Offensichtlich ist aber Deine Fragestellung gut verständlich und bei aller aufgeworfener Problematik wirst du verstehen, was andere ausdrücken - einschließlich dessen, was ich hier schreibe. Also stimmen die persönlichen Mythen so einigermaßen überein.
Die Frage ist nur, ob und wie weit du die christliche Prägung dieser Mythen übernommen hast. Ich gehe nach deinen weiteren Unterstellungen davon aus, dass sie sehr tief sitzen (Menschenbild, Gutes, Liebe, ...). Andererseits gibt es offenbar Lehrmeinungen, die du ablehnst und damit den Volksglauben. Das kann ich gut nachvollziehen.
Zitat: Warum gibt es dann die Konfessionen
Wenn du ein gewesener Christ bist, dann kannst du die historische Entwicklung im Laufe des Mittelalters nachfühlen. Auch damals waren es die Menschen leid, sich von den Kirchenfürsten in ihrem Glauben gängeln zu lassen. Heute trittst du aus der Kirche aus, gehörst aber immer noch der Gesellschaft an. Das war früher ganz anders. Wer "gebannt" war, also der allein selig machenden Kirche nicht mehr angehörte, war rechtlos und vogelfrei (konnte also auch tot geschlagen werden, ohne dass sich die "Gesellschaft" darum kümmerte). Was lag näher, als eine eigene Gesellschaft aufzumachen und dafür auch bis zum Tod zu kämpfen?
Zitat:Meiner Meinung nach wurden diese ja hauptsächlich aus urmenschlichsten Ängsten gebildet....
Nein, nicht eigentlich, wie ich versucht habe, darzulegen.
Zitat:Die Religionen, die angeben den Geist zu erweitern, geben dem Menschen ja nur Sicherheit vor dem Tod,
... ist mir nicht bekannt und/oder nicht bewusst. Meinst du den Hinduismus?
Zitat:Die Religionen... geben dem Menschen ... eine Gemeinschaft.
Einmal: ja, zum Anderen geben sie Vertrautheit wegen sehr ähnlichem "persönlichen Mythos". Im Idealfall sind alle diese Vorstellungen gleich.
Zitat:Dann, in einer Gemeinschaft können Ängste fatale Folgen haben -> siehe Islamisch-Christliche Kriege...
Ich denke, dies kommt durch die mangelnden Alternativen zustande: entweder dazu gehören und mitkämpfen oder der Feind sein und dagegen kämpfen. Ich halte Kriege im übrigen immer für verkappte Verteilungskämpfe.
Zitat:Wenn einem fad ist, dann kann er ja wesentlich nützlichere Dinge tun als sich in einen Glauben zu vergraben...
Du sollst dich auch nicht im Glauben - ich würde sagen in einer bestimmten Glaubenslehre "vergraben", sondern damit dein Leben führen. Das Wichtige ist das Leben unter deinen Mitmenschen möglicht im Einklang mit der Natur.
Zitat:Hat es Europa nicht durch die abnehmende kirchliche Kraft zu einer humanen Weltmacht werden lassen? Was wäre wenn im NT ähnliche Dinge stehen würden wie im Koran (Ungläubige sind nicht lebenswert..) Hoffentlich flüchten sich die Menschen in Zukunft nicht in eine Religion, sondern in logisches Denken....
Dein "europäischer Idealismus" vernebelt deine Sinne. Europa (im Verein mit einer Reihe anderer Länder des Nordens) sind Räuber, die ihre Raubzüge nur auf die feine Art abwickeln. Beispiele sind Textilfabriken in Lateinamerika, General-Food-Ltd.-Farmen in Mittelamerika, Erdbeeren aus Afrika zu Weihnachten. Mit den Rohstoffen kenne ich mich nicht so aus, aber das Schema ist ähnlich: Maschinen gegen Kredit im Norden, Bezahlen mit billigen Waren aus dem Süden. Nur so wird man reich.