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Spinoza, Baruch de (Bento, Benedictus)
#1
(Text in Arbeit)

Baruch1 de Spinoza2 wurde am 24. November 1632 im Judenviertel Amsterdams geboren. Seine Familie stammte aus Portugal, wo sie auf Druck der katholischen Kirche zum Christentum hatte übertreten müssen. Da die Familie De Spinoza (d'Espinosa), wie die überwiegende Zahl der konvertierten spanischen und portugiesischen Juden auch, ihren jüdischen Lebensformen verpflichtet blieb, konnte die Verfolgung durch die ↗Inquisition nicht ausbleiben. Als die Bedrängnis zu groß wurde, floh die Familie über Nantes, wo sie für einige Jahre Aufnahme fand, nach Amsterdam. In Nantes dürfte auch die Rückkonversion der Familienmitglieder zum ↗Judentum stattgefunden haben.

Der Vater das Philosophen, Michael de Spinoza, wurde 1588 in Vidiger3 in Portugal geboren. Auf Initiative seines Onkels und späteren Schwiegervaters, Abraham de Spinoza, kam er spätestens um 16234 nach Amsterdam. Er heiratete Rahel de Spinoza, die nach zwei Todgeburten (1627) starb. In zweiter Ehe war Michael mit Hanna Debora Senior verheiratet. Dieser Ehe entstammt Bento (Baruch) de Spinoza, der sich später Benedictus nannte. Michael und Hanna Debora hatten fünf Kinder. Drei Söhne und zwei Töchter (die Mutterschaft Hanna Deboras für Sohn Isaak und Tochter Rebekka ist wahrscheinlich, aber nicht gesichert). Als Hanna Debora stirbt, ist Bento fünf Jahre alt. Eine dritte Ehe Michaels (mit Ester Giomar de Solis) dürfte kinderlos geblieben sein.

Michael de Spinoza war ein religiös und sozial engagierter, in der jüdischen Gemeinde hochangesehener Kaufmann gewesen. Er bekleidete verschiedene Gemeindeämter. Als er (am 18. März 1654) starb, war Bento de Spinoza 21 Jahre alt. Die Firma des Vaters ging an ihn und seinen jüngeren Bruder Abraham (alias Gabriel) über und heißt ab nun Bento y Gabriel de Spinoza. Sein älterer Bruder Isaak war zu diesem Zeitpunkt (1649) bereits verstorben. 1656 scheidet Bento aus dem Geschäft aus, dieses wird bis 1664 von seinem Bruder, der danach nach Barbados auswandert, fortgeführt.

1656 äußert Spinoza erstmals öffentlich starke Zweifel an den von seiner Gemeinde vertretenen Glaubenslehren, worauf er zunächst durch den sogenannten "kleinen ↗Bann" verwarnt und danach durch den "großen Bann" aus der Gemeinde ausgeschlossen wurde. Nach der Verbannung verfasste Spinoza in spanischer Sprache einen umfangreichen bibel- und religionskritischen Text (Apologia5), in dem er seine Zweifel rechtfertigte. Der Text ist nicht erhalten, er dürfte aber zu einem guten Teil in seinen anderen Werken aufgegangen sein.

Um 1660 ist Spinozas bibel- und religionskritische Haltung allgemein bekannt. Wohnhaft ist er nunmehr in Rijnsburg, er beschäftigt sich mit der Herstellung von Mikroskopen, Fern- und Brillengläsern und genießt den Ruf eines scharfsinnigen Philosophen, der die Ideen ↗Descartes' fortentwickelt.

1663 erscheinen seine "Prinzipien der cartesianischen Philosophie". Nachdem er 1669 nach Den Haag  übersiedelt war, erscheint 1670 sein "Theologisch-politischer Traktat". 1673 erhält er den Ruf an die ↗Universität Heidelberg, wo er eine Professur hätte antreten sollen. Spinoza lehnt das Angebot ab. Das Bemühen der ↗calvinistischen Gemeinde von Den Haag, ein Verbot des "Theologisch-politischen Traktats" durchzusetzen, hat 1674 Erfolg. 1675 geht in der Kirchengemeinde Den Haags neuerlich ein Gerücht um. Es heißt, Spinoza habe ein neues Buch fertiggestellt. Offenbar hatte es sich dabei um seine "Ethik" gehandelt.

Am 21. Februar 1677 stirbt Spinoza unerwartet. Er litt an einer Lungenkrankheit, wahrscheinlich an Tuberkulose. Über die näheren Umstände seines Todes ist nichts bekannt.

Kurz nach dem Tod Spinozas wurden als "nachgelassene Werke" die "Ethik" und der unvollendete "Politische Traktat" veröffentlicht. 1679 wurden sowohl der "Theologisch-politische Traktat" als auch die "nachgelassenen Werke" auf den ↗päpstlichen Index verbotener Bücher gesetzt6.

In der jüdischen Gemeinde musste Spinoza zwangsläufig auf Unverständnis stoßen. In der ↗Bibel und im ↗Talmud hatte er zahlreiche Widersprüche ausgemacht und sich dazu geäußert. Die Vorstellung von Wundern widersprach seiner Meinung nach nicht nur den Naturgesetzen, sondern auch der Vernunft. Göttliche Gesetze schienen ihm willkürlich formuliert. Wenn es göttliche Gesetze gäbe, könnten diese nur im ↗Universum selbst liegen, und zwar in den allgemein gültigen und nicht veränderbaren Gesetzen der Natur. Der Tod, meinte Spinoza, sei das absolute Ende jedes Menschen, das Fortleben einer ↗Seele, in welcher Form auch immer, gäbe es nicht. Wer im menschlichen Leben einen Sinn finden will, muss diesen in der Welt suchen.

An der "Idee Gottes" als etwas Unendliches und Vollkommenes hielt Spinoza fest, doch war diese Gottheit von ihm nicht als Person gedacht, von der Welt losgelöst, die sie geschaffen hatte, sondern als das Universum, wenn man es als Ganzes verstand. Gott und die Natur waren eins, wer die Natur begreift, hatte Gott erkannt.


1) Baruch war sein Synagogenname gewesen. In der Familie wurde er Bento genannt. Nachdem er von seiner Gemeinde mit dem Bann belegt worden war, nannte er sich Benedict.
2) In den Dokumenten liegt der Name in verschiedenen Schreibweisen vor (Espinoze, Espinoza, Espinosa, d'Espinoza, Despinosa, Ispinoza)
3) Der Geburtsort des Vaters, Vidiger, ist im Aufgebotsregister der Stadt Amsterdam (3. Ehe mit Ester de Solis) vermerkt.
4) Im Jahr 1623 gibt es erstmals einen Vermerk, dass Michael de Spinoza Vermögenssteuer an die Gemeinde gezahlt hatte.
5) Davon berichtet Pierre Bayle in seinem "Dictionnaire".
6) Der "Tractatus theologico-politicus" wurde (nach Ernst Altkirch, Maledictus und Benedictus, Spinoza im Urteil des Volkes und der Geistigen bis auf Constantin Brunner, S.54) per Dekret v. 3. Februar 1679, "Opera posthuma" per Dekret v. 29. August 1690 auf den päpstlichen Index verbotener Bücher gesetzt. Hubert Wolf (in: Der Valtikan und die verbotenen Bücher, S. 267) nennt in diesem Zusammenhang nur "Opera posthuma".


Literatur:
Wolfgang Bartuschat. Baruch de Spinoza. 22006 München. Verlag C.H. Beck,
Theun de Vries. Baruch des Spinoza. 112011 Reinbek bei Hamburg. Rowohlt Verlag.
Yirmiyahu Yovel. Spinoza, 2012 Göttingen. Verlag Steindl.



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MfG B.
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