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Anti-Jüdische Dogmen : Wo ist die Keimzelle zu finden ?
#1
Guten Tag,

... ein Wunder Punkt in der katholischen Kirchengeschichte betrifft die Dogmen welche zu einer kontinuierlichen Entfremdung zw. Christentum und Judentum geführt haben. Hierauf geben einschlägige Fachquellen nur ein fragmentiertes Geschichtsbild wieder.

Das hat wahrscheinlich auch mit der reservierten Haltung des Vatikans zu tun, der insbesondere noch in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts in diesem Punkt die theologische Haltung bestimmte. Auf Basis dieser Sachlage sind die nachstehenden Fragen zu verstehen :

a) Ist es richtig, dass in einigen pästlichen Enzyklien das ohnehin vorhandene Misstrauensverhältnis zum Judentum bewußt "geschürt" wurde ?

b) War dieses Spannungsverhältnis bereits in den Urgemeinden des Christentums angelegt oder hat sich dieser Konflikt bereits Ende der Turbulenzen im Zuge der Völkerwanderung im 4. Jahrhundert entwickelt ?
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#2
Was die Dogmen angeht, kann ich Dir leider keine Auskunft geben. Zu Punkt b) kann man sagen, dass der Konflikt bereits in den Evangelien angelegt ist, die zwar auch judenfreundliche Passagen enthalten, aber halt auch Saetze, die im Laufe der Geschichte fuer Juden-Verfolgungen missbraucht wurden. Am bekanntesten sind hier wohl:

Der Blutfluch aus Mt 27,25:
24 Als Pilatus sah, dass er nichts erreichte, sondern dass der Tumult immer größer wurde, ließ er Wasser bringen, wusch sich vor allen Leuten die Hände und sagte: Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache!
25 Da rief das ganze Volk: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!


Als Teufelsbrut in Joh 8,44:
44 Ihr habt den Teufel zum Vater und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an. Und er steht nicht in der Wahrheit; denn es ist keine Wahrheit in ihm.

Das Johannesevangelium aeussert sich allgemein sehr abfaellig ueber Juden, was darauf hindeutet, dass zum Zeitpunkt seiner Niederschrift das Verhaeltnis schon sehr belastet war. Was hier vor allem auffaellt, ist, dass die Gegner nur noch als "die Juden" bezeichnet werden, also das ganze Volk pauschal schlecht gemacht wird. Da dies das beliebteste Evangelium ist, ist der oeffentliche Einfluss natuerlich sehr gross.

Auch die Figur des Judas Ischariot wird in diesem Zusammenhang gesehen, die oft als Stellvertreter fuer das juedische Volk insgesamt gesehen wird, was ja auch als Deutung uebrigbleibt, wenn man "Ischariot" nicht als "Sikarier" uebersetzt.

Dazu kommt fuer das Auseinanderdriften die steuerliche Unterscheidung zwischen Juden und Christen seit Nervas Reform des Fiscus Judaicus im Jahre 96. Geld kann ein sehr maechtiger Antrieb sein.
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#3
Ich weiß leider nicht viel über das Thema. Daher ja auch meine Sachfragen hierzu.

Allerdings scheint die Verbreitung einer antisemitischen Grundhaltung in der katholischen Kirche der Frühzeit hauptsächlich durch entsprechende Predigten sich verbreitet zu haben. Das wäre dann logisch wenn unterstellt wird, dass man eine Predigt auch als Exegese von Bibelschriften nutzen kann.

Die Predigt als Instrument zur Bibeldeutung war und ist durchaus nicht unüblich und das eine Exegese in frühchristlicher Zeit anders ausgesehen hat wie heute : davon darf man ebenfalls ausgehen.
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#4
(26-08-2014, 15:35)Kreutzberg schrieb: Die Predigt als Instrument zur Bibeldeutung war und ist durchaus nicht unüblich und das eine Exegese in frühchristlicher Zeit anders ausgesehen hat wie heute : davon darf man ebenfalls ausgehen.

Das Problem entsteht, wenn man nicht genau aufpasst mit der Sprache, die man benutzt. Zum Beispiel ging es bei Johannes' pauschaler Verurteilung "der Juden" sicherlich lediglich um eine theologische Frage, und addressiert waren wohl Pharisaeer. Nur ein Leser oder Hoerer sieht natuerlich nur "die Juden", und da kann er sich drunter vorstellen, was er will.

Zum Teil wurde auch von "Kirchenvaetern" verbal gezuendelt. Ich habe zwei Beispiele hier erwaehnt.
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#5
(26-08-2014, 11:17)Kreutzberg schrieb: ...Dogmen welche zu einer kontinuierlichen Entfremdung zw. Christentum und Judentum geführt haben.

Beispiele:

Das älteste dogmatische Dokument, das die Juden als "gottlos" und "wahnsinnig" bezeichnet, ist der sogen. "Tomus Damasi", der während der Synode von Rom 382 (dogmatische Kanones 23 und 24) entstand.

Durch die 1. Synode von Toledo (400 oder 405) wurde bekräftigt, dass der Herr durch die Juden gekreuzigt worden war.

Während des Konzils v. Florenz (Bulle "Cantate Domino", 1442) wurde festgestellt, dass Juden ( sowie Häretiker und Schismatiker) das ewige Leben nicht erlangen können und sie in das ewige Feuer wandern werden.

Saniert wurden dogmatische Dokumente dieser Art durch das 2. Vatikanische Konzil in der 7. öffentl. Sitzung am 28. Okt. 1965 mit der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen ("Nostra aetate"). Mit diesem dogmatischen Dokument wurden sowohl der jüdische Heilsweg als auch Werte und Wahrheiten anderer nichtchristlicher Religionen anerkannt.
MfG B.
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#6
Wenn ich das richtig sehe gibt es bis heute kein radikales Dogma über "zentrale jüdische Glaubensinhalte" die jemals vom Vatikan öffentlich "widerrufen" wurden. Sollte das so zutreffen wie ich sage wäre der Vatikan insofern angreifbar, weil er versöhnende Geste nicht mit entsprechenden Korrekturen der Glaubensinhalte verbunden hat.

Wort und Tat sollten stets in wichtigen Sachfragen wie diesen in Einklang stehen.
> Allerdings spielen aktuell derartige Fragen im kritischen Dialog zw. den Weltreligionen offenkundig nicht im zentralen Blickpunkt der Experten.
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#7
@Kreutzberg

mM nach ist der Vatikan und damit die RKK ein Gefangener seiner selbst. ER lebt in einer Tradition mit seinen festgelegten Riten und Dogmen, Gesetzen aus dem er so schnell nicht herauskommt.
Es gibt ja auch hier Strömungen die sich einen schnelleren Weg wünschen aber auch Gruppierungen die wieder zurück wollen zu den Wurzeln.
Beispiele sind z.B. die Fragen nach dem Zölibat, Frauen in der Führungsebene, oder die Piusbrüder.
Auch was Jesus, den Begründer der Christenheit angeht, denke ich, das er gar keine neue Religion wollte, sondern nur eine Anpassung der alten jüdische Tradition. Gleiches gilt für Luther, die Kopten, Ortodoxen.. . Es war nur der Streit mit Rom der dies verursachte.
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#8
(27-08-2014, 09:25)Kreutzberg schrieb: Wenn ich das richtig sehe gibt es bis heute kein radikales Dogma über "zentrale jüdische Glaubensinhalte" die jemals vom Vatikan öffentlich "widerrufen" wurden.

Es gibt zwar jede Menge von "heiligen Männern" der Kirche verfasste judenfeindliche Schriften, judenfeindliche dogmatische Dokumente hingegen sind selten. Drei Beispiele dazu habe ich angeführt.

Nach katholischer Auffassung entstehen Dogmen durch Mitwirkung des Heiligen Geistes. Das ist das Dilemma der Kirche. Will man ein dogmatisches Dokument für ungültig erklären, räumt man damit ein, dass sich der Heilige Geist geirrt habe.

Dogmatische Dokumente zu widerrufen, geht also nicht. Daher versucht man judenfeindliche dogmatische Dokumente von dazumal zu relativieren bzw. abzumildern, ohne auf sie zu verweisen.

Im Dokument "Nostra aetate" heißt es u.a.:

Auch wenn die Autoritäten der Juden mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben, kann dennoch das, was bei seinem Leiden vollzogen worden ist, weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last gelegt werden.

Ist die Kirche aber auch das neue Volk Gottes, sind die Juden dennoch weder als von Gott verworfen noch als verflucht darzustellen, als ergäbe sich dies aus der Heiligen Schrift.
MfG B.
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#9
Das ist natürlich fatal, wenn nicht sogar tragisch in seiner letzten Konsequenz.

Eine Brücke schlagen bei der der Papst sein Gesicht waren kann muss aber möglich sein. Das Argument dass diese Lehre nicht mehr dem Zeitgeist entspricht wird schließlich unter Kirchen-Fachleuten durchaus herangeführt um eine Novelle / Anpassung zu veranlassen.
Dies sollte eigentlich in jedem Zeitalter möglich sein !!!

> Ein Dogma kann übrigens auch so seinen Wert verlieren wenn es nicht mehr praktisch gelebt wird. Allerdings fällt mir zu dieser Konstellation leider kein Beispiel ein das meine Behauptung auch überzeugend stützt !!!
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#10
(28-08-2014, 16:03)Kreutzberg schrieb: Eine Brücke schlagen bei der der Papst sein Gesicht waren kann muss aber möglich sein.

Ist es ja. Den Gespraechspartnern der Katholischen Kirche ist die Situation ja durchaus bewusst; die kennen sich mit so etwas ja aus. Mehr als die Anerkennung des juedischen Heilswegs ist nicht drin, und das reicht ja fuer's friedliche Zusammenleben auch.

Oder die Kirche kippt halt ein fuer allemal das Unfehlbarkeitsdogma. Nur das tut sie ungern, da das ein Pfund ist, mit dem sie wuchern kann. Leute lieben halt absolute Gewissheit. Was bei den Katholiken der Papst und die Konzile sind, ist dann bei den Evangelikalen der Wortlaut der Bibel. Irgendetwas muss fuer viele Glaeubige als unverrueckbar hingestellt werden, um die Naehe zum Absoluten zu empfinden.
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#11
(26-08-2014, 11:17)Kreutzberg Beitrag #1 schrieb: Guten Tag,

... ein Wunder Punkt in der katholischen Kirchengeschichte betrifft die Dogmen welche zu einer kontinuierlichen Entfremdung zw. Christentum und Judentum geführt haben.


Es ist aber auch der Talmud zu lesen. Kein Wunder, daß die Christen sich bedroht fühlten
Wie kann man nur so blöd sein, ein derartiges Buch ins Feindesland mitzubringen ?
Sobald das ruchbar wird (durch Zufall) ist Verfolgung vorprogrammiert
"Entfremdung" ist da ein verharmlosendes, lächerlich wirkendes Wort wenn man an brennende Synagogen denkt.
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#12
Ein anderer Blickwinkel bilden die Bemühungen der Annährung seit Johannes Pauls II diplomatischen Gesten.
Soweit ich weiß war er noch einige Jahre vor seinem Tod einmal im heiligen Land um die interreligiöse Annährung anzustoßen. Der Dialog stagniert aber meines Erachtens und kann nur als Prozess verstanden werden. Ein Gesprächsklima des ernsthaften Dialoges braucht entsprechende Vorstufen.

Ohne eine Entschuldigung über Fehler der Vergangenheit kann das aber dauerhaft natürlich nicht funktionieren.
Die Dogmen wirken auf mich inzw. wie ungeschriebene Gesetze die man möglichst nicht aussprechen darf.

Der neue Papst hat mehr die Neuordnung des Vatikans und der katholischen Kirche im Sinn, welche bedauerlicher Weise von Benedikt XVI sträflich vernachlässigt wurde. Dadurch gerät m. E. die Aussöhnung mit dem Judentum wieder mehr und mehr in den Hintergrund.
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#13
Ein sinnfreier Beitrag von Sinai wurde entfernt.
MfG B.
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