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j
#1
Ich habe mal eine Frage und hoffe, dass mir hier ein Kenner der Materie helfen kann.

Unter Christen gibt es einen Streit bezüglich der Sichtweise der Bibel. Die einen glauben, dass die Bibel verbalinspiriert ist (d.h. Gott hat Wort für Wort aufgepasst, dass alles genauso wie er wollte hineinkam). Andere sehen die Bibel historisch-kritisch. Andere wiederum noch anders.

Wie ist das im Judentum mit den Schriften, die ja imChristentum z.T. auch im AT enthalten sind?
Gibt es dort so etwas wie Verbalinspiration? Wie verbreitet ist das?

Tschüss

Jörg
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#2
Hi, Beamter :.)
Nun, diese Frage kommt nicht so selten an den Boards der Foren vor.
Ganz in kurz gesagt: für fromme Juden, welche "religös", "orthodox", "ultra-orthodox" genannt werden können, ist jeder Buchstabe der an uns heutige überkommenen Schrift genau da, wo G"TT es wollte, dass wir Heutigen ihn finden. Diese Sicht ist etwa 2500 Jahre alt, deshalb hat man nach Menschenmöglichkeit gut aufgepasst, die Abschriften immer exakt zu halten, dennoch gibt es infolge der 2000 Jahre Diaspora einige geringfügige Schreib-Varianten.

Vieles ist aber dadurch genau überliefert, dass die Rechtsgelehrten zur Zeit von Mischna und Talmud - also vor dem 5.Jhd.ndZ. bestimmte Entscheidungen, ob Gebote so oder so aufzufassen sind, zum Erinnern an Schreibbesonderheiten der ihnen vorliegenden Manuskripte hefteten. Man sammelte z.B. alle Sätze, in denen Tholedoth "Die Genealogie-Geschichte" mit einem O geschrieben wurde oder nicht, stellte fest, dass es eine Gemeinsamkeit für diese Stellen gab, inhaltlich - und eine für jene. Einfach weil nun viel dazu erzaehlt wurde, erhielt sich genau die Schreibung dieser Stellen. Im Lauf der langen Zeit ist aber so viel ausgelgt und kommentiert worden, dass man fast für jeden Satz eine Literatur hat, womit der Text jederzeit kontrollierbar ist, auf seine Echtheit. Das ist aber noch nicht die "Inspiration".

Das ganze Werk 5 Bücher Moses heisst Thorah (Lehre) und gilt als Gebot von G"TT, einmal gesamt und zum Andern bezüglich der darin ausdrücklich genannten Gebote, der im Text erzählten Anwendung einiger Gebote und der den Buchstaben inneliegenden Möglichkeiten, Gebote noch genauer zu begreifen, denn wir möchten sie nicht nur tun, sondern auch gerne tun. Diese Auslegung ist sozusagen ein jüdischer "Volkssport", obwohl nicht jeder Jude einen Urtext lesen und übersetzen könnte. Aber jederzeit kann er sich aufmachen und es lernen, Frau und Mann, jeder.

Wie man auslegt, ist völlig anders als im Bibelkreis anderswo, denn "Für mein Leben" und so, das wird nicht gefragt. Der Heoilige Text ist ein Gespräch mit IHM, HERR, so sehr, dass man sagt:
"Die Schehhinah (Heilige "Einwohnung" G"TTES, Schohhen ist der Zimmer-Nachbar, der mit mir wohnt) kommt zu einer Vollversammlung Israels, aber auch zu einer Zehner-Gemeinschaft Männern oder Frauen, wenn sie Gebete erbringen. Sie kommt zu 3 als Gerichtshof des Volks Israel - sie kommt zu 2 als Ehepaar des Volks Israel - und sie kommt zu 1 Mensch, der die Thorah lernt". Dieser Begriff ist eine Besonderheit ausser der All-Gegenwärtigkeit G"TTES, denn diese heisst im Hebr. "Der ORT" (Ha Maqom) - auf dem ich bin, wie der Film auf der Leinwand - das macht aber die Distanz meiner "Beschaffenheit" zu meinem Schöpfer HERR nur deutlicher - dagegen die SCHEHHINAH ist eine Nähe, Vertrautheit, Innigkeit und eben - ein Gespräch zum Herzen - zugleich aber besonders heilig als Moment - es ist schliesslich HERR, dessen Stimme wir mit der Hl.Thorah zu hören lernen. Selbstverständlich ist diese Schrift für einen frommen Juden also authentisch - enthebt uns aber im Grunde der Frage nach einer "Verbal-Inspiration" - wir stellen uns keine Taube auf der Schulter des Schreibers vor, die ihm diktierte. Es ist immer kein Problem, dass die Texte von Leuten wie wir historisch dann und dann entstanden. Indem wir sie zitieren, kommen auch diese Aufschreiber "in unsere Wohnung" hinzu. Man wendet daher nicht mehr den üblichen Zeitbegriff kritisch an, etwa unbedingt auf ein Vorher oder Nachher zu achten, was berichtet wird. Diese Art, den Text als Geschichte zu lesen, ist auch ok. Aber es muss nicht für jede Fragestellung wichtig sein.

Die sogenannte Bibelkritik nach Sprach-Merkmalen verschiedener Autorschaft spielt für die jüdische Praxis auch keine solche Rolle, denn in der Bibel selber steht doch drin, dass es einmal nur noch 1 Exemplar der Texte gab, kurz vor der Verbannung nach Babel. Es ist das Buch eines noch lebenden Volkes von und über seinen G"TT. Eine kontinuierliche Kette von Juden lehrte die jeweils nächste Generation, was drin steht. Daher gab es immer mal auch Übersetzungen, aber keine davon kann das leisten, was uns der original Hebräische Text gibt - denk an die "O" in TholedOth - zum Beispiel. Ausserdem ist dies Hebräisch mit Zeichen geschrieben, die auch Zahlenwerte tragen, was wiederum zu vielen Überlegungen eine Hilfe ist.

Wie verbreitet? - hm. Also generell hat wohl jeder jüdische Haushalt mindestens eine gedruckte Hl.Schrift, viele haben auch eine Thorah-Rolle, die aber besondere Ehre der Aufbewahrung erfordert. Im Prinzip soll ja auch jeder Mann eine schreiben oder wenigstens schreiben lassen und vollenden. Das werden aber sicher nicht alle können, es dauert etwa 1 Jahr, eine Thorahrolle per Hand korrekt zu schreiben und ist daher teuer.

Gebote, welche man nicht erbringen kann durch Tun, die kann man durch Lernen dieser erbringen. Am Erbringen hängt unser Wohlergehen als Volk im Ganzen und die Frömmigkeit am Einzelnen, und nach unserer Auffassung dient das zur Erhaltung der ganzen Welt, die schön zum Leben ist und in der es gut zu haben G"TT uns wie allen Lebewesen gönnt und wünscht. Also gibt man sich auch bei Juden, die nicht so besonders religiös den Alltag pflegen, doch ein aktivierbares Interesse dafür, dass wenigstens einige die Hl.Schrift gut lernen.

Für "liberale", "reformierte" u.ä. Juden ist die Hl.Schrift vom Inhalt her wichtig. Es gab eine Zeit, in der es als ausreichend galt, eine Übersetzung zu benutzen, auch im Kultus der Synagogen. Da entfallen aber auch die juristischen Feindiagnosen am Text, und die einzuhaltenden Regeln der Frommen dieser Richtung werden anders eruiert, aber es gibt sie auch hier, solange Juden sich noch zum Judentum als Religion bekennen - und auch hier gibt es wunderschöne Auslegungen für die Beherzigung dessen, was G"TT von uns erhofft - und wobei ER uns hilft, wenn wir IHN lassen.

Daher gibt es auch viele nette Sitten, um die Freude am Lernen der Hl.Schrift zu wecken und zu erhalten :.))

Am Originaltext zu lernen fängt man teilweise schon mit 3 Jahren als Kind an, damit es vor der Schule schon etwas zum Leben Gehöriges ist.

mfG WiT :.)
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