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Seelenführer : Gerüchte-Vorurteile-Informationen
#1
Guten Tag,

... der Begriff Seelenführer für Religionsangehörige wird im Internet gelegentlich erwähnt aber schlecht erklärt. Ich nehme an, dass es sich hier eigentich um Psychologen handelt, die die Aufgabe haben als Lotze hier begleitend und steuerend einzugreifen. In diesem Zusammenhang stellen sich mir vor allen Dingen 4 Sachfragen:

a) handelt es sich hierbei um Fachleute mit einem Psychologiestudium
b) gibt es hierzu kirchenintern inzwischen eine entsprechende Schulung
c) wird gelegentlich gesagt: dass Menschen die Visionen hatten auf jeden Fall
einer psychiatrischen Untersuchung sich unterziehen müssen, wenn dieses Ereignis wiederholt eingetreten ist.
d) welche Aufgaben haben SEELENFÜHRER in der Praxis konkret ?!
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#2
"Seelenführer" ist kein Fachbegriff der "Evangelischen Kirche im Rheinland" (EKiR) - im Gegenteil, "Seelenführer" werden skeptisch betrachtet, siehe hier: *http://www.ekir.de/weltanschauungen/ueber-uns/das-referat.php
Dort heißt es: "Seriöse Kirchen und religiöse Gemeinschaften sehen sich zunehmend einer Konkurrenz von „heiligen“ Seelenführern, falschen Therapeuten, selbst ernannten Avataren oder überzogenen weltanschaulich-ideologischen Versprechen ausgesetzt."
Als Grund wird die Sehnsucht nach Lebenssinn und Heilung angegeben, welche Menschen heute genauso bewegt wie zu allen Zeiten. Diese Sehnsucht lässt sich aber auch ideologisch missbrauchen. Religiöse Neuorientierungen können als konflikthaltig und krank machend erlebt werden. Religion kann unterdrücken und befreien, zerstören und heilen. Ein Konzept, das raschen Gewinn eines Lebenssinnes verspricht, ist nach aller Erfahrung zu weit fremd bestimmt, als dass es sich auf Dauer als tragfähig erweisen könnte. (Auszug aus dem o. g. Referat, von mir ergänzt.)

Aus anderen mir geläufigen Religionsgemeinschaften sind mir keine "Seelenführer" bekannt. Im Netz werden meist alle möglichen Interpretationen des Wortes gehandelt. Unklar ist danach, was gemeint ist.

(13-06-2013, 13:20)Kreutzberg schrieb: In diesem Zusammenhang stellen sich mir vor allen Dingen 4 Sachfragen:

a) handelt es sich hierbei um Fachleute mit einem Psychologiestudium
b) gibt es hierzu kirchenintern inzwischen eine entsprechende Schulung
Im Bereich EKiR, beides: nein.

(13-06-2013, 13:20)Kreutzberg schrieb: c) wird gelegentlich gesagt: dass Menschen die Visionen hatten auf jeden Fall einer psychiatrischen Untersuchung sich unterziehen müssen, wenn dieses Ereignis wiederholt eingetreten ist.
Im Bereich EKiR werden Visionen nicht rund heraus als pathologisch erklärt. Allerdings ist "man" (Kirchenleitung, Pfarrer) recht vorsichtig. In einem (anderen) Referat heißt es unter anderem (*http://www.ekir.de/weltanschauungen/themen/pfingsbewegung-223.php):

"Hier ist vielleicht auch der Hinweis hilfreich, dass die von der pfingstlich-charismatischen Bewegung betonten außerordentlichen Erlebnisse und Phänomene (Heilungen, Visionen, ekstatische Bewusstseinszustände) nicht eine spezifisch christliche oder gar pfingstlich-charismatische Eigenheit sind, sondern religionsübergreifenden Charakter haben und nahezu in allen Religionen der Welt (auftreten) . Wir haben es zumindest auch mit einer grundsätzlichen Ausdrucksmöglichkeit menschlichen Seins zu tun."

(13-06-2013, 13:20)Kreutzberg schrieb: d) welche Aufgaben haben SEELENFÜHRER in der Praxis konkret ?!
Gute Frage! In einer Reihe von Fundstellen handelt es sich gar nicht um Personen, sondern um Gedanken und Vorstellungen, auch "Schutzengel" genannt, die uns in schwierigen Situationen "seelisch gesund" erhalten (was immer das ist).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#3
Ursprünglich wurde der Begriff in Verbindung mit mythologischen Vorstellungen gebraucht, wonach es eines Begleiters der Seele bedurfte, um ins Totenreich zu gelangen. Hermes, dem in griechischen Mythen die Aufgabe zukommt, die Seelen bis zum See Acherusia zu begleiten, wo Styx und Kokytos zusammenfließen (dort werden die Seelen von Charon übernommen, der sie an Kerberos vorbei in den Hades verbringt), wurde daher auch Psychagogos (oder Psychopompos) genannt.

Bei den Ägyptern war es Anubis, der die Seelen bewachte und begleitete, bei den Germanen Wodan, bei den Indern Agni, das personifizierte Feuer.

In nahezu allen Religionen ist das Phänomen zu beobachten, dass Menschen auf ihrem Glaubensweg Begleitung und Führung suchen. Persönlichkeiten mit großer Ausstrahlungs- und Überzeugungskraft bieten sich an und werden zu Lehrern der religiösen Lebensbewältigung, ob sie nun Meister, Seelenführer oder einfach nur geistliche Begleiter genannt werden, es ist dasselbe. Der Seelenführer soll jedenfalls als Vermittler höherer Einsichten fungieren.

Im Christentum sollten solche Lehrer, Meister oder Seelenführer die kirchlichen Vorsteher sein.

Von Klemens von Alexandrien wurde Büßern erstmals empfohlen, sich Seelenführern anzuvertrauen, damit sie sie bei den Bußübungen unterstützen. Origenes lehrte, dass über den Weg der Buße auch die schwersten Sünden (auch Götzendienst, Ehebruch, Unzucht, Mord, etc.) vergeben werden könnten. Er empfiehlt die Mitwirkung der kirchlichen Leiter bei den Bußübungen und vergleicht das mit einem Arzt, dem man seine Wunden zeigen muss, damit er die richtige Medizin verabreichen könne.

Als die regelmäßige Beichte für den Christenmenschen Pflicht wurde, sollten die Beichtväter die Seelenführer der Gläubigen sein.

Über die Funktion des Beichtvaters an den europäischen Fürstenhöfen kam diese Art von Seelenführung zu großem politischen Einfluss. Nicht selten wurde diese Vertrauensstellung missbraucht und kam so in Misskredit.

Als Seelenführer der übelsten Art sei Konrad von Marburg, der geistliche Begleiter der Elisabeth von Thüringen, genannt.
MfG B.
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#4
Danke für die kleine Exkursion. Aus einigen Artikeln für Seelenführerschaft in der heutigen Zeit kann man allerdings durchaus herauslesen, dass sich die Aufgabenstellung seitdem geändert hat. Die von mir angeführte Lotzenfunktion scheint der aktuellen Praxis durchaus nahe zu kommen.

Einige Kirchenkritiker werden vermutlich bemüht sein, das die Kirche versucht einen religiösen Visionär für die Zwecke der "Glaubensbekräftigung" zu instrumentalisieren,
obwohl mir hierzu bis dato kein einziges Beispiel bekannt ist, dass diese Annahme
stützt.

b) Ist es richtig, dass es ein "Seelenführer-Amt" auch in der evangelischen Kirche gibt? - Das wundert mich insofern, weil diese eigentlich mehr dem im weltlichen Alltag verwurzelt sind und Visionen doch tendenziell eher skeptisch-reserviert gegenüber stehen..
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#5
(14-06-2013, 09:40)Kreutzberg schrieb: (An Bion:) Danke für die kleine Exkursion.
Dem schließe ich mich gerne an!

(14-06-2013, 09:40)Kreutzberg schrieb: b) Ist es richtig, dass es ein "Seelenführer-Amt" auch in der evangelischen Kirche gibt? - Das wundert mich insofern, weil diese eigentlich mehr dem im weltlichen Alltag verwurzelt sind und Visionen doch tendenziell eher skeptisch-reserviert gegenüber stehen..
So viel ich weiß, gibt es das in den evangelischen Landeskirchen nicht. Was es in den evangelischen Freikirchen alles gibt, entzieht sich meiner Kenntnis.

Nachfrage: Was verstehst du unter "Lotzenfunktion"? Ich habe den Verdacht, dass "Lotse" gemeint ist, also eine Analogie zu Leuten, die Schiffe durch gefährliche Gewässer "lotsen" (führen).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#6
Die Lotzenfunktion wird bei stabilen Personen angewandt, von denen man ausgeht dass diese ein Erlebnis in der Lage sind sachgerecht zu verarbeiten, aber die keine Erfahrung darin haben ; der Lotze führt praktisch gesehen die Person begleitend : bestimmt also nicht deren Weg manipulierend !!!

Soweit ich weiß gibt es in der Psychotherapie diese Funktion bei (Patienten/Mandanten) die vor einer richtungsweisenden Änderung Ihrer Lebensweise stehen und da gibt es halt Betroffene die überfordert sind und welche die damit klar kommen. Das ist etwas das hier durchaus übertragen werden kann.

Für mich auffällig ist, dass die Definition des Seelenführers nicht wirklich gesichert ist. Im Brockhaus steht da bspw. gar nichts zu, obwohl Christen mit Visionserlebnis ja schon weit im 19. Jahrhundert bekannt sind.
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#7
Die so genannte "Lotsenfunktion" mag so funktionieren, wie du sie beschreibst. Aber "Seelenführer" wäre entweder exakt dasselbe oder aber ein recht freier Begriff angewandt bei religiösen Zeremonien, vergleichbar mit Exorzismus. Eine Definition habe ich nicht finden können, wohl aber sehr unterschiedliche(!) Verwendungen des Begriffes.
(15-06-2013, 11:35)Kreutzberg schrieb: Für mich auffällig ist, dass die Definition des Seelenführers nicht wirklich gesichert ist. Im Brockhaus steht da bspw. gar nichts zu, obwohl Christen mit Visionserlebnis ja schon weit im 19. Jahrhundert bekannt sind.
So ist es! Nur, was hat ein Visionserlebnis mit Seelenführerschaft zu tun?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#8
Ich habe den Begriff Seelenführer in Verbindung mit Visionen einmal gelesen. Es ist zu vermuten, dass dieser Begriff nicht selten missbraucht wird weil er eine abstrakte Wortschöpfung darstellt, die man für alles oder nichts verwenden kann. Ich war bisher der Annahme, dass der Begriff SEELENFÜHRER eine typische der Kirchenfachleute ist. Das erklärt auch weshalb so etwas nie bei Wikipedia bzw. im Brockhaus ausführlich beschrieben wird, obwohl man das auch könnte. Ein Fachwörterbuch kann ja schließlich auch die beliebige Verwendung eines derartigen Fachbegriffen offenlegen und damit entsprechend relativieren damit mancher nicht irrtümlich meint das es sich hier um eine wissenschaftliche Fachsprache handelt !!!

Dennoch bleibt offen wo das herkommt : ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dies von Psychologen ursprünglich entworfen wurde : vielmehr vermute ich den Ursprung aus der Euphorie für ESOTHERIK die mir Mitte der 90er Jahre erstmals aufgefallen ist und jetzt deutlich abgelaut ist.
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