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Taoismus?
#1
Hi Leute,

einer meiner Freunde meinte neulich, das er sich selbst als Taoist bezeichnen würde.


Ich hab davon null ahnung. Könnt ihr mir erklären was Taoismus ist. Er konnte es mir nicht wirklich erklären, da er nur kurz online war, und er in Deutschland sitzt, wärend ich in england studiere. Heisst, bin einfach neugierig, und will nicht warten bis er wieder mal zu selben Zeit ICQ benutzt ;)

Danke Vielmals.

Jazzter
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#2
Schwarze Moewe hat im Religionsboard aus der wikipedia zitiert
Zitat:Der Taoismus (chin: 道教 von 道, dao, wörtlich der Weg) ist ursprünglich eine chinesische Philosophie, die sich aber später auch zu einer Volks-Religion entwickelt hat.

Das dao als das zentrale Element dieser Lehre ist am ehesten als ein umfassendes Weltprinzip zu verstehen, das dem Menschen nicht rein rational zugänglich ist. Der Mensch soll dieses Prinzip möglichst wenig durch bewusstes Handeln und Streben stören, sondern in mystisch-intuitiver Weise im Einklang mit diesem Gesetz leben. Dabei spielt der Grundsatz des 'Handelns durch Nichthandeln' (wei wu wei) eine entscheidende Rolle.

Sowohl der Ausdruck dao als auch das wu wei finden sich bereits im Konfuzianismus. Dort steht jedoch dao eher für den moralisch richtigen Weg, und der Grundsatz des Nicht-Handelns wird primär auf das Verhalten des Herrschers bezogen: So wird in den Gesprächen des Konfuzius (論語, Lunyu, II, 1) der Herrscher mit dem Polarstern verglichen, um den sich alle übrigen Sterne zu drehen scheinen. Das Ideal des Herrschens besteht darin, nicht aktiv einzugreifen, sondern allein durch das Vorbild zu wirken.

Der Taoismus ist in der Zeit vom 6. - 4. Jahrhundert v. Chr. in China entstanden, die legendenumwobene Gründergestalt ist Lao-Tse. Ihm wird das grundlegende Werk 'Tao Te King' (Buch vom Tao und seinem Wirken) zugeschrieben.

Als der Buddhismus im 5. Jahrhundert nach China kam (der Legende nach durch Boddhidharma) entwickelte sich unter starkem Einfluss des Taoismus der Chan-Buddhismus (禪), der dann später in Japan zum Zen wurde.

Ein weiteres wichtiges Werk des Taoismus ist das 'Nan Hua Chen Ching' (das wahre Buch vom südlichen Blütenland) seines Nachfolgers Dschuang Dsi (365 - 290 v. Chr.), in dem das Wesen des Taoismus in Parabeln, Anekdoten und Streitgesprächen des Lao-Tse mit Konfuzius erläutert wird.

Im chinesischen Volk waren lange Zeit taoistische Richtungen mit weniger philosophischem als vielmehr alchemistischem und magischen Charakter recht verbreitet. (Z.B. die Ch'üan Chen Schule (Schule der vollkommenen Verwirklichung) im 13. Jahrhundert nach Christus.

Abkömmling der magischen Linie des Taoismus ist das Feng Shui.

Die philosophische Richtung des Taoismus hat auch im Westen eine gewisse Beachtung und Anhängerschaft gefunden, u.a. da sie mit der naturwissenschaftlichen Weltsicht gut vereinbar scheint. (Logiker Raymond N. Smullyan).

Unterschiedliche Transskriptionen
Tao - Dao - Dau
Taoismus - Daoismus - Dauismus
Lao-Tse - Laotse - Laudse - Laozi - Laulaidse - Lau Dan - Li Er
Tao-te-king - Daudedsching - Daodejing
Dschuang Dsi - Zhuangzi - Chuang-tzu

Literatur Lao-Tse: Tao Te King, München 1994, ISBN 3-424-01230-0
Dschuang Dsi: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland, München 1969
Zhuangzi. Das klassische Buch daoistischer Weisheit. Übers. Victor H. Mair, Frankfurt/M. 1998.
Raimond N. Smullyan: Das Tao ist Stille, Frankfurt 1994, ISBN 3-8105-1858-1
Theo Fischer: Lass dich vom Tao leben, Hamburg 2002, ISBN 3-499-60699-2
Theo Fischer: Wu wei, Hamburg 2002 , ISBN 3-499-19174-1

http://wikipedia.t-st.de/data/Taoismus
und ich habe dazu noch angemerkt

Zitat:
wikipedia schrieb:Der Taoismus (chin: 道教 von 道, dao, wörtlich der Weg) ist ursprünglich eine chinesische Philosophie, die sich aber später auch zu einer Volks-Religion entwickelt hat.
Im Chinesischen werden Tao-chiao ['Tao-Sekte' - die beiden o.a. Schriftzeichen] und Tao-chia ['Tao-Haus'] unterschieden. Ersteres ist der religiös-magische Taoismus mit Götterhimmel, Alchemie und Unsterblichkeit, letzteres die Philosophie des Lao-tse, Dschuang-dsi und Liä-dsi.
wikipedia schrieb:Als der Buddhismus im 5. Jahrhundert nach China kam (der Legende nach durch Boddhidharma) entwickelte sich unter starkem Einfluss des Taoismus der Chan-Buddhismus (禪), der dann später in Japan zum Zen wurde.
Der Buddhismus war in China bereits ca. 500 Jahre alt, als Bodhidharma dorthin kam. Da zwischen den beiden Lehren eine gewisse Ähnlichkeit bestand, wurden bei den großen 'Übersetzungsfabriken' vom 1. bis 3. Jh. häufig buddhistische Pali- und Sanskrit-Begriffe mit taoistischen Termini wiedergegeben. Von taoistischer Seite wurde im Gegenzug (im Hua-hu-ching) erzählt, Lao-tse sei nach seinem Weggang 'in den Westen' in Indien als Shakyamuni Buddha wiedergeboren worden. Als Bodhidharma nach China kam, war der Buddhismus dort 'Staatsreligion'; der Kaiser Wu Ti (502 -549) selbst gläubiger Buddhist. Die Ch'an-Anhänger galten bis zu den Buddhistenverfolgungen im 8. Jh. als eher häretische Sekte.

() qilin
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#3
Also gehts in erster Linie um den Einklang mit einem Weltprinzip durch ein nicht rational erfassbare/definierbare Aktion?

Wie ist dieses Weltprinzip dann zu verstehen? Was ist das Ziel des Taoismus, und was zeichnet einen Taoisten aus, im gegensatz zum hindu?

Thx

Jazzter
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#4
Hallo Jazzter,

ja, das stimmt recht gut - und zu verstehen ist dieses Weltprinzip eigentlich gar nicht; bestenfalls zu erahnen. Der Gegensatz eines Taoisten zu einem Hinduisten ist wohl am ehesten, daß ersterer nicht an (göttliche) Gesetze gebunden ist, sondern versucht sich dem Fluß des Lebens anzupassen und nicht 'aufzufallen' - so wie Seng-ts'an, der 3. Patriarch der Ch'an-Sekte (+ 606; der noch deutlich vom Taoismus beeinflußt war) schreibt:

Im Einklang mit dem Wesen den Weg bejahen,
leichthin wandern und unbetrübt.
Gebundenes Denken verfälscht die Geistkraft,
versinkt in Verwirrung unheilvoll.

() qilin
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#5
:cheesy:
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#6
Lieh-tzu sagte zu seinen Schülern: "Es gibt ein Land, wo die Menschen
freundlich und tolerant sind, nie stolz oder neidisch, und wo Alt und Jung
gleichberechtigt sind.
Niemand ist Herrscher, niemand Untertan. Männer und Frauen gehen frei
miteinander um und schließen Freundschaften, wie immer sie wollen;
und wenn ein Mann oder eine Frau zu heiraten wünschen, brauchen sie
keine Erlaubnis ihrer Familien, und keine teuren Geschenke.
Sie pflügen die Erde nicht, sondern essen Früchte und Pflanzen, die wild
in den Wäldern wachsen. Es gibt keine Epidemien, und sie leben ihre
Lebensspanne voll aus.
Sie lieben Musik, sie singen Balladen und tanzen, und ihr Charakter ist
hell und klar."
Die Schüler fragten: "Wo ist dieses Land?" und Lieh-tzu antwortete:
"Es könnte jedes Land sein, selbst dieses hier -
wo immer die Menschen dem tao [Weg] folgen."

(Lieh-tzu/Liezi/Liä dsi, 4. Jh. v.Chr.)

Damals eine paradiesische Vorstellung - sind wir heute näher dran
oder weiter weg? :wink:

() qilin
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#7
Ich weiss, kommt ein wengi spaet, aber vielen Danke fuer eure erklaerungen, hat mir geholfen :D


Also danke,

Jazzter
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#8
qilin schrieb:Damals eine paradiesische Vorstellung - sind wir heute näher dran
oder weiter weg? :wink:

() qilin
Näher dran und weiter weg.
8) [/b]
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#9
ach hoer' schon auf :wink:
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#10
Daoismus ist, im Gegensatz zum Hinduismus, auch mehr Philosophie als Religion.
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#11
Ja und nein - Tao-chia ja, Tao-chiao nein -
wobei, was heute in China praktiziert wird, hauptsächlich unter Letzteres fällt.

() qilin
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#12
Dazu noch aus dem Lexikon (dort auch als Druckversion erhältlich):

Zitat:Exkurs: philosophischer vs. religiöser Daoismus

Die Unterscheidung zwischen Daoismus als Religion bzw. als Philosophie ist eurozentristisch und begrifflich unscharf. Sie stellt eher ein Hilfsmittel der westlichen Sinologie dar, um verschiedene Aspekte der langen Geschichte des Daoismus leichter beschreiben zu können. Der Daoismus ist jedoch eine ebenso heterodoxe Erscheinung wie andere Religionen auch. Im Laufe seiner über zweitausendjährigen Geschichte haben sich die unterschiedlichsten Lehren und Systeme herausgebildet. Die Trennung von religiösem und philosophischem Daoismus ist daher eine sehr grobe Vereinfachung, und es herrscht Uneinigkeit in der Forschung, ob diese Unterscheidung weiterhin verwendet werden sollte, weil sie der Komplexität des Gegenstands nicht gerecht wird.

Wir verwenden dieses Begriffspaar, weil es in einer Beschreibung des Daoismus eine erste, hilfreiche Gliederung ermöglicht. Der Sachverhalt ist aber sehr viel vielgestaltiger, als es diese Vereinfachung nahelegt.

Der Begriff des Dao

Das Wort "Daoismus" leitet sich ab von "Dao" (Tao), einem Begriff der chinesischen Philosophie, der bereits lange vor dem Daodejing verwendet wurde, aber erst in diesem Text seine zentrale Stellung und besondere, universale Bedeutung erhielt. "Dao" bedeutet ursprünglich "Weg", im klassischen Chinesisch aber bereits "Methode", "Prinzip", "der rechte Weg". Bei Laozi nimmt dann der Begriff des Dao die Bedeutung eines der ganzen Welt zugrundeliegenden, alldurchdringenden Prinzipes an. Es ist die höchste Wirklichkeit und das höchste Mysterium, die uranfängliche Einheit, das kosmische Gesetz und Absolute. Aus dem Dao entstehen die 'zehntausend Dinge', also der Kosmos, und auch die Ordnung der Dinge entsteht aus ihm, ähnlich einem Naturgesetz, doch ist das Dao selbst kein omnipotentes Wesen, sondern die Vereinigung jeglicher Gegensätze und somit undefinierbar. Philosophisch könnte man das Dao als jenseits aller Begrifflichkeit fassen, weil es der Ursprung des Seins, die transzendentale Ursache ist und somit alles, auch den Gegensatz von Sein und Nichts, enthält. In diesem Sinne kann nichts über das Dao ausgesagt werden, weil jede Definition eine Begrenzung enthält. Das Dao ist aber sowohl unbegrenzte Transzendenz als auch das dem Kosmos, dem All innewohnende immanente Prinzip. Das Wirken des Dao bringt die Schöpfung hervor, indem es die Zweiheit, das Yin und das Yang, Licht und Schatten, hervorbringt, aus deren Wandlungen, Bewegungen und Wechselspielen dann die Welt hervorgeht.

Daoistische Ethik

Die ethische Lehre des Daoismus besagt, die Menschen sollten sich am Dao orientieren. Indem sie den Lauf der Welt beobachten, in welchem sich das Dao äußert, können sie die Gesetzmäßigkeiten und Erscheinungsformen dieses Weltprinzips kennen lernen. Da das Dao sich im Ziran, dem „von-selbst-so-Seienden“, der Natur, offenbart, steht es für Natürlichkeit, Spontanität und Wandlungsfähigkeit, und der Weise erreicht die Harmonie mit dem Dao weniger durch Verstand, Willenskraft und bewusstes Handeln, sondern vielmehr auf mystisch-intuitive Weise, indem er sich dem Lauf der Dinge anpasst. Denn es gibt im Kosmos nichts, was fest ist: Alles ist dem Wandel unterworfen und der Weise verwirklicht das Dao durch Anpassung an das Wandeln, Werden und Wachsen, welches die phänomenale Welt ausmacht.

In den Wandlungen der Phänomene verwirklicht jedes Ding und Wesen spontan seinen eigenen „Weg“, sein eigenes Dao, und es wird als ethisch richtig erachtet, dieser Spontanität ihren Lauf zu lassen und nicht einzugreifen, also Wu Wei, „Nicht-Eingreifen“ oder „Nicht-Handeln“ zu praktizieren. Die Dinge und ihr Verlauf werden als sich selbst ordnend und sich selbst in ihrer Natur entfaltend und verwirklichend angesehen. Es erscheint dem Weisen als sinnlos, seine Energie in einem stetigen Willensakt der Handlung (des Eingreifens in das natürliche Wirken des Dao) zu verschwenden, sondern das Tun sollte angemessen sein, durch eine Verwirklichung reinen und nicht selbstbezogenen Geistes, der geschehen lassen kann, ohne durch seine eigenen Wünsche und Begierden verblendet zu sein.

Es wird also als klug angesehen, sich möglichst wenig in das Wirken des Dao einzumischen oder sich ihm gar entgegenzustemmen. Besser als durch große Kraftanstrengungen werden Ziele verwirklicht, wenn dafür die natürlichen, von selbst ablaufenden Vorgänge genutzt werden, die durch das Dao bestimmt sind. Dieses Prinzip der Handlung ohne Kraftaufwand ist eben das Wu Wei. Indem der Weise die natürlichen Wandlungsprozesse mitvollzieht, gelangt er zu einer inneren Leere. Er verwirklicht die Annahme und Vereinigung von Gegensätzen, denn das Dao, welches das Yin und Yang hervorbringt, ist die Ursache und Vereinigung dieser beiden, so dass der Weise im natürlichen Prozessieren den Dreh- und Angelpunkt der Wandlungsphasen von Yin und Yang, die leere Mitte der Gegensätze, verwirklicht.

Das Daodejing liefert die Weltanschauung, die das Ideal des daoistischen Weisen blieb: Gleichmut, Rückzug von weltlichen Angelegenheiten und Relativierung von Wertvorstellungen, sowie Natürlichkeit, Spontanität und Nicht-Eingreifen. Nach daoistischer Auffassung führt nur die Übereinstimmung mit dem Dao zu dauerhaftem und wahrem Glück, während die Involviertheit in weltliche Angelegenheiten zu einem Niedergang der wahren Tugend (De) führt. Deshalb ist es ratsam, Gleichmütigkeit gegenüber Gütern wie Reichtum und Komfort zu erlangen, und sich vor übermäßigen Wünschen zu hüten.

Daoismus als Religion

Den Unterschied zwischen philosophischem und religiösem Daoismus, den wir hier aus pragmatischen Gründen verwenden (s.o.), könnte man derart fassen, dass der philosophische Daoismus das Ideal des Weisen hat, der das Dao verwirklicht, indem er eine bestimmte Geisteshaltung einnimmt, während der religiöse Daoist danach strebt, Erleuchtung zu erlangen und das Dao zu verwirklichen, indem er durch unterschiedliche Methoden wie Meditation (Qigong, Taijiquan), Konzentration, Imagination, Ritual und Ritualmagie aus Geist und Körper, dem Mikrokosmos, ein Abbild des Makrokosmos erschafft und auf diese Weise eins wird mit dem Universum.

Verhältnis zum Buddhismus

Als der Buddhismus im 2. Jahrhundert nach China kam, wird er erst als eine seltsam verzerrte Variante des Daoismus wahrgenommen, weil die ersten Übersetzer von buddhistischen Konzepten Begriffe aus der daoistischen Lehre verwendeten. Außerdem besagte eine daoistische Legende, dass die Gründerfigur Laozi nach Westen ausgewandert war. In China erklärte man daher einfach, Laozi sei nach Indien gekommen und hätte als Buddha die "Barbaren" zum Daoismus bekehrt, diese hätten die Lehre aber nicht vollkommen begriffen, und so sei der Buddhismus entstanden.

Durch diese Auffassung herrschte anfangs eine gewisse Nähe und ein reger Austausch von Ideen; der Daoismus übernahm beispielsweise vom Buddhismus die Höllenvorstellungen und die Organisation seines Mönchswesens.

Durch die gegenseitige Beeinflussung von Daoismus und Buddhismus entstanden auch neue Schulen. Ein erfolgreiches Beispiel einer solchen Verschmelzung ist der Zen-Buddhismus (禅, chinesisch chan, japanisch zen, ch'an ). Sein Einfluss war prägend für die chinesische Tang- und Sung-Zeit und hält in Japan bis heute an.

Die Himmelsmeister

Im 2. Jahrhundert entstand die erste daoistische Organisation beziehungsweise "Kirche", als Zhang Daoling (Chang Tao Lin) 142 n.Chr. in Sichuan die Bewegung der Himmelsmeister (tianshi dao) gründete. Zhang Daoling nahm dabei vermutlich Anleihen beim Buddhismus, möglicherweise auch beim monotheistischen Mazdaismus. In der Gruppe, die nach einer Abgabe, die ihre Anhänger zu leisten hatten, auch "Fünf-Scheffel-Reis"-Bewegung (wudoumi dao) genannt wird, herrschten messianische und revolutionäre Gedanken vor: Die Han-Dynastie sollte gestürzt werden, damit der Himmelsmeister Zhang Daoling regieren und die Endzeit beginnen konnte.

Etwa 30 Jahre lang existierte sogar ein Himmelsmeister-Staat, der durch einen großen Verwaltungsapparat charakterisiert war. Die Bürokratie spiegelte die Vorstellung vom Himmel wieder, der im Glauben der Himmelsmeister auch bürokratisch gegliedert ist. Bitten und Gebete wurden in Formularen verfasst und durch Verbrennung an die jeweils zuständigen Gottheiten geschickt.

In der Himmelsmeister-Bewegung entstand eine ausgeprägte Ethik und ein daoistischer Kultus und durch die Pflichtbeiträge entwickelten sich die Gemeinden zu ökonomisch bedeutsamen Organisationen. Unter der Wei-Dynastie (386-534) traten auch immer mehr Mitglieder der Aristokratie der Himmelsmeister Bewegung bei und auch viele Dichter und Künstler gehörten ihr an. Ab dem 2. Jh. wurde auch Laozi nicht mehr nur als alter Weiser gesehen, sondern als Gott verehrt. Ebenso wurde aus dem abstrakten Begriff des Dao eine personale Gottheit. Jedoch stellen die Götter des Daoismus eher eine Verkörperung von Funktionen als individuelle Entitäten dar. Die Ritualgötter sind im allgemeinen entweder abstrakte Instanzen oder Verkörperungen von Naturkräften, zum Beispiel der Erde, der Flüsse, des Regens, der Berge. Auch der vergöttlichte Laozi stellt eher eine Hypostase des Dao und des daoistischen Heiligen dar, wie Zhuangzi ihn beschrieb, weniger eine personale Gottheit, wie sie der westlichen Vorstellung entspricht.

Entwicklung zur Volksreligion

Schon die daoistischen Philosophen verwendeten bildhafte Geschichten und alte Volkssagen, um ihre Ideen zu erläutern. Während der Han-Zeit verband sich der Daoismus mit älteren kosmologischen, theologischen und anthropologischen Vorstellungen, deren Spuren sich schon in der Shang-Zeit finden lassen. Diese älteren Vorstellungen stammen wahrscheinlich aus Unsterblichkeitskulten und der schamanistischen Tradition. Auch mehr und mehr volkstümliche Bräuche, Riten und buddhistische Elemente hielten Einzug in die daoistischen Praktiken. Die daoistsiche Religion wurde polytheistisch und definierte sich durch eine gemeinsame liturgische Tradition. Es entstand ein reichhaltiger Götterhimmel, dessen genaue Ausformung sich von Schule zu Schule unterscheiden konnte, sich aber drei oberste Gottheiten, die Drei Reinen, herauskristallisierten: Yuanshi tianzun, der Himmeslehrwürdige des Uranfangs, Daojun oder Lingbao tianzun, der Herr des Dao bzw. Himmelsehrwürdige des magischen Juwels und Daode tianzun oder Taishang Laojun, der Himmelsehrwürdige des Dao und des De bzw. der höchste Herr Lao, welcher der vergöttlichte Laozi ist. Das liturgische System bildet den formalen Rahmen für unterschiedliche lokale Kulte und das daoistische Pantheon wird bevölkert von kosmischen Gottheiten, Naturgöttern, Dämonen, Geistern, Unsterblichen (Xian) und Vollkommenen (Zhenren). Sitz des Pantheons sind heilige Berge und Grotten, die ein mikrokosmsiches Abbild des Makrokosmos darstellen, sowie Tempel, Altar und Körper.

Durch die Himmelsmeister-Kirche Zhang Daolings vollzog sich eine gewisse Vereinigung der verschiedenen daoistischen Gemeinschaften. Diese starke und breitenwirksame Organisation wurde während der Sui- und T'ang-Dynastie zu einer echten Volksreligion und religiösen Macht. Die Dynastie der Tang behauptete, von Laozi abzustammen und machte seine Verehrung zu einem offiziellen Kult. Der daoistische Kaiser Xuanzong gründete landesweit daoistische Tempel und hatte eine große Vorliebe für daoistische Rituale. Aus der Ming- und Tangdynastie gibt es auch die meisten daoistischen Schriften. Es handelte sich um die Blütezeit des Daoismus.

Unter der Song-Dynastie (960-1279) wurde der Daoismus dann vollständig in die Volkskultur integriert, u.a. dadurch, dass die lokalen und regionalen Organisationen durch Kaiser Zhenzong zu einem Netzwerk offiziell geförderter Tempel zusammengeschlossen wurden, die auch säkuläre Aufgaben wie die Organisation von Märkten und das Eintreiben der Handelssteuer übernahmen.

Der volkstümliche religiöse Daoismus wurde nicht von allen Daoisten anerkannt. Besonders Einsiedler und Angehörige daoistischer Klöster pflegten weiterhin eine philosophische Richtung der Lehre.

Als Chinas letzte Dynastie, die Qing im Jahre 1644 gegründet wurde, wurde der Daoismus mit Restriktionen und Verboten belegt, da die Qing den orthodoxen Konfuzianern nahestanden und die Mandschu Angst vor chinesischem Nationalismus hatten und so lokale Organisationen unterdrückten. Im Taiping-Aufstand 1849 wurden dann sämtliche Tempel, sowohl buddhistische als auch daoistische zerstört und im Verlauf des 20Jh. verstärkte sich die Tendenz immer mehr, die ursprüngliche chinesische Religion zu zerstören.

Daoistische Praktiken

Im Laufe der Jahrtausende entstanden in China eine Vielzahl daoistischer Schulen mit unterschiedlichen Lehrinhalten und Praktiken. Der daoistische Kanon (Daozang) der in seiner letztgültigen Fassung 1442 zusammengestellt wurde, gibt hiervon einen Eindruck. Er enthält tausende von Werken, und die Texte handeln u.a. von Philosophie, Ritualistik, Magie, Medizin, Imagination und mythischen Welten, Hagiographien, dem Yijing (I Ging), Alchemie, Moral, Meditationstechniken und Hymnen.

Die ersten Texte, die eine detaillierte Beschreibung der nach innen gewendeten Meditation gaben, waren die der Maoshan-Schule, bzw. das Shangqingjing (Buch der großen Reinheit), welche ab dem 4 Jh. n. Chr. entstanden. Die Maoshan Meditationen enthalten unterschiedliche Elemente: Der Adept verkehrt rituell und imaginativ mit Göttern, rezitiert heilige Texte und visualisiert und durchläuft komplex strukturierte Elemente und Prozesse der Kosmologie, Mythologie und Symbolik des Daoismus. Die Visualisationen dieser Schule stellen Reisen in geistige Welten dar, wie sie schon von den Schamanen der Shang-Zeit ausgeführt wurden. Sie führen in Reiche der irdischen Paradiese, der Götter, der stellaren Welten, der Bewegungen von Yin und Yang und der verschiedenen Formen von Qi (Energie). Das Ziel der komplexen Techniken ist es, durch die Harmonisierung von Geist und Körper zur ursprünglichen Einheit zurückzukehren.

Im Streben nach Unsterblichkeit entwickelten Daoisten einige alchemistische Techniken. Etwa seit dem 4. Jahrhundert n.Chr. wurde versucht, Elixire oder Pillen herzustellen, die das Leben verlängern. Dabei spielten Zinnober (Dan), Quecksilber (Gong) und Gold (Jin) eine besondere Rolle. Durch die Eigenschaften, die sie in chemischen Reaktionen zeigen, galten sie als Elemente, die die Unwandelbarkeit in äußerlicher Veränderung (zentrales Merkmal des Dao) verkörpern. Viele, die sich von den Pillen Langlebigkeit versprachen, starben an Quecksilbervergiftung, was wohl einer der Gründe dafür war, dass die Alchemie bis zum Ende der Tang-Zeit immer unpopulärer wurden und verstärkt eien Hinwendung zu inneren Alchemie stattfand. Durch die alchemistischen Forschungen wurden jedoch auch andere Gebiete befruchtet, beispielsweise entstanden dadurch das Schießpulver und halluzinogene Drogen und die Medizin wurde beeinflusst.

Die Maoshan-Meditationen zeigen bereits eine Hinwendung von der äußeren zur inneren Alchemie, die sich im 9 Jh. dann vollends ausbildete. Anstatt Substanzen im Labor zu mischen, wurden der eigene Körper und Geist als "inneres Labor" verstanden. Es galt nun, durch meditative Techniken das uranfänglichen Chaos zu strukturieren und durch Kultivierung von Vitalität, Energie und belebendem Geist die Leere und Einheit zu verwirklichen.

Voraussetzung für diese Praktiken ist die Vorstellung, dass Analogien zwischen allen Ebenen bestehen, das heißt, dass Kosmos, Erde und Mensch analog strukturiert sind und sich in allen Details entsprechen.

Ein weiterer Abkömmling des Daoismus ist das Feng Shui, welches ursprünglich Geomantie war, später sich aber darauf bezog, die Umgebung des Menschen nach bestimmten Prinzipien zu ordnen, um Glück, Erfolg und Harmonie zu erzeugen.
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