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Das AT als Geschichtswerk
#16
(08-01-2013, 11:40)Flat schrieb: Wie Du meinen vorher geposteten Link aber entnehmen kannst, wurde das so nicht umgesetzt.

Also nur Theorie?
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#17
(08-01-2013, 11:55)Lelinda schrieb: Also nur Theorie?

Moin,

so ein bisschen schon. Ich würde es eher als 'gelebtes Recht' bezeichnen.

Das ist es ja, was den Talmud z.B. ausmacht. Er füllt die Rechtsnormen u.a. mit Leben.

Tschüss

Jörg
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#18
Wenn die Gesetze sowieso nur für das Papyrus gedacht waren, frage ich mich, was die Geschichte mit Jesus und der Ehebrecherin soll. In dieser Geschichte wird ja die Durchführung der Steinigung, die das Gesetz vorschrieb, durch eine kleine Bedingung unmöglich gemacht. Ein Trick, um brutale Gesetze zu umgehen, ohne sie als falsch hinzustellen, wäre dann also nichts besonderes gewesen. Warum steht die Geschichte dann trotzdem in der Bibel?
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#19
(08-01-2013, 12:44)Lelinda schrieb: Wenn die Gesetze sowieso nur für das Papyrus gedacht waren, frage ich mich, was die Geschichte mit Jesus und der Ehebrecherin soll. In dieser Geschichte wird ja die Durchführung der Steinigung, die das Gesetz vorschrieb, durch eine kleine Bedingung unmöglich gemacht. Ein Trick, um brutale Gesetze zu umgehen, ohne sie als falsch hinzustellen, wäre dann also nichts besonderes gewesen. Warum steht die Geschichte dann trotzdem in der Bibel?

Moin,

berechtigte Frage.

Wobei das Christentum die jüdischen Gesetze in seiner Geschichte als starr (und damit nicht der Wirklichkeit entsprechend) darstellte.

Das Problem tritt also erst auf, wenn man sich ernsthaft mit dem Judentum und seinen Regeln und Glauben beschäftigt.

Als ich damit anfing, war es ein paar Jahre später vorbei mit meinem christlichen Glauben.

Tschüss

Jörg
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#20
(08-01-2013, 09:51)Lelinda schrieb: Wenn man bedenkt, dass die islamische Scharia auch in einigen Staaten angewendet wird (vom mittellaterlichen Justizwesen gar nicht zu reden), würde es mich wundern, wenn die jüdischen Strafgesetze, und das noch ein paar Jahrhunderte früher (als Scharia und mittelalterliche Justiz), nicht oder fast nicht angewendet worden wären.
Ja, wenn man keine Ahnung hat, dann wundert man sich über vieles...

Das jüdische Strafrecht ist halt deutlich etwas anderes, als was man als Laie sich beim Überfliegen von manchen Texten so denkt.

Statt dessen verweise ich einfach einmal auf Deutsche Gesetzes- und Verfassungstexte, wo sehr wohl die Todesstraf noch vorkommt. Würde es hier auch wundern, wenn diese nicht oder fast nicht angewendet wurde?
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#21
(08-01-2013, 11:55)Lelinda schrieb: Also nur Theorie?
Nein, alles nur Gesetz.

Dieses Gesetz muss all denkbaren Fälle abdecken und gilt hier als universel. Dadurch bedarf es Kommentare welche dieses universelle Gesetz an die vorliegende Umstände anpassen. Und damit ist nun nicht gemeint, dass früher eine Todesstrafe noch zulässig war und heute nicht mehr, sondern eben auch die Anpassung des Gesetzes als ganzes. Wenn an der einen Stelle eine Todesstrafe möglich ist, an anderer Stelle aber ausgeschlossen wird (je nach Kontext), dann muss die Ausführung im Einklang mit beidem sein.

So sagt ein Kommentar zu diesem Gesetze: Dass ein Gericht welches ins einer Zeit (40 Jahre) zwei Todesstrafen verhängt als barbarisch anzusehen ist (will heissen, dass seine Urteile keine Relevanz mehr haben und gegen das Gesetz sind).

Und andere Kommentare merken zu vielen Strafen an, dass diese bislang noch nie zur Anwendung kamen.
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#22
(08-01-2013, 14:06)Jakow schrieb: Statt dessen verweise ich einfach einmal auf Deutsche Gesetzes- und Verfassungstexte, wo sehr wohl die Todesstraf noch vorkommt. Würde es hier auch wundern, wenn diese nicht oder fast nicht angewendet wurde?

Moin,

falls Dir jemand nicht glaubt:

der derzeit gültige Art 21 (1) der hessischen Landesverfassung:

Zitat:Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen oder beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.

http://www.rv.hessenrecht.hessen.de/jpor...focuspoint

Tschüss

Jörg
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#23
(08-01-2013, 12:44)Lelinda schrieb: Wenn die Gesetze sowieso nur für das Papyrus gedacht waren, frage ich mich, was die Geschichte mit Jesus und der Ehebrecherin soll. In dieser Geschichte wird ja die Durchführung der Steinigung, die das Gesetz vorschrieb, durch eine kleine Bedingung unmöglich gemacht.
Oh, hier bist du auf den üblichen Antijudaismus hereingefallen, welche diese Auslegung nahelegt. Auf der einen Seite wird hier der humane Jesus geschildert und auf der anderen Seite die blutrünstigen Juden.

Leider ist die Steinigung hier nach dem Gesetz in keinem Fall und schon gar nicht so, zulässig und das Eingreifen von Jesus hingegen wird von dem Gesetz so gar eingefordert. Wer hier stehenbleibt und nicht eingreift und den Mord verhindert, macht sich ebenso strafbar.
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#24
(08-01-2013, 14:12)Flat schrieb: falls Dir jemand nicht glaubt
Amüsant das solches hier eine Glaubensfrage ist Icon_wink

Dabei kann jeder u.a. dieses in der hessischen Verfassung nachlesen und obwohl es dort nun seit doch einigen Jahrzehnten steht, kam es nie zur Anwendung. Wunder über Wunder Icon_wink
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#25
Bundesrecht bricht Landesrecht. Gab es denn im jüdischen Recht ein Gesetz, das den mosaischen Gesetzen übergeordnet war? Wenn nicht, hinkt der Vergleich.
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#26
(08-01-2013, 14:40)Lelinda schrieb: Bundesrecht bricht Landesrecht. Gab es denn im jüdischen Recht ein Gesetz, das den mosaischen Gesetzen übergeordnet war? Wenn nicht, hinkt der Vergleich.

Moin,

in der Tat gibt es so etwas.

Der Schutz des menschlichen Lebens steht über fast allem. Genau deshalb tut sich das Judentum z.B. mit der Todesstrafe so schwer.

Der Lebensschutz bricht z.B. das Schabbatgesetz (ähnlich Bundesrecht bricht Landesrecht)

Tschüss

Jörg
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#27
(08-01-2013, 14:40)Lelinda schrieb: Bundesrecht bricht Landesrecht. Gab es denn im jüdischen Recht ein Gesetz, das den mosaischen Gesetzen übergeordnet war? Wenn nicht, hinkt der Vergleich.
Dieses war kein Vergleich, sondern alleine ein Hinweis darauf, dass man durch das Überfliegen von Texten ohne den Kontext zubeachten, zu falschen und fatalen Schlüssen kommen kann.

Bezogen auf das jüdische Recht gilt, was ich hierzu anmerkte.
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#28
Flat schrieb:Das ist es ja, was den Talmud z.B. ausmacht. Er füllt die Rechtsnormen u.a. mit Leben.

Stimmt!

Allerdings war der Babylonische Talmud (Mischna + Gemara), mit dem argumentiert wird, aus traditioneller Sicht erst etwa um 500 nC (nach Leopold Löw erst Mitte des 8. Jhs) fertiggestellt, also frühestens 1000 Jahre nach der Formulierung bzw. Redaktion der biblischen Gesetzestexte (was während des Exils und kurz danach passierte).

Bei der Beurteilung antiker Rechtstexte geht man grundsätzlich davon aus, dass Gesetze formuliert wurden, um angewandt zu werden. Die Anwendung der biblischen Gesetze auch für Zeiten, in denen Juden dazu die Möglichkeit hatten (zB während der Hasmonäerherrschaft), mit Verweis auf den Babylonischen Talmud kategorisch auszuschließen, ist nicht seriös. Es gibt keine Belege aus vorrabbinischer Zeit, die diese Ansicht stützen.

Dass jüdische Blutgerichtbarkeit in rabbinischer Zeit nicht stattgefunden hat, räume ich ein. Einer der Gründe wird wohl auch gewesen sein, dass die jüdischen Gemeinden in der Diaspora nirgendwo das Recht hatten, Todesurteile zu verhängen und zu vollstrecken. Auch dass sich bei den Rabbinen bis ins 5./6. Jh eine immer stärkere Abneigung einstellte, Kapitalstrafen zu rechtfertigen, ist ihren Kommentaren zu entnehmen.
MfG B.
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#29
(08-01-2013, 23:57)Bion schrieb: Allerdings war der Babylonische Talmud (Mischna + Gemara), mit dem argumentiert wird, aus traditioneller Sicht erst etwa um 500 nC (nach Leopold Löw erst Mitte des 8. Jhs) fertiggestellt, also frühestens 1000 Jahre nach der Formulierung bzw. Redaktion der biblischen Gesetzestexte (was während des Exils und kurz danach passierte).

Moin,

babylonische Talmud, also die Verschriftlichung, wurde in dieser Zeit fertig gestellt.

Die Mischna baut ja auf der mündlichen Überlieferung auf, die nach der jüdischen Religion ebenfalls eine (fast?) genauso große Wichtigkeit hat wie der schriftliche Tanach.

Und die mündliche Überlieferung ist deutlich älter.

Tschüss

Jörg
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#30
(09-01-2013, 08:12)Flat schrieb: babylonische Talmud, also die Verschriftlichung, wurde in dieser Zeit fertig gestellt.

Die Mischna baut ja auf der mündlichen Überlieferung auf, die nach der jüdischen Religion ebenfalls eine (fast?) genauso große Wichtigkeit hat wie der schriftliche Tanach.

Und die mündliche Überlieferung ist deutlich älter.

Ja, aber die mit den talmudischen Kommentaren vorgenommenen Entschärfungen lagen zur Zeit der schriftlichen Abfassung (und Kodifizierung) der Mischna-Texte noch nicht vor und hatten somit auch keine Geltung.

Die Mischna ist nach Zerstörung des 2. Tempels, im Wesentlichen aber im 2. Jh nC aus der jüdischen Rechtstradition entstanden. Nach rabbinischer Meinung hat Gott Moses nicht nur die Tora, sondern auch die "mündliche Lehre", die mündliche Tora (= Mischna), übergeben. Das, allerdings, ist mythologisches Erzählgut, das zu jüdischer Glaubenswahrheit erhoben wurde, und nicht historisches Faktum.

Den Grundstock der Mischna bildete die Überlieferung des Rabbi Akiba ben Josef (ca. 50-135). Er war es, der die Schriftauslegung in Midrasch-Halachot und Midrasch Aggadot systematisierte.

Durch das Wirken seiner Schüler nahm die Mischna, so wie sie heute vorliegt (von unerheblichen Hinzufügungen im Hochmittelalter abgesehen), Gestalt an.

Rabbi Meir (ein Schüler von Rabbi Akiba) spielte bei der Durchsetzung neuer Takkanot (das sind rechtlich verbindliche Verordnungen, die von den bisher geltenden Rechtsansichten abweichen) eine entscheidende Rolle.

Der Grundtext wurde um 200 nC von Rabbi Jehuda ha-Nassi (Rabbenu ha-Kodesch) redigiert. Danach wurde die Mischna von Rabbi Jehuda kodifiziert.

Hier ein paar Auszüge aus Mischna 4. Ordnung, 4. Sanhedrin:

Sanh VII 1

Ein Gerichthof kann vier Todesarten verhängen: Steinigung. Verbrennung, Enthauptung und Erdrosselung. Rabbi Schim'on sagt: Verbrennung, Steinigung, Erdrosselung und Enthauptung [ist die Reihenfolge der Schwere]. Dies war die Ordnung für die [zu] Steinigenden.
[…]

Sanh VII 4

(a) Diese werden gesteinigt: Wer [seiner] Mutter beiwohnt, der Frau des Vaters, der Schwiegertochter, einem Mann oder einem Vieh beiwohnt, eine Frau, die einem Vieh beiwohnt, und ein Lästerer, wer Götzendienst treibt, wer von seinem Samen dem Moloch gibt, ein Totenbeschwörer, ein Wahrsager, wer den Sabbat entweiht, wer seinen Vater oder seine Mutter verflucht, wer einem verlobten Mädchen beiwohnt, ein Verlocker, ein Verführer [zum Götzendienst], ein Zauberer und ein unbändiger oder widerspenstiger Sohn.
[…]

© Wer einem Mann oder einem Vieh beiwohnt, oder eine Frau, die einem Vieh beiwohnt: Wenn der Mensch gesündigt hat, was hat das Vieh gesündigt? Sondern weil dem Menschen durch das [Vieh] ein Anstoß [zur Sünde] widerfahren ist, sagt die Schrift: "Es soll gesteinigt werden" (Lev 20, 15 f.). Ein anderes Wort: Damit nicht das Vieh am Markt vorbeigeht und [die Leute] sagen: Das ist das Vieh, deswegen der und der gesteinigt worden ist.
[…]

VII 9

Wer einem verlobten Mädchen beiwohnt (Dtn 22, 23-27) ist [nur] dann schuldig, wenn das Mädchen verlobte Jungfrau ist und [noch] im Haus ihres Vaters wohnt. Haben ihr zwei beigewohnt, [unterliegt] der erste der Steinigung und der zweite der Erdrosselung.
[…]

VIII 5

Ein widerspenstiger und ungehorsamer Sohn wird um seines Endes Willen gerichtet: Er soll [besser] als Gerechter sterben, aber nicht als Schuldiger sterben. Denn der Tod der Bösen ist Nutzen für sie und Nutzen für die Ewigkeit,…
[…]

IX 1

Und diese werden verbrannt: Wer einer Frau und ihrer Tochter beiwohnt (Lev 18, 17), und die Tochter eines Priester, die gehurt hat (Lev 21, 9).
[…]

IX 6 (b)

Ein Priester, der in Unreinheit dient, bringt seine Brüder, die anderen Priester, nicht zum Gerichtshof, sondern die jungen Priester führen ihn zum Vorhof und zerschmettern ihm das Gehirn mit Holzscheiten.
[…]

XI 1 (a)

Diese werden erdrosselt: Wer seinen Vater oder seine Mutter schlägt (Ex 21, 15), wer einen Menschen aus Israel raubt (Dtn 24, 7),…
[…]

…, wer einer Ehefrau beiwohnt, und die falschen Zeugen der Tochter eines Priesters und ihren Liebhaber.
MfG B.
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