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Das AT als Geschichtswerk
#1
(04-01-2013, 18:43)konform schrieb: Jedenfalls gibt das Alte Testament wie kein anderes Werk eine zusammenhängende Früh-Geschichte und Geschichte des Altertums wieder.

Das AT ist eine Sammlung von Mythen, Sagen, Legenden, etc. Die Erzählungen wurden (vornehmlich während des Exils, aber auch noch danach) mehrfach theologisch überarbeitet.

Dass hinter manchen der beschriebenen Sachverhalte ein historischer Kern vermutet werden darf, macht das AT nicht zum Geschichtsbuch. Ein historischer Kern steckt auch in Homers Ilias und in anderen Götter- und Heldensagen.
MfG B.
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#2
(05-01-2013, 12:46)Bion schrieb: Das AT ist eine Sammlung von Mythen, Sagen, Legenden, etc. Die Erzählungen wurden (vornehmlich während des Exils, aber auch noch danach) mehrfach theologisch überarbeitet.

Moin,

das greift meines Erachtens zu kurz.

Es ist auch die jüdische Gesetzessammlung. Es ist teilweise Geschichte, teilweise moralisches Lehrbuch (Propheten)

Was oft im christlichen Kontext vergessen wird, iast, dass die schriftliche Thora, also die 5 Bücher Mose, im jüdischen eine mündliche Ergänzung haben, eine Erläuterung. Und dieses nach jüdischem Glaube von Anfang an. Als sicher gilt, dass diese jüdische Erläuterung der Thora deutlich älter ist als der christliche Glaube, der ja nur den Schrifttext übernommen hat.


Wenn man nun den Tanach (christlich AT genannt) beurteilen will, so sollte man sich meines Erachtens schon mit dem ganzen text, schriftlich wie mündlich befassen.

Er nur die Hälfte betrachtet, kann nicht zu einer stimmigen Beurteilung kommen.

Tschüss

Jörg
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#3
(06-01-2013, 09:54)Flat schrieb: Moin,

das greift meines Erachtens zu kurz.

Es ist auch die jüdische Gesetzessammlung. Es ist teilweise Geschichte, teilweise moralisches Lehrbuch (Propheten)

Was oft im christlichen Kontext vergessen wird, iast, dass die schriftliche Thora, also die 5 Bücher Mose, im jüdischen eine mündliche Ergänzung haben, eine Erläuterung. Und dieses nach jüdischem Glaube von Anfang an. Als sicher gilt, dass diese jüdische Erläuterung der Thora deutlich älter ist als der christliche Glaube, der ja nur den Schrifttext übernommen hat.


Wenn man nun den Tanach (christlich AT genannt) beurteilen will, so sollte man sich meines Erachtens schon mit dem ganzen text, schriftlich wie mündlich befassen.

Er nur die Hälfte betrachtet, kann nicht zu einer stimmigen Beurteilung kommen.

Tschüss

Jörg

Und was kommt dann raus, wenn man das tut ? Vermute mal wieder eine Sammlung von Sagen und Mythen mit einem wahren Kern, oder ?

Beurteilen kann man die darin erzählten Geschichten ja nur, wenn man sie mit den heute gefundenen archäologischen Funden abgleichen kann.
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#4
(06-01-2013, 17:42)Glaurung40 schrieb: Und was kommt dann raus, wenn man das tut ?

Moin,

Aussagen über Moral, über Ethik, über das Leben miteinander.

Tschüss

Jörg
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#5
(06-01-2013, 22:24)Flat schrieb: Moin,

Aussagen über Moral, über Ethik, über das Leben miteinander.

Tschüss

Jörg

Ja, aber hat wohl mit Historie nicht so viel zu tun, oder ? Höchstens mit der Denkweise der Leute die sich das ausgedacht haben.
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#6
(06-01-2013, 09:54)Flat schrieb: Er nur die Hälfte betrachtet, kann nicht zu einer stimmigen Beurteilung kommen.

Es wurde folgendes behauptet:

konform schrieb:Jedenfalls gibt das Alte Testament wie kein anderes Werk eine zusammenhängende Früh-Geschichte und Geschichte des Altertums wieder.

Das AT wurde also als Geschichtswerk angeboten. Diesen Ansprüchen kann es nicht genügen.

Flat schrieb:Was oft im christlichen Kontext vergessen wird,…

Wenn man nun den Tanach (christlich AT genannt) beurteilen will, so sollte man sich meines Erachtens schon mit dem ganzen text, schriftlich wie mündlich befassen.

Wer einen Text nach seinem Wert als historische Quelle beurteilen will, sollte das weder als Jude noch als Christ, sondern als Historiker tun.

Dazu in Kürze:

Die sog. Biblische Urgeschichte ist reiner Mythos. Riesen bevölkerten die Erde. Wie in den griechischen Urzeitsagen paarten sich Göttersöhne mit Menschentöchtern. Wie in anderen Mythologien entstanden aus solchen Verbindungen Heroen.

Die Sintflutsage, die Hioberzählung, etc. sind altorientalische Mythen, die entsprechend adaptiert wurden. Auch eines der Hauptmotive der Abraham-Isaak-Sage findet sich in anderen Mythologien wieder.

Die meisten alttestamentlich-biblischen Figuren sind legendär, Abraham, Isaak und Jakob (samt Nachkommenschaft) eingeschlossen. Einige Heldensagen wurden theologisch adaptiert (zB Gideon, Jephta, Simson). Manche Propheten-Erzählungen haben märchenhafte Züge, alle sind sie mythologisch überhöht (Samuels wunderhafte Geburt, Elias Ernährung durch die Raben und seine leibhaftige Himmelfahrt, Jona im Bauch des Wals, etc.).

Die Kriege, von denen berichtet wird, haben zumindest zum Teil nicht stattgefunden. Auch die göttlichen Mordbefehle nicht!

Wofür ist das AT als Quelle zu gebrauchen?

Das AT ist eine gute Quelle für frühjüdische Rechts- und Sozialgeschichte, und zwar die einzige. Um es als Geschichtsbuch zu bezeichnen, reicht das allerdings nicht aus.

Eine gute Quelle für die antike griechische Rechtsgeschichte ist zB auch die Griechische Tragödie. Auch sie vermittelt viel Mythos und wenig Geschichte!

Eine sehr gute Quelle für das Judentum in hellenistischer Zeit sind die Makkabäer-Bücher (nicht von allen Bekenntnissen als kanonisch anerkannt), von der rabbinischen Tradition nicht zu den heiligen Schriften gezählt.
MfG B.
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#7
Moin,

die Bibel, sowohl die christliche wie auch die jüdische, ist sicherlich kein Geschichtsbuch im wissenschaftlichen Sinn.

Gleichwohl ist es als Zeitdokument und insbesondere der Tanach wegen der sehr peniblen Weitergabe auch von historischem Wert. Man darf es nur halt nicht unkritisch alles als wahr und tatsächlich gegeben nehmen. Zur Hilfe gibt's ja Kommentare.

Tschüss

Jörg
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#8
(07-01-2013, 08:56)Flat schrieb: Moin,

die Bibel, sowohl die christliche wie auch die jüdische, ist sicherlich kein Geschichtsbuch im wissenschaftlichen Sinn.

Gleichwohl ist es als Zeitdokument und insbesondere der Tanach wegen der sehr peniblen Weitergabe auch von historischem Wert. Man darf es nur halt nicht unkritisch alles als wahr und tatsächlich gegeben nehmen. Zur Hilfe gibt's ja Kommentare.

Tschüss

Jörg

Bestreitet ja keiner, dass man aus diesen Dokumenten einiges lesen kann, was den zur Entstehungszeit herrschenden Zeitgeist betrifft. Darum geht's aber hier nicht. Das AT ist in keinster Weise ein Geschichtswerk, in dem Sinne, wie z.B. Cäsars "De bello Gallico" (auch wenn sich Cäsar da etliche Freiheiten heraus genommen hat).
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#9
(07-01-2013, 16:17)Glaurung40 schrieb: Bestreitet ja keiner, dass man aus diesen Dokumenten einiges lesen kann, was den zur Entstehungszeit herrschenden Zeitgeist betrifft. Darum geht's aber hier nicht. Das AT ist in keinster Weise ein Geschichtswerk, in dem Sinne, wie z.B. Cäsars "De bello Gallico" (auch wenn sich Cäsar da etliche Freiheiten heraus genommen hat).

Moin,

in seiner Gesamtheit werden den Tanach wohl wirklich nur Fundamentalisten als vollständiges Geschichtswerk (also wörtlich wahr) ansehen.

Allerdings ist es ja eine Schriftensammlung und ich denke, dass einige dieser Schriften durchaus als Geschichtswerke angesehen werden könnten. Evtl. mit ähnlichen künstlerischen Freiheiten, wie sie auch Cäsar sich genommen hat. Aber das ist ja bei historischen Geschichtswerken nicht unnormal.

Tschüss

Jörg
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#10
(07-01-2013, 16:24)Flat schrieb:
(07-01-2013, 16:17)Glaurung40 schrieb: Bestreitet ja keiner, dass man aus diesen Dokumenten einiges lesen kann, was den zur Entstehungszeit herrschenden Zeitgeist betrifft. Darum geht's aber hier nicht. Das AT ist in keinster Weise ein Geschichtswerk, in dem Sinne, wie z.B. Cäsars "De bello Gallico" (auch wenn sich Cäsar da etliche Freiheiten heraus genommen hat).

Moin,

in seiner Gesamtheit werden den Tanach wohl wirklich nur Fundamentalisten als vollständiges Geschichtswerk (also wörtlich wahr) ansehen.

Allerdings ist es ja eine Schriftensammlung und ich denke, dass einige dieser Schriften durchaus als Geschichtswerke angesehen werden könnten. Evtl. mit ähnlichen künstlerischen Freiheiten, wie sie auch Cäsar sich genommen hat. Aber das ist ja bei historischen Geschichtswerken nicht unnormal.

Tschüss

Jörg

Nur das es für den gallischen Krieg jede Menge archäologischer Beweise gibt, die für die Bibel im grossen Ganzen fehlen. Diejenigen Geschichten, die reale Ereignisse zur Grundlage haben, sind im AT verschwindend gering.

So hat z.B. die Eroberung der Israeliten von Kanaan bzw. der Auszug aus Ägypten nie statt gefunden.

Allenfalls gibt es zeitgenössische Entsprechungen zu den Figuren und Königen die dort erwähnt werden. Aber das haben wir in anderen Sagen z.B. den Nibelungen auch, da würde aber keiner von einem historischen Geschichtswerk sprechen (zumindest kein ernst zu nehmender Historiker).
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#11
Flat schrieb:Gleichwohl ist es als Zeitdokument und insbesondere der Tanach wegen der sehr peniblen Weitergabe auch von historischem Wert.

Zum Tanach als Zeitdokument:

Die Texte sind allesamt in großem zeitlichen Abstand zum Geschehen entstanden, vom dem sie zu berichten vorgeben.

Flat schrieb:Man darf es nur halt nicht unkritisch alles als wahr und tatsächlich gegeben nehmen.

Den Hinweis hatte ich doch schon in meinem Eingangsbeitrag gegeben. Warum also der Widerspruch?

Flat schrieb:Zur Hilfe gibt's ja Kommentare.

Und diese können, je nachdem, wer kommentiert, sehr verschieden Auskunft geben.

Was das jüdische Strafrecht betrifft, lässt sich aus dem AT einiges erschließen, die Tradition dazu ist in der Mischna sorgfältig aufgezeichnet und im Talmud weiter erläutert.

In manchen Kommentaren zur jüdischen Rechtstradition wird allen Ernstes behauptet, Kapitalstrafen nach jüdischem Recht seien weder in der Antike noch im Mittelalter angewandt worden.

Für die Antike ist wahrscheinlich, dass (göttlich verordnete) Rechtsnormen bei entsprechenden Vergehen auch angewandt worden sind, das Gegenteil ist weniger wahrscheinlich (und dazu nicht beweisbar). Was das Mittelalter betrifft, ist jüdisch-autonome Strafgerichtsbarkeit (zB in Aragon) belegt.

Soviel zu Nützlichkeit von Kommentaren.
MfG B.
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#12
(07-01-2013, 16:24)Flat schrieb: Allerdings ist es ja eine Schriftensammlung und ich denke, dass einige dieser Schriften durchaus als Geschichtswerke angesehen werden könnten. Evtl. mit ähnlichen künstlerischen Freiheiten, wie sie auch Cäsar sich genommen hat. Aber das ist ja bei historischen Geschichtswerken nicht unnormal.

An einem Textbeispiel aus dem Tanach, der als historisches Dokument Caesars Texten zum Gallischen Krieg und zum Bürgerkrieg gleichzusetzen ist, wäre ich interessiert.
MfG B.
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#13
(07-01-2013, 22:14)Bion schrieb: In manchen Kommentaren zur jüdischen Rechtstradition wird allen Ernstes behauptet, Kapitalstrafen nach jüdischem Recht seien weder in der Antike noch im Mittelalter angewandt worden.

Moin,

Kommentare können eine unterschiedliche Qualität haben.

Mienes Wissens wurden die Kapitalstrafen weitestgehend sehr zurückhaltend angewendet.

Liest man die Gesetzestexte, könnte der Eindruck entstehen, die Todesstrafe würde quasi im stundentakt vollstreckt. Das war nicht der Fall, sie war die absolute Ausnahme.

Auch die Bedingungen der Verhängung waren kompliziert.

Ich verweise hier einfach mal auf ein gutes posting im hagalil-Forum:
forum.hagalil.com/board-a/messages/1744/17830.html?1098258096

Tschüss

Jörg

PS: Zum rest; ich muss mal schauen, ob ich die Zeit finde, diesbezüglich meinen Thira-Kommentar durchzusehen. Leider etwas umfangreich und zeitintensiv.
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#14
Allein die Tatsache, dass im Alten Testament jemand ausdrücklich hingerichtet werden sollte, weil er am Sabbat Holz gesammelt hatte, was keine Zerstreuung ist, sondern dem Lebensunterhalt dient, zeigt aber doch ein ziemlich rabiates Denken, was das Strafrecht betrifft.

Wenn man bedenkt, dass die islamische Scharia auch in einigen Staaten angewendet wird (vom mittellaterlichen Justizwesen gar nicht zu reden), würde es mich wundern, wenn die jüdischen Strafgesetze, und das noch ein paar Jahrhunderte früher (als Scharia und mittelalterliche Justiz), nicht oder fast nicht angewendet worden wären.
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#15
(08-01-2013, 09:51)Lelinda schrieb: Allein die Tatsache, dass im Alten Testament jemand ausdrücklich hingerichtet werden sollte, weil er am Sabbat Holz gesammelt hatte, was keine Zerstreuung ist, sondern dem Lebensunterhalt dient, zeigt aber doch ein ziemlich rabiates Denken, was das Strafrecht betrifft.

Moin,

das Strafrecht zu damaliger Zeit wird sicherlich deutlich rabiater gewesen sein als unser heutiges Verständnis. Das wirst du nicht nur im jüdischen Bezug finden.

Wie Du meinen vorher geposteten Link aber entnehmen kannst, wurde das so nicht umgesetzt. Auch das ist jüdisches Recht, nur muss man dazu eben den ganzen Text nehmen einschließlich mündlicher Thora.

Etwas schlicht wörtlich aus dem sog. AT zu nehmen und zu sagen/denken, 'ah, das ist also jüdisches Recht' ist vor allem christliches Denken und nicht jüdisches. Es hat mit dem Judentum und seinem Recht meist nur wenig zu tun.

Tschüss

Jörg
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