14-11-2012, 00:30
(13-11-2012, 22:39)Mustafa schrieb: Als kulturelle Realität betrachte ich grundsätzlich alle Inhalte der Kultur, also Ideen und Vorstellungen, in die sich Menschen eingebettet fühlen, die sie miteinander teilen, und die sie in ihrem Leben wirksam sehen.Ich glaube zu ahnen, was du meinst: Ich sprach in vielen Beiträgen nicht von Ungefähr vom „gesellschaftlichen Konsens“. Da „Gott“ etwas sperrig ist, nehmen wir lieber das Tötungsverbot, genaue: Mordverbot. Es besteht dazu zweifelsfrei ein breiter Konsens.
Als konkretes Beispiel gerne gleich "Gott". Allerdings kann man da sicher auch andere Dinge nehmen, die kulturelle Realität dadurch erhalten, dass an sie geglaubt und deshalb eine Konvention darüber geschlossen wird. Als Beispiel vielleicht Menschenwürde, oder auch andere Gesellschaftsideen, z.B. "das Volk Israel".
Ganz sicher ist ein Konsens wirkungsvoll; denn wer dagegen verstößt, muss mit harten Konsequenzen rechnen. Jeder Richter wird dem Delinquenten auf seine Rechtfertigungsversuche hin entgegen halten: Das sind die „Realitäten“.
Ist also ein gesellschaftlicher Konsens dieser Art real oder besser gefragt, was ist daran real?
Ich behaupte, der Inhalt des Mordverbotes und ähnliche kulturell bedingten Postulate sind an sich nichts als Vorstellungen. Die Realität ist die Tat, zu der ich auch die anti-Tat, die Sanktion rechne, während wiederum das Wissen um die Sanktion ausschließlich Idee ist – noch nicht Realität.
(13-11-2012, 22:39)Mustafa schrieb: Man kann die physisch "dahinterstehende" Realität sicher genau analysieren und bis hin zu neurochemischen Vorgängen die physische Realität abbilden, aber dem er-lebenden Menschen stehen die kulturellen Vorstellungen doch meist näher, und das Leben als Mensch kann man m.E. auch viel besser durch (mythische) Bilder beschreiben als durch wissenschaftliche Modelle.Oh, das bestreite ich ja nicht. Nur es gibt einen Haufen von Ideen in unserem Kopf, die mal beachtet, mal verworfen, vielfach geändert, manchmal einfach vergessen und gelegentlich erwähnt werden. Aber die Wirklichkeit wird dadurch nur beeinflusst, wenn eine Tat erfolgt (oder eine Sanktion). Bestes Beispiel: Man kann niemanden bestrafen, weil er sich „live und in Farbe ausmalt“, wie er den Chef umbringt – es aber schön bleiben lässt.
(13-11-2012, 22:39)Mustafa schrieb: Ich sehe nicht, wieso man dem nicht genauso Realität zubilligen sollte, wie physikalischen Modellen und mathematischen Berechnungen.Moment – Berechnungen oder Theorien sind keine Realitäten. Die Verbindung ist nur in vielen Fällen dermaßen evident, dass man diese feinen Unterschiede nicht machen muss. Wenn ich die Thermodynamik eines Motors ausrechne, ihn aber nicht baue, ist die Berechnung keine Realität (geworden).
(10-11-2012, 19:51)Ekkard schrieb: Nicht unser (Vor-)Urteil ist maßgebend, sondern das Ergebnis eines reproduzierbaren Prozesses.
(13-11-2012, 23:20)Mustafa schrieb: In der Quantenphysik ist doch das "Vorurteil", also die "Frage" bereits maßgeblich für den Prozess.Z. spricht zum Thema „Information“ nicht zum Thema „Realität“. Es kann durchaus sein, das physikalische Zustände bestehen, die ich durch die Art, wie ich ein Experiment durchführe, zu anderen Informationen gelange. Hier ist vollkommen klar, dass unterschiedliche Resultate dieselbe Realität beschreiben. Siehe das Interview mit Leonard Susskind.
Zeilinger sagt dazu in einem Interview :…
Mir ist natürlich klar, dass Zeilinger an dieser Stelle nicht als Physiker spricht, sondern zu philosophischen Ideen Stellung nimmt, aber wie siehst du das ?
(13-11-2012, 22:39)Mustafa schrieb: Siehst du es so, dass diese Dinge zwar auf quantenphysikalischer Ebene stattfinden, aber eben nichts mit "unserer" Ebene zu tun haben, in der die physikalischen Dinge anders laufen ?Die Ebene, in der wir hier diskutieren ist die Metaebene der Sprach-Philosophie. Die hat mit Physik oder Hirnphysiologie nichts zu tun. Es ist die Frage, was wir auszudrücken wünschen, also eine reine Konvention.
Worauf ich mit der Frage hinauswill, ist sicher klar :
Wieso sollte es sich bei der "Geistesebene" nicht auch um so einen Bereich handeln, in dem die Dinge "anders" laufen ?
Schließlich kann man in einem Gehirn noch so lange spazierengehen, ohne "Bewusstsein" zu finden.
Wollen wir ausdrücken, dass etwas gewirkt hat oder vollzogen wurde, so hat es eine Wirkung gegeben oder ist mit hinreichender Sicherheit zu erwarten. In dem Falle sprechen wir von Realität.
Wollen wir hingegen über Ideen, Planungen, Vorstellungen, mathematische oder gesellschaftliche Regeln oder Inhalte von Geschichten reden, so bewegen wir uns in der Ebene von Abbildungen in unserem Kopf. Diese müssen zuvor „realisiert“ werden, ehe wir sie zur Realität rechnen. So denke ich mir das wenigstens.
Deshalb finde ich beispielsweise die Hypothesen zum Multiversum oder die „Fünfte Dimension“ bewundernswerte mathematische Konstrukte, rechne sie aber auf keinen Fall zur Realität. Diese würden bzw. werden sie erst durch eindeutige Messergebnisse gewinnen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard