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Hölle - moralisch vertretbar?
#46
(08-08-2012, 22:01)Lelinda schrieb: Ich weiß nicht, wie die schriftlichen Vorgaben der Kirchen aussehen, aber in der Praxis habe ich (auch von katholischer Seite her) nur aufgeschlossene Leute kennengelernt. Auch im Unterricht

kann ich aus meiner eigenen erfahrung bestätigen

das fußvolk und die niederen chargen sind in aller regel ganz anders drauf als der generalstab, die kommandostruktur von oben nach unten funktioniert so in der alltäglichen praxis sowieso nicht mehr

klar gibts immer einzelne hardliner auch unter gläubigen und gemeindepriestern, aber die sind die ausnahme
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#47
(08-08-2012, 23:19)schmalhans schrieb: Auch deine ausführliche Antwort tut das nicht, sondern folgendes: eine private Meinung wiederzugeben, nicht die Position einer RG zu erklären, die ich auch nachprüfen kann

wenn du als historiker dir die offizielle position der ddr-staatsführung zu gemüte führst - glaubst du, dann ein realistisches bild von der alltäglichen situation der bürger dieses arbeiter- und bauernparadieses zeichnen zu können?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
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#48
Schmalhans:

Na, immerhin müssten sich doch alle christlichen Gemeinschaften auf das Neue Testament und dort vor allem auf die kanonischen Evangelien berufen - auch bei diesen Fragen. Und was dort zu dem Thema "Eltern und Kinder" steht und man wohl als Jesus´ Meinung betrachten kann, habe ich dir rausgesucht.

Ich habe allerdings mal gelesen, dass der normale Bürger früher gar keine eigene Bibel haben durfte und sich sein biblisches Wissen zwangsläufig darauf beschränkte, was der Pfarrer von der Kanzel predigte, und der bekam seine Vorgaben von höheren Dienstgraden.
Damit konnte natürlich viel Schindluder getrieben werden, ohne dass jemand protestierte. Denn wenn man will, kann man zu allem (auch Kreuzzügen und Ketzerverbrennungen) Bibelstellen finden, die das begründen oder fordern. Auch die Anhänger der Prügelstrafe werden ja fündig, wenn auch nicht in den Evangelien, die sie sicher begeistert anführen würden, wenn dort etwas dazu stehen würde.

(08-08-2012, 23:19)schmalhans schrieb: Schön, dass du gleich zu Beginn sagst, es ist eine Interpretation. Gleichnisse kann man so oder so interpretieren (dein Beispiel diente auch dazu, Ketzerverbrennungen zu legitimieren). Was ich aber will, sind Fakten.
Wo soll denn das Böse begraben liegen? Welche Eigenschaft ist denn „böse“ und welche „gut“? Ist „sanftmütig“ eine gute Eigenschaft? Oder führt sie dazu, dass sich „das Böse“ weiter ausbreiten kann, weil man nicht kämpfen will? Ist „zornig“ (Zorn ist eine Todsünde) eine „böse“ Eigenschaft? Oder führt sie nicht vielmehr dazu, dass man sich gegen Willkür wehrt? Wie gesagt, nichts ist an sich „Gut“oder Böse“, jede Handlung hat sowohl positive als auch negative Aspekte. Da gibt es nichts „auszumerzen“. Außer dieser mittelalterlichen Denkweise.

Zur Legitimation von Ketzerverbrennungen: siehe oben. Ich gebe zu, dass die Evangelien an solchen Exzessen vielleicht nicht ganz unschuldig sind, zumal sich solche Gleichnisse mit zumindest scheinbar brutaler Handlung sich schwer interpretieren lassen - wie man sieht, sind vollkommen verschiedene Interpretationen möglich. Es gibt aber nirgendwo einen Aufruf zur Gewalt gegenüber "Ketzern" oder anderen Leuten.

Richtige Fakten über menschliche Eigenschaften kannst du von den Religionen nicht erwarten. Diese können, genau wie jeder einzelne Mensch, nur Theorien bieten, die sich aus eigenen Erfahrungen und dem kulturellen Weltbild speisen. So bietet Buddha ja andere Erklärungsmuster als Jesus, denn der eine hatte den Hinduismus mit der Karmalehre als Vorlage und der andere das Judentum. Beides aber sind Theorien - so wie bei jeder Religion. Wie weit man ihnen glauben kann, hängt wiederum von den eigenen persönlichen Erfahrungen und dem eigenen Umfeld ab.
Fakten kann nur die Wissenschaft liefern. Und die hat zumindest herausgefunden, dass theoretisch jeder mit jedem mitfühlen kann (Spiegelneuronen), und dass (und auf welche Weise) extrem negative Kindheitserfahrungen den Betroffenen nachhaltig prägen und das sogar biologisch. Andererseits können sich Kinder, die sich geliebt fühlen, besser entwickeln als Kinder, die sich nicht geliebt fühlen. Alles nicht mehr (nur) Theorie, sondern neurowissenschaftlich untermauert; nach Quellen müsste ich aber ein paar Tage suchen.

Welche Eigenschaften gut und welche böse sind, ist nicht immer einfach zu sagen. Laut meiner Interpretation des Unkraut-Gleichnisses steht das sogar so im Gleichnis drin. Dazu passt, dass das griechische Wort für "Weizen" in diesem Gleichnis eine Getreideart bezeichnen soll, die tatsächlich lange schwer von Unkraut zu unterscheiden ist, aber das kann Bion vielleicht besser erklären.
So ist es natürlich oft Interpretationssache und auch von den Auswirkungen abhängig: Führt der Zorn zum Totschlag oder dazu, ein ungutes Verhalten abzustellen?
Gute Gefühle, die allen Beteiligten gut tun, bedürfen sicher keiner Interpretation. Wirklich "böse" nenne ich ein Verhalten, das andere quält, nur weil es dem betreffenden Täter Spaß macht. Und das gibt es! Über alles, was nicht der Schadenfreude dient, kann man dagegen diskutieren.
#49
(09-08-2012, 09:27)petronius schrieb:
(08-08-2012, 23:19)schmalhans schrieb: Auch deine ausführliche Antwort tut das nicht, sondern folgendes: eine private Meinung wiederzugeben, nicht die Position einer RG zu erklären, die ich auch nachprüfen kann

wenn du als historiker dir die offizielle position der ddr-staatsführung zu gemüte führst - glaubst du, dann ein realistisches bild von der alltäglichen situation der bürger dieses arbeiter- und bauernparadieses zeichnen zu können?

Ja und nein. Das ist aber auch unerheblich, weil das Seelenheil der DDR-Bürger nicht davon abhing, ob sie der Führung folgten oder nicht. In Religionsgemeinschaften sieht das aber ganz anders aus - da haben nun die Oberverwalter die Deutungshoheit darüber, wer die Absolution erhält und wer nicht.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
#50
(09-08-2012, 10:40)schmalhans schrieb: Das ist aber auch unerheblich, weil das Seelenheil der DDR-Bürger nicht davon abhing, ob sie der Führung folgten oder nicht. In Religionsgemeinschaften sieht das aber ganz anders aus - da haben nun die Oberverwalter die Deutungshoheit darüber, wer die Absolution erhält und wer nicht.

so wie es "in Religionsgemeinschaften" - genauer: unter deren angehörigen - praktisch ausschaut, zittern die wenigsten um ihr seelenheil, weil sie nicht alles von den "Oberverwaltern der Deutungshoheit" vorgegebene haarklein und gewissenhaft befolgen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#51
(09-08-2012, 11:00)petronius schrieb:
(09-08-2012, 10:40)schmalhans schrieb: Das ist aber auch unerheblich, weil das Seelenheil der DDR-Bürger nicht davon abhing, ob sie der Führung folgten oder nicht. In Religionsgemeinschaften sieht das aber ganz anders aus - da haben nun die Oberverwalter die Deutungshoheit darüber, wer die Absolution erhält und wer nicht.

so wie es "in Religionsgemeinschaften" - genauer: unter deren angehörigen - praktisch ausschaut, zittern die wenigsten um ihr seelenheil, weil sie nicht alles von den "Oberverwaltern der Deutungshoheit" vorgegebene haarklein und gewissenhaft befolgen

Prima, dann können sie ja problemlos austreten. Zumindest sollte einem das das eigene Gewissen vorschreiben (so wie man als anständiger Mensch in der DDR auch nicht freiwillig SED-Mitglied war). Glauben kann man prima auch ohne Kirche, vielleicht sogar besser.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
#52
(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Na, immerhin müssten sich doch alle christlichen Gemeinschaften auf das Neue Testament und dort vor allem auf die kanonischen Evangelien berufen - auch bei diesen Fragen. Und was dort zu dem Thema "Eltern und Kinder" steht und man wohl als Jesus´ Meinung betrachten kann, habe ich dir rausgesucht.

Schon klar, aber wie du weißt und auch selber sagst, haben diese Texte ein hohen Interpretationsbedarf, denn die Bibel sagt Alles und Nichts. Und die Deutungshoheit liegt nun mal beim Klerus, nicht bei den Laien. In streng hierarchischen und autoritären Vereinigungen wie den Kirchen gilt es nun mal das, was Papst, Bischöfe etc. sagen. Und wenn sie zur Tötung von Ketzern aufrufen, dann ist das die offizielle Lehre und Handlungsweise – egal was ich als Laien davon halte. Mitgefangen – mitgehangen.

(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Richtige Fakten über menschliche Eigenschaften kannst du von den Religionen nicht erwarten.

Du meinst Erkenntnisse darüber, was „richtig“ und was „falsch“ ist, also Moral? Religionen behaupten das aber von sich. Und behaupten sogar, sie hätten ein Monopol darauf.

(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Diese können, genau wie jeder einzelne Mensch, nur Theorien bieten, die sich aus eigenen Erfahrungen und dem kulturellen Weltbild speisen.

Erfahrungen? Seit wann setzen die Kirchen auf Erfahrungen? Sie bieten immer dieselbe Lösung, egal welche Frage oder Erfahrung man einbringt. Und die heißt: Gott. Gott erlöst, Gott richtet, Gott dies, Gott das. Prima auch, wenn die Religionen „nur“ Theorien wären – aber nein, sie sind ja auch und vor allem Praxis!

(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Fakten kann nur die Wissenschaft liefern.

Nein, alles kann Fakten liefern (zum Beispiel sind die verbrannten Ketzer auch ein Fakt, den Religion geliefert hat) – was du meinst ist, dass nur die Wissenschaft auch fundierte und nachprüfbare Erkenntnisse und Beweise liefert.

(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Welche Eigenschaften gut und welche böse sind, ist nicht immer einfach zu sagen. … So ist es natürlich oft Interpretationssache und auch von den Auswirkungen abhängig: Führt der Zorn zum Totschlag oder dazu, ein ungutes Verhalten abzustellen?

Ich sehe, du näherst dich meiner Position an.

(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Gute Gefühle, die allen Beteiligten gut tun, bedürfen sicher keiner Interpretation.

Ich verstehe nicht, was du meinst? Die Freude der Bankräuber über den gelungenen Coup? Den Stolz der Regierungskoalition, die den Biosprit einführt? Die Dankbarkeit der Fiescher gegenüber dem Papst, der den Gletscher zum Schmelzen bringt?

(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Wirklich "böse" nenne ich ein Verhalten, das andere quält, nur weil es dem betreffenden Täter Spaß macht.

Nicht aus Sicht des Täters, der – vor allem wenn es sich um einen Psychopathen handelt – kann das nicht nachvollziehen, für ihn ist es doch nur „Spaß“ und Befriedigung seiner Bedürfnisse - „und Spaß haben ist doch gut, oder“?
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
#53
(09-08-2012, 12:45)schmalhans schrieb: so wie man als anständiger Mensch in der DDR auch nicht freiwillig SED-Mitglied war

Tja schmalhans, wenn die Welt mal so einfach schwarz weiß wäre. In der SED = unanständig, nicht in der SED = anständig?
Leider funktioniert die Welt so nicht und ich kenne Leute beider Richtungen auf die deine Argumentation nicht zutrifft.

Also halte dich mit deinen Pauschalisierungen doch etwas zurück.
#54
(09-08-2012, 13:54)Gundi schrieb:
(09-08-2012, 12:45)schmalhans schrieb: so wie man als anständiger Mensch in der DDR auch nicht freiwillig SED-Mitglied war

Tja schmalhans, wenn die Welt mal so einfach schwarz weiß wäre. In der SED = unanständig, nicht in der SED = anständig?
Leider funktioniert die Welt so nicht und ich kenne Leute beider Richtungen auf die deine Argumentation nicht zutrifft.

Also halte dich mit deinen Pauschalisierungen doch etwas zurück.

Ich habe es sehr wohl abgestuft - in dem ich das Wort "freiwillig" nutzte (was heißt, dass es auch anständige Menschen als Mitglieder gab, denen keine andere Wahl blieb). Diese Trennlinie, die du einführst, habe ich nie eingeführt und käme auch gar nicht auf die Idee. Warum unterstellst du mir solche falschen Behauptungen? Aber so kennen wir dich ja, Gundi.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
#55
(09-08-2012, 14:14)schmalhans schrieb:
(09-08-2012, 13:54)Gundi schrieb:
(09-08-2012, 12:45)schmalhans schrieb: so wie man als anständiger Mensch in der DDR auch nicht freiwillig SED-Mitglied war

Tja schmalhans, wenn die Welt mal so einfach schwarz weiß wäre. In der SED = unanständig, nicht in der SED = anständig?
Leider funktioniert die Welt so nicht und ich kenne Leute beider Richtungen auf die deine Argumentation nicht zutrifft.

Also halte dich mit deinen Pauschalisierungen doch etwas zurück.

Ich habe es sehr wohl abgestuft - in dem ich das Wort "freiwillig" nutzte (was heißt, dass es auch anständige Menschen als Mitglieder gab, denen keine andere Wahl blieb). Diese Trennlinie, die du einführst, habe ich nie eingeführt und käme auch gar nicht auf die Idee. Warum unterstellst du mir solche falschen Behauptungen? Aber so kennen wir dich ja, Gundi.

Ob freiwillig oder nicht ist unerheblich, da es auch mit dem Wort "freiwillig" eine Pauschalisierung ist.
#56
(09-08-2012, 14:25)Gundi schrieb: Ich habe es sehr wohl abgestuft - in dem ich das Wort "freiwillig" nutzte (was heißt, dass es auch anständige Menschen als Mitglieder gab, denen keine andere Wahl blieb). Diese Trennlinie, die du einführst, habe ich nie eingeführt und käme auch gar nicht auf die Idee. Warum unterstellst du mir solche falschen Behauptungen? Aber so kennen wir dich ja, Gundi.

Ob freiwillig oder nicht ist unerheblich, da es auch mit dem Wort "freiwillig" eine Pauschalisierung ist.
[/quote]

Da darf ich ganz pauschal sagen - das ist Quatsch. Die Menge der Menschen, die anständig waren und trotzdem unfreiwillig Parteimitglieder und der unständigen Menschen, die freiwillig Parteimitglieder waren, ist nicht gleich der Menge aller unanständigen Menschen. Eine Aussage "Alle unanständigen Menschen waren Parteimitglieder" ist nie von mir getroffen worden und auch nicht Teil der Aussage "Kein anständiger Mensch war freiwillig Parteimitglied". Aber Logik war noch nie deine Stärke.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
#57
Es ist nun mal eine Pauschalisierung wenn du sagst "so wie man als anständiger Mensch in der DDR auch nicht freiwillig SED-Mitglied war"

Und das beinhaltet eben sehr wohl ""Kein anständiger Mensch war freiwillig Parteimitglied"
Egal was du jetzt behauptest.

Deine obligatorische Beleidigung am Ende ignoriere ich einfach mal.
#58
(09-08-2012, 13:07)schmalhans schrieb: Die Deutungshoheit liegt nun mal beim Klerus, nicht bei den Laien. In streng hierarchischen und autoritären Vereinigungen wie den Kirchen gilt es nun mal das, was Papst, Bischöfe etc. sagen. Und wenn sie zur Tötung von Ketzern aufrufen, dann ist das die offizielle Lehre und Handlungsweise – egal was ich als Laien davon halte. Mitgefangen – mitgehangen.
Das galt wohl früher, aber heute nicht mehr. Heute, wo jeder sich selbst informieren kann und nicht mehr darauf angewiesen ist, was der Pfarrer ihm vorpredigt (oder verschweigt), können auch die Kirchen nicht mehr zu Mord und Totschlag gegen Andersgläubige aufrufen, denn es gibt genug Leute, die ihnen nachweisen könnten, dass das nicht der eigentlichen Lehre entspricht. Was natürlich auch daran liegt, dass der Staat die Menschenrechte garantiert, und dazu gehören eben auch das Recht auf Leben und auf eine eigene Meinung. In vielen islamischen Ländern läuft das ja leider anders.
Die Unterwerfung unter religiöse Autoritäten gehört nach den Evangelien NICHT zur Lehre Jesu, auch wenn die Kirchen das vielleicht gern hätten.

(09-08-2012, 13:07)schmalhans schrieb:
(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Richtige Fakten über menschliche Eigenschaften kannst du von den Religionen nicht erwarten.

Du meinst Erkenntnisse darüber, was „richtig“ und was „falsch“ ist, also Moral? Religionen behaupten das aber von sich. Und behaupten sogar, sie hätten ein Monopol darauf.

Stimmt, das behaupten sie. Zur Zeit der Religionsstifter (gewöhnlich vor ein paar tausend Jahren) könnten diese „Erkenntnisse“ wohl auch für die meisten Menschen glaubhaft gewesen sein. Sonst hätten die Stifter keine Anhänger gewonnen, denn gleich zu Beginn ihrer Entstehung kann noch keine Religion Menschen zum Glauben zwingen. Das funktioniert erst ab einer gewissen Größe und mit politischer Macht im Rücken; im Christentum z.B. erst, als es Staatsreligion geworden war.
Von da an konnten die Kirchen es sich leisten, den Gläubigen nur gewisse „Erkenntnisse“ zukommen zu lassen und diese als der Weisheit letzter Schluss zu präsentieren (Jesus selbst war noch gezwungen gewesen, mit seinen Feinden zu diskutieren; dieses „Übel“ war wohl jetzt vorbei).
Als dann aber die Aufklärung kam und einige Behauptungen von der Wissenschaft überholt wurden (wie die, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums stünde), war die Kirche gezwungen, gewisse Irrtümer zuzugeben. Und das gilt heute mehr als je zuvor, da sich ja jeder Gläubige problemlos selbst über gewisse Fragen informieren kann.
Moralvorstellungen sind aber leider nicht so einfach wissenschaftlich zu untersuchen wie die physische Beschaffenheit von Himmel und Erde. Was für die Religionen natürlich günstig ist.

(09-08-2012, 13:07)schmalhans schrieb:
(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Diese können, genau wie jeder einzelne Mensch, nur Theorien bieten, die sich aus eigenen Erfahrungen und dem kulturellen Weltbild speisen.

Erfahrungen? Seit wann setzen die Kirchen auf Erfahrungen? Sie bieten immer dieselbe Lösung, egal welche Frage oder Erfahrung man einbringt. Und die heißt: Gott. Gott erlöst, Gott richtet, Gott dies, Gott das. Prima auch, wenn die Religionen „nur“ Theorien wären – aber nein, sie sind ja auch und vor allem Praxis!
Da kann ich dir leider nicht widersprechen, obwohl ich eigentlich die persönlichen Erfahrungen der Religionsstifter meinte (also von Jesus, Buddha, Mohammed etc.) und die Umwelt, die DIESE Leute ursprünglich vorfanden, und die für sie prägend waren. Dass das, was sie einmal sagten, für immer gültig sein sollte, steht auf einem anderen Blatt.

(09-08-2012, 13:07)schmalhans schrieb:
(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Fakten kann nur die Wissenschaft liefern.

Nein, alles kann Fakten liefern (zum Beispiel sind die verbrannten Ketzer auch ein Fakt, den Religion geliefert hat) – was du meinst ist, dass nur die Wissenschaft auch fundierte und nachprüfbare Erkenntnisse und Beweise liefert.

Einverstanden.

(09-08-2012, 13:07)schmalhans schrieb:
(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Welche Eigenschaften gut und welche böse sind, ist nicht immer einfach zu sagen. … So ist es natürlich oft Interpretationssache und auch von den Auswirkungen abhängig: Führt der Zorn zum Totschlag oder dazu, ein ungutes Verhalten abzustellen?

Ich sehe, du näherst dich meiner Position an.

Irrtum. Dieser Meinung war ich schon immer. Icon_cheesygrin Ausnahmen: siehe unten.

(09-08-2012, 13:07)schmalhans schrieb:
(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Gute Gefühle, die allen Beteiligten gut tun, bedürfen sicher keiner Interpretation.

Ich verstehe nicht, was du meinst? Die Freude der Bankräuber über den gelungenen Coup? Den Stolz der Regierungskoalition, die den Biosprit einführt? Die Dankbarkeit der Fiescher gegenüber dem Papst, der den Gletscher zum Schmelzen bringt?

Was den Biosprit betrifft, sind wir wieder bei dem Problem, dass nicht immer leicht zu erkennen ist, was sich als gut erweisen wird. Mit dem Papst und dem Gletscher habe ich mich noch nicht befasst. Der Bankräuber dagegen hat der Allgemeinheit geschadet (es sei denn, du hältst Banken per se für Verbrecher). Sein gutes Gefühl ist also einseitig.
Ich meine eher Dinge wie schöne gemeinsame Unternehmungen, die niemandem schaden. Ob du jetzt mit deiner Frau guten Sex hast oder mit deinem Kind ins Schwimmbad gehst: In beiden Fällen fühlt ihr euch beide gut, und niemand hat einen Schaden davon.

(09-08-2012, 13:07)schmalhans schrieb:
(09-08-2012, 09:54)Lelinda schrieb: Wirklich "böse" nenne ich ein Verhalten, das andere quält, nur weil es dem betreffenden Täter Spaß macht.

Nicht aus Sicht des Täters, der – vor allem wenn es sich um einen Psychopathen handelt – kann das nicht nachvollziehen, für ihn ist es doch nur „Spaß“ und Befriedigung seiner Bedürfnisse - „und Spaß haben ist doch gut, oder“?

Nicht, was jemand anderem schadet, ist gut.
#59
(09-08-2012, 12:45)schmalhans schrieb: Prima, dann können sie ja problemlos austreten

warum sollten sie?

sie fühlen sich dort zuhause

ich fühle mich auch hier in d zuhause, obwohl ich nicht mit allen vorschriften der oberen einverstanden bin und auch nicht alle befolge

(09-08-2012, 12:45)schmalhans schrieb: Zumindest sollte einem das das eigene Gewissen vorschreiben (so wie man als anständiger Mensch in der DDR auch nicht freiwillig SED-Mitglied war)

ich seh schon unterschiede zwischen einer spitzeldiktatur im sed-staat und der für den normalen gläubigen in aller regel doch recht folgenlosen normensetzung durch kirchen hierzulande

(09-08-2012, 12:45)schmalhans schrieb: Glauben kann man prima auch ohne Kirche, vielleicht sogar besser

auch sport geht völlig ohne verein, aber viele wollen ihn im verein ausüben und schätzen gerade die vereinskultur
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#60
(09-08-2012, 14:14)schmalhans schrieb: Ich habe es sehr wohl abgestuft - in dem ich das Wort "freiwillig" nutzte (was heißt, dass es auch anständige Menschen als Mitglieder gab, denen keine andere Wahl blieb)

ich wette, etliche waren auch aus ehrlicher überzeugung für den sozialismus bei der sed und empfanden die realen gegebenheiten, die sie dann doch nicht ändern und gestalten konnten, auch nicht als wohlmeinende parteimitglieder, selber als verrat an dieser idee

ich würde diese haltung nicht als "unanständig" denunzieren
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)


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