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Krankheit und Genialität
#1
(17-07-2012, 00:02)Harpya (Beitrag 373 in 'Existiert Gott wirklich?') schrieb:
(16-07-2012, 23:57)Mustafa schrieb:
(16-07-2012, 23:55)Harpya schrieb:
(16-07-2012, 23:25)Mustafa schrieb: Zu diesem Thema hat Nietzsche mal was Interessantes geschrieben :
Er war schon ziemlich krass drauf, er war übrigens Philologe,
litt ziemlich die ganz Zeit seines Lebens unter schwerer Krankheit und starb
in kompletter geistiger Umnachtung.

Das ist allgemein bekannt, aber das tut ja nun nichts zum Thema.
Tut's schon wenn man davon ausgehen soll, das du seine Meinung auch zu deiner machst.

Meinst Du, dass das– sagen wir mal – auch für Nietzsches Basler Jahre gilt?

Dass Nietzsche ab 1888/89 auch wirre Texte schieb, ist bekannt. Davor aber waren seine Denkleistungen brillant bis genial gewesen. Man sollte, meine ich, seine Texte mit Hinweis auf die psychische Erkrankung nicht kleinzureden versuchen.

Auch Hölderlins Texten - als weiteres Beispiel - ist doch mit Hinweis auf seine psychische Erkrankung die Qualität nicht abzusprechen.

Ganz allgemein und von der Person Nietzsches gelöst:

Offensichtlich befinden sich geniale Menschen nicht selten im Grenzbereich dessen, was der Durchschnittsmensch als normal empfindet. Möglicherweise findet das auch in manchen religiösen (auch biblischen) Texten seinen Niederschlag.

Hat jemand eine Meinung dazu?
MfG B.
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#2
Anm.Bion: Quoting entfernt!
Bitte kein Vollquoting! Umsomehr dann, wenn man sich auf den Beitrag davor bezieht!


Kleinreden war nicht beabsichtigt, eher so Hinweis auf eine nicht ganz klare
Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

Mit Philologe war der eigentliche Wirkungskreis gemeint:
"Die Klassische Philologie (auch Altphilologie) ist die Philologie, die sich mit den beiden (als „klassisch“ betrachteten) Sprachen Lateinisch und Altgriechisch sowie den literarischen Zeugnissen der griechischen und römischen Antike beschäftigt. Sie kann unterteilt werden in
Gräzistik (Altgriechische Philologie)
Latinistik (Lateinische Philologie), wikipedia"
Die philosophische Zuordnung kam erst später.

Bin mir durchaus bewusst, das die Grenze zwischen als normal betrachtetem Leben und psychatrischer Würdigung sehr willkürlich ist.

Unter den religiösen Texten sind die Aufzeichnung von gehörten oder bildhaft empfundenen Visionen Legion, gerne auch durch langanhaltetes
Meditieren, Fasten und sonstige Riten hervorgerufen.
Siehe Mohammed, der zuerst Tage in einer Höhle verbringen musste bis ihm die ersten Offenbarungen zuteil wurden, mit mehr Erfahrung ging das dann später flüssiger.
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#3
Auf die Frage, ob sich Deine Wertung auch auf die Texte der Basler Jahre bezieht, hast Du keine Antwort gegeben.

Aufklärung, was Philologie und dgl. sei, benötige ich nicht!
MfG B.
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#4
mal davon abgesehen sehr viele "geniale" menschen hatte starke psychische dispositionen.
beispiel michelangelo, van gogh etc. das jetzt nur aus der künstlerecke. etc.

genialität hat seinen preis.
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#5
Habe ich etwas gewertet , das haben die sich Angesprochenen gefühlten in späteren Jahren
ausreichend getan.

Obwohl ich mit diesem krass antireligösen, antidemokratischem
Herrenmenschentum nicht allzu viel anfangen kann.
War eben seine Meinung.

Die Zeit in Basel war ja wohl auch noch eine Zeit der Meinungsbildung eines jungen
Menschen, bis zur Arbeitsunfähigkeit waren es ja gerade mal 10 Jahre.

Basel war damals , weil ständig klamm,
für die Berufung vieler junger Dozenten bekannt, die das mehr als Praktikum für
renommierte Universitäten betrachteten.
Nietze wurde ja auch schon in Leipzig angefragt, ohne promoviert zu haben.
Das wurde fix ohne mündliche Prüfung nachgereicht,
Was letzendlich immer so kolportiert wird, sind ja die netten Aphorismen als Essenz.

Kenne die Werke nicht im Detail, gemein ist aber wohl ein unkonrolliertes Umsichschlagen.

Im Grundsatz kann ich da Herrmann Junghans folgen:

"Aphorismen sind eine feine Erfindung: Sie haben für den, der sie in die Welt setzt, einen hohen Anspruch auf Anerkennung seiner Intellektualität, ohne auch nur ein Mindestmaß an Verantwortung zu enthalten. Im Zweifel waren sie halt nur so eine Idee, deren Geltung bereits bekannt ist oder beschlossen wurde."

Wie ist den deine Wertung der Basler Jahre ?
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#6
Harpya schrieb:Kenne die Werke nicht im Detail, gemein ist aber wohl ein unkonrolliertes Umsichschlagen.

Du kennst die angesprochenen Texte nicht, gut! Muss auch nicht sein.

Dann ist es aber auch nicht möglich, ein Urteil abzugeben.
MfG B.
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#7
(17-07-2012, 15:18)Artist schrieb: genialität hat seinen preis.

Das ist es, was ich ansprechen wollte. Das ist das Thema.

Bei Künstlern sind Verhaltensauffälligkeiten doch eher die Regel als die Ausnahme. Bemerkt wird das erst, wenn es über ein bestimmtes Maß hinausreicht.

Selbst Goethe, der Inbegriff eines "gesunden" Genies, hatte bei näherem Hinsehen durchaus Verhaltensweisen mit pathologischen Zügen aufzuweisen. Zeitlebens verdrängte er die Gedanken an seine Sterblichkeit. Wenn Freunde krank wurden, zog er sich zurück, an den Begräbnisfeierlichkeiten nahm er grundsätzlich nicht Teil, auch als seine Frau begraben wurde, war Goethe nicht anwesend.

Was Nietzsche betrifft, hat er, insbesondere in seiner Basler Zeit, großartige, scharfsinnige Texte geschaffen, mit Aussagen, die heute durchaus noch von Interesse sind.
MfG B.
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#8
(17-07-2012, 16:27)Bion schrieb:
Harpya schrieb:Kenne die Werke nicht im Detail, gemein ist aber wohl ein unkonrolliertes Umsichschlagen.

Du kennst die angesprochenen Texte nicht, gut! Muss auch nicht sein.

Dann ist es aber auch nicht möglich, ein Urteil abzugeben.
Moment, ich muss nicht alles kennen um mir eine Meinung zu bilden.
Lassen wir doch den Autor zu seinem 1872'er Werk
"Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" mit dem Vorwort
zu zweiten Auflage 1886 selbst zu Wort kommen.

"In seiner „Selbstkritik“ schrieb er 1886:

... was für ein unmögliches Buch musste aus einer so jugendwidrigen Aufgabe erwachsen! Aufgebaut aus lauter vorzeitigen übergrünen Selbsterlebnissen, welche alle hart an der Schwelle des Mitteilbaren lagen, hingestellt auf den Boden der Kunst – denn das Problem der Wissenschaft kann nicht auf dem Boden der Wissenschaft erkannt werden –, ein Buch vielleicht für Künstler mit dem Nebenhange analytischer und retrospektiver Fähigkeiten (das heißt für eine Ausnahme-Art von Künstlern, nach denen man suchen muss und nicht einmal suchen möchte...), voller psychologischer Neuerungen und Artisten-Heimlichkeiten, mit einer Artisten-Metaphysik im Hintergrunde, ein Jugendwerk voller Jugendmut und Jugend-Schwermut, unabhängig, trotzig- selbständig auch noch, wo es sich einer Autorität und eignen Verehrung zu beugen scheint, kurz ein Erstlingswerk auch in jedem schlimmen Sinne des Wortes, trotz seines greisenhaften Problems, mit jedem Fehler der Jugend behaftet, vor allem mit ihrem „Viel zu lang“, ihrem „Sturm und Drang“: andererseits, in Hinsicht auf den Erfolg, den es hatte (insonderheit bei dem großen Künstler, an den es sich wie zu einem Zwiegespräch wendete, bei Richard Wagner) ein bewiesenes Buch, ich meine ein solches, das jedenfalls „den Besten seiner Zeit“ genug getan hat. "

Für den im ursprünglichen thread von Mustafa gelieferten link
aus der "Götterdämmerung",
lese man ruhig mal nach, wenn das nicht um sich schlagen ist.

Bin wohl einem Fan auf die empfindlichen Zehen getreten.
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#9
(17-07-2012, 18:12)Harpya schrieb: Moment, ich muss nicht alles kennen um mir eine Meinung zu bilden

besser wärs
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#10
(17-07-2012, 18:12)Harpya schrieb: Bin wohl einem Fan auf die empfindlichen Zehen getreten.

Nein!

Aber Du unterhältst Dich mit jemandem, der die Texte einigermaßen kennt.

Wenn Kritik Hand und Fuß hat, nehme ich sie zur Kenntnis, auch wenn ich mit der Aussage nicht übereinstimme.

Nochmals:

Ich habe die (philosophischen Texte der) Basler Zeit angesprochen, in der die "Unzeitgemäßen Betrachtungen" und "Menschliches Allzumenschliches" entstanden sind. Wenn Du willst kannst Du noch "Morgenröte" und "Die Fröhliche Wissenschaft" dazunehmen. Auch diese Arbeiten sind philosophische Texte von höchster Qualität.

Und dann sag mir – möglichst mit eigenen Worten-, was Du an diesen Texten zu kritisieren hast. Ich werde das gerne mit Dir diskutieren.
MfG B.
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#11
(17-07-2012, 18:29)petronius schrieb:
(17-07-2012, 18:12)Harpya schrieb: Moment, ich muss nicht alles kennen um mir eine Meinung zu bilden

besser wärs
besser wär was.

Soll ich jetzt rudimentäre Wortfetzen nach Belieben selbst kompletieren ?
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#12
(17-07-2012, 18:35)Bion schrieb: Nein!

Aber Du unterhältst Dich mit jemandem, der die Texte einigermaßen kennt.

Wenn Kritik Hand und Fuß hat, nehme ich sie zur Kenntnis, auch wenn ich mit der Aussage nicht übereinstimme.

Nochmals:

Ich habe die (philosophischen Texte der) Basler Zeit angesprochen, in der die "Unzeitgemäßen Betrachtungen" und "Menschliches Allzumenschliches" entstanden sind. Wenn Du willst kannst Du noch "Morgenröte" und "Die Fröhliche Wissenschaft" dazunehmen. Auch diese Arbeiten sind philosophische Texte von höchster Qualität.

Und dann sag mir – möglichst mit eigenen Worten-, was Du an diesen Texten zu kritisieren hast. Ich werde das gerne mit Dir diskutieren.
Ich nehme mal ein küzers Zitat aus
"Menschliches, Allzumenschliches":
"
Nothwehr. – Wenn man überhaupt die Nothwehr als moralisch gelten lässt, so muss man fast alle Aeusserungen des sogenannten unmoralischen Egoismus' auch gelten lassen: man thut Leid an, raubt oder tödtet, um sich zu erhalten oder um sich zu schützen, dem persönlichen Unheil vorzubeugen; man lügt, wo List und Verstellung das richtige Mittel der Selbsterhaltung sind. Absichtlich schädigen, wenn es sich um unsere Existenz oder Sicherheit (Erhaltung unseres Wohlbefindens) handelt, wird als moralisch concedirt; der Staat schädigt selber unter diesem Gesichtspunct, wenn er Strafen verhängt. Im unabsichtlichen Schädigen kann natürlich das Unmoralische nicht liegen, da regiert der Zufall. Giebt es denn eine Art des absichtlichen Schädigens, wo es sich nicht um unsere Existenz, um die Erhaltung unseres Wohlbefindens handelt? Giebt es ein Schädigen aus reiner Bosheit, zum Beispiel bei der Grausamkeit? Wenn man nicht weiss, wie weh eine Handlung thut, so ist sie keine Handlung der Bosheit;...."

Ergo, es gibt keine Moral, da sowieso keiner weiss was er tut.
Kann man sich so wortreich hinbiegen, grenzt aber schon an Anarchie.
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#13
(17-07-2012, 19:24)Harpya schrieb: Ergo, es gibt keine Moral, da sowieso keiner weiss was er tut.
Kann man sich so wortreich hinbiegen, grenzt aber schon an Anarchie.

Nietzsche ging es aber gerade darum, zu wissen und zu hinterfragen, was und warum man handelt, also Moral neu zu denken und zu definieren. Werte stehe nicht absolut, sondern verändern sich im Laufe der Zeit, mit der Entwicklung der Gesellschaft und der Menschheit. Das hat mit Anarchie zunächst erst einmal nichts zu tun.
Anarchie ist eine Form des Zusammenlebens ohne Herrschaft. Die Freiheit des einen Menschen endet dort, wo sie die Freiheit eines anderen einschränkt. Dies bedeutet nicht ein Leben ohne Moral, sondern die höchste Form moralischen Handelns ist notwendig, um solch ein Gemeinwesen zu gestalten.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
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#14
Nö, wenn der Andere garnicht die Erkenntnis des Einschränken des Anderen haben soll, hat er auch keine Erkenntnis.
Sich wehren ist ja dann auch schlecht, weil ich dem Anderen Unrecht tue, da er für sich ja nicht unmoralisch handelt.

Netzsche hatte ja eine sehr blumenreiche Wortwahl, zu Verständnis ist das eher hinderlich.
Kein Wunder, das man sich auf Kernsätze beschränkt.

Kleine Auswahl aus "Jenseits von Gut und Böse":

"Es giebt gar keine moralischen Phänomene, sondern nur eine moralische Ausdeutung von Phänomenen ... (JGB 108)

Ein Volk ist der Umschweif der Natur, um zu sechs, sieben grossen Männern zu kommen.- Ja: und um dann um sie herum zu kommen. (JGB 126)

Von den Sinnen her kommt erst alle Glaubwürdigkeit, alles gute Gewissen, aller Augenschein der Wahrheit. (JGB 134)

Der Unterleib ist der Grund dafür, dass der Mensch sich nicht so leicht für einen Gott hält. (JGB 141)

Was aus Liebe gethan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse. (JGB 153)

Der Einwand, der Seitensprung, das fröhliche Misstrauen, die Spottlust sind Anzeichen der Gesundheit: alles Unbedingte gehört in die Pathologie. (JGB 154)

Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes,- aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel. (JGB 156)
Unserm stärksten Triebe, dem Tyrannen in uns, unterwirft sich nicht nur unsre Vernunft, sondern auch unser Gewissen. (JGB 156)

Viel von sich reden kann auch ein Mittel sein, sich zu verbergen. (JGB 169)

Mitleiden wirkt an einem Menschen der Erkenntniss beinahe zum Lachen, wie zarte Hände an einem Cyklopen. (JGB 171)
Man liebt zuletzt seine Begierde, und nicht das Begehrte. (JGB 175)"

Da sind auch ziemliche Allgemeinplätze dabei, kann sich jeder was rausziehen.
Sind doch eigentlich Wortgefechte innerhalb eines begrenzten Gelehrtenzirkels.

Gilt doch immer noch, Worte sind billig, an den Taten soll gemessen weden.
Im eigenen zwischenmenschlichen Bereich ist er wohl trotz hehrer Erkenntnis
eher wenig erfolgreich gewesen,
Cosima Wagner war wohl schon eine Nummer zu gross.
In einem der letzten Briefe war noch die Behauptung, sie hätte ihn ins Irrenhaus gebracht.
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#15
Wenn dir Nietzsche nichts zu sagen hat - was echauffierst du dich dann über sein Werk? Dass man ein paar Zitate aus dem Zusammenhang reißt, zeigt nur ein begrenztes Verständnis komplexer Gedankengänge. Nietzsches Sprache ist weder "blumenreich" noch verhandelt er Allgemeinplätze - im Gegenteil: er rechnet heftigst mit dem blumenreichen Biedermeier ab und mit den Allgemeinplätzen des 19. Jahrhunderts auf. Setz dich damit auseinander oder lass es sein. Ein 10jähriger Junge sollte jedoch keinen Airbus fliegen - auch wenn er noch so toll Modellflugzeuge basteln kann.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
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