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"37 Missbr
#1
Das ist wohl ein Schritt ins Mittelalter.
Artikel on-line im Suedkurier (www.suedkurier.de)


26.09.2003 05:39
Zustände wie im alten Rom

Die geplanten "37 Missbräuche" würden dem katholischen Gottesdienst die Rolle rückwärts lehren

Die Zeitungsmeldung kam zur Unzeit. Die 27 katholischen Bischöfe saßen - wie immer im Herbst - in Fulda zusammen. Als sie gestern einen Blick in die Tagespresse warfen, dürften sie ihren Augen nicht getraut haben: Der Meldung entnahmen sie, dass der Vatikan an neuen Richtlinien arbeitet, die den katholischen Gottesdienst zukünftig regeln und vereinheitlichen soll. Die geplanten Richtlinien sind eine Negativliste: Sie führen vor allem aus, wer was nicht darf.

Der Arbeitstitel des Dokuments lautet "37 Missbräuche". Unter anderem soll das Klatschen nach einer gelungenen Predigt unterlassen werden, heißt es dort sinngemäß. Als Missbrauch wird auch Tanzen in der Kirche empfunden, auch wenn er liturgisch begründet ist und eingeübter Teil einer religiösen Feier sein sollte. Mit spitzen Fingern werden Messdienerinnen behandelt; nur bei Vorliegen "zwingender pastoraler Gründe" dürften sie eingesetzt werden, also wenn Not am Mann ist. Kein Priester müsse sich gezwungen fühlen, weibliche Messdiener zuzulassen. Mit Skepsis wird auch die Mitarbeit von Laien beobachtet. Sie erhalten, wie bereits in der vatikanischen "Instruktion für die Laien" geschehen, ein Verbot für den Altarraum. Besonders das Verbot der Laien-Predigt wird hier noch einmal wiederholt. Kein Wort von den Gemeinden, die Sonntags ohne Priester dastehen und auf Laien angewiesen sind.

Die "37 Missbräuche" äußern sich auch zur Architektur von Kirchenräumen. Angeregt wird, die alte Chorschranke zwischen Volk und Altar wieder aufzurichten. Diese Schranken, die es früher in allen Kirchen gab, waren nach dem II. Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) abgebaut worden. Neben der Errichtung des Volksaltars, an dem der Priester seitdem mit dem Gesicht und nicht mehr mit dem Rücken zum Volk zelebriert, ist der Abbau der Schranken ein augenfälliges Merkmal der katholischen Erneuerung.

Die Konzilsväter damals - alles andere als Revolutionäre - betonten das Zusammenwirken von Priester und Volk. Der Kleriker sollte nicht mehr abgehoben und abgewandt zelebrieren, sondern Teil des Ganzen sein. Der Aufbau der Chorschranken würde diese Einigkeit daher schmälern. Die verbindende Theologie von dem einen Gottesvolk, die das Konzil als Alpha und Omega durchweht, wäre damit erledigt.

Die "37 Missbräuche" weisen eine klare Linie auf. Sie sind in ihrem Charakter (vor allem Verbote) und in ihrer restaurativen Tendenz gegen die heutige Laienkirche gerichtet. Sie weisen weit hinter das Konzil zurück, das sich damals gewaltig anstrengen musste, um den Anschluss an die Moderne nicht zu verpassen. Die geplanten Richtlinien sind geprägt von Klerikalismus als einer strengen Unterscheidung von Volk und Priester und einer erschreckenden Freudlosigkeit. Und sie sind geprägt von der unerbittlichen Strenge, in der ein Lächeln in einem Kirchenraum bereits eine Sünde sein könnte. Ein wenig erinnert der römische Anti-Katalog an Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose": Der Kriminalfall dort wird durch ein Buch in der Klosterbibliothek ausgelöst, in dem es ums Lachen geht; dieses Buch soll niemand im Kloster lesen - er könnte sonst selbst vom Lachen angesteckt werden.

Als einer der ersten reagierte der Bischof von Rottenburg. Noch von Fulda aus stellte er sich vor seine Ministrantinnen und ließ verbreiten: "Ministrantinnen sind keine Fehlentwicklung. Ich habe nur die besten Erfahrungen gemacht." Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" sieht sogar den Kirchenfrieden gefährdet. Sie fordert die deutschen Bischöfe auf, darauf zu drängen, dass der "Textentwurf vollständig zurückgezogen wird." Die Initiative vermutet auch, dass der scharfe Wind aus der Glaubenskongregation von Joseph Ratzinger weht.

Für diese Annahme gibt es gute Gründe. Der Kurienkardinal hatte sich nach dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin eine Auseinandersetzung mit seinen deutschen Kollegen geliefert, die haarscharf in das römische Sittenbild passt. Ratzinger hatte nach dem Berliner Treffen nämlich die bunte Ausgelassenheit kritisiert, mit der die Teilnehmer feierten und sich bewegten. Er hatte den Kirchentag als zu weltlich abgetan, als zu wenig ernsthaft. Die deutschen Bischöfe, die in Berlin dabei waren, wehrten sich gegen diesen römischen Kommentar. Zumal Kardinal Ratzinger gar nicht am Berliner Treffen teilgenommen hatte, sondern sich hier als Ferndiagnostiker betätigte.

Das Unbehagen an der Zusammenstellung der "37 Missbräuche" stellt sich in Deutschland und anderswo ein. Nicht nur in den Diözesen Freiburg oder Köln wird gelegentlich applaudiert, wenn der Pfarrer einmal gut gepredigt oder die Organistin ein hörbares Postludium abgeliefert hat. Vor allem in den Kontinenten des Aufbruchs haben ganz neue Formen des Gottesdienstes Einzug gehalten, die sich mit dem Hinweis auf mittelalterliche "Chorschranken" oder Applaus-Verbot sicher nicht verbieten lassen. In Schwarzafrika und Lateinamerika ist der katholische Kultus immer mit starkem Körpereinsatz und Musik verbunden. Die gelungene Verschmelzung von christlicher Lehre und örtlichen Traditionen war bisher katholisches Markenzeichen. Offenbar will Rom diese kulturelle Weisheit durch Weltfremdheit ersetzen.


Wer ist zuständig?

Für die Liste der "37 Missbräuche" sind im Vatikan zwei Abteilungen zuständig: einmal die Kongregation für den Gottesdienst unter Leitung des afrikanischen Kardinals Francis Arinze. Sie ist federführend, da die Instruktion in ihren Bereich fällt. Daneben und beratend ist die Kongregation für den Glauben mit Joseph Ratzinger an der Spitze tätig. In beiden Abteilungen sind auch Bischöfe aus aller Welt als nicht-ständige, auswärtige Mitglieder aktiv. Sie nehmen nur sporadisch an den Sitzungen teil, haben dann aber Sitz und Stimme. Auf diesem Weg können auch deutsche oder lateinamerikanische Bischöfe Einfluss auf die Arbeit in Rom nehmen. - Arinze war früher für den Dialog zwischen den Religionen zuständig. Als Afrikaner weiß er bestens Bescheid über die Frage, wie sich das Christentum in anderen Ländern mit vorhandenen Kulten oder Stammesriten arrangiert. Der Tonfall der "37 Missbräuche" weist auf Ratzinger als treibende Kraft zurück. Er kritisierte schon mehrfach die modernen Formen im katholischen Gottesdienst.
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#2
Hallo Aysha!

Ich kann mir kaum vorstellen, daß so etwas tatsächlich in der heutigen Katholischen Kirche als Dokument und Forderung herausgegeben / gefordert werden kann. Gerade in einer Zeit, in der die Katholische Kirche nicht nur wegen Priestermangel die Mitarbeit der Laien mehr denn je benötigt. Bereits heute müssen teilweise ein Priester fünf, sieben oder mehr Kirchengemeinden seelsorgerisch betreuen. Die Belastung ist für den einzelenen Priester nicht nur physisch sondern vor allem psyschisch jetzt schon viel zu hoch. In der Zeit, in der vier Priester neu geweiht werden, scheiden 20 aus dem Dienst aus, davon wenigsten durch Tod. Psyschische Überlastung und Einsamkeit, möglicherweise auch problematische Menschenführung durch die zuständigen Bischöfe usw.. sind die Ursachen.

Dem versucht man zu begegnen, in dem man allerorts meherere Gemeinden jeweils zu einer neuen Gemeinde zusammengelegt. Von Trier bis Aachen sind mir einige Beispiele persönlich bekannt. Wenn man heute sofort alle Laien aus dem Dienst nehmen würde, dann würde m. E. bereits jetzt einiges katatastrophal zusammenbrechen. Die Notwendigkeit von der Mitarbeit von Laien wird sich in Zukunft noch weiter steigern.

Es ist m.E. nur da problematisch, wo Priester und Laien gegeneinander arbeiten.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß Mädchen nicht mehr als Meßdiener eingesetzt werden sollen, sie machen es zumindestens genau so gut, wie die Jungens; ich kann es beurteilen, bin auch mal eine längere Zeit Meßdiener gewesen.

Die Lektoren und Letorinnen, die Kommunionhelfer und Kommunionhelferinnen sind die, die in der Gemeinde jeweils sichtbar sind, und zu einem festen in der Liturgie gehörenden Bestandteil gehören.

Nur wenn die Frauen in den Sakristeien, die Frauen in den Pfarrbüros und die Haushälterinnen der Pfarrrer und die, die die Reinigungsarbeiten ausführen auf einen Schlag nicht mehr helfen dürften, für diese den dienenden Diensten waren sie immer noch gut genug, ausfallen würden, dann würde wohl so einiges mächtig zusammenbrechen.

Und nun mal so ganz im Ernst, nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Bei dem Widerstand, der von den Deutschen Bischöfen hoffentlich kommt, werden sicherlich nur ein paar kleine Änderungen herauskommen, wenn nicht sogar das ganze Dokument erst gar nicht herausgebracht wird.

Ein solches ernstgemein durchgeführt, würde m. E. zu einer Polarisierung auf die, ich drücke es vorsichtig aus, Konservative Kirchenseite, aber auf der anderen Seite auch zu einer starken Ausdünnung der Kirchenbesucher und Teilnehmer führen. Niemand kann es wirklich ernsthaft wollen.

Ein Dokument aus dem Jahr 1997 aus dem Vatican

INSTRUKTION
ZU EINIGEN FRAGEN
ÜBER DIE MITARBEIT DER LAIEN
AM DIENST DER PRIESTER

LIBRERIA EDITRICE VATICANA
VATIKANSTADT 1997


spricht eine gegenteilige Sprache, und das wurde Bereits 1997 bekanntgegeben. Ich kann mir nun wirklich nicht vorstellen, daß die Kirche bei ihrer Treue zur Tradition nach sechs Jahren einfach genau das Gegenteil macht und einfach etwas umwirft, was sich bewährt hat.

Wozu es nun gut sein soll, ich weiß es nicht. Hast Du vielleicht einen Link zu dem beabsichtigten Dokument?

LG Gerhard
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#3
Vielleicht sieht der Dokumententwurf auch einfach ganz anders aus.
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#4
Dokument soll erst ende 2003 an die Öffentlichkeit bzw fertig sein. Bleibt leider genübend Zeit zur Spekulation. .)
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#5
Das Dokument stammt, genau wie das Homosexuellenpamphlet von der Glaubenskongregation (ehemals Heilige Inquisition genannt) unter Kardinal Ratzinger.

Und diesem Mann traue ich so mittlerweile so einiges an Dummheiten zu.
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#6
Über diesen "Großinquisator" Ratzinger habe ich auch schon so einiges gehört allerdings nur negatives.

Auch ich traue diesem :evil: alles zu.
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#7
Hallo!

Kathpress Österreich schreibt in diesem Link:

Zitat:Aufregung um Erstentwurf eines vatikanischen Dokuments über Missbräuche in der Liturgie ist "grundlos" - Erstentwurf wurde von den zuständigen Kardinälen zurückgewiesen

und

Zitat:Dieses Dokument werde sich - so Leitenberger - auf verschiedene Tatbestände beziehen: Den sakrilegischen Missbrauch konsekrierter Hostien, auf die Übernahme des Vorsitzes der Eucharistiefeier durch Nichtgeweihte (etwa durch Pastoralassistenten), "was in der einen oder anderen Schweizer, niederländischen oder US-amerikanischen Diözese schon vorgekommen sein soll" sowie auf die "Interzelebration" zwischen katholischen Priestern und Amtsträgern anderer christlicher Kirchen.

Wann dieses Dokument erscheinen werde, lasse sich derzeit nicht absehen. (ende/24.9.)

Das sieht doch schon ganz anders aus, wie es in der Öffentlichkeit rübergekommen ist, wobei sicherlich die Interzelebration an ganz heißes Eisen ist. Aber diese ist auch jetzt schon eindeutig geregelt.

LG Gerhard
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