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Baha'i
#1
Bis ins 18. Jh. gehörten nicht alle ↗Schiiten im Iran der dort tonangebenden Uṣūlī-Schule an. Die Opposition bestand in der Gruppe der Akhbārīs, das waren Anhänger der Überlieferungen (khabar arab. Nachricht, ein anderes Wort für ↗hadit), sie meinten, die Religionsgelehrten seinen für "religiöse Erkenntnis" entbehrlich. Jeder Gläubige könne Zugang zur Wahrheit finden, wenn er den ↗Koran unter Beachtung der (schiitischen) Überlieferung lese.

Eine weitere, ernstzunehmende oppositionelle Bewegung zum Uṣūlī -Establishment waren Ende des 18. Jhs. die Shaykhis (nach dem Oberhaupt ihrer Schule Shaykh Ahmad al-Ahsaʿi). Diese führten Ideen der Schulen von Isfahan, der Akhbarilehre und Elemente der ↗Gnosis zusammen.

Aus den Shaykhis ging die radikal-sozialrevolutionär-religiöse Bewegung der ↗Babis hervor. Ihr Oberhaupt, Saiyid Ali-Muhammad Shirazi (1819-1850), behauptete 1844, der Bab (bab arab. Tür, Pforte), die "Pforte" zum verborgenen zwölften ↗Imam-Mahdi der ↗Zwölferschia zu sein. 1848 behauptete der Bab, er selbst sei dieser von den Schiiten erwartete Imam-Mahdi. Er verkündete, das islamische Recht, die ↗Scharia, sei nunmehr aufgehoben und beanspruchte auch die politische Herrschaft für sich.

Daraufhin wurde die Bewegung der Babis von der qadsharischen Obrigkeit zerschlagen, der Bab 1850 in Täbris hingerichtet. Im Untergrund und im Ausland bestanden die Babis aber fort.

Aus dem Milieu der Babi-Lehre entstand die Bahai-Religion.

Als Nachfolger des Bab wurde Mirza Husain Ali Nuri, der wegen eines babistischen Anschlags gegen den Schah 1852 inhaftiert wurde, im Gefängnis 1853 durch "Erleuchtung" berufen. Er nannte sich fortan ↗Baha'u'llah, was so viel wie "Glanz Gottes" oder "Herrlichkeit Gottes" bedeutet.

Der politische Kampf wurde ab nun vermieden.

Nach der Entlassung aus dem Gefängnis ging Baha'u'llah in die Türkei ins Exil. Dort wurde er vom türkischen Sultan in Akka unter Hausarrest gestellt. In dieser Zeit verfasste er das Heilige Buch der Bahai, das "Kitab-i Aqdas", worin das "Grundgesetz" für eine zukünftige Weltordnung enthalten ist.

Der Sohn des Baha'u'llah, ↗'Abbas Efendi mit Ehrennahmen Abdul-Baha (Diener der Herrlichkeit), war von Baha'u'llah testamentarisch als Nachfolger eingesetzt worden, nahm seinen Wohnsitz in Haifa, von wo er durch ausgedehnte Reisen begann, den Westen für die neue Religion zu erschließen. Er gilt den Bahai als einziger autorisierter Ausleger der Offenbarung.

Ob Abdul-Baha ein Testament hinterließ, ist umstritten. Das zwölferschiitische Legitimitätsprinzip galt ja nicht mehr, und im "Kitab-i Aqdas" war ja die Schaffung des "Hauses der Gerechtigkeit" als Leitungsorgan festgelegt. Jedenfalls tauchte ein Testament des Abdul-Baha 1922 in New York auf, worin ↗Shoghi Efendi, ein Enkel des Abdul-Baha, als eingesetzter Nachfolger aufscheint, was wegen des Verdachts der Testamentsfälschung nicht die allgemeine Anerkennung der Bahai-Gemeinschaft fand.

Shoghi Efendi widmete sich der Straffung von Lehre und Gemeinde, dem Aufbau einer Verwaltungsordnung, die die weltweite Ausbreitung der Religion ermöglichte und einen Bahai-Weltstaat zum Ziel hatte.

Nach dem Tod Shoghi Efendis übernahm der "Internationale Bahai-Rat" die Führung der Gemeinschaft. Um den Vorsitz im Rat wurde gestritten.

Seit 1963 hat ein "Universales Haus der Gerechtigkeit" die Leitungsfunktion, dessen Mitglieder von "Nationalen Geistigen Räten" gewählt werden.

Heute stellen die Bahais den Anspruch, ↗Weltreligion zu sein, was von der Mehrheit der Vertreter der ↗Religionswissenschaft auch akzeptiert wird.

Was die Zahl der Anhänger der Bahai-Religion betrifft, werden recht unterschiedlich Schätzungen vorgenommen.

Manche Kritiker der Bahai-Religion setzen die Zahl der sich weltweit zum Bahaismus bekennenden Menschen (2,9 Millionen, erwähnt bei F. Ficicchia, Baha'i, Verlag Monsenstein und Vannerdat, Münster 2009, S.  78) zu niedrig an.

Optimistische Bahai gehen von 20 Millionen Mitgliedern weltweit aus.

Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen.

Eine realistische Schätzung mit weltweit 5 Millionen Mitgliedern hat die Bahai-Gemeinde Österreichs veröffentlicht. Quelle: *http://at.bahai.org/3/, Zugriff v. 27.9.2011, 9:48 Uhr

M. Hutter (iHutter 2008, 118) geht von 6 Millionen Mitgliedern weltweit aus.


Literatur:

Manfred Hutter. Die Weltreligionen. 32008 München. Verlag C. H. Beck.
Manfred Hutter. Handbuch Baha'i. 2009 Stuttgart. Verlag Kohlhammer.
Jes P. Asmussen: Handbuch der Religionsgeschichte, Bd 3, S. 489f.
Lutz Berger: Islamische Theologie, II. Historischer Teil, S. 119f.
LThK, Bd 1, S. 1354


Siehe auch: Beitrag Weltsprache und Diskussion zum Entstehen der Bahai-Religion.


● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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