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Sinn der Philosophie
#46
(08-07-2011, 11:53)Karla schrieb:
(08-07-2011, 10:43)Gundi schrieb:
(07-07-2011, 21:32)Karla schrieb: Auf jeden Fall ist die "Ethik" von Spinoza kein naturwissenschaftliches Werk, sondern ein geisteswissenschaftliches Werk, und Beweise - nachprüfbare, wiederholbare - gibt es in der Geisteswissenschaft (als solcher) nicht.

Doch die gibt es schon. Statistiken zum Beispiel.


Nen, Satistiken sind kein geisteswissenschaftliches Instrumentarium. Darum fügte ich ja auch in Klammern extra hinzu "(Geisteswissenschftler als solcher").
Der Germanist ist sich dessen genau bewusst, wann er wo naturwissenschaftliche Methoden in seinen Analysen hinzunimmt.

Statistiken sind keine rein naturwissenschaftlichen Methoden.
Wenn ein Soziologe (Geisteswissenschaftler) die Arbeitslosigkeit in Ost und West vergleichen möchte, wird er sich auch auf Statistiken beziehen und damit seine Thesen untermauern.

(08-07-2011, 11:53)Karla schrieb: Bei Deinem anderem Text sind mir zu viele "muss" drin. Wenn ich philosophiere, lasse ich keinem Druck von außen zu. Philosphieren ist das Gegenteil von "sich den Ansprüchen anderer unterwerfen".

Mir ist schleierhaft, woher das Bedürfnis kommt, immer den Daumen drauf zu halten, dass der andere ja das tut, was sich so eingebürgert hat und was man sich selber wünscht.

Wie bereits gesagt: Man muss seine Thesen natürlich nicht untermauern. Man kann auch einfach einen schlauen Gedanken nach dem anderen in den Raum werfen, ohne sich verpflichtet zu fühlen diese zu bekräftigen.
Nur entspricht das nicht meinem Gedanken von Philosophie, da jedweder Diskurs im Keim erstickt wird bzw. gar nicht möglich ist.
Wenn jemand Aussagen trifft ohne zu erklären warum er zu dieser Ansicht kommt, ist diese Aussage mehr oder weniger bedeutungslos.
Dann wäre Philosophie wirklich reines Geschwafel ohne jede Tiefe...


(08-07-2011, 11:53)Karla schrieb: Phlosophieren ist auch Aufsässigkeit, und darum wird sie in allen Diktaturen gemaßregelt.

Das stimmt. Man muss sich jedoch fragen was der Sinn der Aufsässigkeit sein soll?
Existiert die Aufsässigkeit nur um ihrer selbst willen, dann reicht es eben wirklich einfach unbequeme Dinge zu sagen.
Möchte die Aufsässigkeit aber etwas verändern, neue Denkweisen aufdecken, auf Fehler hinweisen etc. dann wird sie nicht drumherum kommen sich mit dem was sie sagt auch zu beschäftigen und sich gegen Kritik so auch zur Wehr setzen zu können.

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#47
Vieleicht noch zur Untermauerung: In der westlichen Welt stehen asiatische Weisheiten ja hoch im Kurs. Man kann Haufenweise Bücher (kleine und große) kaufen, wo in bildhafter Manier Weisheiten am Fließband dargeboten werden.
Diese sind oftmals so kurz und vieldeutig ausgedrückt, dass der geneigte Leser alles mögliche da hinein interpretieren kann.
Ist das bereits Philosophie?
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#48
(08-07-2011, 18:59)Gundi schrieb: Statistiken sind keine rein naturwissenschaftlichen Methoden.
Wenn ein Soziologe (Geisteswissenschaftler) die Arbeitslosigkeit in Ost und West vergleichen möchte, wird er sich auch auf Statistiken beziehen und damit seine Thesen untermauern.


Wahrscheinlich reden wir hier aneinander vorbei. Der Soziologe - wie auch der Psychologe - benutzt selbstverständlich Statistiken. Der Germanist tut das auch. Auch die geisteswissenschaftlichen Fächer übernehmen mehr und mehr naturwissenschaftliche Methoden. Soziologie und Psychologie sind zu großen Teilen naturwissenschaftlich ausgerichtet.


(08-07-2011, 18:59)Gundi schrieb: Wie bereits gesagt: Man muss seine Thesen natürlich nicht untermauern. Man kann auch einfach einen schlauen Gedanken nach dem anderen in den Raum werfen, ohne sich verpflichtet zu fühlen diese zu bekräftigen.


Leider verstehst Du mich komplett falsch. Und ich bin - ebenfalls leider - im Moment so unlustig, das zu erklären, was ich doch schon erklärt habe. Ich habe das alles am Anfang geschrieben. Mir kommt es so vor, als ob Du es bewusst missverstehst.

Wo habe ich denn je geschrieben, dass man sich nicht verplfichtet fühlt, ihn zu bekräftigen?


(08-07-2011, 18:59)Gundi schrieb: Nur entspricht das nicht meinem Gedanken von Philosophie, da jedweder Diskurs im Keim erstickt wird bzw. gar nicht möglich ist.
Wenn jemand Aussagen trifft ohne zu erklären warum er zu dieser Ansicht kommt, ist diese Aussage mehr oder weniger bedeutungslos.
Dann wäre Philosophie wirklich reines Geschwafel ohne jede Tiefe...


Klar.


(08-07-2011, 18:59)Gundi schrieb:
(08-07-2011, 11:53)Karla schrieb: Phlosophieren ist auch Aufsässigkeit, und darum wird sie in allen Diktaturen gemaßregelt.

Das stimmt. Man muss sich jedoch fragen was der Sinn der Aufsässigkeit sein soll?
Existiert die Aufsässigkeit nur um ihrer selbst willen, dann reicht es eben wirklich einfach unbequeme Dinge zu sagen.
Möchte die Aufsässigkeit aber etwas verändern, neue Denkweisen aufdecken, auf Fehler hinweisen etc. dann wird sie nicht drumherum kommen sich mit dem was sie sagt auch zu beschäftigen und sich gegen Kritik so auch zur Wehr setzen zu können.


Warum soll man sich denn zur Wehr setzen?

Ich sagte zu Beginn, dass Philsophieren eine Tätigkeit sei. Ich sagte auch, dass diese Tätigkeit das Ergründen existentieller Belange sei, jedenfalls oft. Wenn man dann nach Jahren sozusagen "das Gestrüpp'" beseitigt hat - also das Gewohnte und Eingefleischte, bis man zum nackten Gerüst der eigenen Sicht gelangt ist - oder manchmal sogar nach Jahrzehnten, dann diente das alles erst einmal zur Selbstklärung. Auf jeden Fall zur Klärung.

Das dann anderen mitzuteilen, ist ein ganz anderer Schritt, eine andere Aufgabe.
Wenn man meint, es solle mitgeteilt werden, dann kann dies eine große Qual bedeuten: weil das nun ins Wort muss, in die Sprache. Und das geht nicht ohne Verlust. Das Eigentliche lässt sich nicht sagen, jedenfalls nicht formulieren.
Und umgekehrt: weil es formuliert wurde, ist eine neue Komponente, eine neue Dimension hinzugekommen. Die Sprache hat ihre Eigengesetzlichkeit, ihre ganz spezielle Form, und die verändert das, was vorher, im Schweigen, erkannt wurde.

Damit hat man schon genug zu tun, dies überhaupt erst einmal so mitzuteilen, dass man selber das Gefühl hat, man hätte das gesagt, was man meint.

Dass andere Menschen in ihrem eigenen philosophischen Prozess zu anderen Ergebnissen kommen, ist ja klar. Sie haben ja andere Vorausssetzungen. Und es ist ja auch wichtig, dass verschiedene Menschen verschiedenen Aspekte auf den Tisch legen. Man kann da die eigene Perspektive als Perspektive erkennen, zum Beispiel.

Allerdings kann durch das Feedback anderer Leser sicher erreicht werden, dass man selber erkennt, wo man in der Formulierung Lücken gelassen hat. Man setzt oft Verständnis voraus, wo man es nicht voraussetzen kann. Man hat anfangs keine Ahnung, wie verschieden die Menschen sind. Darum feilt man dann immer mehr an seinem Ausdrück, um möglichst viele Missverständnisse auszuschließen, zumindest die, die rein verbal sind.


(08-07-2011, 18:59)Gundi schrieb: Vieleicht noch zur Untermauerung: In der westlichen Welt stehen asiatische Weisheiten ja hoch im Kurs. Man kann Haufenweise Bücher (kleine und große) kaufen, wo in bildhafter Manier Weisheiten am Fließband dargeboten werden.
Diese sind oftmals so kurz und vieldeutig ausgedrückt, dass der geneigte Leser alles mögliche da hinein interpretieren kann.
Ist das bereits Philosophie?


Da für mich Philosphieren eine Tätigkeit ist, habe ich keine Ahnung, was man alles so als "Phiosophie" bezeichnen kann.
Klar ist, was geschieht, wenn man Philosphie an der Uni studiert. Man lernt dort nicht Philosophieren, sondern man lernt, was bisherige Philosophen geschrieben haben, und wie sie aufeinander aufbauen.

Aber die Frage, ob dieser oder jener Satz "Philsophie" ist, ist für mich im Moment unverständlich.
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#49
(08-07-2011, 10:34)Gundi schrieb: Ich sagte ja auch gar nicht, dass nur die Logik den Menschen ausmacht.
Wenn wir aber etwas zu Grunde legen wollen, mit dem theoretisch jeder Mensch in gleicher Weise arbeiten kann (und womit wir allgemeingültige Aussagen treffen können) dann bringen uns bekenntnisgesteuerte Denksysteme wahrscheinlich nicht viel weiter, da diese austauschbar und überhaupt nicht verbindlich sind.
Die Fähigkeit jedoch, logische Schlussfolgerungen zu ziehen, scheint mir etwas für alle Menschen identisches zu sein, auch wenn die einzelnen Systeme in welchem sich dieses Denken ausdrückt vieleicht unterschiedlich sind.
...
Um für alle Menschen eine einheitliche Grundlage zu schaffen, sozusagen ein einheitliches Bezugssystem herzustellen, taugen diese Dinge nur im kleinen Rahmen.
Verschiedene Situationen können unterschiedliche Emotionen hervorrufen, Bekenntnisse können total verschieden sein.
Logische Überlegungen hingegen, sollten theoretisch jedoch von jedem Menschen nachvollzogen werden können.

Das ist schon richtig. Auf Logik kann man sich leicht einigen.
Aber sie ist nicht immer in der Lage, die Aussage, die ein Philosoph machen will, korrekt abzubilden.

Auch muss man sich die Frage stellen, inwieweit ein einheitliches Bezugssystem überhaupt Sinn macht angesichts der unterschiedlichen Lebenslagen.

Durch Gewinn an Objektivität verliert man nicht selten an "Tiefe".
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#50
Ich denke wir beide kommen auf keinen gemeinsamen Nenner mehr. Über das eigentliche Thema scheint daher auch alles gesagt zu sein.
Ich möchte daher nur den folgenden Punkt aufgreifen, deren Überlegung ich sehr interessant finde:

(08-07-2011, 19:40)Karla schrieb: Warum soll man sich denn zur Wehr setzen?

Ich sagte zu Beginn, dass Philsophieren eine Tätigkeit sei. Ich sagte auch, dass diese Tätigkeit das Ergründen existentieller Belange sei, jedenfalls oft. Wenn man dann nach Jahren sozusagen "das Gestrüpp'" beseitigt hat - also das Gewohnte und Eingefleischte, bis man zum nackten Gerüst der eigenen Sicht gelangt ist - oder manchmal sogar nach Jahrzehnten, dann diente das alles erst einmal zur Selbstklärung. Auf jeden Fall zur Klärung.

Das dann anderen mitzuteilen, ist ein ganz anderer Schritt, eine andere Aufgabe.
Wenn man meint, es solle mitgeteilt werden, dann kann dies eine große Qual bedeuten: weil das nun ins Wort muss, in die Sprache. Und das geht nicht ohne Verlust. Das Eigentliche lässt sich nicht sagen, jedenfalls nicht formulieren.

Mir ist nicht ganz bewusst wie man ohne Sprache denken kann? Zumindest bei mir ist es so, dass ich, wenn ich mich ernsthaft mit einem Problem beschäftige, meine Gedanken bereits im Kopf in die Form der Sprache bringe.
Wüsste auch gar nicht wie es sonst gehen soll. Vieleicht noch Bilder, aber die kann man ja dann auch mit Sprache erklären.
Zwar finde ich dann ab und zu nicht auf Anhieb die richtigen Worte, wenn ich es erklären soll. Das liegt aber dann eher an meiner rethorischen Kreativlosigkeit und weniger daran dass meine Gedanken in der Form der Sprache nicht wiedergegeben werden können.


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#51
(08-07-2011, 20:40)Mustafa schrieb: Das ist schon richtig. Auf Logik kann man sich leicht einigen.
Aber sie ist nicht immer in der Lage, die Aussage, die ein Philosoph machen will, korrekt abzubilden.

Auch muss man sich die Frage stellen, inwieweit ein einheitliches Bezugssystem überhaupt Sinn macht angesichts der unterschiedlichen Lebenslagen.

Im gemeinsamen Diskurs ist es, denke ich, unabdingabar.

(08-07-2011, 20:40)Mustafa schrieb: Durch Gewinn an Objektivität verliert man nicht selten an "Tiefe".

So habe ich das noch gar nicht betrachtet... Eusa_think
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#52
(10-07-2011, 10:48)Gundi schrieb: Mir ist nicht ganz bewusst wie man ohne Sprache denken kann?


Wenn ich philosphiere, versuche ich, zu verstehen, wahrzunehmen, zu erkennen. Dazu benutze ich alle möglichen Wahrnehmungsorgane, die der Mensch zur Verfügung hat.

Was genau "denken" ist, sollte man sich vielleicht mal genau auseinanderklamüsern. Ich musste das tun, als ich Schauspielschüler dazu bringen musste, auf der Bühne das "Denken" zu imitieren.

Kennt der Schauspieler den Prozess des Denkens nicht, wirkt er hölzern. Er tut nur so, als ob er denkt.

Der Prozess des Denkens ist vielschichtig. Ein Gedanke "entsteht", sagt man. Woraus entsteht er? Das lohnt sich, das an sich zu beobachten.



(10-07-2011, 10:48)Gundi schrieb: Zumindest bei mir ist es so, dass ich, wenn ich mich ernsthaft mit einem Problem beschäftige, meine Gedanken bereits im Kopf in die Form der Sprache bringe.
Wüsste auch gar nicht wie es sonst gehen soll. Vieleicht noch Bilder, aber die kann man ja dann auch mit Sprache erklären.


Ja, Bilder sind in der Tat eine der Ebenen, die stattfinden, bevor etwas ins Wort kommt. Die reinen Bilder aber wollen nicht ins Wort. Sie müssen erst bewertet werden, bevor sie ins Verbale transportiert werden können. Sprache bewertet notgedrungen. Und da liegt dann auch der Verlustcharakter.




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#53
Tja das ist so eine Sache mit dem Denken.....

Ein (atheistischer) Arzt schrieb mit mal in einem anderen Forum: “Sie glauben gar nicht wie faszinierend das Zusammenspiel von Nerven, Synapsen und microelektrischen Strömen im Gehirn ist...”. Ist das Denken denn “nur” ein physikalisher Prozess? Oder steckt da “mehr” dahinter?

“Denkt” jemand, der aufgrund einer Mehrfachbehinderung nicht in der Lage ist zu hören und zu sprechen; der also keine “Sprache” zu kennen scheint? Ein EEG sagt jedenfalls aus das im Gehirn eines solchen Menschen genauso ein “Feuerwerk microelektrischer Ströme” stattfindet, wie bei jedem anderen Menschen auch. Und Gebärdensprache beweist ja eigentlich auch, das “Sprache” nicht alleine an “Lautmalerei” gekoppelt sein muss.

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#54
(10-07-2011, 10:48)Gundi schrieb: Mir ist nicht ganz bewusst wie man ohne Sprache denken kann? Zumindest bei mir ist es so, dass ich, wenn ich mich ernsthaft mit einem Problem beschäftige, meine Gedanken bereits im Kopf in die Form der Sprache bringe.
Wüsste auch gar nicht wie es sonst gehen soll. Vieleicht noch Bilder, aber die kann man ja dann auch mit Sprache erklären.
Zwar finde ich dann ab und zu nicht auf Anhieb die richtigen Worte, wenn ich es erklären soll. Das liegt aber dann eher an meiner rethorischen Kreativlosigkeit und weniger daran dass meine Gedanken in der Form der Sprache nicht wiedergegeben werden können.

Dein 3. oben zitierter Abschnitt widerspricht dem 1. bzw. der 1. Abschnitt widerspricht sich schon selbst.

Im 1. Abschnitt:
Wenn Du über ein Problem nachdenkst, ist Dir dieses Problem ja schon - nicht sprachlich ausformuliert - gegenwärtig.

Im 3. Abschnitt sagst Du, dass Du - aus welchen Gründen auch immer - dass die Gedanken erst in die Form der Sprache "gegossen" werden müssen.

Wenn man übt, seine Gedanken bzw. den Prozess der Gedankenwerdung zu verfolgen, erkennt man, dass dies ein sehr komplexer Prozess ist, der über viele Stufen geht. Aber das ist OT Leuten, die es nicht üben, praktisch unmöglich zu erklären.

Relevant und erklärbar ist jedoch:

Wenn man zum denken Sprache benutzen würde, würden Taube nicht denken bevor sie die Taubensprache lernen - was ja oft sehr spät ist bzw. überhaupt nicht geschieht.

Besonders eindeutig ist das am Fall von Helen Keller zur erkennen, die außerdem blind war und auch erst relativ spät im Leben eine Art Sprache gelernt hat. Es war sicher nicht so, dass sie vorher nicht gedacht hat.

Sprache dient grundsätzlich mal erst der Mitteilung der Gedanken, wobei ich keinesfalls sagen will, dass sie nicht auch für Klarstellung der Gedanken nützlich ist.

Deutlich ist es auch bei Menschen, die mehrere Sprachen so gut sprechen, dass sie nicht erst in einer Sprache gedanklich ausformulieren und das dann übersetzen. Bei ihnen steht das, was sie sagen/schreiben wollen vorsprachlich fest, und sie leiten diese Substanz dann in die jeweilige Sprache um.

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#55
(10-07-2011, 12:33)Karla schrieb: Ja, Bilder sind in der Tat eine der Ebenen, die stattfinden, bevor etwas ins Wort kommt. Die reinen Bilder aber wollen nicht ins Wort. Sie müssen erst bewertet werden, bevor sie ins Verbale transportiert werden können. Sprache bewertet notgedrungen. Und da liegt dann auch der Verlustcharakter.

Das ist interessant für mich.

Bei mir geschieht es nämlich nicht so bzw. eher selten.

Das ist evtl. der Grund, warum ich mich mit den graphischen Oberflächen und Gebrauchsanweisungen/Installationsanweisungen etc. schwer tue. Sie sollen ja viel intuitiver verständlich sein - für mich aber nicht.

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#56
Da muss ich "Bild" differenzieren. Ich meine damit nicht ein deutliches vsuelles Bild. Bei mir sind es nur Bildfetzen, fast nur Impressionen. Eventuell ist das Wort "Bild" nicht richtig, aber ich kenne kein anders Wort dafür.
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#57
- 2 -

(10-07-2011, 14:40)agnostik schrieb: Deutlich ist es auch bei Menschen, die mehrere Sprachen so gut sprechen, dass sie nicht erst in einer Sprache gedanklich ausformulieren und das dann übersetzen. Bei ihnen steht das, was sie sagen/schreiben wollen vorsprachlich fest, und sie leiten diese Substanz dann in die jeweilige Sprache um.


Das kann ich so nicht unterschreiben. Ich sprach eine andere Sprache einmal so gut, dass ich in ihr mit den "native speakers" philosphieren konnte. Ich "dachte" in deren Sprache, während ich argumentierte.

Und mir fiel dabei staunend auf, dass gewisse philosphische Probleme in deren Sprache nicht formulierbar waren. Wenn meine Gesprächspartner dasselbe sagten wie das, was ich auf Deutsch meinte, wurde es eine andere Sache. Die Gesetze der jeweiligen Sprache ermöglichen - oder erzwingen gar - ein gewisses Denken, das sich in der anderen Sprache verliert.

Drückte ich das, was ich auf Deutsch als Sackgasse empfunden hatte, in der anderen Sprache aus, war die Sackgasse nicht mehr da. Sie hatte nur in der Struktur der deutschen Sprache gelegen. Sie war nur eine begriffliche Sackgasse gewesen.

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#58
Da hat es im 19. Jahrhundert deutschtümelnde Denker gegeben, die dies genauso behauptet haben. Inzwischen wurde aber nachgewiesen, dass man eine solche Behauptung nicht halten kann: In allen gegenwärtigen Hochsprachen lassen sich alle philosophischen Probleme in gleicher Weise ausdrücken. Sicher ist nur, dass man nicht Wort für Wort und Satz für Satz übertragen kann. Etwas ausholen wird man schon müssen.
Eine Ausnahme machen vielleicht jene Problemstellungen, die sich ausschließlich aus der jeweiligen Sprache selbst ergeben. Wenn z. B. Innuit unglaublich viele Begriffe für "Schnee" besitzen, dann muss die deutsche Übersetzung den jeweiligen Zustand näher beschreiben. Oder das Deutsche enthält keine einfache Entsprechung des "present perfect" im Englischen. Aber man kann solche "Klippen umschiffen".
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#59
(10-07-2011, 20:25)Ekkard schrieb: Da hat es im 19. Jahrhundert deutschtümelnde Denker gegeben, die dies genauso behauptet haben.


Schwerlich. Denn die Semantik und der Strukturalismus - die genau das belegen, was ich sage -, sind erst im 20. Jahrhundert aufgekommen.
Was hat das überhaupt mit Deutschtümelei zu tun? Es gilt für alle Sprachen der Welt. Hast Du überhaupt genau gelesen? Dein Totschlagargument fehlte mir echt noch.

Kannst Du mal genau erklären, von was Du meinst, das "genau dies" von deutschtümelnden Denkern behauptet wurde?


(10-07-2011, 20:25)Ekkard schrieb: Inzwischen wurde aber nachgewiesen, dass man eine solche Behauptung nicht halten kann: In allen gegenwärtigen Hochsprachen lassen sich alle philosophischen Probleme in gleicher Weise ausdrücken.


Es ist durchaus aktueller Stand der Diskussion, dass die Struktur der Sprache bestimmte Probleme überhaupt erst hervorbringt. Der Strukturalismus hat aufgezeigt, dass indianische Sprachen ein ganz anderes Denken haben, weil die Sprache nichts anderes zulässt.

Das gilt auch für chinesische philosphische Texte. Sie sind fast unübersetzbar. Ein riesiger Anmerkungsapparat kann vielleicht erleichtern, aber das chinesische Denken ist für den Westleuropäer aus der Übersetzung selber nicht erkennbar.

In einem Kulturkreis, in dem es eine "lingua franca" gibt - wie im Mittelalter und der frühen Neuzeit das Latein, heute das Englische - ist die Situation natürlich eine andere. Wenn alle Philosophen auf Latein schreiben, dann werden nur solche phiosophischen Probleme thematisiert, die eben mit der lateinischen Sprache ausdrückbar sind oder überhaupt erst geschaffen werden.


(10-07-2011, 20:25)Ekkard schrieb: Etwas ausholen wird man schon müssen.

Klar wird man ausholen müssen. Aber vorsichtig mit unlauteren Vorwürfen muss man auch sein, Ekkard. Du scheinst den Punkt nicht verstanden zu haben.

Einer Sprache, die zum Beispiel in seiner Struktur gar kein Objekt hat, lässt sich Hegel schwer plausibel machen, oder? Damit sind dann die Hegelschen Probleme widerlegt, oder irrelevant geworden. Das ganze Subjekt-Objekt-Denken ist nur in Sprachen möglich, die diese Struktur aufweisen.



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#60
Im Japanischen gab es bis vor nicht all zu langer Zeit keinen Begriff für "Ich". Erst über den Kontakt mit Europa lernten die Japaner den Begriff des Individuums kennen. Nicht in jeder Sprache gibt es annähernd gleich Begriffe, manche Ideen fehlen völlig, die einen Zustand, Abstraktes oder einen Gegenstand beschreiben.
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