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Sinn der Philosophie
#31
(07-07-2011, 10:04)Theodora schrieb: Wildes Denken, das ist für mich der Sinn der Philosophie. Zweckfrei. Niemanden Herr und niemanden Sklave. Weder eines Beweises bedürftig noch verpflichtet. Denken, über den Horizont hinaus. Spielen, Phantasie und das ist Denken allemal. Wild sein, in Bewegung sein. Ein anarchistisches Element ist das durchaus. Erstarrte Denksysteme fürchten sich davor. Dann ergehen Sanktionen, Zensur, Überwachung und Normatives, Kontollierbares wird erzwungen.

Was du schreibst gefällt mir zu einem Teil, vor allem das "wilde Denken" und das "anarchistische Element".
Es kann alles hinterfragt werden und Regeln können hier störend wirken.
Aber: Ist das wirkliche Philosophie, wenn du schreibst "weder eines Beweises bedürftig noch verpflichtet"?
Um zu einem Ergebnis zu kommen benötigen wir doch Beweise oder nicht?
Wäre dies nicht der Fall, dann wäre jede beliebige Aussage bereits Philosophie.
Gedanken im luftleeren Raum sozusagen, die einfach hingeworfen wurden, wo sich aber niemand verpflichtet fühlt sich auch den Weg anzusehen woher diese Gedanken kommen.
Sollte man nicht wenigstens sich selbst gegenüber einen Beweis erbringen, warum man zu bestimmten Schlussfolgerungen kommt?
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#32
Wie willst Du denn auch nur einen einzigen Satz eines Philosophen beweisen?

Wie willst Du Platos Sicht im Höhlengleichnis beweisen?
Wie Nietzsches Satz: "Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch"?
Wie die Überlegungen der Vorsokratiker, was der Urbeginn ist. Ihre Antworten: der eine sagt: das Feuer war zu Beginn. Der andere sagt: das Wasser war zu Beginn. Der dritte sagt: die Vernunft war zu Beginn.

Andere Philosophen sagen wieder: das Chaos war zu Beginn.

Die Hermeneutiker sagen, dass kein Mensch etwas über die Wirklichkeit aussagen kann, was er nicht schon vorher als These aufgestellt hat. Und die Hermeneutik ist ebenfalls Philosophie.

Man kann natürlich die These aufstellen: jede Philosphie, die ihre Thesen nicht beweist, sei keine Philosophie. Dann ist aber die ganze Philosphiegeschichte gekappt, und übrig bleiben ein paar Logiker ab 20. Jahrhundert, die man aber auch in den Bereich Mathematik oder Sprachwissenschaft verschieben kann.
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#33
Beweis (als philosophischer Terminus) ist eine strenge Begründung einer Behauptung. Im engeren Sinn ist ein Beweis ein gültiger Schluss, abgeleitet aus wahren Prämissen (aus wahr angenommenen Hypothesen) oder aus unbeweisbaren Axiomen.

Die Aufregung, die es verursacht, wenn im philosophischen Zusammenhang nach einem Beweis verlangt wird, verstehe ich nicht.

Zu formulierten Lehrsätzen, den Beweis mitzuliefern, ist unter Philosophen die Regel, nicht die Ausnahme.

Ein Beispiel sauberer Beweisführung zu aufgestellten Lehrsätzen ist Spinozas Ethik.

MfG B.
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#34
(06-07-2011, 11:43)Ekkard schrieb: Nochmal etwas einfacher ausgedrückt und an die Vertreterin dieser Art der Interpretation gerichtet: Dem deutschen Zuhörer bzw. Bibelleser steht nur der Kontext aus den verschiedenen Übersetzungen zur Verfügung, die durchwegs alle sinngemäß dieselbe Story erzählen. Von den Sprachbildern her gesehen, sind die Geschichten also gleich. Da ergeben die in der Übersetzung unterdrückten Nebenbedeutungen in Einzelbetrachtung keinen Sinn. Auf diese Weise reiht sich seit Runden ein Missverständnis an das andere.

Es ist also durchaus philosophisch (gesehen) sinnvoll, solche Behauptungen kritisch zu durchleuchten, also besonders die Frage zu stellen, wie eine einzelne Wortbedeutung in den Kontext passt.

Ekkard, Du sagst hier etwas Richtiges. Die große Schwierigkeit ist das fehlende Hintergrundwissen. Ich werde mich bemühen, viele, viele möglichst einfache Beispiele zu bringen. Bitte habt etwas Geduld - und schaut es Euch an - und bitte kritisiert in der Richtung, was zum Verständnis an der Darstellung fehlt. Mit etwas Übung und Überblick wird das verstanden. Für das erste Kapitel der Schöpfungsgeschichte habe ich Tage gebraucht, um alle Wenn und Aber des hebräischen Textes zu klären. Das sind sehr schwierige Texte. Sie schauen nur so einfach aus.

Die Grundidee ist einfach die Sprache. Es geht nicht um die einzelnen Wörter, welche die Übersetzung bietet, sondern um den Wortkomplex der hebräischen Sprache. Harmagedon - erscheint als ein Endzeitszenario aber har magdon ist ein Berg voller Köstlichkeiten. Diese Verbindung kann eben die Übersetzung nicht bieten - egal in welcher anderen Sprache sie genommen wird. Und warum der Berg voller Köstlichkeiten eine Bedeutung hat, muss auch der Zusammenhang von vorigen und nachfolgenden Sätzen beleuchtet werden - und auch da kommen die Dreher vor. Das war ja die Kunst der Schriftauslegung, von der die Schriftgelehrten sprachen und sehr angesehen waren, damals.


Bion, zu Deinem gestrigen Beitrag:
Zitat:Die biblischen Texte werden auch von jüdischen Theologen dem Sinn nach nicht in einem Maße abweichend gelesen, dass daraus völlig neue Botschaften entstünden. Das ins Deutsche übertragene jüdische Textverständnis wird für mich durch die Buber-Rosenzweig-Übersetzung bestens repräsentiert. Auch die Übersetzung von Joseph Herman Hertz, ehemals Oberrabbiner der jüdischen Gemeinden des Britischen Reichs, ist eine gute Basis, sich mit jüdischem Denken vertraut zu machen.

Mit Judentum vertraut durch wen? Hertz oder Buber-Rosenzweig oder mit dem Rockefellerimperium? Bion, da liegen Welten dazwischen. Du wirst nicht vertraut mit dem Deutschtum, wenn Du Dichter, Arbeiter, Wissenschaftler, Bauern oder Schüler als einzelnes Muster aus dem Strauß nimmst. Judentum in Deutschland ist und war etwas anderes als das Judentum im Orient. Dort waren die meisten Juden. Länder wie Syrien, Lybien und Ägypten prägten ein "Judentum". Die Wurzeln liegen in Afrika und in Asien. Israel wurde begründet von russischen Einwanderern. Das Judentum hier wurde inspiriert von den christlichen Kirchen. Man machte das Gleiche, Glauben an einen Gott, beten, treffen in der Gemeinde .... Manche Gemeindemitglieder hatten den Vorteil, dass sie Hebräisch verstanden, das sie für die Verständigung untereinander als weit verzweigte Familie in vielen Ländern brauchten, und kannten weil etwas Hebräisch das auch in Jiddisch vorkommt. Damit gewannen sie einen etwas anderen Eindruck aus dem Talmud. Daraus verstehst Du das glänzende Denken eines Spinozas, der aber in "Glaubenskreisen" gemieden wurde, weil er anders dachte und weil er die alten Schriften (beinah) richtig verstand. Was er aber nicht öffentlich sagen durfte. Er setzte einen Meilenstein im Denken in der Philosophie. Er hatte jede Menge "Vorläufer". Diese Art des Denkens wird "geübt" durch die alten Schriften (wenn man sie als solche sieht und nicht auf der Übersetzung als alleinige Wertfassung besteht).

persönlich werdend, daher entfernt d.n.
Zitat:Wer etwas völlig Neues, von allem bisher dagewesenem Abweichendes präsentiert, hat die erforderlichen Beweise zu führen, wenn das mit dem Anspruch verbunden ist, es sei die einzig mögliche und somit richtige Sichtweise

Man nehme diesen BHS-Text! Sogar mit dem Primitivkurs (22 Buchstaben des hebräischen Alphabets lernen) erreicht jeder, der Lesen kann, damit die Möglichkeit in Wörterbüchern zu wühlen und den Beweis zu sehen. So einer kann sich dann überzeugen, dass mit dem Schwert erwürgen nicht geht, wie es in der Bibel steht, aber sehr wohl möglich ist, wie einer mit Öde abgewürgt wird. [xeref] heißt beides. Das stimmt, es ist völlig neu.



Bion, ich habe mir die Zeit für Hebräisch genommen, und unter Anderem dafür die Sprache gelernt, weil mich solche Stellen in der Bibel gewaltig störten und ich immer der Überzeugung war, dass man solche Texte nicht aufbewahrt hätte, wenn sie Unfug enthielten.
Bion bitte versteh, es gibt eine "Vernunftbildung", die nicht auf Zitate und das Wissen über Philosophie angewiesen ist, sondern jedem sozusagen angeboren ist. "Aug um Aug" kann nicht sein, das wäre ungerecht und sinnlos. Wenn aber zu lesen ist, "statt einer Quelle eine andere Blickweise" und dieser Wortschatz bekannt ist, erscheint es mir vernünftiger alle Betrachtungsweisen in Betracht zu ziehen, auch die der anderen, statt aufeinander loszugehen.

Zitat:Zumindest die Methode, nach der man philosophisch untersucht, sollte vorgestellt werden.

Die Methode ist die vernünftige Überlegung bei möglichem Wortschatz.

Man hat sich bisher leider NIE um die Belange gekümmert. Nie die andere Seite betrachtet. Siehe Deine Reaktion als Gelehrter heute. Mir genügt die gängige vernünftige Überlegung. Du erwartest "Beweise" von anderen Leuten gegen oder für das Thema Auslegung. In früherer Zeit war das noch schlimmer. Da war die Öffentlichkeit noch nicht "Atheist oder Kommunist oder Friedensforscher".

Zitat:Überhaupt nichts halte ich von dem Anspruch, man habe sich auch bei sehr eigenartigen Vorstellungen von Wahrheiten, jeder kritischen Bemerkung zu enthalten.

Bion, jedes Abwürgen einer Sinn bringenden Idee ist "verboten - Kritik die aufbaut, und das Sinnvolle noch verbessern kann - dagegen erwünscht. Ich mache es doch nicht so, wie es die Glaubensansichten vorschrieben - keine Kritik. Gerade wegen der allgemeinen Kritik in Glaubensfragen habe ich mich an die Arbeit gemacht, den Grund für die Abweichungen zu finden bei einer Schrift, die einmal sehr berühmt war und gelobt wurde.


Zitat:Insbesondere für ein "Laienforum" ist es nötig, Beiträgen, die Sonderwissen zum Inhalt haben, das entgegenzuhalten, was Stand der Wissenschaft ist.

Bion, dann leg mal los ... ich bin ganz Ohr.
Unsachlich, daher entfernt. d.n.

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#35
Was aber ist, Bion, wenn der philosophische Beweis völlig fehlt, völlig fehlen muss -. weil die aufgestellte These so neu ist das sie erst durch die zukünftige Praxis belegt werden kann?

Als Beispiel: Die demokratische Baha'i-Verwaltungsordnung ist strukturell in der Verknüpfung von Basisdemokratie und temporärem Bestimmungsrecht so neu(artig), das es unmöglich ist einen „Beweis“ für ihre Wirksamkeit zu erstellen – es bleibt hier nur die „Try and Error“ Methode. Da aber diese Form der Demokratie so völlig neu ist, sind Irrtümer innerhalb des Systems höchst wahrscheinlich – es bedarf eines geradezu „evolutionären Prozesses“ um diese Form der Demokratie soweit zu verbessern, dass ihre Wirksamkeit in der Zukunft auch bewiesen werden kann.

Ein weiteres, diesmal aus der Physik abgeleitetes Beispiel: Nach den derzeitig gültigen physikalischen Theorien ist ein „Pepetuum mobile“ unmöglich. Gleichzeitig gibt es aber auch den philosophischen Ansatz, das „Energie“ im Universum niemals verloren geht, sondern lediglich die „Form“ wechselt und somit solange „präsent“ ist, solange das Universum besteht.

Kombiniert man beide Aussagen miteinander, so müsste man die neue These aufstellen, dass das „Perpetuum mobile“ möglich ist, sofern man eine Möglichkeit implentiert, um sich die „transformierte und ewige Energie“ des Universums nutzbar zu machen. Solange man diese Möglichkeit nicht gefunden hat – lässt sich diese These auch nicht beweisen. Ist es jetzt „korrekter“ auf die vorher postulierte „Unmöglichkeit“ des Perpetuum mobile zu verweisen – oder ist es korrekter nach Möglichkeiten zu suchen, die die neue These beweisen können?
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#36
Von Spinozas "Ethik" war ich als Studentin geradezu betört. Hingerissen, in das Werk geradezu verliebt.

Aber nie je bin ich auf die Idee gekommen, dass Spinoza da mit "Beweisen" über die Wirklichkeit aufwarten will.

Er hat Definitionen aufgestellt, die in sich selbst zusammenhängen und seine Meinung über die Zusammenhänge ethischer Verhaltensweisen darlegen.

Aber da gibt es keinen Beweis, dass diese ethischen Zusammenhänge in den Menschen stimmen. Sie stimmen nur als Definitionsgebäude innerhalb der Spinoza'schen Setzungen.

Ich war damals in vielererlei Hinsicht mit Spinoza einverstanden. Andere aber sind es nicht. Und ob ich es heute bin, weiß ich nicht.

Auf jeden Fall ist die "Ethik" von Spinoza kein naturwissenschaftliches Werk, sondern ein geisteswissenschaftliches Werk, und Beweise - nachprüfbare, wiederholbare - gibt es in der Geisteswissenschaft (als solcher) nicht.

Spinzoa benutzt auch den Begriff "Gott", setzt ihn voraus, und baut auf dieser Basis sein System auf. Meiner Erinerung nach versucht er nicht einmal einen Gottesbeweis. Er will überhaupt nichts beweisen. Er will seine Sicht darlegen, seine eigene pesönliche Haltung zu den menschlichen Grundfragen.
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#37
(06-07-2011, 23:21)Gundi schrieb: Die Logik, also einfach die Fähigkeit des Menschen in logischen, kausalbedingten Dimensionen zu denken, kann, denke ich, schon als ein "Hauptpfeiler" des menschlichen Verstandes betrachtet werden.
Einfach nur diese Fähigkeit.

Ich will hier sicher nicht der Nutzung von Logik widersprechen, aber ich sehe in assoziativem sowie in emotional oder bekenntnisgesteuertem Denken auch andere Denksysteme, die von den Menschen genauso benutzt werden.

(06-07-2011, 23:21)Gundi schrieb: Diese Begriffe kann man natürlich in Frage stellen, doch was ändert das? Wenn die zwei nun grmpf heißen würde, dann wäre eins plus grimpf trotzdem drei.
Das in der Mathematik die Frage nach Wirklichkeit gestellt wird, wurde von mir nicht behauptet.
Aber mal eine andere Frage: Welchen Aspekt der Mathematik findest du denn sinnvoll zu hinterfragen bzw. wie würdest du es tun?

Eins plus grimpf muss keineswegs unbedingt drei ergeben.
Es könnte auch z.B. "einige" ergeben.

Soweit mir bekannt ist, gab/gibt es Kulturen, in denen nur 1,2,wenige,viele,... bekannt ist.
Vielleicht analog zu Person,Paar,Familie,Stamm,...

Mathematik ist wie ihre Grundlage, die Logik, nur ein Ordnungssystem.

Der oben zitierte Nietzsche hat z.B. Sokrates aufgrund seiner "Dialektik" kritisiert.
Er bezeichnete es als eine Methode der Schwäche, da "Ordnungssysteme" die Wirklichkeit einschränken/ nicht korrekt abbilden.


Edit :
Ein einfaches, und von mir so erlebtes Beispiel *g*:

Meine Frau schickt mir folgende SMS :

"Bitte kaufe noch Brot oder Toast und Butter."

Gemäß der boolschen Algebra und Ockams Messer kaufe ich also ein Brot.
Ich hatte ja die Wahl zwischen "Brot" oder "Toast und Butter".
"Und" geht schließlich vor "oder".

Nun, da ich abseits boolscher Logik auch noch anders bewandert bin, habe ich in Wirklichkeit natürlich Brot und Butter gekauft. *g*

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#38
(07-07-2011, 21:32)Karla schrieb: Aber nie je bin ich auf die Idee gekommen, dass Spinoza da mit "Beweisen" über die Wirklichkeit aufwarten will.

Es ging doch um die Beweisführung als philosophisches Verfahren.

Ein paar Anmerkungen zu Spinozas Ethik:

Das Werk ist in fünf Teile gegliedert:

Über Gott (Teil I.) bis Über die Macht des Verstandes oder die menschlicher Freiheit (Teil V.).

Das Werk ist nach der geometrischen Methode aufgebaut. Die Methode wurde durch Descartes und Spinoza selbst vorgebildet. Das Werk besteht aus Definitionen, Axiomen, Propositionen (Lehrsätzen), Demonstrationen (Beweisen), Corollarien (Zusätzen), Appendices (Anhängen), Explikationen (Erläuterungen) und Scholien (Anmerkungen).

Keiner einzigen, in den Lehrsätzen vorgestellten Behauptung bleibt der Beweis vorenthalten.

Dass die angebotenen Beweise hinterfragt (auch widerlegt) werden können, ist Teil der philosophischen Praxis und der philosophischen Diskussion.

Wittgenstein hat seine Beweisführung in der "Logisch-philosophischen Abhandlung" selbst hinterfragt und teilweise widerlegt, und zwar im Rahmen seiner Vorlesungen (1930-1935).
MfG B.
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#39
Tja Bion,

was ist philosophisch „ein Beweis“?

Jede Religion kann für sich den Beweis antreten, das ihre Kernaussage die einzig richtige Aussage ist. Witzigerweise anerkennen die Religionen untereinander meistenteils die Wichtigkeit der Vorgängerreligion, bestreiten aber vehement die Richtigkeit der Nachfolger. Ebenso witzigerweise sind sich die Gelehrten und Führer aller Religionen darüber einig, dass die „absolute Wahrheit“ einzig und alleine bei Gott liegt, trotzdem wird die eigene Position – Jesus als „Erlöser“, Muhammad als „Vollender“, um zwei miteinander konkurrierende Beispiele zu nennen - bis zum Erbrechen verteidigt. Auf die Idee, das Jesus und Muhammad nur zwei Seiten einer Medaillie, dass die Religionsstifter allgemein „nur“ Facetten einer allumfassenden übergeordneten Wahrheit sind, kommt keiner (oder will keiner kommen).

Oder nimm die Frage des juristischen Beweises: Es ist eine Kette von Indizien entstanden, die spekulativ miteinander verbunden eine „Beweiskette“ sugestieren. Aber ein Augenzeugenbeweis oder ein Tatsachenbeweis ist nie zustande gekommen – das Gericht wird also im Falle einer Verurteilung den Standardsatz verkünden: „Das Gericht ist zu der Überzeugung gekommen....“. Nur: In der demokratiuschen Rechtsordnung geht’s nicht darum, welche Überzeugung das Gericht hat, sondern es geht um den „hieb- und stichfesten“ Augenzeugen- und/oder Tatsachenbeweis. Und wenn der fehlt kann die Indizienkette noch so „lückenlos“ sein; sie bleibt letztlich eine Spekulation die zielgerichtet auf ein bestimmtes Ereignis hin ausgerichtet ist. Das fällt aber in der Regel keinem Gericht auf – man verurteilt fleissig weiter auf Grundlage der Spekulation, anstatt dem, Grundsatz „in dubios pro reo“ Geltung zu verschaffen...
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#40
(08-07-2011, 03:46)t.logemann schrieb: was ist philosophisch „ein Beweis“?

Das wurde bereits im Beitrag 33 ausgeführt.

Also nochmals:

Beweis (als philosophischer Terminus) ist eine strenge Begründung einer Behauptung. Im engeren Sinn ist ein Beweis ein gültiger Schluss, abgeleitet aus wahren Prämissen (aus wahr angenommenen Hypothesen) oder aus unbeweisbaren Axiomen.

Weitere Erläuterungen:

Beweise können (in der Logik, der Mathematik, in den Erfahrungswissenschaften) verschiedene Formen haben, zB modus ponens (bei der mathematischen Induktion, der Erklärung und Bewährung von Hypothesen), modus tollens[/i] (bei der Falsifikation von Hypothesen), hypothetischer Syllogismus, disjunktiver Syllogismus (beim Ausschluss von Alternativen). Reductio ad absurdum als Verfahren eines indirekten Beweises, etc.

(08-07-2011, 03:46)t.logemann schrieb: Oder nimm die Frage des juristischen Beweises:

Dass dieser mit dem philosophischen Beweis nicht zu tun hat, ist Dir aber schon klar?

Der juristische Beweis ist das Mittel, das eine richtende Behörde von der Wahrheit einer Behauptung überzeugen soll. Wer etwas behauptet, trägt vor Gericht (einer Verwaltungsbehörde) die Beweislast.
MfG B.
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#41
(07-07-2011, 22:55)Mustafa schrieb:
(06-07-2011, 23:21)Gundi schrieb: Die Logik, also einfach die Fähigkeit des Menschen in logischen, kausalbedingten Dimensionen zu denken, kann, denke ich, schon als ein "Hauptpfeiler" des menschlichen Verstandes betrachtet werden.
Einfach nur diese Fähigkeit.

Ich will hier sicher nicht der Nutzung von Logik widersprechen, aber ich sehe in assoziativem sowie in emotional oder bekenntnisgesteuertem Denken auch andere Denksysteme, die von den Menschen genauso benutzt werden.

Ich sagte ja auch gar nicht, dass nur die Logik den Menschen ausmacht.
Wenn wir aber etwas zu Grunde legen wollen, mit dem theoretisch jeder Mensch in gleicher Weise arbeiten kann (und womit wir allgemeingültige Aussagen treffen können) dann bringen uns bekenntnisgesteuerte Denksysteme wahrscheinlich nicht viel weiter, da diese austauschbar und überhaupt nicht verbindlich sind.
Die Fähigkeit jedoch, logische Schlussfolgerungen zu ziehen, scheint mir etwas für alle Menschen identisches zu sein, auch wenn die einzelnen Systeme in welchem sich dieses Denken ausdrückt vieleicht unterschiedlich sind.

(07-07-2011, 22:55)Mustafa schrieb:
(06-07-2011, 23:21)Gundi schrieb: Diese Begriffe kann man natürlich in Frage stellen, doch was ändert das? Wenn die zwei nun grmpf heißen würde, dann wäre eins plus grimpf trotzdem drei.
Das in der Mathematik die Frage nach Wirklichkeit gestellt wird, wurde von mir nicht behauptet.
Aber mal eine andere Frage: Welchen Aspekt der Mathematik findest du denn sinnvoll zu hinterfragen bzw. wie würdest du es tun?

Eins plus grimpf muss keineswegs unbedingt drei ergeben.
Es könnte auch z.B. "einige" ergeben.

Das stimmt. Ändert aber nichts an der Tatsache dass drei auch korrekt ist und nicht auf einmal falsch wird. Wir hantieren hier doch lediglich mit Ordnungsbegriffen.


(07-07-2011, 22:55)Mustafa schrieb: Der oben zitierte Nietzsche hat z.B. Sokrates aufgrund seiner "Dialektik" kritisiert.
Er bezeichnete es als eine Methode der Schwäche, da "Ordnungssysteme" die Wirklichkeit einschränken/ nicht korrekt abbilden.

Damit hat Nietzsche bestimmt auch recht. Wie du bereits sagtest, gibt es ja auch noch Emotionen oder bekenntnisgesteuerte Denksysteme.
Aber auch hier werfe ich ein: Um für alle Menschen eine einheitliche Grundlage zu schaffen, sozusagen ein einheitliches Bezugssystem herzustellen, taugen diese Dinge nur im kleinen Rahmen.
Verschiedene Situationen können unterschiedliche Emotionen hervorrufen, Bekenntnisse können total verschieden sein.
Logische Überlegungen hingegen, sollten theoretisch jedoch von jedem Menschen nachvollzogen werden können.

(07-07-2011, 22:55)Mustafa schrieb: Edit :
Ein einfaches, und von mir so erlebtes Beispiel *g*:

Meine Frau schickt mir folgende SMS :

"Bitte kaufe noch Brot oder Toast und Butter."

Gemäß der boolschen Algebra und Ockams Messer kaufe ich also ein Brot.
Ich hatte ja die Wahl zwischen "Brot" oder "Toast und Butter".
"Und" geht schließlich vor "oder".

Nun, da ich abseits boolscher Logik auch noch anders bewandert bin, habe ich in Wirklichkeit natürlich Brot und Butter gekauft. *g*

Punkt für dich Icon_smile
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#42
(07-07-2011, 21:32)Karla schrieb: Von Spinozas "Ethik" war ich als Studentin geradezu betört. Hingerissen, in das Werk geradezu verliebt.

Aber nie je bin ich auf die Idee gekommen, dass Spinoza da mit "Beweisen" über die Wirklichkeit aufwarten will.

Auch Spinoza wird seine Idee begründet haben bzw. erklärt haben wie er dazu kommt.
Es sagt ja niemand, dass der Beweis ein endgültiger sein muss. Wir befinden uns im Bereich der Ethik zu einem Großteil auf metaphysischem Niveau, absolute Beweise sind daher nicht möglich, bzw. sind immer bezogen auf die Ansichten des Verfassers.
Dennoch muss der Philosoph mitteilen wir er zu seiner Idee kommt.
Wenn ich zb. sage: "Menschen zu töten ist moralisch verwerflich!", dann ist das doch noch keine Philosophie, sondern lediglich eine dahin gestellte Aussage, die ich nun auch erklären, eben "beweisen", muss.
Und erst diese Begründung, das zu rate ziehen von anderen Meinungen, Ansichten, Erfahrungswerten etc. verleiht einer solchen Aussage Gewicht.
Ich muss erklären, weshalb ich diese Ansicht vertrete.

(07-07-2011, 21:32)Karla schrieb: Auf jeden Fall ist die "Ethik" von Spinoza kein naturwissenschaftliches Werk, sondern ein geisteswissenschaftliches Werk, und Beweise - nachprüfbare, wiederholbare - gibt es in der Geisteswissenschaft (als solcher) nicht.

Doch die gibt es schon. Statistiken zum Beispiel.

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#43
(08-07-2011, 10:43)Gundi schrieb:
(07-07-2011, 21:32)Karla schrieb: Auf jeden Fall ist die "Ethik" von Spinoza kein naturwissenschaftliches Werk, sondern ein geisteswissenschaftliches Werk, und Beweise - nachprüfbare, wiederholbare - gibt es in der Geisteswissenschaft (als solcher) nicht.

Doch die gibt es schon. Statistiken zum Beispiel.


Nen, Satistiken sind kein geisteswissenschaftliches Instrumentarium. Darum fügte ich ja auch in Klammern extra hinzu "(Geisteswissenschftler als solcher").
Der Germanist ist sich dessen genau bewusst, wann er wo naturwissenschaftliche Methoden in seinen Analysen hinzunimmt.


Bei Deinem anderem Text sind mir zu viele "muss" drin. Wenn ich philosophiere, lasse ich keinem Druck von außen zu. Philosphieren ist das Gegenteil von "sich den Ansprüchen anderer unterwerfen".

Mir ist schleierhaft, woher das Bedürfnis kommt, immer den Daumen drauf zu halten, dass der andere ja das tut, was sich so eingebürgert hat und was man sich selber wünscht.

Mir wird in diesem Thread erst so richtig der Sinn des Phiosophierens klar: diesem Druck seitens der anderen auszuweichen, sich die Freiheit zu nehmen, sich selber zu befragen, bis in die Tiefen der Exstenz hinein, und den Ansprüchen der anderem mit ihrem "du musst", "du sollst", "du hast das und das zu tun, sonst philosophierst du nicht" einfach nicht zu gehorchen.

Phlosophieren ist auch Aufsässigkeit, und darum wird sie in allen Diktaturen gemaßregelt.



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#44
(08-07-2011, 10:43)Gundi schrieb: Auch Spinoza wird seine Idee begründet haben bzw. erklärt haben wie er dazu kommt.

Es sagt ja niemand, dass der Beweis ein endgültiger sein muss. Wir befinden uns im Bereich der Ethik zu einem Großteil auf metaphysischem Niveau, absolute Beweise sind daher nicht möglich, bzw. sind immer bezogen auf die Ansichten des Verfassers.
Dennoch muss der Philosoph mitteilen wir er zu seiner Idee kommt.

Spinoza hat jede seiner Behauptungen begründet. Das ist, wenn man seine Ethik liest, nicht zu übersehen.

Ich fürchte, dass manche mit dem philosophischen Begriff des Beweises Einordnungsprobleme haben.

Wie Du richtig angemerkt hast, ist in der Geisteswissenschaft das, was man als Beweis bezeichnet, die plausible Begründung einer Annahme bzw. einer Behauptung.

Dass Annahmen auch durch Ergebnisse statistischer Erhebungen an Plausibilität gewinnen können, ist offensichtlich.
MfG B.
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#45
(08-07-2011, 10:34)Gundi schrieb:
(07-07-2011, 22:55)Mustafa schrieb: [quote='Gundi' pid='101099' dateline='1309987276']

Die Logik, also einfach die Fähigkeit des Menschen in logischen, kausalbedingten Dimensionen zu denken, kann, denke ich, schon als ein "Hauptpfeiler" des menschlichen Verstandes betrachtet werden.
Einfach nur diese Fähigkeit.
[...]
Verschiedene Situationen können unterschiedliche Emotionen hervorrufen, Bekenntnisse können total verschieden sein.
Logische Überlegungen hingegen, sollten theoretisch jedoch von jedem Menschen nachvollzogen werden können.

Davon kann man, meine ich, nicht ausgehen.

1.
Die Begrifflichkeiten der Sprachen sind verschieden und die Begriffe können oft nicht wirklich übersetzt werden und oft ändert das die Kernaussage und die Begründungen, die darauf aufbauen, werden unverständlich.

Ein Beispiel, wo etwas ganz grundsätzlich schief gelaufen ist, ist die (vermeintliche) Aussage der Advaita: "Nichts auf der Welt ist wirklich, alles ist Illusion. Nur Brahma ist wirklich". (Eine Aussage, die z. B. Köstler völlig konsterniert hat)

Dazu muss man wissen, dass das Sanskrit Wort, das mit "wirklich" übersetzt wurde, nach seiner Definition "ewig und unveränderlich" und "auf ewig unveränderlich" bedeutet. (Maya ist auch mit "Illusion" falsch übersetzt, für dieses Beispiel ist das aber irrelevant.)

Durch diese falsche Übersetzung des Sanskritworts in die westlichen Sprachen ist die Advaita Philosophie für uns nicht nachvollziehbar. Nur ein Sanskritgelehrter kann die Logik der Aussagen dieser Philosophie verstehen und begutachten.

Das zeigt sich sehr krass an der tibetischen Logik.

Sie ist innerhalb ihres Systems sehr stringent und - für Tibeter - logisch aufgebaut.

Den Tibetologen sträuben sich aber oftmals dabei die Haare.

Ein Beispiel:

Einer von ihnen zitierte : Nur die Aussage (exemplifiziert durch): "Nur der Elefant, der momentan nicht hier vor uns auf derm Tisch steht, ist wirklich" - und das kam ihm und den Mitgliedern des Seminars als völlig abstrus vor.

Aber eigentlich ist das völlig logisch, wenn man sich die Definition von "wirklich" vor Augen hält: Dieser Elefant hat ewig und unveränderlich nie auf dem Tisch gestanden und wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie tun Icon_lol

Was ich sagen will: Damit Deine Aussage stimmt, müsste man mit den Grundsätzen und Begrifflichkeiten der jeweiligen Logik sehr sehr gut vertraut sein und zusätzlich bereit sein, diese Grundsätze zu akzeptieren.

Erst wenn die Logik der verschiedensten Völker (und Individuen) von denen aus anderen Systemen gründlich bekannt ist, könnte man entscheiden, ob Logik wirklich immer nachvollzogen werden kann.




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