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Meine Glaubensentwicklung
#9
Ich bin "überwiegend römisch-katholisch" aufgewachsen.

Meine Mutter war Atheistin, mein Vater liberaler Katholik.

Meine Grosseltern (2 Grossmütter, 2 Grossväter) waren alle vier "anders": die eine "streng katholisch", ihr Mann lutherisch, der andere atheistisch und seine Frau russisch-orthodox. Oh, ja, das war eine Mixtur...

Als Kind habe ich alles geglaubt, was die Kirche so lehrte. Aber in der beginnenden Pubertät wurde das alles mehr und mehr infrage gestellt (wie halt alles...), aber gut aufgefangen durch einen Pastor, der sich für das II. Vaticanum und seine Veränderungen begeisterte, also heute wohl als "linksliberal" gelten würde. Dieser Mann hatte neben der streng-katholischen Oma grossen Einfluss auf mein religiöses Denken und Fühlen, und ich denke, diesen beiden waren auch der "Anlass", dass ich mir mit ca. 14 überlegte, katholische Theologie zu studieren und Priester (bzw. genauer: Mönch) zu werden. Meine Mutter "schluckte" diesen Wunsch, wenn auch nicht begeistert; mein Vater dachte, ich sei nun endgültig übergeschnappt... Icon_wink

Allerdings lernte ich mit 18 meine spätere Freundin kennen, und da spürte ich dann mehr und mehr, dass ich nicht zölibatär leben wollte. Das änderte aber nichts an meinem "links-liberalen" Katholizismus. Wo ich damals "kirchlich" ungefähr stand, kann man daran ersehen, dass Heinrich Böll und Luise Rinser damals meine Vorbilder waren, auch und vor allem in ihrem kritischen Katholizismus.

Nach Beginn meiner Ausbildung wurde das allerdings immer mehr infrage gestellt. Wodurch das geschah, kann ich nicht exakt formulieren, es war ein schleichender Prozess, der wohl vor allem damit zu tun hatte, dass ich aus einem sehr behüteten, dörflichen Elternhaus in eine 100 km entfernte Grossstadt kam und mir dort einen Freundeskreis schuf, der fast ausschliesslich aus kritischen Studenten, Alt-68ern (damals noch "Fast-Neu-68er") und Kirchenkritikern bestand. Ich glaube, wenn ich damals einen Freundeskreis gehabt hätte, wie ich ihn in meiner Jugend in meinem Dorf gehabt hatte (durchaus kritisch, aber kirchlich orientiert), wäre ich einen anderen Weg gegangen.

Kurz und gut, ich begann mehr und mehr auch am kritischen Katholizismus zu zweifeln, glaubte aber nach wie vor an Gott (im christlichen Sinne). Mit 25 Jahren trat ich aus der röm.-kath. Kirche aus, sah mich aber weiterhin als Christen. Aber je mehr ich lernte, diskutierte und "wusste" (Ausbildung, Studium, Diskussionen mit Freunden, Literaturlektüren), umso weniger konnte ich das alles glauben oder auch nur nachvollziehen. Meine Ratio machte da nicht mehr mit; Verstand, Vernunft, Intellekt etc. wurden immer wichtiger in meinem Denken und "Glauben" (oder Nichtglauben).

Seit ca. 1980 nannte ich mich Atheist, denn ich glaubte "an nichts" mehr, jedenfalls an nichts, das ich nicht sah, oder zumindest halbwegs erklären oder wenigstens irgendwie (und sei es nur halb-logisch) ableiten konnte.

Mitte der 80er Jahre starb ganz und gar unerwartet mein Vater, was mich wieder auf die "Suche nach etwas" brachte. Ich glaubte, das im Buddhismus zu finden, und ging diesen Weg 10 Jahre.

Mitte der 90er Jahre erkrankte ich selbst schwer, was eine Behinderung und Berentung nach sich zog, und seltsamerweise trennte mich diese persönliche Erfahrung wieder vom Buddhismus. Näheres möchte ich dazu hier nicht sagen, weil es sehr persönliche Dinge betrifft, die auch nicht so gut "anonymisieren" kann wie diesen Text hier.

Seitdem "suche" ich. Der Atheismus ist für mich keine Antwort auf diese Suche, obwohl ich mich selbst manchmal Agnostiker nenne. Meist aber nenne ich mich Pantheist, wobei "mein" Pantheismus eher ein suchender Pantheismus ist. Er ist meine vorläufige (!) Antwort auf meine Fragen und Suchen, die sich durchaus auch noch ändern kann.

Was und warum ich suche, kann ich noch nicht einmal genau sagen. Vielleicht Ruhe. Geistliche, innere Ruhe, die ich bisher nicht finden konnte. Möglicherweise hat das auch mit meiner atheistisch-multikonfessionellen Familie zu tun, ich konnte dort religiös keine Wurzeln schlagen, weil ich immer wieder von dem einen oder anderen auf andere Denk- und Glaubenswege mitgenommen worden bin. Und vielleicht ist das die Ursache meiner Suche?! Ich weiss es nicht. Ich weiss aber, dass atheistische Antworten mich genauso wenig zufriedenstellen wie konfessionell-religiöse Antworten.

Momentan vertiefe ich mich mit grosser Freude und Interesse in das Thema "Wüstenväter". An ihnen fasziniert mich das Unkonventionelle, das manchmal regelrecht Anarchistische, und auch die von mir jedenfalls so wahrgenommene Nähe zum (Zen-)Buddhismus (da gibt es etwas Ähnilches wie die Koanpraxis, es gibt einen zeitweiser (manchmal auch dauerhaften) Rückzug, vor allem auch diese wunderbare "absurde Logik", die ich aus dem Zen kenne usw.).

Gruss

DE
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Meine Glaubensentwicklung - von Der-Einsiedler - 01-11-2010, 19:28
RE: Konversion - von Ekkard - 01-11-2010, 19:37
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RE: Meine Glaubensentwicklung - von Theodora - 02-11-2010, 21:47

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