02-11-2010, 00:15
(01-11-2010, 20:54)zahira schrieb: Petronius, Romero, Humanist und Co, mich interessiert auch die Entwicklung weg vom Glauben
das will ich gerne noch mal ausführen
evangelisch getauft und konfirmiert, hat der glaube in meiner familie keine besondere rolle gespielt. was vermutlich auch an der demütigung lag, die mein vater als katholik anläßlich der mißbilligung dieser "mischehe" seitens der rkk erfahren hat. verständlicherweise war seine haltung zu religions- und kirchendingen eine insoweit distanzierte, als er solches nicht thematisierte
wie auch meine mutter hatte ich keine innigere beziehung zum evangelischen glauben als, jedenfalls von mir nur als ritual empfundene, halbwegs regelmäßige kirchenbesuche. als ich diese nicht mehr wollte, und auch den schulischen religionsunterricht nicht mehr wahrnehmen wollte (beides, in der nachschau, sicher eher aus allgemein pubertärer auflehnung zum zwecke der selbstfindung als aufgrund reflektierter glaubensentscheidung), wurde das ohne weiteres akzeptiert. ich durfte sehr früh erfahren, daß meine eltern mir viel an entscheidungsfreiheit zutrauten - wofür ich ihnen sehr dankbar bin. ich kenne zur genüge menschen, die unter strenger und bevormundender erziehung gelitten haben und das teilweise noch als erwachsene tun
die formale (protest)distanz zu den organisationsformen des glaubens hat mich aber nicht daran gehindert, zur freizeitgestaltung auf kirchennahe angebote zurückzugreifen. und möchte auch aus heutiger sicht diese erfahrungen mit christlicher jugendarbeit nicht missen, angefangen bei der lagerfeuerromantik und endend bei jenem glauben wollen, welches das inspirierende beispiel anderer, die ihre persönliche beziehung zu jesus reklamierten, mir vermittelte
ja, diese jesus-sache: ich hatte auch meinen intellektuellen spaß an bibelarbeit, nein - es befriedigte mich in meinem bedürfnis nach diskursiver betrachtung eines themas. aber dahinter stand doch die faszination von der vorstellung, da wäre einer, der die sache überblickt, ordnung in das chaos des (wieder in der nachschau: vor allem des pubertierenden) menschen bringt. der sich eines annimmt, der die dinge wieder ins lot bringt, leitung bietet. und dem man sich diesbezüglich jederzeit anvertrauen kann
eine schöne vorstellung, und ich hatte ja das lebendige zeugnis vor augen: freunde, die begeistert von ihrer beziehung mit freund jesus berichteten. nur bei mir wollte die sich einfach nicht einstellen. alles beten oder einfach nach gott hören bescherte mir nie das gefühl, da wäre tatsächlich einer am anderen ende der leitung. ich habe nie den hauch eines jesus, gott, wie auch immer man dieses "etwas"nennen will, wahrgenommen
ich hatte also zwei möglichkeiten: weiter so tun als ob ("ok, da teilt sich mir zwar nichts mit, aber trotzdem vertraue ich, daß es da ist"), oder die sache rational betrachten. und das hieß: wofür es keine indizien gibt, sollte nicht als plausible erklärung herangezogen werden. das postulat eines gottes erklärt nichts, was nicht auch anderweitig erklärt werden könnte. die welt, das leben, funktioniert auch ohne ein solches postulat. sodaß es (heute verweise ich auf ockhams messer, damals kannte ich dieses noch nicht) richtig ist, auf ein solches postulat zu verzichten
anders gesagt: rein rational erschließt sich mir die existenz eines höheren wesens nicht. es ist eine redundante annahme. die überzeugung von seiner existenz müßte über die empfindung laufen und läßt sich nicht herbei argumentieren
Zitat:Jesus ist für unsere Sünden gestorben. Was für Sünden hab ich begangen dass Jesus dafür gekreuzigt wurde? Und dadurch dass Jesus für meine Sünden gestorben ist kann ich jetzt sündig leben?
Keiner hat es geschafft meine Zweifel zu beseitigen
diese inkonsistenzen konnte ich auch nie auflösen. sie spielten aber in meiner glaubenswelt auch keine besondere rolle, mit diesem ganzen schuld- und erlösungsgedanken wurde ich nie eindrücklich konfrontiert
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)