Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Religionsunterricht im säkularen Staat
#46
Du meinst die Staatskirchenverträge?
Diese könnten theoretisch abgelöst werden. Und sollten sie sogar.
Artikel 138 Weimarer Reichsverfassung:
Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
Zitieren
#47
Und die sozialen Dienste gehen ebenfalls baden, wenn "man" konsequent wäre. Der Staat kann sie nicht ersetzen, weder finanziell noch personell. Das Ganze ist im Grunde genommen eine Milchmädchenrechnung...

Gruß
Zitieren
#48
Das ist falsch.
So verhält es sich beispielsweise in Baden-Württemberg:
Zitat:Der Caritasverband und das Diakonische Werk finanzieren ihre Arbeit zu 98 Prozent mit Staats- oder Versicherungsgeld – die Kirchen tragen ganze 2 Prozent der Lasten.
Entgegen der landläufigen Meinung erhalten die vielen kirchlichen Krankenhäuser und Altenheime von den Kirchen überhaupt keinen Zuschuss, denn die laufenden Betriebsausgaben (Personal- und Sachkosten) dieser Einrichtungen werden durch die Krankenversicherungen, die Investitionskosten durch die Länder finanziert.
Bei konfessionellen Kindergärten und Kindertagesstätten liegt der finanzielle Anteil der Kirchen im Mittel gerade mal bei 10 Prozent.
ibka.org/node/933
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
Zitieren
#49
Nein, Alwin,

die sozialen Dienste gehen keineswegs baden. Damit drohen die Kirchen und kirchlichen Institutionen zwar gerne, aber sie würden sich ja ins eigene Fleisch schneiden. Ich habe als Pädagoge mehrere Stellen bei kirchlichen Trägern gehabt, und weiss 100%ig, dass die sogenannten "kirchlichen sozialen Dienste" (wie übrigens ALLE freien Dienste) zwischen 70% (Minimum) und 100% vom Staat finanziert werden (meistens um die 90%; bei uns galt immer das Bonmot "Heisst das, wir dürfen 90% katholisch und 10% atheistisch sein?").

Und da die Kirchen hier also soziale Dienste haben, deren personale Struktur allein sie bestimmen dürfen, der Staat aber viel bzw. alles zahlt (das Ganze nennt sich Subsidiaritätsprinzip), wären sie ja blöde, das alles aufs Spiel zu setzen. Sie bestimmen Richtung und Personal der Institution, und werden dafür vom Staat finanziert... Wie gesagt: sie drohen damit gerne, haben aber eine Heiden(!)angst davor, dass das auch mal tatsächlich vom Staat aus aufgekündigt werden könnte.

Ich WEISS, wovon ich rede, ich habe den grössten Teil meiner beruflichen Tätigkeit in sogenannten "konfessionellen sozialen Diensten" gearbeitet (fast 15 Jahre lang, und ich habe da durchaus auch "hinter den Kulissen" gearbeitet, d.h. in leitender Funktion, als jemand, der es mit den Kostenträgern zu tun hatte...)

Lieben Gruss

DE
Zitieren
#50
Einsiedler hat recht. Die Kosten und Finanzierung sozialer Einrichtungen, übernimmt größtenteils der Staat, sind also Steuergelder. Dennoch kommt es letztlich auf den Leiter einer Einrichtung an, wie die Einstellungspraxis gehandhabt wird. Unsere Caritasstelle in der Stadt, der Personalchef, Leiter der Stelle, achtet auf Qualifikation, die der oder die Bewerber/in mitbringt. Hier wird nicht nach Konfession gefragt.
Zitieren
#51
(27-10-2010, 08:04)Theodora schrieb: Unsere Caritasstelle in der Stadt, der Personalchef, Leiter der Stelle, achtet auf Qualifikation, die der oder die Bewerber/in mitbringt. Hier wird nicht nach Konfession gefragt.

Liebe Theodora,

ja, das ist in einigen Stellen wirklich so. Ich selbst habe als Konfessionsloser in konfessionellen Stellen gearbeitet, einmal in einer röm.-kath., zweimal in einer protestantischen. Bei der protestantischen Stelle war das überhaupt kein Problem, meine röm.-kath. Vorgesetzte musste sich erst absichern; da ich damals in einer sehr liberalen Diözese arbeitete (Frankfurt, zur Diözese Limburg gehörig, damals geleitet vom legendären Bischof Kamphaus), war das offensichtlich kein Problem. Allerdings habe ich auch erlebt, dass eine Kollegin, die "nur" standesamtlich verheiratet war, massiv unter Druck gesetzt wurde, kirchlich zu heiraten, weil sie in diesem "eheähnlichen Verhältnis" für die Kinder ihrer Kindergarten-Gruppe nicht "zumutbar" sei. Sie hat dann kirchlich geheiratet, um ihren Job behalten zu können...

Aber rein rechtlich können die Träger der Einrichtungen sich das Personal nach IHREN Kriterien aussuchen, was allerdings z.B. auch für Parteien und Gewerkschaften gilt (Tendenzbetriebe), da sind nicht nur die Kirchen privilegiert.

Schönen Gruss

DE
Zitieren
#52
Ja - gut dass es auch das gibt. Umgekehrt gibt's ja Betriebe, die sich selbst
zu Tendenzbetrieben 'ernennen' - mir hat da mal eine Kollegin ein Formblatt
gezeigt, das sie in einer 'katholischen Buchhandlung' (im privaten Besitz)
unterschreiben hatte müssen - darin hatte sie u.A. erklären müssen

dass sie in keiner 'eheähnlichen Beziehung' lebe,
dass sie nicht homosexuell sei,
dass sie jeden Sonntag die Messe besuche,
dass sie ihrer jährlichen Beichtpflicht nachkomme
etc.

:bduh:
() qilin
Zitieren
#53
... und da war noch das katholische Altenheim, was mir gesagt hat,
dass ich dort nicht mal den Boden putzen dürfte, wo ich doch nur
eine Heidin wäre.

Und die bekommen auch Geld vom Staat. Man sollte denen den
Hahn zudrehen, damit die mal wieder auf dem Boden zurück kommen.

Das die Caritas den Mund hält ist klar - die haben genug Dreck am
Stecken, dass sie ganz leise ist, bevor noch mehr ans Tageslicht
kommt.

Ich sage nur: Millionen Spendengelder veruntreut und dafür musste
der Ex vorstand sieben Jahre in den Knast - in Mönchengladbach
ein Skandal in einem Caritasmädchenwohnheim und, und, und... :icon_twisted:

() Tao-Ho
Zitieren
#54
Hallo, qilin,

es könnte sein, dass diese Buchhandlung unter Druck gesetzt worden ist. Gerade die katholischen Buchhandlungen sind ja oft die Lieferanten für die Diözese, das Bistum, den Bischof. So ging es ja einem mir persönlich bekannten Buchhändler, dessen Buchhandlung eine Lesung eines sehr bekannten Kirchenkritikers gemacht hat. Danach gab es seitens des Bischofs und seiner Institution keine Bestellungen mehr, und daran ist diese Buchhandlung schliesslich zugrunde gegangen, denn der Umsatz durch das Bistum betrug fast 40%. Das kann eine Buchhandlung nicht kompensieren. Ich möchte nicht Namen und nicht Bistum nennen, weil der Besitzer eine andere Buchhandlung eröffnet hat, die wohl wieder "bischofs-brav" ist und ich möchte den Mann nicht in Schwierigkeiten bringen. Aber dieser Fall ist authentisch, das dürft Ihr mir glauben. Das Bistum hat Druck ausgeübt, und die Buchhandlung musste (musste?) kuschen.

Gruss

DE
Zitieren
#55
(27-10-2010, 10:07)Tao-Ho schrieb: ... und da war noch das katholische Altenheim, was mir gesagt hat,
dass ich dort nicht mal den Boden putzen dürfte, wo ich doch nur
eine Heidin wäre.

Seltsam. Ich habe in leitender Stellung in einem konfessionellen Heim gearbeitet, man wusste, dass ich Buddhist war, und niemand hat mich je Heide genannt...

Gruss

DE
Zitieren
#56
Die Buchhandlung ist so riesig, dass sie sicher nicht unter Druck
gesetzt wird. Auch ohne Umsatz vom Bistum wäre der Umsatz
gesichert. Die vertreiben hier fast per Monopol die Schulbücher,
Beletristik usw. Neee. Unter Druck setzt die keiner.

Nun, und mich hat man Heidin genannt und ich habe den Job nicht
bekommen.

() Tao-Ho
Zitieren
#57
(27-10-2010, 10:39)Tao-Ho schrieb: Die Buchhandlung ist so riesig, dass sie sicher nicht unter Druck
gesetzt wird. Auch ohne Umsatz vom Bistum wäre der Umsatz
gesichert. Die vertreiben hier fast per Monopol die Schulbücher,
Beletristik usw. Neee. Unter Druck setzt die keiner.

Genau das ist doch der Punkt, Tao-Ho: Da gibt der Herr Bischof, der sicherlich in irgendeiner Eliteorganisation Mitglied ist (hier in D z.B. bei den Rotariern), dem Herrn Schuldirektor, der ebenfalls dort Mitglied ist, einen Hinweis oder eine "Empfehlung", und schon ist die Buchhandlung ihr Schulbuchmonopol los. Genau DAS meinte ich... Ich empfinde das durchaus auch als Druck. Und von meiner Frau (Buchhändlerin seit 1968) weiss ich, dass das Schulbuchgeschäft die tragende Säule ist, selbst bei grossen Buchhandlungen...

Deine Erfahrungen in Sachen "Heidin" wollte ich nicht anzweifeln, ich hoffe, das kam nicht so rüber. Aber ich habe eben andere Erfahrungen, allerdings in einem sehr liberalen Bistum. Und ich denke, in Österreich ist es vielleicht auch noch ein bisschen heftiger als hier.

Schönen Gruss

DE
Zitieren
#58
Es handelt sich häufig um persönliche Schwächen, wenn jemand das Wort "Heide" in den Mund nimmt und eine Anstellung verweigert. In der Regel gilt das aber nicht für die Caritas allgemein, wie sie mit den Mitarbeitern oder Bewerber umgeht. In der besagten Caritasstelle arbeiten Menschen, die weder katholisch getauft und/oder mit einem Moslem oder Muslima verheiratet sind (oder Atheist ect...). Überhaupt kein Thema diesbezüglich und erst recht kein Problem, wenn es um eine Anstellung geht. Bei uns sind alle Bewerber willkommen.
Zitieren
#59
(27-10-2010, 10:53)Der-Einsiedler schrieb: Und ich denke, in Österreich ist es vielleicht auch noch ein bisschen heftiger als hier.

Kommt drauf an wo - hier im 'heiligen Land Tirol' mal sicher... :icon_cheesygrin:

Dass die Buchhandlung unter Druck gesetzt wurde, glaube ich weniger -
dort ist die Chefetage 'frömmer' als das Ordinariat... :icon_wink:

In den letzten Jahr(zehnt)en überhaupt beobachtbar - je liberaler die
Kirchenleitung wird, desto mehr Ultrakonservative stemmen sich gegen
'unchristliche Aufweichungstendenzen' :icon_twisted:
() qilin
Zitieren
#60
Lieber Einsiedler, zu #49. Deine Angaben stimmen in vielen Bereichen, aber nicht zu 100%. Bei einem Kindergarten sieht es anders aus als bei Beratungsstellen. Auch bei uns werden konfessionelle Kindergärten größtenteil zu 90% von staatlicher/kommunaler Seite finanziert, ist aber abhängig von den entsprechenden Vertragspartnern. Wir haben hier mind. zwei Beratungsstellen, die ausschließl. von kirchl. Geldern plus Spendenaufkommen finanziert werden. Da ist weder die Kommune noch Land noch Bund mitbeteiligt. Die diakonischen Wirtschaftsbetriebe (darunter u.a. auch die hier ansässige Tafel) hat einen kommunalen Unterstützungsanteil von unter 10%. In Zeiten klammer Kassen war hier nicht umsonst die Diskussion aufgekommen, Teile zu schließen, weil die Tafel auf jeden Fall aufrecht erhalten bleiben sollte. "Dank" der Vergrößerung des € 1,50 "Personals" ging es dann aber fast ungeschmälert weiter. Auf Grund der entstandenen Fluktuation hat das Ordnungssystem des kontinuierlichen Tagesablauf allerdings schwer gelitten. Bei der AWO wurde im letzten Jahr mind. eine Einrichtung dicht gemacht, weil die Erwartungen, die Kommune oder den Kreis als finanzieller Partner zu gewinnen, sich nicht erfüllt hatten. Vor wenigen Jahren waren Beratungsstellen im kath. Trier zum Teil bis zu 50% seitens der Stadt mitfinanziert, wegen des kommunalen Interesses, dafür hatte die Stadt allerdings keine in ausschließl. Trägerschaft. Auch hier waren die Anteile Gegenstand der Verhandlungspartner.

Gruß
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Trennung von Kirche und Staat (Säkularisierung) humanist 66 120350 19-02-2012, 02:07
Letzter Beitrag: Mustafa
  Religionsunterricht in Schulen Abendsee 20 23142 12-03-2003, 23:01
Letzter Beitrag: Gerhard

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste