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Koran, Tötungsverbot
#1
Bananaphone schrieb:ich hätte mal eine Frage ...

Und zwar habe ich in einem anderen Forum an einer Diskussion zum Thema Kreuzzüge teilgenommen ...

Die Behauptung war folgende:

"Eigentlich ist es nicht mit dem Koran vereinbar Andersgläubige zu diskriminieren oder zu töten, ..."

Ist das korrekt, oder wird da was durcheinandergebracht? Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen!

Wenn’s so wär, wär's erfreulich.

Das Wörtchen "eigentlich" relativiert ohnehin!

Ich gebe vorerst Antwort, indem ich den Islamwissenschafter und Orientalisten, Tilman Nagel, zitiere:

Tilman Nagel schrieb:In der muslimischen Apologetik versucht man, andersgläubigen Gesprächspartnern, die häufig ohne Sachkenntnis sind, weiszumachen, alle muslimischen Eroberungskriege seien in Wahrheit Verteidigungskriege gewesen, da der Koran das Töten von Menschen verbiete und daher auch den offensiven Einsatz von Waffen. Besonders seit dem Anschlag von 11.9.2001 ist diese Art der Desinformation beliebt geworden: Jene Verbrechen hätten mit dem Islam nichts zu tun, verkünde doch der Koran, wer nur einen Menschen töte, habe gleichsam die ganze Menschheit getötet. Diese Aussage nimmt auf Sure 5, Vers 32 Bezug:

"Deswegen (d.h. wegen des vorher in Andeutungen erzählten Mordes Kains an Abel) haben wir den Banu Israil (d.h. den Israeliten) zur Vorschrift gemacht: Wer jemanden tötet, ohne dass dieser ein Blutschuld auf sich geladen (wörtlich: wer eine Seele ohne den Gegenwert einer anderen Seele tötet) oder Unheil auf Erden gestiftet hätte (vgl. Sure 5,33) der tötet gleichsam alle Leute; und wer jemand am Leben lässt, der lässt gleichsam alle Leute am Leben. Unsere Gesandten haben ihnen klare Beweise gebracht; gleichwohl überschreiten viele von ihnen nach alldem das von Allah gesetzte Maß."

Eine ähnliche Aussage findet sich in der Sure 18, 74, in der Moses, von den Taten al-Hadir befremdet, diesen fragt: Hast du etwa jemanden ohne Gegenwert eines anderen getötet? "Du hast etwas Schreckliches getan."

Den Hintergrund beider Textstellen bildet das Problem der Blutrache. Erfolgt die Tötung im Einklang mit den einschlägigen Regeln? Falls nicht, dann – und nur dann – wäre sie eine schwere Verfehlung.

Wenn es für Dich von Interesse ist, können wir das gerne weiter diskutieren.
MfG B.
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#2
Im Gegensatz zu Bion und Thomas Nagel:

Die Blutrache stammt aus vorislamischer Zeit und ist eine "Tradition" die nachträglich durch erfundene Hadithe "gebilligt" wurde. Im Qur'an selbst steht nichts, aber auch gar nichts zum Thema Blutrache.

Man kann natürlich - besonders wenn man mit Vorurteil belastet - den Qur'an auch so lesen, als das die angesprochene Sure Blutrache rechtfertigen würde... kann man - ob das aber so auch ist.... Da müssten sich andere. mehrere Stellen finden lassen, ausser der Sure 18:74...

Fakt ist dass der Prophet Muhammad seinen Anhängern erlaubt hat, sich im Falle eines Angriffes zu verteidigen. Die Rechtsschulen im Islam, also diejenigen die den Islam und den Qur'an studierten, Auslegungen verfassten und diese auch predigten, diese Rechtsgelehrten machten daraus in einer langen Entwicklung der Apologetik ein "Verfahren", wonach selbst leise Kritik am Verhalten der Gläubigen schon als "Angriff" gewertet werden kann. Dieser - man verzeihe mir den Ausdruck - Blödsinn ist heute letztlich die "Legitimation" für solche Terroristen wie Osama-bin-Laden.

Letztlich - ist der Qur'an, ebenso wie die Bibel, die Bhagavad-Ghita oder der Kitab-i-Aqdas, auch "nur" ein Buch, das man auslegen kann wie man gerade will - und wie es einem selbst "in den Kram passt".
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#3
Ich denke es wäre besser gewesen, wenn du die gesamte von mir gepostete Behauptung zitiert hättest. Ich hole das mal nach:



Die Behauptung war folgende:
"Eigentlich ist es nicht mit dem Koran vereinbar Andersgläubige zu diskriminieren oder zu töten, da im Koran steht, dass die Menschen, die nicht dem Propheten folgen und nach seiner Lehre zu Allah beten, schon von Allah bestraft worden sind, gerade indem sie nicht an ihn glauben oder ihm falsch huldigen. Demnach solle ein Moslem eher Mitleid mit den "bereits Bestraften" haben und nicht auch noch gegen sie vorgehen."

Mich würde nämlich auch noch interessieren ob das genau in diesem Sinne irgendwo erwähnt wird. Also, dass der Unglaube bereits Strafe Allahs ist.
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#4
(01-10-2010, 15:41)t.logemann schrieb: Im Gegensatz zu...Thomas Nagel:

Die Blutrache stammt aus vorislamischer Zeit und ist eine "Tradition" die nachträglich durch erfundene Hadithe "gebilligt" wurde. Im Qur'an selbst steht nichts, aber auch gar nichts zum Thema Blutrache.

Wovon sprichst Du da?

Bei dem Text von Tilman Nagel geht es nicht um die Billigung von Blutrache (oder Blutfehde), sondern um das Verbot derselben.

Müsste doch zu erkennen sein, wenn man den Text liest?

Nagel behauptet, dass es sich nicht um ein allgemeines Tötungsverbot, sondern um ein die (eigene Stammes-) Gesellschaft betreffendes handelt.

t.logemann schrieb:Man kann natürlich - besonders wenn man mit Vorurteil belastet - den Qur'an auch so lesen, als das die angesprochene Sure Blutrache rechtfertigen würde... kann man - ob das aber so auch ist.... Da müssten sich andere. mehrere Stellen finden lassen, ausser der Sure 18:74...

Nein, das kann man aus dem Koran nicht herauslesen. Weder mit noch ohne Belastung durch Vorurteile.

Also nochmals: Es handelt sich bei den zitierten Versen um das Verbot der Blutrache, nicht um die Billigung derselben.
MfG B.
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#5
(01-10-2010, 19:08)Bananaphone schrieb: "Eigentlich ist es nicht mit dem Koran vereinbar Andersgläubige zu diskriminieren oder zu töten, da im Koran steht, dass die Menschen, die nicht dem Propheten folgen und nach seiner Lehre zu Allah beten, schon von Allah bestraft worden sind, gerade indem sie nicht an ihn glauben oder ihm falsch huldigen. Demnach solle ein Moslem eher Mitleid mit den "bereits Bestraften" haben und nicht auch noch gegen sie vorgehen."

Mich würde nämlich auch noch interessieren ob das genau in diesem Sinne irgendwo erwähnt wird. Also, dass der Unglaube bereits Strafe Allahs ist.

Damit wird Sure 6,125 angesprochen:

Und wenn Gott einen rechtleiten will, weitet er ihm die Brust für den Islam. Wenn er einen irreführen will, dem macht er ihm die Brust eng und bedrückt (so dass es ihm ist) wie wenn er in den Himmel hochsteigen würde (und keine Luft bekommt?). So legt Gott die Unreinheit auf diejenigen, die nicht glauben (so dass sie verstockt bleiben). Übers. R. Paret

Die göttliche Vorbestimmung, ob jemand zum Glauben finden wird (oder nicht), ist in vielen Stellen des Korans festgehalten. Dass göttlich vorbestimmter Unglaube als Strafe (wofür eigentlich?) anzusehen ist, steht so nicht im Koran. Jedenfalls nicht in einer der mir vorliegenden Übersetzungen.

Paradox ist, dass der Mensch für diese Vorbestimmung zur Rechenschaft (Höllenstrafe) gezogen wird.

Muslime sollten Mitleid mit jenen haben, die willkürlich irregeführt werden. Das ist nachvollziehbar. Sollten!

Das ist wohl in etwa vergleichbar mit dem christlichen Liebesgebot. Das sollte (!) jeden Christen in seinem Handeln leiten.

Die Geschichte hat gezeigt, dass auf beides nicht immer Verlass war.
MfG B.
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#6
Du hast Recht, Bion.

Dieses Paradoxon tut sich bei dieser Frage auf.

Koranstellen, die über den Umgang mit Andersgläubigen berichten, gibt es aber natürlich auch zu hauf.
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#7
(02-10-2010, 02:26)melek schrieb: Du hast Recht, Bion.

Dieses Paradoxon tut sich bei dieser Frage auf.

Koranstellen, die über den Umgang mit Andersgläubigen berichten, gibt es aber natürlich auch zu hauf.

Natürlich!

Probleme mit solchen Dingen bekommen nur Menschen, die den Koran als göttliche Rede (als übergeschichtlichen Text also) verstehen wollen.

Für jene, die sich der Mühe unterziehen, koranische Rede unter Berücksichtigung des historischen Umfelds, aus dem heraus der Text entstanden ist, begreifen zu wollen, sind die Widersprüchen, die sich fallweise auftun, erklärbar.

Für mich ist der Koran nicht als göttliche Offenbarung, sondern als historische Quelle interessant. Also habe ich keine Probleme damit, dass die Dinge – aus der jeweiligen politischen Situation heraus – einmal so und ein anderes Mal anders dargestellt werden.
MfG B.
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#8
Man kann natürlich darüber "streiten" ob der Qur'an nun "göttliche Worte" oder historischer Text ist - eine rein "historische" Lesart erleichert jedoch das Verständnis ungemein.:icon_exclaim:
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#9
da sind wir wieder da, was wird aus diesem hocharabisch übersetzt und subjektiv interpretiert. paar fundi christen - sehen die wieder allen übel in der anderen Schrift und hetzen mit 3 jährige geheiratet, 10 sklaven gehabt etc und spammen damit schon foren zu.

(02-10-2010, 11:08)t.logemann schrieb: Fakt ist dass der Prophet Muhammad seinen Anhängern erlaubt hat, sich im Falle eines Angriffes zu verteidigen.

ich denk du meinst den besagten dschihat. bei den kreuzügen gabs glaub ich erstmals keine gegenwehr, bis der dschihat nachrecherchiert und zum ersten mal ausgerufen wurde - nähmlich gegen den westen. der besagte das man innerhalb eines angriffes der glaube, familie, land bedroht - im falle einer verteiligung halt in dem fall auch getötet werden darf. aber ist der krieg vorbei soll gut sein.

der dschihat allerdings wurde fortlaufend und durch den teilweise anhaltenden konflikts gegen den westen - glaub ich dannach anders, sondern radikaler interpretiert und politisch genutzt wie viele andere inhalte - aber nur durch eine bestimmte strömung die sich da angehängt hat. irgendwie soll da ein typ im knast gesessen haben und dann ein buch verfasst - mit seiner interpretation... es kam dann sozusagen eine fundi-schiene die hervorgerufen wurde, auf das sich jetzt z.b die taliban und osama bin laden angeblich stützen sollen.
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#10
Letztendlich machen die Politik.
Da wird eine Bedrohungssituation hochgeredet, gegen die man sich zu "verteidigen" hat, und schon ist es gerechtfertigt, die "Feinde" zu töten.


Allerdings würde mich schon mal interessieren, wie sich Taliban & Co. das zurechtinterpretieren, daß die Verteidigungsmittel immer angemessen sein müssen, also immer nur höchstens mit gleicher Münze, auch was die Wahl der "Waffen" angeht :

"Und kämpft um Allahs willen gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen! Aber begeht keine Übertretung (indem ihr den Kampf auf unrechtmäßige Weise führt)! Allah liebt die nicht, die Übertretungen begehen. (2/190 , Paret)"
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#11
Wenn man mal die ganzen Interpretationen und deren Versuche beiseite schieben würde, was wäre dann wirklich "berechtigt"? Blicken da Muslime selber noch durch? Und wenn nein, wie sollen dann Nichtmuslime noch durchblicken - ok, letzteres ist Spekulation. Aber da lobe ich mir tatsächlich den Umgang mit meinen Freunden aus der muslimischen Ecke, die dazu auch nur den Kopf schütteln können und es tut keinen Abbruch an der gemeinsamen konstruktiven Ecke! Morgen ist hier offener Moscheetag, - ich freue mich auf schöne Zusammenkünfte!

Gruß in die Nacht!
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#12
Um Missverständnissen vorzubeugen:

(02-10-2010, 00:09)Bion schrieb:
(01-10-2010, 15:41)t.logemann schrieb: Im Gegensatz zu...Thomas Nagel:

Die Blutrache stammt aus vorislamischer Zeit und ist eine "Tradition" die nachträglich durch erfundene Hadithe "gebilligt" wurde. Im Qur'an selbst steht nichts, aber auch gar nichts zum Thema Blutrache.

Wovon sprichst Du da?

Bei dem Text von Tilman Nagel geht es nicht um die Billigung von Blutrache (oder Blutfehde), sondern um das Verbot derselben.

Es ist immer das Verbot der Blutrache (Blutfehde), die sich außerhalb der durch den Koran vorgegebenen Regeln bewegte, gemeint. Also das nach Mord oder Totschlag vormals übliche fortgesetzte Blutvergießen.

Da die traditionell exzessive Anwendung der Blutrache (Blutfehde) selbst große Familienverbände in ihrer Existenz gefährdete, jedenfalls aber ihre Kampfkraft erheblich beeinträchtigte, wurde sie im Koran geregelt und alles, was über die vom Koran vorgegebenen Regeln hinausging, verboten (Sure 2 Verse 178f.).

In der Übersetzung v. R. Paret, Kohlhammer, 10. Aufl., ist das entsprechend angemerkt.

Siehe auch R. Paret, Der Koran, Kommentar und Konkordanz, S. 39.
MfG B.
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#13
Bion schrieb:Es ist immer das Verbot der Blutrache (Blutfehde), die sich außerhalb der durch den Koran vorgegebenen Regeln bewegte, gemeint. Also das nach Mord oder Totschlag vormals übliche fortgesetzte Blutvergießen.
Dieses Gebot aus dem AT wurde bereits im NT durch das Gebot der Nächstenliebe reformiert. Insofern hat hier Mohammed nichts Neues verkündet. Das hat die Nachfolger Jesu dennoch nicht daran gehindert, es fleißig weiter zu praktizieren, ähnlich wie in den islamisch begründeten Kriegen.

Gruß
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#14
(03-10-2010, 21:24)alwin schrieb: Dieses Gebot aus dem AT wurde bereits im NT durch das Gebot der Nächstenliebe reformiert. Insofern hat hier Mohammed nichts Neues verkündet.

Neues im Sinne des christlichen Liebesgebots keinesfalls.

Mit Nächstenliebe hatte das Verbot, exzessiv Rache zu üben, nichts zu tun. Die Wiedervergeltung war ja nach wie vor gestattet, und zwar innerhalb der Regeln, die der Koran dazu vorgibt. Die Wiedervergeltung wurde, man kann sagen, kultiviert. Im Einvernehmen konnte das auch eine Geld- oder Sachleistung sein.
MfG B.
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#15
Die Geld - oder Sachleistung ist im Sinne der Fortentwicklung der Zivilisation immer noch "besser" als die Gebote des AT...
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