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ich-bewußtsein
#31
(17-11-2010, 09:21)qilin schrieb: Ein paar Gedanken dazu:

Karla schrieb:das 'Ichbewusstsein' stirbt darum mit mir nicht, weil es ja noch millionen von Menschen mit Ichbewusstsein gibt. Das Phänomen 'Ichbewusstsein' stirbt mit mir nicht aus.


Eine interessante Überlegung - erinnert mich sehr an den unwiderlegbaren Beweis
für ein Leben nach dem Tod
, der mir irgendwann mal eingefallen ist:

p1: Mindestens ein Lebewesen ist bereits tot.
p2: Mindestens ein Lebewesen lebt noch.
cc: Es gibt also ein Leben nach dem Tod. :icon_wink:


Falls ich Dich jetzt richtig verstanden habe, hast Du mich richtig verstanden. Icon_smile

Obowohl Deine Formulierung leicht in einer Nuance übersehen werden könnte.
Aber es muss letztlich keiner tot sein, um nicht das gleiche Phänomen als Schlussfolgerung für möglich zu halten.


(17-11-2010, 09:21)qilin schrieb:
Karla schrieb:Der Witz also: das gegenwärtige Ich zählt zu seinem Gesamt-Ich gar nicht mehr das Erlebnis, so wie es im Tagebuch steht, sondern so, wie es sich im Moment als 'erlebt' anfühlt. Was im Tagebuch steht, kann ganz fremd geworden sein, fühlt sich nicht mehr an wie 'Ich'.

"Das habe ich getan", sagt mein Gedächtnis. "Das kann ich nicht getan haben", sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich - gibt das Gedächtnis nach.
[Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse]


Das wäre dann die Verdängung von Negatrivem, nicht Akezptiertem.
Aber auch ganz harmlose Geschehnisse verändert die Erinnerung. Und bisher als harmlos Empfundenes kann plötzlich zur Weichenstellung werden. 'Ach ja, damals habe ich ja so und so reagiert; davon bin ich ganz abgekommen, aber da sollte ich wieder dran anknüpfen; dann komme ich aus dem momentanen Mist wieder raus.'

Die eigenen Erinnerungen sind also mintunter Baumaterial, das man sich aus dem eigenen Steinbruch holt.


(17-11-2010, 09:21)qilin schrieb:
Karla schrieb:dann kann man sich schon fragen, ob es eigentich nur ein Ichbewusstein gibt. Denn das, was man zu seinem eigenen Ich zählt, kommt ohnehin nicht nur aus dem eigenen Ich.

Entspräche das nicht weitgehend dem alaya-vijnana im Buddhismus? Eusa_think [wörtl.:
'Speicherbewusstsein'; zentraler Begriff der Yogachara-Schule des Mahayana, die darin das grundlegende Bewusstsein alles Existierenden sieht, die Essenz der Welt, aus der alles, was ist, entsteht. Es birgt die Erfahrungen der individuellen Leben und die Keime zu jedem geistigen Phänomen...]


Ich bin vorsichtig Theorien gegenüber, die nur als Theorien überliefert sind; und dann noch über viele tausend Jahre. Ich habe manche Theorien des Buddhismus als nicht richtig befunden. Und ich kenne davon auch nur allzu viele.
Und ich will (im Moment Icon_smile) auch nicht die ganze Welt erklären, sondern ich habe einfach festgestellt, dass das Ich in einem sich andauernd ändert. Und dass offenbar ein Antrieb da ist, es andauernd zu ändern (zu erweitern). Und dies, obwohl man das Bewusstsein, dass es das gleiche 'Ich' ist, ja doch hat.

Also scheint sich das Ichbewusstsein nicht auf die Ichinhalte zu beziehen.
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#32
- 2 -

(17-11-2010, 21:33)Lux schrieb: Kann das 'Ich' dann wirklich den individuellen Tod überdauern?


Dieses 'Ich', das der Sterbende kurz vorm Sterben als sein Ich wahrnimmt, wird - wenn ich das alles so durchdenke und nach meinem Dafürhalten -, den Tod natürlich nicht überleben.

Aber bis zum Tod muss man da nicht warten. Mein Kindheits-Ich hat schön jetzt nicht überlebt. Was überlebt hat: mein Wille, oder mein Trieb, etwas als 'Ich' zu empfinden.

Man kann es aber auch gegenteilig sagen: falls dieses Forum oder seine Festplatte bis Erkalten der Sonne bestehen bleibt, dann überlebt jede Menge von uns. Auch wenn Lux dazu nicht mehr 'Ich' sagt - ein anderer wird es vielleicht irgendwann tun.

Oder, was meinst Du?
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#33
- 3 -

Korrektur:

(18-11-2010, 03:49)Karla schrieb:
(17-11-2010, 09:21)qilin schrieb: [...]
Ich bin vorsichtig Theorien gegenüber, die nur als Theorien überliefert sind; und dann noch über viele tausend Jahre. Ich habe manche Theorien des Buddhismus als nicht richtig befunden. Und ich kenne davon auch nur allzu viele.

Beim Fettgedruckten ist ein Vertipper drin. Ich wollte schreiben:
"Und ich kenne davon auch nicht allzu viele"
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#34
Ich unterscheide zwischen Ich-Bewußtsein und einem gemeinsamen Bewußtsein; ein Sein, in dem die Lebewesen miteinander verbunden sind und existieren.
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#35
(18-11-2010, 03:49)Karla schrieb: Falls ich Dich jetzt richtig verstanden habe, hast Du mich richtig verstanden. Icon_smile

Ja, da scheinen die Gedanken in die gleiche Richtung gegangen zu sein...

Zitat:
Zitat:Entspräche das nicht weitgehend dem alaya-vijnana im Buddhismus? Eusa_think
Ich bin vorsichtig Theorien gegenüber, die nur als Theorien überliefert sind; und dann noch über viele tausend Jahre. Ich habe manche Theorien des Buddhismus als nicht richtig befunden. Und ich kenne davon auch nicht allzu viele.
Und ich will (im Moment Icon_smile) auch nicht die ganze Welt erklären, sondern ich habe einfach festgestellt, dass das Ich in einem sich andauernd ändert. Und dass offenbar ein Antrieb da ist, es andauernd zu ändern (zu erweitern). Und dies, obwohl man das Bewusstsein, dass es das gleiche 'Ich' ist, ja doch hat.

Also scheint sich das Ichbewusstsein nicht auf die Ichinhalte zu beziehen.

Jaaa - insofern nicht auch das Ichbewusstsein ein 'Ichinhalt' ist Eusa_think

Ich wollte alaya-vijnana auch nicht 'propagieren' - ich sehe da nur eine gewisse Parallele
zu dem 'einen Ichbewusstsein', das Du erwähnt hast - dass es eine 'religiöse Hypothese'
ist, ein Erklärungsmodell, dürfte auch den Yogacara-Jüngern klar sein :icon_cheesygrin:
() qilin
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#36
(18-11-2010, 04:17)Karla schrieb: Man kann es aber auch gegenteilig sagen: falls dieses Forum oder seine Festplatte bis Erkalten der Sonne bestehen bleibt, dann überlebt jede Menge von uns. Auch wenn Lux dazu nicht mehr 'Ich' sagt - ein anderer wird es vielleicht irgendwann tun.

Oder, was meinst Du?

Das ist ein sehr guter Ansatzpunkt.

Allerdings definiere ich mein 'Ich' nicht über eine Sachlage. Was ich heute behaupt kann ich morgen schon widerrufen, wenn sich meine Argumentationsbasis bzw. meine Meinung ändern würde. Im Moment meines Todes steht mir diese Option nicht mehr offen - ich kann nichts mehr widerrufen oder überdenken.

Daher halte ich es für überspitzt das 'Ich' auf eine vorrübergehende Phase eines 'Ichs' zu beschränken. Setzt man dieses 'Ich' nun mit dem 'Ichbewusstsein' gleich, müsste ich dir Recht geben.

Vielleicht habe ich deine Aussage
Karla schrieb:[...] ein anderer wird es vielleicht irgendwann tun.
auch einfach missverstanden.

Aber gehen wir nun von folgendem Fallbeispiel aus:

Ich bin überzeugter Kommunist, von mir aus sogar fanatisch. Hierrüber definiere 'Ich' einen gewissen Abschnitt in meinem Leben, der Kommunismus wird zu 'meiner' Lebensphilosophie - diese Haltung lege ich jedoch nach einiger Zeit ab.

Irgendjemand kann sich mit der selben Lebensphilosophie später als 'Ich' identifizieren, aber das individuelle 'Ich', das mich zu dieser Philosophie geführt hat und mich veranlasst hat von ihr abzulassen und im Weitesten mein Handeln bestimmt hat, wird immer unangetastet bleiben, wird niemals jemand anderes annehmen können. Denn es ist genau dieser individuelle Hintergrund, der 'mich' einzigartig macht und in Situationen so handeln lässt, wie ich handel. Es ist meine individuelle Erfahrung, meine Vergangenheit, die mir diese Zukunft eröffnet.
Aber wenn da keine Zukunft mehr ist, nichts das den Prozess weiterführen könnte? Kann man diesen eingefrorenen Zustand am Ende des Lebens dann wirklich als ewiges 'Ich' dieser Person ausmachen? Oder ist es nur eine Projektion dieser Person, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt von dieser Person hatten und somit meinen zu wissen, was das Wesentliche, das 'Ich' dieser Person darstellt?

Ich persönlich denke, dass es ganz wichtig ist sich nahestehender Personen zu erinnern und auch der Gedankengang: "Was hätte er/sie gedacht/getan?" ist sicherlich nichts Verwerfliches, sondern spendet oftmals lebenswichtigen Trost. Aber die Antwort auf diese Gedanken sollte niemals etwas Endgültiges sein. Wie die entsprechende Person sich letztendlich verhalten hätte, weiß nicht mal sie selbst, denn dies setzt immer die genauen Umstände des 'Ichbewusstseins', des aktuellen Stands des 'Ichs' vorraus.
"Religion ist Ehrfurcht - die Ehrfurcht zuerst vor dem Geheimnis, das der Mensch ist." ~Thomas Mann
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#37
Gerade zufällig in meiner Aphorismensammlung gefunden :icon_cheesygrin:

U.G. Krishnamurti schrieb:Deine andauernde Anwendung des Denkens, um deinem eigenständigen Selbst
Dauer zu verleihen, ist Dein 'Ich'. In dir gibt es nichts Anderes als das.
() qilin
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#38
Ich weiß nicht, wer schon mal eine kleine Wasserlache auf einer heißen Kochplatte beobachtet hat. Sie wabert hierhin und dorthin, je nach den kleinen Anstößen der Dampfschicht unter ihr und den Buckeln der Platte. Das „Ich“ entspricht dieser Wasserblase. Der heißen Platte entspricht die dynamische Arbeit der Neuronen, und den Buckeln die Erinnerungsfetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#39
(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Das ist ein sehr guter Ansatzpunkt.

Allerdings definiere ich mein 'Ich' nicht über eine Sachlage. Was ich heute behaupt kann ich morgen schon widerrufen, wenn sich meine Argumentationsbasis bzw. meine Meinung ändern würde.


Ähnliches wollte ich da ja damit sagen, dass die Inhalte dessen, was ich zu meinem Ich zähle, sich ändern.


(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Im Moment meines Todes steht mir diese Option nicht mehr offen - ich kann nichts mehr widerrufen oder überdenken.


Ja, natürlich.


(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Daher halte ich es für überspitzt das 'Ich' auf eine vorrübergehende Phase eines 'Ichs' zu beschränken. Setzt man dieses 'Ich' nun mit dem 'Ichbewusstsein' gleich, müsste ich dir Recht geben.


Vielleicht sollten wir unsere Überlegungen hier nicht gegenseitig mit 'überspitzt' oder ' weit hergeholt' zensieren?
Wir entwickeln hier ja frei unsere doch noch ganz unsicheren Gedanken und Beobachtungen und tasten uns da vor. Wenn man sie gleich zensiert, ziehen sie sich schnell wieder zurück.

Ich weiß jetzt auch nicht genau, worauf Du dich mit Deinem Zitat beziehst.

Meine Beobachtung ist eben die, dass das Ich sich- eventuell - aus Erinnernungen schöpft, um seine Identität zu wahren. Und dass diese Erinnerungen sich wandeln, dennoch das Gefühl von Identität da ist, jedenfalls meistens.

Diesem Phänomen versuche ich auf die Spur zu kommen.
Aber ich habe nirgends - glaube ich - das Ich auf eine vorübergehende Phase beschränken wollen. Das eben gerade nicht. Und ob Ich und Ichbewuttsein das Gleiche sind, wollte ich eigentlich eher erst mal hinterfragen oder überprüfen.

Das sind alles so unsichere und ungesicherte Begriffe, dass ich versuche vorsichtig damit umzugehen.


(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Vielleicht habe ich deine Aussage
Karla schrieb:[...] ein anderer wird es vielleicht irgendwann tun.
auch einfach missverstanden.


Die Aussage ist auch missverständlich. Vielleicht ein Beispiel, das mir gerade präsent ist - auch wenn es jetzt aus der Dichtung stammt:

Es gibt eine Erzählung von Ulrich Plenzdorf "Die neuen Leiden des jungen W".
Dort ist ein junger Mann vom Betrieb abgehauen und verbirgt sich in einer Gartenlaube in einer Gartenkolonie. Dort auf dem Plumpsklo findet er ein Reclam-Heft oder so, das als Toilettenpapier dort ausliegt. Die ersten Seiten sind schon rausgerissen, das Deckblatt auch. Er liest sich fest - wir können identifizieren dass es Goethes 'Leiden des jungen Werther' sind.
Ihn haut der Text um und findet in ihm eine Parallele zu seinem eigenen momentanen - unglücklichen - Los. Mit diesem Text erklärt er sich nun sein eigenes Leben, versteht es besser.

So etwas Ähnliches meinte ich: Goethe selber ist längst tot, seine damaligen Gefühle, die er im 'Werther' konserviert hat, auch.
Aber ein anderer macht sie wieder lebendig, entwickelt sie weiter.


(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Aber gehen wir nun von folgendem Fallbeispiel aus:

Ich bin überzeugter Kommunist, von mir aus sogar fanatisch. Hierrüber definiere 'Ich' einen gewissen Abschnitt in meinem Leben, der Kommunismus wird zu 'meiner' Lebensphilosophie - diese Haltung lege ich jedoch nach einiger Zeit ab.

Irgendjemand kann sich mit der selben Lebensphilosophie später als 'Ich' identifizieren, aber das individuelle 'Ich', das mich zu dieser Philosophie geführt hat und mich veranlasst hat von ihr abzulassen und im Weitesten mein Handeln bestimmt hat, wird immer unangetastet bleiben, wird niemals jemand anderes annehmen können.


Ja. Niemand. Und nicht mal man selber.


(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Denn es ist genau dieser individuelle Hintergrund, der 'mich' einzigartig macht und in Situationen so handeln lässt, wie ich handel. Es ist meine individuelle Erfahrung, meine Vergangenheit, die mir diese Zukunft eröffnet.


Soweit kann ich das noch nachvollziehen, dass es die eigene Individualität ist, die zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt den Kommunsmus akzeptiert und ihn später nicht mehr akzeptiert.

Ob gerade dies aber die Einzigartigkeit des Ichs ausmacht - darüber muss ich noch nachdenken. Aber ich lass das erst mal so stehen.


(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Aber wenn da keine Zukunft mehr ist, nichts das den Prozess weiterführen könnte? Kann man diesen eingefrorenen Zustand am Ende des Lebens dann wirklich als ewiges 'Ich' dieser Person ausmachen?


Von 'ewig habe ich, glaube ich, nirgends gesprochen. Ich kann mir ebenfalls nicht vorstellen, wie ein eingefrorenes Ich aussehen sollte - da es sich ja eben ständig ändert.

Aber einzelne Inhalte können, wie das Beispiel 'Werther' zeigen sollte, auf einem anderen 'Mutterboden' quasi, einem fruchtbaren Boden weiterwuchern.
Und auf meinem momentanen 'fruchtbaren Mutterboden' wuchern ja haufenweise Sachen rum, die gar nich aus mir selber stammen.
Ich 'zähle' sie nur zu mir. Habe sie sozusagen als 'Ich' adoptiert.
Ich habe so eine Art Komposthaufen in mir, der sich im Laufe der Jahre gebildet hat, der fruchtbar ist, aus dem ich mich andauernd bediene und neue Pflanzen damit 'dünge'.


(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Oder ist es nur eine Projektion dieser Person, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt von dieser Person hatten und somit meinen zu wissen, was das Wesentliche, das 'Ich' dieser Person darstellt?


Ach, jetzt verstehe ich, wovon Du sprichst. Von einem Verstorbenen, der noch in einem lebt. Darüber habe ich mir auch oft den Kopf zerbrochen. Gerade, wenn der, der einem noch so gegenwärtig scheint, in hohem Alter gestorben ist, und man kennt ihn schon seit Jahrzehnten. Was genau von ihm ist dann in mir lebendig - das ist das, was Du thematisierst, oder?
Dessen Ich kann ja in hohem Alter dement gewesen sein. Kann sich selber gar nicht mehr an die eigene Vergangenheit erinnert haben. Aber wir erinnern uns noch, und in uns lebt von ihm - ja, was?

Ich kann da nur das noch einmal sagen, was ich schon von dem eigenen Ich sagte: auch dieses baut man sich ständig neu. Es gibt durchgehende Motivketten, das schon. Aber auch die eigene Vergangenheit ist einem fast nur ein Komposthaufen, aus dem man sich ständig bedient.

Und das gilt für einen geliebten Verstorbenen auch. Man spürt eine Art 'Extrakt' von ihm in sich, aber dieser Extrakt ist auch Ergebnis des eigenen Komposthaufen.
Ich lande eigentlich ständig immer wieder bei demselben: Dieser Humus, dieser Komposthaufen, aus dem ich täglich mein Ich herausziehe, ist größer als das, was ich zu meinem Ich zähle. Ich bediene mich ständig aller möglichen Komposthaufen.


(18-11-2010, 19:47)Lux schrieb: Ich persönlich denke, dass es ganz wichtig ist sich nahestehender Personen zu erinnern und auch der Gedankengang: "Was hätte er/sie gedacht/getan?" ist sicherlich nichts Verwerfliches, sondern spendet oftmals lebenswichtigen Trost.


Sehe ich auch so. Nahestehende, aber verstorbene Personen sind ja eben dadurch, dass man selber noch lebt, weiterhin fruchtbar.

Und sie sind es im Prinzip - auf dieselbe Weise als sie noch lebten.
Ich nannte ja schon ein Internetforum als Beispiel. Was ich hier täglich lese, wirkt ja auch auf mich fruchtbar, obwohl ich von den realen Personen, die hier hinter den Aussagen stehen, keine wirkliche Kenntnis habe.

Alle, die hier schreiben, stelle ich mir irgendwie vor. Irgendein Ich haben sie für mich, einen Charakter, eine Eigenart, eine Individualität.
Und doch ist es nur ein Extrakt, wenn auch ein organsicher, fruchtbarer Extrakt.
Und 'ich' bin es mir selber dann praktisch auch.


Man kann sich durchaus im Laufe seines Lebens davon verabschieden, dass man ein starres Ich sei. Das hält einfach einer Überprüfung nicht stand. Ich bin einfach irgendwann nicht mehr bereit, oder in der Lage, mich als feststehende Einheit aufzufassen, wenn sich das x-mal als Irrtum herausgestellt hat.

Und dann kann man anfangen zu grübeln, woher dieses 'Ichbewusststein' dann stammt. Was genau es ist.
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#40
- 2 -

(18-11-2010, 10:35)qilin schrieb:
(18-11-2010, 03:49)Karla schrieb: [...] sondern ich habe einfach festgestellt, dass das Ich in einem sich andauernd ändert. Und dass offenbar ein Antrieb da ist, es andauernd zu ändern (zu erweitern). Und dies, obwohl man das Bewusstsein, dass es das gleiche 'Ich' ist, ja doch hat.

Also scheint sich das Ichbewusstsein nicht auf die Ichinhalte zu beziehen.
Jaaa - insofern nicht auch das Ichbewusstsein ein 'Ichinhalt' ist Eusa_think


Nun ja, das wird dann kompliziert. Die Frage ist dann für mich, ob diese Verkomplizierung noch etwas beiträgt zur Klärung der Problematik. Oder ob man einfach nur Gedanken auftürmen will (mein' jetzt nicht dich spezieill).

Der Gedanke der Selbstreferenz sprich Selbstbezüglichkeit ist in der Erkenntnistheorie sicher wesentlich - aber nicht einfach nachzuvollziehen. Da ist dann der, der erkennt, immer schon auch in dem was erkannt wird, mit enthalten: da er das Erkannte strukturiert.

Aber mir ging es hier darum, überhaupt erst einmal wahrzunehmen, dass das Ichbewusstsein strukturiert. Dass die Inhalte des Ichs vom Ich selber ausgewählt werden. Das Ich hat aber nicht die Möglichkeit, sein struktierendes Prinzip auszuwählen, insofern ist es nicht Inhalt des Ichs. Das strukturiende Prinzip ist einfach vorhanden.
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#41
Was ist das Ich?
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#42
(26-11-2010, 01:32)uyaniksporun santraforu schrieb: Was ist das Ich?

Du :icon_mrgreen:
() qilin
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#43
(26-11-2010, 01:32)uyaniksporun santraforu schrieb: Was ist das Ich?
Nun ja, das hat Karla ja ziemlich ausführlich dargetan. Ich möchte dies alles mal auf den Nenner bringen: "ICH ist das dynamische Zentrum aller Beziehungen zur Umwelt." Zur "Umwelt" gehören dabei auch der eigene Körper und die Erinnerungen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#44
(26-11-2010, 16:56)Ekkard schrieb: Ich möchte dies alles mal auf den Nenner bringen: "ICH ist das dynamische Zentrum aller Beziehungen zur Umwelt." Zur "Umwelt" gehören dabei auch der eigene Körper und die Erinnerungen.


Zwei Fragen dazu:

1. Hast Du, Ekkard, für Dich selber eine Dir deutliche Erklärung gefunden für den Zusammenhang zwischendem dem Empfinden von Selbstbewusstsein und der Existenz dieses dynamischen Zentrums? Falls ich Dich richtig verstanden habe und dieser Zusammenhang für Dich existiert.

Denn dynamische Zentren kann ich auch außerhalb meiner Person wahrnehmen. Damit wäre dann eigentlich noch nicht erklärt, warum das Ich auch so ein dynamisches Zentrum ist, und zwar mit dem Zusatzkriterium, es anders zu erleben als dynamische Zentren außerhalb meiner Person.


2. Du hast im Laufe der Jahre verschiedene posts hier verstreut im Forum über dieses Thema geschrieben. So erinnere ich mich dunkel an eins oder mehrere im "Tod-Thread" von Petrus, von wo Du dann eventuell auch frühere posts verlinkt hast.

Frage also: hast Du die alle mal gesammelt?

Falls ja: würden mich diese Links interessieren. Eventuell könnte man sie hier irgendwo in einen Thread kopieren.
Falls nein: Wäre es nicht sinnvoll, sie mal zu sammeln und dann so zu verfahren, wie eben gesagt?
Bion wird sich als Epicharm auch noch an so einige davon erinnern.

Man hätte dann alles zusammen und kann leichter darauf zurückgreifen - egal, ob man Deine Sicht teilt oder nicht. Jedenfalls ist da eine Menge Interessantes dabei.

Auch läge mir daran, dass man da noch strenger unterscheidet, was davon Dir als Naturwissenschaftler "bewiesen" oder "nachgewiesen" scheint und was davon darauf aufbauende Überlegungen waren.
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#45
@ qilin
Wenn ich das ICH bin, dann wäre die Welt lediglich meine Vorstellung, wie es bei Schopenhauer postuliert wurde. Von solchen Thesen und von "vierfachen Wurzeln über Sätze vom zureichenden Grunde" möchte ich mich hier in aller öffentlichen Anonymität distanzieren!

@ Ekkard
Gibt es dann nur ein Ich oder sind es mehrere Ichs?
In deinem Satz erwähnst du nicht von was die Beziehung zur Umwelt ausgeht. Wenn es von Menschen oder Lebewesen ausgeht, wie verhält es sich dann mit den Beziehungen zwischen verschiedenen Ichs?
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