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Die Verfassung der USA und das Sozialsystem
#1
Die Verfassung der Vereinigten Staaten beginnt wie folgt:

We the People of the United States, in Order to form a more perfect Union, establish Justice, insure domestic tranquility, provide for the common defence, promote the general Welfare, and secure the Blessings of Liberty to ourselves and our Posterity, do ordain and establish this Constitution for the United States of America.

In Deutsch:

Wir, die Menschen der Vereinigten Staaten, dabei, eine perfektere Vereinigung (Gesellschaft) zu bilden, in der Recht (Gerechtigkeit) eingesetzt ist, in der häusliche (innere) Ruhe herrscht, für eine gemeinsame Verteidigung gesorgt wird, die allgemeine Sozialfürsorge gefördert, und die Segnungen der Freiheit für uns und unsere Nachkommen gesichert sind, wird diese Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika geweiht und gegründet.

Soweit also die Verfassung. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus:

40 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung, weil sie sich diese nicht leisten können. Denn das amerikanische Gesundheitssystem ist eher ein System, bei der die Firmen reicher werden, als Kranken geholfen wird.

Knapp 15 Millionen Arbeitslose, die nur, je nach Staat, 6-12 Monate finanzielle Hilfe bekommen, und gezwungen werden können, für einen Mindestlohn von $7,50 zu arbeiten, oft mit 2 Jobs. Selbst bis ins hohe Alter hinein, da ein Rente nur vom Staat für Staatsbediensteten, bzw. von den Pensionskassen einzelner Firmen gezahlt werden.
Kein Job, keine Miete, also letztendlich Obdachlosigkeit.
Wie viele Obdachlose es gibt, darüber habe ich keine Statistik gefunden. Jedoch ist anzunehmen, dass sie sehr hoch ist.
Treten die Regierungen der USA ihre eigene Verfassung nicht mit Füssen, wenn die Sozialfürsorge so wie beschrieben aussieht?
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#2
Da müßte man auf einen krassen Mentalitätsunterschied zwischen insbesondere Deutschen und Amis hinweisen. Deutschland war immer klein (bis ins 19. Jahrhundert noch viel kleiner, da in zahlreiche Mini-Staaten aufgespalten), da hat sich im Lauf der Zeit so ein Selbstverständnis von Kuschelfürsorge entwickelt, bei dem (nach heutigen Begriffen jedenfalls) auch der letzte Penner oder Behinderte, der sich nicht selber den Hintern wischen kann, Mindestansprüche an die Gesellschaft im Ganzen stellen kann, wie gerade Sozialhilfe, Krankenversorgung, Unterkunft etc.
Die Amis aber sehen sich bis heute stolz in der Tradition der Siedler und Pioniere, die sich ihre Lebensgrundlagen mit eigener Hände harter Arbeit erworben haben und denen selten was geschenkt wurde, die es nicht selten sogar als Beleidigung empfunden hätten, hätte sich irgendwer angemaßt, ihnen irgendwelche staatlichen "Hilfen" (mit welchen Hintergedanken??) in den Hintern zu blasen (man denke nur an die Puritaner, die ja vor der Staatsgewalt im eigenen Heimatland geflohen waren, und die so etwas zweifellos als neuerlichen Versuch von staatlicher Bevormundung und Gängelung empfunden hätten), und dieses Selbstgefühl zieht sich in den USA bis heute durch alle Schichten. Die Einwanderer in die USA waren buntest gemixt, vom Tagelöhner oder landlosen Bauern, der sich hier besseres erhoffte, bis zum entfleuchten Adelssproß war da wirklich alles dabei, und die Gesellschaft hat nie die beinahe undurchdringlich strengen Abgrenzungen zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten (land- und besitzloses Volk wie etwa Dienstboten, landbesitzende Bauern, eigenständige und in Gilden organisierte Handwerker, Adel...) entwickelt so wie es in der Alten Welt, gerade auch in Deutschland, ja noch durchaus Anfang 20. Jahrhundert üblich war. Die Amis sind stolz (wirklich!) darauf, daß es dieses "Kastenwesen" bei ihnen nie gab, da kann sich jeder sprichwörtlich vom Tellerwäscher zum Millionär (oder Präsidenten, was jedem Kind schon in der Schule eingetrichtert wird) hocharbeiten ...

aber der Sturz in die umgekehrte Richtung ist eben genauso möglich. Das immer so hochgehaltene, im weiteren Text der Verfassung garantierte "Streben nach Glück" ist eine individuelle Sache, in der auch das eigene Vermögen, die eigene Leistung eine wichtige Rolle spielt. Wer dauerhaft Tellerwäscher bleibt (oder wie zitiert, Empfänger von Mindestlohn mit 2 Jobs, der trotzdem nicht über die Runden kommt, Obdachloser, mittelloser Rentner...), der hatte halt nicht das "Vermögen", es zu was besseres zu bringen, nicht die "zündende Idee", mit der er sich selber am Schopf aus dem Sumpf zieht...
das klingt brutal und nach Ellenbogen-Mentalität, hat aber, wie gesagt, mit Selbstverständnis zu tun und ist eigentlich viel vernünftiger und "anständiger" als diese deutsche "Zurücklehnen-und-der-liebe-gute-Staat-wird´s-schon-richten"-Einstellung, die keine Tugend, sondern ein massiver Charakterfehler ist!

Unterschiede gibt es auch in der Konzeption von Gesetzestexten, namentlich der Verfassung. Wenn im deutschen Grundgesetz was von Gleichberechtigung, Menschenwürde, Schutz der Familie (etc. etc. sämtliche Paragraphen durch) steht, gilt dem Deutschen das als Aufforderung, daß gefälligst der Staat dafür zu sorgen hätte, daß das alles auch durchgesetzt wird. Anders die Amerikaner: Wenn bei denen was vom Streben nach Glück, der zitierten "Förderung der Sozialfürsorge" oder ähnlichem in der Verfassung steht, dann versteht der Ami darunter in erster Linie, daß der Staat gefälligst nicht Bestrebungen, die diese Aussagen zu verwirklichen suchen, im Weg stehen darf.

In Kurzfassung, der Ami empfindet von Natur aus ein tiefes Mißtrauen gegenüber dem Staat und seinen durchführenden Organen. Ganz anders als der Kuscheldeutsche, der sich am liebsten in seine Gesetzestexte einwickeln und damit zudecken möchte, damit ihm auch ja keine eigene Anstrengung zugemutet wird...

Uuuund... wer sorgt jetzt dann für die zitierte "Förderung der Sozialfürsorge" und alles andere?
Ganz klar: auch das ist - Privatsache! "Privat" reicht hier von kleinen lokalen Eigeninitiativen, von denen es in den USA nur so wimmelt, bis zu den großen Lobbys, die ganz konkret und massiv Einfluß in Washington und New York nehmen. In "gemeinnützigen" Organisationen (aller Art) sind die Amis ganz groß. Auch wieder eine typische Eigenart - die Initiativen auf lokaler Ebene sind großteils Auswuchs der propagierten "Hausfrauenehen" vom Mitte 20. Jahrhundert, bei der eben viele gelangweilte Hausfrauen nix besseres zu tun hatten, als Kuchenback-Kreise, Geldspendeaktionen, "Unsere-Stadt-soll-schöner-werden" und was es da alles gab, zu organisieren. Von diesen "Graswurzel"- Initiativen lebt ein Großteil des Landes in sozialer Hinsicht bis heute. Das hat natürlich auch einen winzigkleinen Nachteil - die Leute verlassen sich oft so sehr darauf, daß eben so ziemlich alles in Eigenregie, ohne staatliche Unterstützung, gemanagt werden kann, daß sie immer dann dumm dastehen, wenn ein Ereignis eintritt, das zu groß ist, um von diesen Strukturen abgefangen zu werden. Der Hurrikan "Katrina" samt Beinahe-Untergang von New Orleans war ein gutes Beispiel dafür - die staatlichen Stellen haben, eben im Vertrauen auf Eigen- und Privatinitiativen, viel zu spät reagiert, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war...
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#3
(03-03-2010, 07:23)Witch of Hope schrieb: Treten die Regierungen der USA ihre eigene Verfassung nicht mit Füssen, wenn die Sozialfürsorge so wie beschrieben aussieht?

mit welcher berechtigung übersetzt du "general Welfare" mit "sozialfürsorge", noch dazu nach heutigem mitteleuropäischem sozialstaatsverständnis?

überleg dir mal, wann die verfassung geschrieben wurde und ob man damals von "sozialfürsorge" wie krankenversicherung auch nur die blasseste vorstellung hatte
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#4
Danke, petronius, auch´n guter Einwand (und kürzer! Evil5 ) :icon_cheesygrin:
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#5
(03-03-2010, 12:32)Rao schrieb: Danke, petronius, auch´n guter Einwand (und kürzer! Evil5 ) :icon_cheesygrin:

Naja, "auch" ist Ansichtssache. Dein Statement à la "Sozialstaat ist doof. Es lebe Amerika" wirkt auf mich sicherlich nicht intelligenter, als der weit verbreitete Anti-Amerikanismus.
Thomas Paine: "As to the book called the bible, it is blasphemy to call it the Word of God. It is a book of lies and contradictions and a history of bad times and bad men."
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#6
ich bin übrigens kein freund des us-modells und halte es für durchaus kritikwürdig

nur läßt sich imho die kritik nicht am verfassungstext festmachen
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#7
(03-03-2010, 10:58)Rao schrieb: da hat sich im Lauf der Zeit so ein Selbstverständnis von Kuschelfürsorge entwickelt, bei dem (nach heutigen Begriffen jedenfalls) auch der letzte Penner oder Behinderte, der sich nicht selber den Hintern wischen kann, Mindestansprüche an die Gesellschaft im Ganzen stellen kann, wie gerade Sozialhilfe, Krankenversorgung, Unterkunft etc.

Du meinst also es wäre besser "Pennern" und Behinderten diese Sozialleistungen zu streichen? Dir ist aber schon klar dass gerade geistig Behinderte es nicht vom Tellerwäscher zum Millionär bringen können, da sie einfach von Natur aus gewisse Defizite haben.
Da sie aber Teil unserer Gesellschaft sind ist es nun mal unsere Pflicht uns auch um diese Menschen zu kümmern.


(03-03-2010, 10:58)Rao schrieb: Die Amis sind stolz (wirklich!) darauf, daß es dieses "Kastenwesen" bei ihnen nie gab, da kann sich jeder sprichwörtlich vom Tellerwäscher zum Millionär (oder Präsidenten, was jedem Kind schon in der Schule eingetrichtert wird) hocharbeiten ...

Nur das es dieses Kastenwesen eben doch in Form sozialer Ungleichheit gibt. Es macht schon einen Unterschied ob ich als Kind von Alkoholikern aufwachse die sich die Uni nicht leisten können oder als Kind eines Managers der mir das Geld nur so nachwirft.
Es ist einfach falsch dass in Amerika jeder die selben Chancen hat. Theoretisch ja, aber praktisch ist es wie in Deutschland nicht so. Da würde ich sogar die Chancengleichheit in Deutschland höher betrachten aufgrund sozialer Hilfe wie Ausbildungsförderung und dergleichen.


(03-03-2010, 10:58)Rao schrieb: Wer dauerhaft Tellerwäscher bleibt (oder wie zitiert, Empfänger von Mindestlohn mit 2 Jobs, der trotzdem nicht über die Runden kommt, Obdachloser, mittelloser Rentner...), der hatte halt nicht das "Vermögen", es zu was besseres zu bringen, nicht die "zündende Idee", mit der er sich selber am Schopf aus dem Sumpf zieht...
das klingt brutal und nach Ellenbogen-Mentalität, hat aber, wie gesagt, mit Selbstverständnis zu tun und ist eigentlich viel vernünftiger und "anständiger" als diese deutsche "Zurücklehnen-und-der-liebe-gute-Staat-wird´s-schon-richten"-Einstellung, die keine Tugend, sondern ein massiver Charakterfehler ist!

Dir ist aber bewusst, dass es da wo es Sieger gibt (derjenige der eine "zündende Idee" hatte) auch Verlierer gibt? In einem System wo jeder ausschließlich auf sich selbst und sein berufliches Weiterkommen bedacht ist muss es zwangsläufig Leute geben die auf der Strecke bleiben.
Deswegen kann ich von "anständiger" nichts erkennen. Desweiteren implizierst du dass jeder der nicht arbeitet diese "Zurücklehnen-und-der-liebe-gute-Staat-wird´s-schon-richten"-Einstellung hat. Das ist zum einen ziemlich unfair gegenüber Arbeitslosen die nicht so denken und zum anderen hat nun einmal nicht jeder Mensch die selben Vorraussetzungen und auch nicht die selbe Energie und auch Intelligenz um sich selbst nach oben zu arbeiten. Das ist aber nun einmal Teil der menschlichen Gesellschaft. Es gibt solche und solche. Wir können aber deswegen nicht die Augen verschließen und uns nicht um diese Menschen kümmern. Der Wert eines Menschen für die Gesellschaft hängt nicht nur davon ab wie viel Geld er in die Staatskasse bringt, sondern auch wie er zu den anderen Menschen in der Gesellschaft steht. Ein Arbeitsloser kann durchaus sehr wichtig sein für seine Umgebung und die Personen mit denen er in Kontakt ist. Auch das ist wichtig für eine Gesellschaft.
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#8
Unser soziales System hat einen Webfehler: Geldleistungen werden von Gegenleistungen entkoppelt.
Das hat 2 Effekte: Die Einen überlegen, ob es lohnt, diese oder jene Tätigkeit oder Initiative zu ergreifen, und
die Anderen ärgern sich über "Sozialschmarotzer".
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#9
(03-03-2010, 13:22)Ekkard schrieb: Unser soziales System hat einen Webfehler: Geldleistungen werden von Gegenleistungen entkoppelt

welche gegenleistungen soll denn z.b. ein bettlägeriger pflegefall dafür erbringen, daß man ihm die schüssel bringt (sprich: den pfleger bezahlt, der das ausführt)?
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#10
Zitat:Naja, "auch" ist Ansichtssache. Dein Statement à la "Sozialstaat ist doof. Es lebe Amerika" wirkt auf mich sicherlich nicht intelligenter, als der weit verbreitete Anti-Amerikanismus.
Ein Staat, in dem Dauer-Empfänger staatlicher Unterstützungen, die nie eine Gegenleistung erbringen, obwohl sie dazu durchaus fähig wären, besser dastehen als Leute, die 40 Stunden und mehr pro Woche schuften, ist in meinen Augen grundsätzlich doof!
(den Stiefel ziehe sich jeder an, dem er paßt...)

Im Übrigen habe ich über Unterschiede in Mentalität und Selbstverständnis geschrieben. Die daraus resultierenden Folgen habe ich nur "ganz zart" angedeutet. Weitere Diskussionen darüber gerne hier...
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#11
Zitat:Du meinst also es wäre besser "Pennern" und Behinderten diese Sozialleistungen zu streichen? Da sie aber Teil unserer Gesellschaft sind ist es nun mal unsere Pflicht uns auch um diese Menschen zu kümmern.
Kümmern ja, aber nicht unbegrenzt. Ich kenne eine Reihe von "Gutmenschen", die sich einbilden, Behinderte hätten alle Arten von Extrawürsten verdient (auf Staatskosten natürlich), nur weil sie behindert sind. Behinderung ist aber nur ein Zustand, sie ist weder Leistung noch Verdienst, die in irgendeiner Weise auch noch zu "belohnen" wäre.

Zitat:Nur das es dieses Kastenwesen eben doch in Form sozialer Ungleichheit gibt. Es macht schon einen Unterschied ob ich als Kind von Alkoholikern aufwachse die sich die Uni nicht leisten können oder als Kind eines Managers der mir das Geld nur so nachwirft.
Ist das in Deutschland (heute!) etwa anders?
Zitat:Es ist einfach falsch dass in Amerika jeder die selben Chancen hat. Theoretisch ja, aber praktisch ist es wie in Deutschland nicht so. Da würde ich sogar die Chancengleichheit in Deutschland höher betrachten aufgrund sozialer Hilfe wie Ausbildungsförderung und dergleichen.
Im Ausgangsstatement ging es bekanntlich um den Text der Verfassung. Die, wie petronius korrekt anmerkte, schon reichlich viel Jahre auf dem Buckel hat, aber bis heute moderner ist als vieles, was andere Staaten in ihrer jeweiligen Verfassung zu bieten haben (nicht ohne Grund haben viele Länder die amerikanische Verfassung als Vorlage benutzt).
Im Übrigen: wieviele deutsche Jugendliche hätten ohne besagte Ausbildungsförderung, nach "amerikanischem Muster", eine Chance auf dem Arbeitsmarkt? Ich glaube nicht, daß die bei echter Chancen"gleichheit" trotzdem besser abschnitten... wieder die deutsche "Kuschelmentalität", die sich in allem auf den Staat verläßt!

Zitat:Dir ist aber bewusst, dass es da wo es Sieger gibt (derjenige der eine "zündende Idee" hatte) auch Verlierer gibt? In einem System wo jeder ausschließlich auf sich selbst und sein berufliches Weiterkommen bedacht ist muss es zwangsläufig Leute geben die auf der Strecke bleiben.
Deswegen kann ich von "anständiger" nichts erkennen. Desweiteren implizierst du dass jeder der nicht arbeitet diese "Zurücklehnen-und-der-liebe-gute-Staat-wird´s-schon-richten"-Einstellung hat. Das ist zum einen ziemlich unfair gegenüber Arbeitslosen die nicht so denken
Wird jemand, der nicht so denkt, lange arbeitslos bleiben?
Zitat:und zum anderen hat nun einmal nicht jeder Mensch die selben Vorraussetzungen und auch nicht die selbe Energie und auch Intelligenz um sich selbst nach oben zu arbeiten.
Es soll auch Leute geben, die mit schlechtbezahlten Jobs auskommen und zufrieden sind...
Zitat: Das ist aber nun einmal Teil der menschlichen Gesellschaft. Es gibt solche und solche. Wir können aber deswegen nicht die Augen verschließen und uns nicht um diese Menschen kümmern. Der Wert eines Menschen für die Gesellschaft hängt nicht nur davon ab wie viel Geld er in die Staatskasse bringt, sondern auch wie er zu den anderen Menschen in der Gesellschaft steht. Ein Arbeitsloser kann durchaus sehr wichtig sein für seine Umgebung und die Personen mit denen er in Kontakt ist. Auch das ist wichtig für eine Gesellschaft.
Genausowichtig, nehme ich an, wie die Zufriedenheit jedes Einzelnen. Und die steigt bekanntlich, wenn man eine als befriedigend empfundene (und anerkannte!) Tätigkeit ausübt, egal ob in "regulärem" Lohnverhältnis oder als "Sozialkontakt" welcher Art auch immer.
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#12
(03-03-2010, 14:08)Rao schrieb: Ein Staat, in dem Dauer-Empfänger staatlicher Unterstützungen, die nie eine Gegenleistung erbringen, obwohl sie dazu durchaus fähig wären, besser dastehen als Leute, die 40 Stunden und mehr pro Woche schuften, ist in meinen Augen grundsätzlich doof!

Wo soll das generell so sein ?

Und liegt es in den Einzelfällen, die für Deutschland zutreffen, nicht eher am zu niedrigen Lohn als an zu hoher staatlicher Unterstützung (die übrigens nicht grundsätzlich von Gegenleistungen freigestellt ist) ?
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#13
(03-03-2010, 14:08)Rao schrieb:
Zitat:Naja, "auch" ist Ansichtssache. Dein Statement à la "Sozialstaat ist doof. Es lebe Amerika" wirkt auf mich sicherlich nicht intelligenter, als der weit verbreitete Anti-Amerikanismus.
Ein Staat, in dem Dauer-Empfänger staatlicher Unterstützungen, die nie eine Gegenleistung erbringen, obwohl sie dazu durchaus fähig wären, besser dastehen als Leute, die 40 Stunden und mehr pro Woche schuften, ist in meinen Augen grundsätzlich doof!

auf welchem erdteil liegt der denn?

lies dir mal durch, was der paritätische wohlfahrtsverband populistischen hetzern wie unserem spaßguido vorrechnet:

http://.der-paritaetische.de/242/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=3655&cHash=11f04200ea
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
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#14
(03-03-2010, 14:40)Rao schrieb: Kümmern ja, aber nicht unbegrenzt. Ich kenne eine Reihe von "Gutmenschen", die sich einbilden, Behinderte hätten alle Arten von Extrawürsten verdient (auf Staatskosten natürlich), nur weil sie behindert sind. Behinderung ist aber nur ein Zustand, sie ist weder Leistung noch Verdienst, die in irgendeiner Weise auch noch zu "belohnen" wäre.

Was ist denn für dich eine Extrawurst bzw. welche Abstriche würdest du denn bei der Betreung behinderter Menschen machen?


(03-03-2010, 14:40)Rao schrieb:
Zitat:Nur das es dieses Kastenwesen eben doch in Form sozialer Ungleichheit gibt. Es macht schon einen Unterschied ob ich als Kind von Alkoholikern aufwachse die sich die Uni nicht leisten können oder als Kind eines Managers der mir das Geld nur so nachwirft.
Ist das in Deutschland (heute!) etwa anders?

Nein ist es natürlich nicht. Dein Text wirkte nur so als ob in Amerika jeder die selben Chancen hat und das ist nun mal, ebenso wie in Deutschland, praktisch nicht der Fall. Nur kann man in Deutschland Zuschüsse wie Ausbildungsbafög oder Studentenbafög bekommen was man meines Wissens in Amerika nicht kann. Bedeutet also wenn du aus einem armen Elternhaus kommst sind deine Chancen zu studieren schon sehr eingeschränkt.


(03-03-2010, 14:40)Rao schrieb: Im Übrigen: wieviele deutsche Jugendliche hätten ohne besagte Ausbildungsförderung, nach "amerikanischem Muster", eine Chance auf dem Arbeitsmarkt? Ich glaube nicht, daß die bei echter Chancen"gleichheit" trotzdem besser abschnitten... wieder die deutsche "Kuschelmentalität", die sich in allem auf den Staat verläßt!

Ich verstehe leider nicht genau was du damit sagen willst. Wie dem auch sei, findest du nicht dass der Zugang zu Bildung unabhängig sein sollte vom Einkommen der Eltern? Das jedes Kind dass geboren wird die selben Möglichkeiten haben sollte? Das geht aber nur in einem Sozialstaat.


(03-03-2010, 14:40)Rao schrieb:
Zitat:Dir ist aber bewusst, dass es da wo es Sieger gibt (derjenige der eine "zündende Idee" hatte) auch Verlierer gibt? In einem System wo jeder ausschließlich auf sich selbst und sein berufliches Weiterkommen bedacht ist muss es zwangsläufig Leute geben die auf der Strecke bleiben.
Deswegen kann ich von "anständiger" nichts erkennen. Desweiteren implizierst du dass jeder der nicht arbeitet diese "Zurücklehnen-und-der-liebe-gute-Staat-wird´s-schon-richten"-Einstellung hat. Das ist zum einen ziemlich unfair gegenüber Arbeitslosen die nicht so denken
Wird jemand, der nicht so denkt, lange arbeitslos bleiben?

Kennst du ein paar Arbeitslose persönlich? Ich schon. Und von denen die ich kenne finden es die wenigsten spassig ohne Arbeit zu sein und sich anhören zu dürfen sie seien Sozialschmarotzer. Sicher, es gibt solche Leute, aber doch nicht die Masse.


(03-03-2010, 14:40)Rao schrieb: Es soll auch Leute geben, die mit schlechtbezahlten Jobs auskommen und zufrieden sind..


Sicher. Es gibt ja auch genügend Leute die genau das tun. Ob sie allerdings zufrieden sind?
Es ist ja auch nicht so dass an Hartz4 und ähnlichem keine Forderungen geknüpft wären. Wenn du da einen Job ausschlägst dann bekommst du eben auch weniger Geld. Von daher haut das "Ausruhen und der Staat macht schon" so nicht hin.


(03-03-2010, 14:40)Rao schrieb: Genausowichtig, nehme ich an, wie die Zufriedenheit jedes Einzelnen. Und die steigt bekanntlich, wenn man eine als befriedigend empfundene (und anerkannte!) Tätigkeit ausübt, egal ob in "regulärem" Lohnverhältnis oder als "Sozialkontakt" welcher Art auch immer.

Richtig. Aber das Problem ist halt dass es diese "als befriedigend empfundene Tätigkeit" nicht in ausreichendem Maße gibt. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise. Wo sollen denn all die Jobs sein?
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#15
Zitat:Und liegt es in den Einzelfällen, die für Deutschland zutreffen, nicht eher am zu niedrigen Lohn als an zu hoher staatlicher Unterstützung (die übrigens nicht grundsätzlich von Gegenleistungen freigestellt ist) ?

Vor ein paar Jahren (noch vor Hartz 4) wurde mal eine Rechnung durchgeführt: Sozialhilfeempfänger in München (teures Pflaster!), Wohnung, Hausfrau, 2 kleine Kinder - und zum Vergleich ein Beamter (Sündenbock für alles und jedes seit jeher) einfachen Dienstes, vergleichbare Wohnung in gleicher Lage, gleiche Familie, 40-Stunden-Arbeitswoche... wer behielt nach Abzug aller monatlichen Kosten mehr Geld übrig?
(kleiner Hinweis: es war nicht der Beamte!)
War also das Durchschnittsgehalt des Beamten zu niedrig, oder die Sozialhilfe des anderen zu hoch?
(ich kenne die aktuellen Zahlen nicht, aber ich glaube nicht, daß sich da recht viel geändert hat... wer konkrete, vergleichbare Zahlen von München oder anderswo hat, kann sie mal vorlegen...)

(Quelle: kursierte vor Jahren als Witz in diversen Behörden, basierte aber auf einer realen Vergleichsberechnung)
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