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Religion nur Zuflucht ?
#1
Da in dem Thread "muslimische Forums-Trolle" gerade das Thema aufkam dass Gewalt im Zeichen der Religion ihre Ursache außerhalb dieser hat, würde ich gerne einmal in einem neuen Thread darüber disskutieren und das Thema etwas ausweiten.

Wenn religiös-motivierte Straftaten ihre Ursachen in sozialen Missständen haben, dann liegt der Gedanke nicht fern, dass Religion generell nur eine Zuflucht ist, in der Menschen sich vor den sozialen Problemen flüchten.
Es wird Schutz gesucht vor den Problemen der realen Welt und Hoffnung in Versprechen auf eine bessere Existenz im Jenseits gegeben.
Wenn wir nun, rein hypothetisch in einer perfekten Gesellschaft leben würden, also ohne Arm/Reich, Gebildet/Dumm usw., würde dies das Aus für Religion bedeuten (so ähnlich wie es auch Marx postuliert)? Oder stellt Religion mehr da, als eine vom Menschen selbst geschaffene Zufluchtsstätte um mit seinen eigenen Problemen besser umgehen zu können?
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#2
Eine gute Frage. Wenn wir "von Anfang an" in einer perfekten Welt gelebt hätten, in der es nie Phänomene gegeben hätte wie Kriege, den Wunsch nach Macht oder ähnliches, in der wirklich jeder, egal wie er gepolt ist und was er für richtig hält gleichermaßen behandelt wird, hätte es womöglich den Wunsch nach etwas Höherem nie gegeben.

Wie ist religiöser Glaube (oder einfach Glaube an irgendetwas) entstanden? Es wäre falsch dies für alle Religionen zu sagen, aber viele Kulte oder ähnliches sind auf jeden Fall entstanden, weil die Menschen Ängste hatten, weil sie sich vielleicht verloren fühlten. Hätte in einer perfekten Welt jeder Mensch automatisch mindestens 1 Person, die ähnlich tickt wie er und der man sich über alles unterhalten kann, bedürfte es wohl nicht dem Wunsch Gruppen zu bilden, die allgemeine Moralvorstellungen, Gesetze etc. bilden.
Insofern: Meine Ansicht ist, dass Religionen sehr wahrscheinlich wirklich überflüssig wären, wenn es keine sozialen Probleme gäbe. Wenn die gesamte Menschheit eine große "gute" Gesellschaft wäre.


Sind in deiner Vorstellung einer perfekten Welt Naturkatastrophen inkludiert? Erdbeben etc. könnten in einer perfekten Gesellschaft durchaus Religionen hervorrufen. Da würden sich die Leute wohl fragen, warum so etwas Furchtbares geschieht und die Antwort finden in einer höheren Ordnung.
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#3
(23-02-2010, 14:50)Gundi schrieb: Da in dem Thread "muslimische Forums-Trolle" gerade das Thema aufkam dass Gewalt im Zeichen der Religion ihre Ursache außerhalb dieser hat

nur damit wir uns nicht mißverstehen: das muß nicht in jedem fall so sein

Zitat:Wenn religiös-motivierte Straftaten ihre Ursachen in sozialen Missständen haben, dann liegt der Gedanke nicht fern, dass Religion generell nur eine Zuflucht ist, in der Menschen sich vor den sozialen Problemen flüchten

ich sehe hier zwar keinen konditionalen zusammenhang, aber religion als "opium des volkes" ist ja durchaus kein allzu neues konzept und für mich plausibel

Zitat:Es wird Schutz gesucht vor den Problemen der realen Welt und Hoffnung in Versprechen auf eine bessere Existenz im Jenseits gegeben.
Wenn wir nun, rein hypothetisch in einer perfekten Gesellschaft leben würden, also ohne Arm/Reich, Gebildet/Dumm usw., würde dies das Aus für Religion bedeuten (so ähnlich wie es auch Marx postuliert)?

kaum. da bliebe ja dann immer noch die endlichkeit des lebens, mit der mensch sich nicht abfinden will und daher ein leben nach dem tode imaginiert

Zitat:Oder stellt Religion mehr da, als eine vom Menschen selbst geschaffene Zufluchtsstätte um mit seinen eigenen Problemen besser umgehen zu können?

für den einzelnen gläubigen durchaus
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#4
(23-02-2010, 14:50)Gundi schrieb: Es wird Schutz gesucht vor den Problemen der realen Welt und Hoffnung in Versprechen auf eine bessere Existenz im Jenseits gegeben.
Wenn wir nun, rein hypothetisch in einer perfekten Gesellschaft leben würden, also ohne Arm/Reich, Gebildet/Dumm usw., würde dies das Aus für Religion bedeuten (so ähnlich wie es auch Marx postuliert)? Oder stellt Religion mehr da, als eine vom Menschen selbst geschaffene Zufluchtsstätte um mit seinen eigenen Problemen besser umgehen zu können?

Selbst in einer perfekten Welt (wie immer sie gestaltet sein möge) wären die Ängste der Menschen vor dem Tod nicht einfach weg. Als vernunftbegabte Wesen stellen wir uns die Frage: Was kommt danach? bei vielen verbunden mit der Nichtvorstellbarkeit der eigenen Nichtexistenz (ICH kann doch nachher nicht einfach "nicht" sein). Diesen Ängsten und Fragen widmen sich Religionen, indem sie Lösungen bieten, an denen die Menschen sich festhalten können. Sie haben eine Antwort auf die Frage nach dem "danach" und im hier und jetzt nach dem Sinn des Daseins und diese Fragen werden sich auch Menschen in einer perfekten Welt stellen.

Ob die Antworten der Religionen richtig sind, steht natürlich auf einem anderen Blatt, aber sie haben Antworten.
Beste Grüße, K - G - B

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#5
Ich sehe in der Frage nach Gewalt im Zusammenhang mit Religion ein Deutungsproblem. Wir haben eine Realität, die keineswegs eine Gleichverteilung der Güter ermöglicht. Deswegen ist es unmöglich, die Frage zu beantworten, ob eine "perfekte Gesellschaft" keine oder eine ganz und gar andere, friedfertige Religion hätte.
Die Realität besteht aus lokalem und temporärem Ressourcenmangel, aus Wesen, die rauben, was sie irgend erreichen können, und die zugleich Speise sind, für andere. Wir Menschen leben mittendarin und sind Beteiligte und Opfer.

In dieser Situation ein Bewusstsein zu haben, bedeutet im wahrsten Sinne des Wortes weiter zu denken, als bis zum baldigen Scheitern (= Verhungern oder gefressen zu werden). Das menschliche Bewusstsein und alles, was darin vor sich geht, ist ein biologisches Steuerungsphänomen. Es ist dazu da, das Leben der Gesellschaft zu gewährleisten - über das individuelle Verhalten hinaus.

In diesem Sinne stellt Religion eine Vorstellungswelt zur Verfügung, die mehr ist als eine "Zufluchtstätte" (Gundi), sogar viel mehr. Wir dürfen nicht vergessen, dass jene Teile dieser Welt der Vorstellungen, die heute so säuberlich getrennt weiter verfolgt werden, in den archetypischen Religionen eins waren: z. B. Psychologie, Philosophie, Geschichte und Geschichten, Sachwissen und Gesetze, Mathematik und Götterlehre, Ethik und Handwerk, Pädagogik und Kult.

Was heute Religion ist, ist bestenfalls noch Tradition und Ethik, aufgehängt an einer als fraglich gesehenen Vorstellung von etwas Unirdischem, Heiligen. Im schlimmsten Fall ist es ja so, dass Wissen zugunsten der Lehre vom Heiligen verworfen wird, was dem ursprünglichen Zweck, nämlich der Gesellschaft zum Überleben zu verhelfen, geradezu zuwiderläuft. Das geht auch nur deshalb, weil sich die Dinge inzwischen soweit auseinanderentwickelt haben, dass es auf gewisse Einzelanschauungen gar nicht mehr ankommt.

@Nidschki, Thema Religion aus Angst:
Wie oben erwähnt, dient die Religion dazu, einer Gesellschaft das Überleben zu ermöglichen nicht zuletzt durch das Denken über "mich" und meine Ängste hinaus. "Wenn es keine sozialen Probleme gäbe, ...", ist eine ziemlich müßige Fiktion; denn die Realität ist für den individuell schwachen Menschen tödlich (vielleicht nicht heute, aber in den letzten 50000 Jahren durchaus). Gemeinschaftsbildende Faktoren waren es, die das Überleben der Menschheit durch Gesellschaft garantierte.

@Petronius
Ich sehe einen großen Unterschied zwischen heutiger Religion und jenen Ansätzen in historischer Zeit, sagen wir von vor 600 Jahren und mehr. Die Analyse von Karl Marx "Opium des Volkes" hat die moderne Religionsausübung vor Augen, bei der privilegierte Gesellschaftsschichten die minder privilegierte Mehrheitsgesellschaft schamlos ausgenutzt hat. Das hat nichts mehr mit der ursprünglichen Überlebensstrategie von kleinen Gruppen von maximal Dorfgröße zu tun. Man kann bestenfalls von einer Perversion der Religion sprechen zugunsten einer relativ kleinen Elite. In der Tat, die lebt - auch heute noch - gut davon, dass Menschen "ausgebeutet" werden.
Die Todesfurcht wird in den Religionen durchaus überindividuell bekämpft. Die Mythen ermöglichen es der Population einerseits in all dem Elend "anständig" zu bleiben und den Genossen nicht zu bestehlen oder zu ermorden, andererseits den eigenen Tod zugunsten anderer Genossen in Kauf zu nehmen.

@'K - G - B'
Ich denke, die Frage: "Was kommt danach?" gehört zwangsläufig zum Phänomen "Bewusstsein", welches meiner Meinung nach ein gesellschaftsdynamisches Phänomen ist, welches eng mit der Fähigkeit zu sprechen verbunden ist. Bewusstsein greift weit über das Individuum hinaus durch Sprache und Religion und zwar in fast jeder Beziehung.

Folgerichtig bildet sich eine Vorstellung von: "ICH kann doch nachher nicht einfach "nicht" sein", eben weil Bewusstsein im Grunde überindividuell agiert. Was wäre ICH denn, würde ich wie manche Tiere solitär leben?

So stimme ich dir zu: Fragen nach dem Sinn und dem "Danach" werden solange gestellt, wie unser Bewusstsein "gesellschaftlich" agiert.
Die Antworten der Religionen sind nicht entscheidend, sondern die tradierten, gesellschaftsrelevanten Verhaltensweisen in einer für Menschen feindlichen Natur. Bedenken wir eins: Religion (und ihr empirisches Wissen über Sachen und Verhalten) war überlebenswichtig und ist es durch die Differenzierung und Abspaltung nicht mehr - jedenfalls in der derzeitigen, lokalen Welt.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#6
(24-02-2010, 00:53)Ekkard schrieb: Ich sehe in der Frage nach Gewalt im Zusammenhang mit Religion ein Deutungsproblem. Wir haben eine Realität, die keineswegs eine Gleichverteilung der Güter ermöglicht. Deswegen ist es unmöglich, die Frage zu beantworten, ob eine "perfekte Gesellschaft" keine oder eine ganz und gar andere, friedfertige Religion hätte.

Lass es mich anders formulieren: Könnte es eine Gesellschaft geben, in der Religion und Glauben keine Rolle mehr spielen?


(24-02-2010, 00:53)Ekkard schrieb: In diesem Sinne stellt Religion eine Vorstellungswelt zur Verfügung, die mehr ist als eine "Zufluchtstätte" (Gundi), sogar viel mehr.
Wir dürfen nicht vergessen, dass jene Teile dieser Welt der Vorstellungen, die heute so säuberlich getrennt weiter verfolgt werden, in den archetypischen Religionen eins waren: z. B. Psychologie, Philosophie, Geschichte und Geschichten, Sachwissen und Gesetze, Mathematik und Götterlehre, Ethik und Handwerk, Pädagogik und Kult.

Aber wenn all diese Bereiche heute getrennt sind von Religion, welchen Geltungsanspruch hat sie dann deiner Meinung noch in der heutigen Zeit außer als "Zufluchtsstätte"?
Wo liegt heutzutage ihr Sinn? Ist nicht auch ihre Vormachtstellung was das Zusammenleben in der Gesellschaft betrifft abhandengekommen und eingenommen worden von Gesetzen und außerreligiösen Bestimmungen?
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#7
(24-02-2010, 01:20)Gundi schrieb: Könnte es eine Gesellschaft geben, in der Religion und Glauben keine Rolle mehr spielen?
Nein, ich hatte dies auch begründet. Unser Bewusstsein greift über das Individuum hinaus. Die Menschen werden also immer nach einem gemeinsamen Vorstellungsgut streben (= Religion). Und dieses wird mythologischen Charakter haben. Wenn ich mir manchmal die Volksmythen ansehe, die aus kosmologischen Hypothesen gestrickt werden, dann kann ich mir vorstellen, wie so etwas aussieht.

(24-02-2010, 01:20)Gundi schrieb: Wo liegt heutzutage ihr Sinn? Ist nicht auch ihre Vormachtstellung was das Zusammenleben in der Gesellschaft betrifft abhandengekommen und eingenommen worden von Gesetzen und außerreligiösen Bestimmungen?
Die "Vormachtstellung" hat historischen Charakter: Seit Kaiser Konstantin um das Jahr 400 das Christentum zur Staatsreligion gemacht hat, herrscht die Kirche als Ordnungsmacht. Diese Stellung hat sie größtenteils eingebüßt und wird sie weiter verlieren. Du wirst teilweise Recht haben: Religion wird zur "Zufluchtstätte". Ich meine aber, dass es das Bewusstsein ist, was immer wieder nach gemeinsamen Mythen suchen wird. Schließlich können wir unser Bewusstsein nicht veranlassen anders zu sein, als es evolutionsbiologisch ist. Der Sinn von Religion ist also die "Verbindung" von Individuen zu einer Gemeinschaft durch gemeinsame Mythen, also fast so etwas wie eine "intuitive Sprachregelung" innerhalb einer Gruppe oder Gesellschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#8
(24-02-2010, 00:53)Ekkard schrieb: Ich sehe einen großen Unterschied zwischen heutiger Religion und jenen Ansätzen in historischer Zeit, sagen wir von vor 600 Jahren und mehr

ich nicht

Zitat:Die Analyse von Karl Marx "Opium des Volkes" hat die moderne Religionsausübung vor Augen, bei der privilegierte Gesellschaftsschichten die minder privilegierte Mehrheitsgesellschaft schamlos ausgenutzt hat

ich beziehe mich nicht auf eine marxsche analyse der politisch-wirtschaftlichen verhältnisse, sondern darauf, daß religion als irrealer trost für real benachteiligte dient bzw. einen den irdisch leidenden auf ein besseres jenseits, eine höhere gerechtigkeit vertröstet

Zitat:Das hat nichts mehr mit der ursprünglichen Überlebensstrategie von kleinen Gruppen von maximal Dorfgröße zu tun

die wiederum nichts mit religion zu tun hat, schon gar nicht mit der vor 600 jahren im vergleich zu heute
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#9
(24-02-2010, 01:20)Gundi schrieb: Lass es mich anders formulieren: Könnte es eine Gesellschaft geben, in der Religion und Glauben keine Rolle mehr spielen?

imho nein. das bedürfnis nach transzendenz (zu welchem zweck auch immer - und sei es als "opium des volks") scheint gegeben zu sein. nicht bei allen, wohlgemerkt, vielelicht noch nicht mal bei der mehrzahl der menschen, aber ebensowenig kann man davon ausgehen, es existiere nicht

(24-02-2010, 01:20)Gundi schrieb: Aber wenn all diese Bereiche heute getrennt sind von Religion, welchen Geltungsanspruch hat sie dann deiner Meinung noch in der heutigen Zeit außer als "Zufluchtsstätte"?
Wo liegt heutzutage ihr Sinn?

einen allgemeinen oder gar übergreifend verbindlichen geltungsanspruch haben religionen eben nicht mehr. was der tatsache nicht entgegensteht, daß sie individuell als sinngebend empfunden werden kann
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#10
(24-02-2010, 01:35)Ekkard schrieb:
(24-02-2010, 01:20)Gundi schrieb: Könnte es eine Gesellschaft geben, in der Religion und Glauben keine Rolle mehr spielen?
Nein, ich hatte dies auch begründet. Unser Bewusstsein greift über das Individuum hinaus. Die Menschen werden also immer nach einem gemeinsamen Vorstellungsgut streben (= Religion)

einspruch!

aus dem "streben nach gemeinsamem vorstellungsgut" folgt keineswegs zwingend "religion". in einer pluralen gesellschaft gibt es nun mal auch ganz andere möglichkeiten, gemeinsamkeiten zu definieren und sich gleichgesinnt zusammenzuschließen - die religion hat diese alleinfunktion schon lange verloren und heute eben weitgehend individuelle bedeutung

Zitat:Und dieses wird mythologischen Charakter haben. Wenn ich mir manchmal die Volksmythen ansehe, die aus kosmologischen Hypothesen gestrickt werden, dann kann ich mir vorstellen, wie so etwas aussieht

und diese "aus kosmologischen Hypothesen gestrickten Volksmythen" laufen für dich natürlich auch unter "religion", hab ich recht?

wie schon mal bemerkt: du hängst je nach momentan gefühlter diskurserfordernis allem und jedem das etikett "religion" oder glaube" um, was limho etztlich aufgrund dieser beliebigkeit der definition die diskussion entwertet

(24-02-2010, 01:35)Ekkard schrieb: Der Sinn von Religion ist also die "Verbindung" von Individuen zu einer Gemeinschaft durch gemeinsame Mythen, also fast so etwas wie eine "intuitive Sprachregelung" innerhalb einer Gruppe oder Gesellschaft.

klar...

bayern münchen ist kirche und der vorsitzende des kleintierzüchtervereins eine art papst...
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#11
Petronius,
es ist einfach ärgerlich, wenn du dasselbe sagst, wie dein Gesprächspartner, es aber als grundlegend anders formuliert wird!

"ich nicht", ist kein wirkliches Argument; denn vor rund 600 Jahren und früher tradierte Religion sowohl (Sach-)Wissen als auch Wertekanon (einschließlich gesetzlicher Regeln). (Dass diese Dinge für Individuen häufig "nicht lustig" waren, steht auf einem anderen Blatt.)

Im Übrigen ist deine Analyse sinngleich mit dem, was Karl Marx vertreten hat, dem ich auch zustimme. So what?

Die Überlebensstrategie von Menschengruppen durch gemeinsame Vorstellungen, gemeinsame Sprache, gemeinsame Tradition kannst du nicht mit der koddrigen Behauptung abtun, die habe nichts mit Religion zu tun. Zumal ich gesagt habe, dass heutige Religion etwas anderes ist, als jene "gemeinsamen, das ganze Leben der Gruppe umfassenden Vorstellungen". Mir ist schon klar, dass Religionsausübung der Neuzeit, nicht der elementaren Existenzsicherung dient, wie dies an antiken Gesellschaften ablesbar ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#12
Petronius, ich teile deine enge Sicht auf das Phänomen Religion nicht. Man muss bei diesem Phänomen die antike, die indische, die indianische, die afrikanische Götter- und Dämonenwelt genauso im Auge haben, wie quasi-staatliche Strukturen nach Konstantin, das Judentum und den Islam. Man muss ferner im Blick behalten, dass bis in die Zeit Luthers Theologie alles umfasste, was heute getrennte Disziplinen sind einschließlich z. B. Astronomie und Medizin, Juristerei und Psychologie, Agrarwissen und Meteorologie.
Wir mögen die Verquickung mit mythologischen Geschichten belächeln, aber diese Geschichten hielten das Wissen "im Gruppengedächtnis".
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#13
(24-02-2010, 11:11)Ekkard schrieb: es ist einfach ärgerlich, wenn du dasselbe sagst, wie dein Gesprächspartner, es aber als grundlegend anders formuliert wird!

ich bin keineswegs davon überzeugt, dasselbe zu sagen wie du. im gegenteil haben wir doch sehr verschiedene ansichten darüber, was religion ist. für dich etwas äußerst beliebiges (du subsumierst alles mögliche unter "religion", was nichtreligiöse strukturen genauso leisten), definiere ich religion eben über den transzendenzbezug

Zitat:"ich nicht", ist kein wirkliches Argument

nein - es ist eine aussage, um mich von deiner zu distanzieren

Zitat:denn vor rund 600 Jahren und früher tradierte Religion sowohl (Sach-)Wissen als auch Wertekanon (einschließlich gesetzlicher Regeln)

welchen anspruch sie ja auch heute nicht aufgegeben hat

Zitat:Im Übrigen ist deine Analyse sinngleich mit dem, was Karl Marx vertreten hat, dem ich auch zustimme

na, dann ist es doch gut!

und trotzdem beziehe ich mich bei meiner zustimmung zum begriff des (opiums des volkes" nicht auch ich beziehe mich nicht auf eine analyse der politisch-wirtschaftlichen verhältnisse, sondern auf das bedürfnis des individuums nach auch irrationalem trost (bzw. ablenkung von den realen widrigkeiten des daseins)

Zitat:Die Überlebensstrategie von Menschengruppen durch gemeinsame Vorstellungen, gemeinsame Sprache, gemeinsame Tradition kannst du nicht mit der koddrigen Behauptung abtun, die habe nichts mit Religion zu tun

warum nicht?

es ist tatsache, daß all dies auch völlig ohne religionsbezug möglich ist. du magst ja gern immer wider etwas anderes behaupten - belege für deine meinung hast du noch nie gebracht

Zitat:ich teile deine enge Sicht auf das Phänomen Religion nicht. Man muss bei diesem Phänomen die antike, die indische, die indianische, die afrikanische Götter- und Dämonenwelt genauso im Auge haben, wie quasi-staatliche Strukturen nach Konstantin, das Judentum und den Islam. Man muss ferner im Blick behalten, dass bis in die Zeit Luthers Theologie alles umfasste, was heute getrennte Disziplinen sind einschließlich z. B. Astronomie und Medizin, Juristerei und Psychologie, Agrarwissen und Meteorologie

ja, und?

was konkret soll daraus folgen?

etwa, daß "Der Sinn von Religion also die "Verbindung" von Individuen zu einer Gemeinschaft ist"?

dann erfüllt eben jeder kegelverein den "sinn von religion"... :icon_rolleyes:

im übrigen kann ich dir nicht folgen, wenn du jegliches nachdenken über das erscheinungsbild der (materiellen und sozialen) realität einfach zur "theologie" erklärst

Zitat:Wir mögen die Verquickung mit mythologischen Geschichten belächeln, aber diese Geschichten hielten das Wissen "im Gruppengedächtnis"

welches wissen?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#14
(24-02-2010, 01:35)Ekkard schrieb: Du wirst teilweise Recht haben: Religion wird zur "Zufluchtstätte". Ich meine aber, dass es das Bewusstsein ist, was immer wieder nach gemeinsamen Mythen suchen wird. Schließlich können wir unser Bewusstsein nicht veranlassen anders zu sein, als es evolutionsbiologisch ist.

Ich verstehe nicht genau, weshalb du so viel Wert auf Mythen legst. Gerade in unserer heutigen Gesellschaft gibt es doch einen Großteil der mit Mythen und Religionsgeschichten nichts anfangen kann.
Vieleicht magst du das ein bisschen genauer erläutern?



(24-02-2010, 01:35)Ekkard schrieb: Der Sinn von Religion ist also die "Verbindung" von Individuen zu einer Gemeinschaft durch gemeinsame Mythen, also fast so etwas wie eine "intuitive Sprachregelung" innerhalb einer Gruppe oder Gesellschaft.

Wieso siehst du diese Verbindung zu einer Gemeinschaft nur in Religion?
Ist nicht z.B. eine Fußballmannschaft auch eine Gemeinschaft, aber deren Verbindung etwas anderes als Religion?
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#15
Ekkard schrieb:Die Überlebensstrategie von Menschengruppen durch gemeinsame Vorstellungen, gemeinsame Sprache, gemeinsame Tradition kannst du nicht mit der koddrigen Behauptung abtun, die habe nichts mit Religion zu tun

(24-02-2010, 11:55)petronius schrieb: warum nicht?

es ist tatsache, daß all dies auch völlig ohne religionsbezug möglich ist. du magst ja gern immer wider etwas anderes behaupten - belege für deine meinung hast du noch nie gebracht
Kann man ja mal behaupten, Tatsache ist jedoch auch, dass jüdische Schulen und mittelalterliche Universitäten alles Wissen ihrer Zeit unter der Klammer der Religion verbreitet haben. Die Trennung von der Religion im heutigen Sinne erfolgte erst in der Neuzeit.

Die Gemeinsamkeiten einer Gesellschaft sind erst heute religionslos möglich, weil das, was du als "Religion" empfindest, sich aus der Universalität in eine mythologisch beschränkte Ecke zurück gezogen hat, bestenfalls gut als "Zuflucht", wie an anderer Stelle beschrieben.

(24-02-2010, 11:55)petronius schrieb: dann erfüllt eben jeder kegelverein den "sinn von religion"...
... fast richtig, einen Sinn von Religion!

(24-02-2010, 11:55)petronius schrieb: im übrigen kann ich dir nicht folgen, wenn du jegliches nachdenken über das erscheinungsbild der (materiellen und sozialen) realität einfach zur "theologie" erklärst
Genaue Verfolgung meiner Gedankengänge hätte dich darauf hinweisen können, dass ich von historischen Gegebenheiten ausgegangen bin - unter anderem von jenem Wissen, das aus der Antike stammt und sich in Hl. Schriften niedergeschlagen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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