Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Kritik an Feuerbachs Religionskritik
#16
Wenn ich euch jetzt richtig verstehe, meint ihr dass Feuerbach lediglich sagt wie Menschen sich Gottesbilder schaffen. Ganz egal ob Gott existiert oder nicht. Darauf geht er nicht ein. Selbst wenn es einen Gott gibt, geschieht das Entstehen eines Gottesbildes nach dem selben Muster. Richtig?

Ich muss hierbei anmerken, dass Feuerbach kein Psychoanalytiker oder ähnliches war. Er hat auch keine empirischen Untersuchungen dieser Art gemacht. Ob es heute dazu Beweise gibt weiß ich leider nicht.
Desweitern ist er wirklich der Ansicht dass wenn das vom Menschen geschaffene Gottesbild verschwindet auch Gott selbst nicht mehr existiert. Gott ist für ihn ausschließlich Produkt des Menschen. Er geht also wirklich von der Annahme aus, das kein Gott real existiert. Die Frage ob es Gott gibt oder nicht beantwortet er definitiv mit nein.
Daher gründet sich auch seine Projektiontheorie auf dieser Annahme. Wie gesagt, er hat nie wirklich in dieser Richtung Forschung oder ähnliches betrieben.
Deswegen meine ich, dass seine Überlegung Sinn macht wenn man von der Nichtexistenz Gottes aus geht, aber nicht unbedingt wenn man von der Existenz Gottes ausgeht. Feuerbach nimmt hier eindeutig eine Positionierung vor.
Zitieren
#17
Nein, was ich eigentlich meine ist daß Feuerbach lediglich Aussagen über Gottesbilder treffen kann, aber keine über Gott wenn er streng erkenntnistheoretisch vorgeht. Ich selbst kenne Feuerbach nicht und kann mich daher nur auf Deine Zusammenfassung verlassen, die ich vielleicht auch zu wohlmeinend für Feuerbach ausgelegt habe. Zumindest scheint das möglich zu sein wenn Du jetzt entgegen eines früheren Kommentars meinst er hätte sehr wohl Gott direkt verneint und damit natürlich auch die Frage gestellt. Wenn er tatsächlich der Ansicht ist Gott würde aufhören zu existieren(nicht zu "existieren") wenn er aus unseren Köpfen verschwände, dann hat er sicher nicht recht, da er hier Gott mit Gottesbild verwechseln würde. Aber es ist durchaus möglich daß er sich dessen durchaus bewußt war und es absichtlich so harsch formuliert hat um seine Leser auf einer direkteren Ebene anzusprechen oder als ein Ausbruch einer möglichen Frustration bezüglich Religion sozusagen, was bei der Lebenswelt des 19ten Jahrhunderts auch nicht weiter verwunderlich wäre, schließlich waren die Kirchen damals noch sehr viel bornierter als heute, selbst in Europa. Ich sage daß er das formal nicht tun dürfte, aber auf der anderen Seite gibt es kein unbewiesenes unbelegteres Postulat das einzig in den Sehnsüchten der/mancher Menschen zu existieren scheint das trotz der Fülle an Hinweisen für ihre Nichtigkeit oder Irrelevanz noch so ernstgenommen wird. Das sollte man auch sehen.


Nachdem Feuerbach im 19ten Jahrhundert gelebt hat kann er auch keinerlei empirische Verfahren angewandt haben, da die Psychologie und Neurologie allenfalls in den Kinderschuhen steckten und moderne bildgebende Verfahren nicht einmal angedacht waren. Man kann heute lediglich untersuchen welche Hirnareale bei religiösen Empfindungen aktiv sind, und somit unter anderem Postulate widerlegen wie das vom Gotteszentrum im Gehirn. Bei religiösen Erfahrungen sind scheinbar viele verschiedene Gehirnareale involviert, und nichts deutet darauf hin daß hier ein prinzipieller Unterschied zwischen Gläubigen und Atheisten besteht. Lediglich Teile der Software scheinen sich zu unterscheiden.
Zitieren
#18
(06-02-2010, 01:33)Gundi schrieb: Wenn ich euch jetzt richtig verstehe, meint ihr dass Feuerbach lediglich sagt wie Menschen sich Gottesbilder schaffen. Ganz egal ob Gott existiert oder nicht. Darauf geht er nicht ein. Selbst wenn es einen Gott gibt, geschieht das Entstehen eines Gottesbildes nach dem selben Muster. Richtig?

stimmt - ich seh das so (was feuerbach sich gedacht hat, weiß ich nicht). ich seh das so, daß gar nichts anderes zur debatte stehen kann als eben das empirisch sich zeigende gottesbild, will man sich nicht in haltloser spekulation verlieren. denn dazu, ob gott existiert oder nicht, kann man keine darüber hinausgehende aussage treffen

auch ob "das Entstehen eines Gottesbildes nach dem selben Muster geschieht, selbst wenn es einen Gott gibt", kann niemand sagen. man kann aber prüfen und ggf. feststellen, ob die hypothese "projektion" das phänomen "gottesbild" hinreichend beschreibt und erklärt

(06-02-2010, 01:33)Gundi schrieb: Deswegen meine ich, dass seine Überlegung Sinn macht wenn man von der Nichtexistenz Gottes aus geht, aber nicht unbedingt wenn man von der Existenz Gottes ausgeht. Feuerbach nimmt hier eindeutig eine Positionierung vor

dann soll mir das auch recht sein...
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Zitieren
#19
(06-02-2010, 02:23)Hikikomori schrieb: Nein, was ich eigentlich meine ist daß Feuerbach lediglich Aussagen über Gottesbilder treffen kann, aber keine über Gott wenn er streng erkenntnistheoretisch vorgeht. Ich selbst kenne Feuerbach nicht und kann mich daher nur auf Deine Zusammenfassung verlassen, die ich vielleicht auch zu wohlmeinend für Feuerbach ausgelegt habe. Zumindest scheint das möglich zu sein wenn Du jetzt entgegen eines früheren Kommentars meinst er hätte sehr wohl Gott direkt verneint und damit natürlich auch die Frage gestellt. Wenn er tatsächlich der Ansicht ist Gott würde aufhören zu existieren(nicht zu "existieren") wenn er aus unseren Köpfen verschwände, dann hat er sicher nicht recht, da er hier Gott mit Gottesbild verwechseln würde.

Ok, ich denke jetzt verstehe ich dich:icon_cheesygrin: Du hast vollkommen recht, Feuerbach kann streng erkenntnistheoretisch keine Aussage über Gott machen. Aber wie gesagt, die Frage ob Gott existiert oder nicht wird von ihm nicht gestellt (in dem Sinne dass er darüber philosophiert). Er geht einfach von dessen Nichtexistenz aus und versucht aufbauend auf dieser Annahme das Phänomen Gottesbild/Gott zu erklären. Für sich selbst meint er Gott existiert nicht und gründet darauf seine Projektionsüberlegung.


(06-02-2010, 02:23)Hikikomori schrieb: Aber es ist durchaus möglich daß er sich dessen durchaus bewußt war und es absichtlich so harsch formuliert hat um seine Leser auf einer direkteren Ebene anzusprechen oder als ein Ausbruch einer möglichen Frustration bezüglich Religion sozusagen, was bei der Lebenswelt des 19ten Jahrhunderts auch nicht weiter verwunderlich wäre, schließlich waren die Kirchen damals noch sehr viel bornierter als heute, selbst in Europa.

Du meinst dass Feuerbach eventuell doch "nur" das Phänomen Gottesbild erklären wollte unabhängig von der Frage nach Gottes Existenz? Mhh... soweit ich weiß, hat er Gott (zumindest so wie ihn das Christentum lehrt) wirklich verneint und Gott und Gottesbild als eins aufgefasst.


(06-02-2010, 02:23)Hikikomori schrieb: Ich sage daß er das formal nicht tun dürfte, aber auf der anderen Seite gibt es kein unbewiesenes unbelegteres Postulat das einzig in den Sehnsüchten der/mancher Menschen zu existieren scheint das trotz der Fülle an Hinweisen für ihre Nichtigkeit oder Irrelevanz noch so ernstgenommen wird. Das sollte man auch sehen.

Das stimmt wohl. Ich denke hieraus bekommt auch die Theologie ihre Kraft. Eigentlich gibt es keine Beweise für Gott, aber die Tatsache dass das Gottesbild schon immer ungeheuer wichtig für die Menschen war, macht es wichtig sich mit dem Thema Gott zu befassen. Der Glaube an einen Gott gehört ja scheinbar zur Menschheit dazu.
Zitieren
#20
(06-02-2010, 09:16)petronius schrieb: stimmt - ich seh das so (was feuerbach sich gedacht hat, weiß ich nicht). ich seh das so, daß gar nichts anderes zur debatte stehen kann als eben das empirisch sich zeigende gottesbild, will man sich nicht in haltloser spekulation verlieren. denn dazu, ob gott existiert oder nicht, kann man keine darüber hinausgehende aussage treffen

Feuerbachs Überlegungen spielen auch durchaus eine Rolle bei der heutigen psychologischen Untersuchung des Phänomens Gottesbild.
Er selbst aber hat Gott und Gottesbild zusammengefasst.


(06-02-2010, 09:16)petronius schrieb: auch ob "das Entstehen eines Gottesbildes nach dem selben Muster geschieht, selbst wenn es einen Gott gibt", kann niemand sagen. man kann aber prüfen und ggf. feststellen, ob die hypothese "projektion" das phänomen "gottesbild" hinreichend beschreibt und erklärt

Was meinst ihr? Tut sie es oder nicht?
Und entfremdet sich der Mensch wirklich vom Menschen durch die Projektion Gott (so wie Feuerbach es sieht)? Wären das Leben ohne Religion also besser für die menschliche Gesellschaft (Feuerbach bejaht das)?
Zitieren
#21
(07-02-2010, 01:52)Gundi schrieb:
(06-02-2010, 09:16)petronius schrieb: stimmt - ich seh das so (was feuerbach sich gedacht hat, weiß ich nicht). ich seh das so, daß gar nichts anderes zur debatte stehen kann als eben das empirisch sich zeigende gottesbild, will man sich nicht in haltloser spekulation verlieren. denn dazu, ob gott existiert oder nicht, kann man keine darüber hinausgehende aussage treffen

Feuerbachs Überlegungen spielen auch durchaus eine Rolle bei der heutigen psychologischen Untersuchung des Phänomens Gottesbild

daran kannst du die qualität seiner überlegungen erkennen


Zitat:Was meinst ihr? Tut sie es oder nicht?


imho tut sie es

Zitat:Und entfremdet sich der Mensch wirklich vom Menschen durch die Projektion Gott (so wie Feuerbach es sieht)? Wären das Leben ohne Religion also besser für die menschliche Gesellschaft (Feuerbach bejaht das)?

ich halte diese fragestellung nicht für sinnvoll
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Zitieren
#22
(07-02-2010, 01:43)Gundi schrieb: Ok, ich denke jetzt verstehe ich dich:icon_cheesygrin: Du hast vollkommen recht, Feuerbach kann streng erkenntnistheoretisch keine Aussage über Gott machen. Aber wie gesagt, die Frage ob Gott existiert oder nicht wird von ihm nicht gestellt (in dem Sinne dass er darüber philosophiert). Er geht einfach von dessen Nichtexistenz aus und versucht aufbauend auf dieser Annahme das Phänomen Gottesbild/Gott zu erklären. Für sich selbst meint er Gott existiert nicht und gründet darauf seine Projektionsüberlegung.
[...]

Ich denke man würde hier einen Fehler machen wenn man Feuerbachs Religionskritik einfach unter dem Stichwort abstempelt er wäre ja von vornherein davon ausgegangen es gäbe Gott nicht und damit vielleicht auch die Bewertung mit einschließt es wäre aus philosophischer und erkenntnistheoretischer Sicht damit gleichwertig mit theologischen Überlegungen.

Denn ohne jetzt näher darüber nachzudenken welche Geisteshaltung und welche Überzeugungen Feuerbach persönlich gehabt haben mag und inwieweit sie nötig sind um etwas wie seine philosphische Arbeit überhaupt erst entwickeln zu können vernachlässigt man meines Erachtens mehrere Unterschiede sofern man Feuerbach tatsächlich auf Deinen kurzen Text eindampft.

Erstens, um eine solche Projektionstheorie überhaupt zu entwickeln muß man nicht Gott verneinen, man muß nicht einmal die Möglichkeit dazu eingestehen. Damit wäre auch ein Gläubiger in der Lage eine solche Theorie aufzustellen. Das ist natürlich relativ unwahrscheinlich da Menschen nicht dazu neigen Arbeiten über etwas zu verfassen woran sie nur als entfernte Möglichkeit glauben. Wir entziehen uns ungern unser eigenes Weltbild, wir stellen es ungern auf eine harte Probe. Aber die Divergenz der Gottesbilder könnte auch einen aufgeschlossenen Theologen zu der prinzipiellen Theorie führen daß die Gottesbilder die wir von Gott erstellen alle falsch und rein auf unserer menschlichen Natur beruhen, während Gott etwas ist worüber wir uns keinerlei Vorstellung machen können die auch nur annähernd zuträfe.
In gewisser Weise ist das auch der übliche Argumentationsweg, vor allem wenn Widersprüche zwischen Glaubensinhalten auftreten, aber auf der Gefühlsorgel wird dafür ausgiebig gespielt, als Qualia sind sie unergründlich genug. Lediglich das Moralisieren wird Theologen heutzutage und hierzulande noch öffentlich zugestanden, was man auch daran erkennt daß fast in jeder Fernsehrunde über Moral oder Ethik ein Theologe rumsitzen darf.

Zweitens, selbst wenn Gott tatsächlich existieren sollte sind Gottesbild und Gott nicht dasselbe. Das erkennt man alleine schon daran daß soviele unterschiedliche Gottesbilder auf der Welt existieren, jeder Gläubige hat im Prinzip sein eigenes, von konfessionellen oder religiösen Unterschieden gar nicht zu reden.
Insofern wird Feuerbachs Arbeit nicht dadurch wertlos daß man annimmt Gott existiere wirklich, während man tatsächlich annehmen müßte daß das Gottesbild das einzig wirklich reale an der ganzen Geschichte wäre wenn man annimmt Gott existiere nicht. Damit wäre dann allerdings ein sehr großer Teil der Theologie wo sie sich nicht direkt mit dem Menschen beschäftigt nahezu wertlos.

Damit ist Feuerbach, unabhängig davon was nun tatsächlich wahr ist bezüglich der Existenz eines Gottes, für die Theologie sehr viel gefährlicher als es die Existenz eines Gottes für Feuerbach wäre.
Das macht es aus erkenntnistheoretischer und allgemein aus philosophischer Sicht sehr attraktiv sich mit dieser Theorie der Projektion zu befassen, da selbst wenn sich das vermutlich ursächliche "Weltbild", der Atheismus, als falsch herausstellen sollte das noch keine vernichtenden Auswirkungen auf diesbezügliche Überlegungen von Feuerbach hätte, während umgekehrt das vom der Theologie bemühte Postulat, die Ausrichtung des Menschen auf Gott wäre die Ursache für seine Affinität zu Glauben selbst bei einer tatsächlichen Existenz dieses Gottes nicht zutreffen muß. Das Sehnen und das Ziel dieses Sehnens müssen nicht notwendigerweise in Verbindung stehen, vor allem wenn das Ziel und die Ausprägungen des Sehnens so unterschiedlich sind. Monotheismus, Polytheismus, Pantheismus, uswusf...
Hier sind nicht einfach andere der Gottheit unterlegte Eigenschaften vorhanden sondern teilweise ganz andere Auffassungen von Übernatürlichem die mit dem einen monotheistischen, oft perfekten und allmächtigen, Gott nichts mehr zu tun haben. Man denke nur an die verwundbaren und mit menschlichen Fehlern behafteten Götter der antiken Griechen.
Das läßt zumindest die Antworten auf die Frage nach der Spiritualität die Feuerbach gibt, auch wenn er als Beispiel dieser Spiritualität seine momentan häufigste Ausprägung, den abrahamitisch-monotheistischen Glauben heranzieht, selbst die Existenz dieses Gottes weitestgehend überleben, während die Theologie den umgekehrten Fall keinesfalls überleben würde, nicht in ihrer heutigen Form. Du hast selbst gesagt daß Du Feuerbachs Überlegungen sogar heute noch in psychologischen Untersuchungen des Phänomens Gottesbild eine Rolle beimisst.

Darin liegt vielleicht auch die Begründung, oder ein Teil davon, für den Nachhall den Feuerbachs religionskritische Arbeit in der Welt nach ihrer Veröffentlichung hatte. Sie ist ungleich mächtiger und gefährlicher für nahezu die ganze bisherige Theologie als es Gott für Feuerbachs eine Arbeit wäre, und das will schon was heißen. Das sollte man nicht vergessen bevor man Feuerbach einfach als Anti-Theologen betrachtet der in erkenntnistheoretischen und ideologischen Zwängen genauso gefangen wie umgekehrt die Theologen sei.
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Kritik und Kritikfähigkeit Ekkard 88 119171 22-12-2010, 18:52
Letzter Beitrag: Ekkard

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 2 Gast/Gäste