Zitat:Petronius:
Zitat:zahira: wenn ein Muslim einer Frau den Handschlag verweigert bedeutet das nicht zwangsläufig dass er eine Frau für Minderwertig hält
hatten wir schon. ist aber wohl in den meisten fällen so, und wird jedenfalls so wahrgenommen
- es kann ja auch regional bedingt sein. Mit einer Muslim-Familie war ich befreundet und wir wurden zum Bairamfest mit eingeladen, da bekam meine Mutter weil sie aelter war, einen Platz auf dem Sofa, alle andern um das Tischtuch auf dem Teppich inmitten des Raums, wo gegessen wurde. Als Nicht-Muslim wurde ich trotzdem gebeten, etwas beizutragen zur Herleitung des Bairamfestes, das zu erklaeren, was damals Abraham und seinem Sohn geschah - auch unter Beruecksichtigung dessen, dass Juden es auf Isaak beziehn und Muslime auf Ischmael - schon weil gelehrte Tischgespraeche so ein Fest festlicher von normalem Essen abheben. Wir hatten dan noch mehrere Themen dieser Art.
Die Frauen dieser Familie sassen nicht mit um diesen Tisch, sondern standen und bedienten, aber die Kleinkinder waren dabei mit am "Tisch". Keins der Kleinkinder betrat diesen Tisch, oder krabbelte zwischen die Speisen, sie unterliessen es einfach gleich. Wenn eins quengelte, wurde es nett mit irgendeinasm "Husch-Husch"-Spielchen wieder beruhigt.
Doch wenn es ums Handgeben ging, sagten sie einfach nur sehr hoeflich zu meiner Mutter, sie moechte entschuldigen, Haendeschuetteln mit einer Frau sei bei ihnen nicht Sitte - kein Problem. Darin lag keine Herunterstufung.
Auch weiss ich, dass dieser Mann seine Frau zaertlich liebte und viel auf sich nahm, damit sie es gut habe. Sie war ein sehr anmutiges Persoenchen, nicht "kusch" oder verhaermt, obwohl sie sehr arm waren, und auch ihre Schwaegerinnen wirkten nicht unterdrueckt.
Wenn eine Hausfrau gekocht hat und das Bedienen bei Tisch ihr obliegt, ist es kein grosser Unterschied fuer ihre Gemuetlichkeit oder Respektierung, ob sie andauernd rausrennt und etwas aus der Kueche hinzubringt, oder gleich an der Tuere bereitsteht - in einem grossen Haus, wo ich mal gearbeitet habe, da stand halt der Koch so parat - und von der Arbeitsstelle her weiss ich auch, dass wir als Chefs unter aehnlichen Umstaenden mitunter erst nach dem Abgang der Gaeste selbst gegessen haben.
Man kann dem etwas sich absondernden Leben von Maennern und Frauen auch angenehme Seiten abgewinnen, das ist auch eine Sache des Naturells im Einzelnen - im protestantischen Hessen gab es z.B.die weibliche Spinnstub' bis vielleicht in die 60er Jahre hinein, seit wann, wusste niemand genau - da hatten ihre Maenner erst Zutritt, wenn der Abend um war und sie mit ihren leichten Spinnraedchen auf dem Buckel heimbegleitet wurden. Da wurde dies und das, auch Maerchen, Legenden, neuste Nachrichten erzaehlt, gesungen, gewitzelt, ueber alles Moegliche auch mal gemuetlich intim hergezogen, sich aufgeregt und wieder beruhigt.
- Zu meiner Zeit dort machten wir mal eine "emanzipierte Spinnstub", z.B. der Nachbarjunge, der auch schon freiwillig Spinnrad-Spinnen und Stricken gelernt hatte, brachte dann etwa seine Jeans zum Flicken und kunstvollen Ausfranseln (war modern) mit, die Nachbarin etwas zum Stricken und z.B.ich hatte etwas an "Nadelmalerei" zu Sticken vor, das war mir alleine zu langweilig. Da kamen wir auch drauf, dass der "Clou" von frueher doch darin bestanden hatte, dass es unbefangenere Moeglichkeiten gab, wenn sich Maenner und Frauen getrennt traefen.
- zu unerhoerten Haerten kann es bei allen Gesellschafts-Systemen kommen, dann aber nicht aufgrund solcher Sitten, sondern eher trotzdem. Man kann auch von den andern Frauen, juengeren oder aelteren, im Frauenhaus gemobbt, entwuerdigt und misshandelt werden, dasselbe in der Maennergruppe, dasselbe, wenn sie alle Sitten teilen, meine ich.
An einer Arbeitsstelle war neben mir eine Wachturm-Anhaengerin taetig, eine ABM-Arbeit an Schreibtischen. Jemand hatte Geburtstag und sie sagte, sehr hoeflich und sehr freundlich, derjenige mit dem Geburtstag moege es nicht als Missachtung ansehen, wenn sie nicht mit gratuliere, denn bei ihr sei es religioes nicht ueblich, Geburtstage zu honorieren.
Aha? sagten wir, die das noch nicht wussten - aber niemand nahm es tragisch, weil sie ja eine mittlere Moeglichkeit gewaehlt hatte.
Sie war ein netter Mitarbeiter und verschonte uns mit Missions-Versuchen, sie tat ihren Wachturm-Dienst an Tueren und Strassen, wenn das halt dran war - jeder verpflichtet sich da zu einem gewissen Mass. Ich meine, mich zu erinnern, dass sie auch von sich aus das Haendeschuetteln unterliess.
Gehn wir es mal an von Seiten der gegenwaertigen Bemuehung, mal 1 Grippeform zu meiden, da wird ja neuerdings auch - teils wird das sogar den Patienten schon schriftlich an Praxistueren mitgeteilt - nahegelegt, das Haendeschuetteln zu unterlassen, nun wegen der Ansteckungsgefahr.
Auch sind die Weihwasserbecken in vielen Kirchen leer, weil das manche Gemeindemitglieder in vorauseilendem Gehorsam Medien gegenueber so wuenschten.
Soweit man sich mit Infektiologie auskennt, reicht 1,40 m Abstand schon aus, um zuverlaessig alles an Viren und Bazillen, was jemand ausatmet, spurenweise mit abzukriegen. Es gibt sogar welche, die man anscheinend aus emotionalen Gruenden regelrecht zur Jagd auf andere loslassen kann (ich glaub die Bazille heisst Proteus, dann streckt sie ihre Wimpern und fliegt weit) - also es ist m.E.kein so besonders sinnvoller Akt, ausgesprochen das Haendeschuetteln allen Menschen abzugewoehnen.
Soweit es aber ein deutsch-einheimisches Zeichen ist, einem bestimmten Menschen gegenueber unfreundlich zu sein, wenn man das Hand-Geben bei diesem unterlaesst, faellt es doch vielen schwer, es alltags generell zu unterlassen. Das sind Bereiche der Verhaltens-Soziologie, eine ganze Gesellschaft Leute hat es so oder anders von Geburt an den anderen in friedlichster Absicht abgelernt.
In einem bestimmten Alter schaffen sich Freundeskreise oder Familien noch kleine Extra-Formen zum Begruessen.
All sowas erlaubt keine verallgemeinernden Schluesse auf Achtung oder Einstufiung, ehe man die Situation und Beteiligten direkt sieht.
mfG WiT :)