11-04-2003, 08:58
Im Buddhanetz-Info habe ich diese dpa-Meldung gefunden - ich denke sie ist interessant, aber nicht so politisch, daß man sie hier nicht 'reinsetzen dürfte :)
Falls jemand Interesse daran haben sollte - der Buddhanetz-Infodienst wird so wenig genützt, daß der Betreiber überlegt ihn zu aufzulassen...
() qilin
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"Money-Theismus" auf dem Siegeszug?
Von Rudolf Grimm, dpa
Hamburg (dpa) - Zeichnet sich ein globaler Kampf um unvereinbare Werte ab? Diese Frage legen Überlegungen von Politik- und Sozialwissenschaftlern zur gegenwärtigen Rolle der Religionen und religiösen Überzeugungen im Weltgeschehen nahe. Sowohl von Konflikt- wie auch von Friedenspotenzialen ist die Rede.
Der zum Buddhismus konvertierte amerikanische Professor für internationale Studien David R. Loy äußert in einer Analyse der Situation Wertschätzung für die westlichen "Ideale" Individualismus, Liberalismus, Konstitutionalismus, Menschenrechte, Gleichheit, Freiheit, Gesetzesherrschaft, Demokratie. Aber Kennzeichen des Westens ist für ihn auch der "Money-Theismus". Er beschreibt ihn kritisch in seinem von der islamischen Zeitschrift "Al-Fadschr - Die Morgendämmerung" (Hamburg) mit der Überschrift "Der Westen gegen den Rest der Welt?" präsentierten Text als ein sich rapide ausbreitendes Wertesystem - der Markt als Gott.
Den USA wirft der an der Bunkyo-Universitaet (Japan) lehrende Professor einen "klaffenden Riss" zwischen ihren Werten und ihren Interessen vor. "Wenn unser überragender Wert in der Außenpolitik weiterhin beschränktes und oftmals brutales Selbstinteresse ist, werden wir kein ausgeklügeltes neues Paradigma brauchen, um zu erklären, warum die Welt nach dem Kalten Krieg noch immer ein Chaos ist und die neue Pax Americana nicht funktioniert", schreibt Loy.
Über die Christen im Westen urteilt er, die meisten hätten sich gut an die moderne Welt des säkularen Nationalismus, Kapitalismus und Konsumismus angepasst. Die soziale Gerechtigkeit sieht er im Islam mehr als in den anderen Weltreligionen thematisiert.
Der Politikwissenschaftler Ernst-Otto Czempiel (Universitaet Frankfurt) schreibt in seinem neuen Buch "Weltpolitik im Umbruch" (Verlag C.H. Beck), US-Präsident George W. Bush habe mit dem Begriff der "Achse des Bösen" den gegenwärtigen Konflikt der USA "auf die Ebene der Moral transportiert, so dass er auch eine metaphysische Qualität bekam". Statt den politischen Ursachen des Terrorangriffs vom 11. September 2001 Aufmerksamkeit zu widmen, habe er die Konfliktanalyse immunisiert: Im Kampf des Guten gegen das Böse gehe es nicht um Interessen, sondern um die Werte der zivilisierten Welt. Czempiel stellt dazu fest, so schrecklich jener Terrorangriff war, diese Rangordnung verdiene er nicht.
Der Politikwissenschaftler Volker Rittberger (Universitaet Tübingen) konstatiert zum Thema "Religionen und Gewalt", dass die Politisierung von Religionen und die Radikalisierung der Gläubigen "regelmäßig der wirtschaftlichen Verelendung und sozialen Diskriminierung ganzer Bevölkerungsschichten folgen." Das lasse sich vor allem in den Ländern des Südens beobachten. "Erst wenn sich die Schere zwischen Arm und Reich öffnet, wenn Modernisierungsgewinner und Modernisierungsverlierer klar sichtbar werden, erhalten religiöse Bewegungen Zulauf." Die "Renaissance der Religionen" sei mithin ganz entscheidend der Entwicklungs- und Modernisierungskrise in weiten Teilen der Welt geschuldet, schreibt Rittberger in einer Publikation der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (Berlin).
Der Professor für Religionspädagogik Fulbert Steffensky [BTW der Mann der bekannten Theologin Dorothee Sölle] von der Universitaet Hamburg sieht Religion da gefährdet, wo sie mit Staat und gesellschaftlicher Macht ein enges Bündnis eingeht. Als Hauptfrage jedem religiösen Entwurf gegenüber formulierte er in einem Interview des "Missionsdienstes" der Franziskaner (Bonn): "In wessen Interessen spricht er? Wer ist sein Freund und wer sein Feind?". Steffensky empfiehlt den Kirchen als Öffentlichkeitsprogramm: Schutz der Bedrückten, Gerechtigkeit, Mitleid, Trost und Sturz der Tyrannen.
Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) plädiert in der katholischen Zeitschrift "Stimmen der Zeit" (München) für einen "Dialog der Religionen". Ihm werde in diesem Jahrhundert eine größere Bedeutung zukommen als im vorigen. "Dabei wird es primär darum gehen, Spannungen abzubauen und das Gemeinsame zu suchen", schreibt sie unter dem Titel "Die Religionen im Spannungsfeld der Kulturen". Für sie gilt: Weder das Begriffspaar Westen und Islam, noch Christentum und Islam oder Judentum und Christentum sind als Gegensatz definier- und fassbar.
Einen notwendigen Beitrag zur Friedenssicherung sieht Schavan aber auch in der Suche nach einer gerechten Verteilung von Ressourcen und Zukunftschancen in der Welt. "Sehr leicht kann im Angesicht von ungebrochenem wirtschaftlichem Wachstum des Westens und damit verbundener weltweiter Macht der Eindruck entstehen, unwiderruflich von den wohlstandsfördernden Prozessen der Globalisierung abgekoppelt zu sein."
©dpa
120131 Mrz 03
Falls jemand Interesse daran haben sollte - der Buddhanetz-Infodienst wird so wenig genützt, daß der Betreiber überlegt ihn zu aufzulassen...
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"Money-Theismus" auf dem Siegeszug?
Von Rudolf Grimm, dpa
Hamburg (dpa) - Zeichnet sich ein globaler Kampf um unvereinbare Werte ab? Diese Frage legen Überlegungen von Politik- und Sozialwissenschaftlern zur gegenwärtigen Rolle der Religionen und religiösen Überzeugungen im Weltgeschehen nahe. Sowohl von Konflikt- wie auch von Friedenspotenzialen ist die Rede.
Der zum Buddhismus konvertierte amerikanische Professor für internationale Studien David R. Loy äußert in einer Analyse der Situation Wertschätzung für die westlichen "Ideale" Individualismus, Liberalismus, Konstitutionalismus, Menschenrechte, Gleichheit, Freiheit, Gesetzesherrschaft, Demokratie. Aber Kennzeichen des Westens ist für ihn auch der "Money-Theismus". Er beschreibt ihn kritisch in seinem von der islamischen Zeitschrift "Al-Fadschr - Die Morgendämmerung" (Hamburg) mit der Überschrift "Der Westen gegen den Rest der Welt?" präsentierten Text als ein sich rapide ausbreitendes Wertesystem - der Markt als Gott.
Den USA wirft der an der Bunkyo-Universitaet (Japan) lehrende Professor einen "klaffenden Riss" zwischen ihren Werten und ihren Interessen vor. "Wenn unser überragender Wert in der Außenpolitik weiterhin beschränktes und oftmals brutales Selbstinteresse ist, werden wir kein ausgeklügeltes neues Paradigma brauchen, um zu erklären, warum die Welt nach dem Kalten Krieg noch immer ein Chaos ist und die neue Pax Americana nicht funktioniert", schreibt Loy.
Über die Christen im Westen urteilt er, die meisten hätten sich gut an die moderne Welt des säkularen Nationalismus, Kapitalismus und Konsumismus angepasst. Die soziale Gerechtigkeit sieht er im Islam mehr als in den anderen Weltreligionen thematisiert.
Der Politikwissenschaftler Ernst-Otto Czempiel (Universitaet Frankfurt) schreibt in seinem neuen Buch "Weltpolitik im Umbruch" (Verlag C.H. Beck), US-Präsident George W. Bush habe mit dem Begriff der "Achse des Bösen" den gegenwärtigen Konflikt der USA "auf die Ebene der Moral transportiert, so dass er auch eine metaphysische Qualität bekam". Statt den politischen Ursachen des Terrorangriffs vom 11. September 2001 Aufmerksamkeit zu widmen, habe er die Konfliktanalyse immunisiert: Im Kampf des Guten gegen das Böse gehe es nicht um Interessen, sondern um die Werte der zivilisierten Welt. Czempiel stellt dazu fest, so schrecklich jener Terrorangriff war, diese Rangordnung verdiene er nicht.
Der Politikwissenschaftler Volker Rittberger (Universitaet Tübingen) konstatiert zum Thema "Religionen und Gewalt", dass die Politisierung von Religionen und die Radikalisierung der Gläubigen "regelmäßig der wirtschaftlichen Verelendung und sozialen Diskriminierung ganzer Bevölkerungsschichten folgen." Das lasse sich vor allem in den Ländern des Südens beobachten. "Erst wenn sich die Schere zwischen Arm und Reich öffnet, wenn Modernisierungsgewinner und Modernisierungsverlierer klar sichtbar werden, erhalten religiöse Bewegungen Zulauf." Die "Renaissance der Religionen" sei mithin ganz entscheidend der Entwicklungs- und Modernisierungskrise in weiten Teilen der Welt geschuldet, schreibt Rittberger in einer Publikation der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (Berlin).
Der Professor für Religionspädagogik Fulbert Steffensky [BTW der Mann der bekannten Theologin Dorothee Sölle] von der Universitaet Hamburg sieht Religion da gefährdet, wo sie mit Staat und gesellschaftlicher Macht ein enges Bündnis eingeht. Als Hauptfrage jedem religiösen Entwurf gegenüber formulierte er in einem Interview des "Missionsdienstes" der Franziskaner (Bonn): "In wessen Interessen spricht er? Wer ist sein Freund und wer sein Feind?". Steffensky empfiehlt den Kirchen als Öffentlichkeitsprogramm: Schutz der Bedrückten, Gerechtigkeit, Mitleid, Trost und Sturz der Tyrannen.
Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) plädiert in der katholischen Zeitschrift "Stimmen der Zeit" (München) für einen "Dialog der Religionen". Ihm werde in diesem Jahrhundert eine größere Bedeutung zukommen als im vorigen. "Dabei wird es primär darum gehen, Spannungen abzubauen und das Gemeinsame zu suchen", schreibt sie unter dem Titel "Die Religionen im Spannungsfeld der Kulturen". Für sie gilt: Weder das Begriffspaar Westen und Islam, noch Christentum und Islam oder Judentum und Christentum sind als Gegensatz definier- und fassbar.
Einen notwendigen Beitrag zur Friedenssicherung sieht Schavan aber auch in der Suche nach einer gerechten Verteilung von Ressourcen und Zukunftschancen in der Welt. "Sehr leicht kann im Angesicht von ungebrochenem wirtschaftlichem Wachstum des Westens und damit verbundener weltweiter Macht der Eindruck entstehen, unwiderruflich von den wohlstandsfördernden Prozessen der Globalisierung abgekoppelt zu sein."
©dpa
120131 Mrz 03