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War Jesus ein Freiheitskämpfer?
#1
Wie allgemein bekannt ist, sagt Jesus in Mt 10,34:

Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

Lukas, der dazu neigt, den Dingen die Schärfe zu nehmen, interpretiert die Vorlage (Logienquelle) in Lk 12,51:

Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, ich sage euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.

Das Thomas-Evangelium gibt den Ausgangstext von Q, ob ein solcher nun niedergeschrieben oder lediglich als mündliche Überlieferung vorlag, wohl am schärfsten wieder:

Logion 16:

Jesus sagte: Vielleicht meinen die Menschen, ich sei gekommen, um Frieden in die Welt zu bringen, und sie wissen nicht, dass ich gekommen bin, um Spaltung auf die Erde zu bringen, Feuer, Schwert, Krieg.

Die meisten christlichen Theologen erklären diese Aussage (insbesondere aufgrund der Folgeverse) mit der Spaltung, die die Hinwendung zu Jesus in die Familien brachte.

Dass dieses Herrenwort auch anders gesehen werden kann, gibt Hyam Maccoby, Jude und Reform-Rabbiner, in seinem Buch Jesus und der jüdische Freiheitskampf wieder.

Er schreibt:

Wenn Jesus ein Pazifist war, warum sagt er dann: "Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert"? Und warum verteilt er in der entscheidenden Nacht, nach dem letzten Abendmahl, Schwerter an seine Jünger? (Dieser Vorfall schlüpft nur in einem Evangelium, dem von Lukas (22,36-38) durch die Zensur.)

Jesus war eindeutig kein Pazifist. Sein Pazifismus ist ein Teil der Geschichte von seiner Ungefährlichkeit und dem nichtvorhandenen Widerstand gegen das Römische Reich, der Geschichte, mit der die christliche Kirche hoffte, den Argwohn der Römer, die Christen seien eine umstürzlerische Gruppe, zu zerstreuen.


Dass ich eher dazu neige, die geläufige Interpretation der meisten christlichen Theologen zu teilen, will ich nicht vorenthalten.

MfG E.
MfG B.
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#2
Hallo Epicharm,
da du dich mit den Symbolen und deren Deutung gut auskennst, argumentiere ich mit einem eindeutigen Ja, Jesus ist Zeichen der Freiheit, ist Freiheit - und nehme ich das Schwert zuhilfe, bedeutet das für mich, hier findet ein (geistiger) Kampf statt, der Lichtes von Finsternis, Richtiges von Unwahrheit abtrennt. Ein Schwert spaltet - jedoch auf symbolhafte Weise -, ist Zeichen eines Kampfes und Wehrhaftigkeit.Der Glaube kann auch ein Schwert sein, das uns hilft "zu erkennen" und zu widerstehen.
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#3
Guten Morgen, Epicharm!


Danke, dass Du dieses Thema, das in einem anderen Thread eher offtopic war, oder nur Teil eines übergreifenderen Themas, hier als solches zur Diskussion stellst.

Ich gehe jetzt mal die von Dir genannten Bibeltexte durch, so wie sie sich mir darstellen.

Ich habe jetzt eben noch einmal das ganze Kapitel 10 von Mattheus gelesen, und er redet hier von einer Spaltung zwischen denen, die ihn, Jesus, bekennen, und den anderen.
Diese Spaltung treibt er verbal voran, fordert sie. Zum Beispiel hier:

Zitat:11 Wenn ihr aber in eine Stadt oder in ein Dorf einkehrt, so forscht, wer darin würdig ist; und dort bleibt, bis ihr weggeht! 12 Wenn ihr aber in das Haus eintretet, so grüßt es! 13 Und wenn nun das Haus würdig ist, so komme euer Friede darauf; wenn es aber nicht würdig ist, so wende sich euer Friede zu euch zurück. 14 Und wenn jemand euch nicht aufnehmen noch eure Worte hören wird - geht hinaus aus jenem Haus oder jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen! 15 Wahrlich, ich sage euch, es wird dem Land von Sodom und Gomorra erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als jener Stadt.


Und dann:

Zitat:32 Jeder nun, der sich vor den Menschen zu mir bekennen wird, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist.33 Wer aber mich vor den Menschen verleugnen wird, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist. 34 Meint nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. 35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; 36 und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. 37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; 38 und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.


Die Spaltung, die der Sprecher der Texte vorantreibt, besteht darin, dass der Name des Jesus zentral ist. Der soll bekenntnisartig ausgesprochen werden.
Es ist hier überhaupt nicht von einem Sachverhalt die Rede, sondern von einem Personenkult.
Die Jünger sollen darum die Häuser, die die Verneigung vor diesem Namen verweigern, verlassen, weil Gott selber viel stärkere Bestrafungsmöglichkeiten hat. Da müssen die Jünger selber sich nicht darum kümmern. Ihr Auftrag sei es, den Namen Jesus als das Höchste zu verkünden. Und wer diesen Namen nicht annimmt, der wird - dafür wird Jesus persönlich sorgen -, auch von Gott nicht angenommen werden.


In diesem Sinne ist "Schwert" hier bei Matthäus wohl psychologisch gemeint. Jeus sei gekommen, um die Menschheit zu spalten. In die, die diesem "Namen" huldigen, und den anderen, die das nicht tun und denen es sehr, sehr dreckig gehen wird vor Gott. ->

Zitat:28 Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen; fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als auch Leib zu verderben vermag in der Hölle!



Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen:

Zitat:40 Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. 41 Wer einen Propheten aufnimmt in eines Propheten Namen12, wird eines Propheten Lohn empfangen; und wer einen Gerechten aufnimmt in eines Gerechten Namen, wird eines Gerechten Lohn empfangen. 42 Und wenn jemand einem dieser Geringen nur einen Becher kalten Wassers zu trinken gibt in eines Jüngers Namen13, wahrlich, ich sage euch, er wird seinen Lohn gewiss nicht verlieren.


Hier geht es also nicht darum, dass man einem, der Durst hat, zu trinken gibt, sondern einem Jünger Jesu zu trinken gibt. Denn die Jünger sind die Gerechten, sie haben den richtigen Namen auf den Lippen. Und wer diesen gerechten Jüngern zu trinken gibt, der wird von Gott Lohn erhalten.


Wenn man mich fragt:
Ich halte diese Texte für keine authentischen Worte.
Zu deutlich zeigt sich das Interesse der Jünger, gut aufgenommen zu werden.
In der Literatur- und Ideologiekritk hilft es sehr, immer als erstes nachzugucken: Wessen Interesse wird hier vertreten.


Zu der Parallelstelle in Lukas 12:
Tatsächlich Lukas entschärft. Aber die Hölle bleibt erhalten ->

Zitat:4 Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und nach diesem nichts weiter zu tun vermögen! 5 Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der nach dem Töten Macht 3 hat, in die Hölle zu werfen; ja, sage ich euch, diesen fürchtet! 6 Werden nicht fünf Sperlinge für zwei Münzen verkauft? Und nicht einer von ihnen ist vor Gott vergessen. 7 Aber selbst die Haare eures Hauptes sind alle gezählt. Fürchtet euch nicht! Ihr seid mehr als viele Sperlinge. 8 Ich sage euch aber: Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennen wird, zu dem wird sich auch der Sohn des Menschen vor den Engeln Gottes bekennen; 9 wer mich aber vor den Menschen verleugnet haben wird, der wird vor den Engeln Gottes verleugnet werden. 10 Und jeder, der ein Wort sagen wird gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; dem aber, der gegen den Heiligen Geist lästert, wird nicht vergeben werden. 10 Und jeder, der ein Wort sagen wird gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; dem aber, der gegen den Heiligen Geist lästert, wird nicht vergeben werden


Jesus wird - nach dieser Interpretation - also nicht die, die die Jünger schlecht behandeln, bei Gott anschwärzen, sondern bei den Engeln Gottes.
Und ebenfalls wird nach dieser Interpretation nicht der, der den Namen Jesus nicht anerkennt, in das Gericht kommen, sondern nur der, der dem Heiligen Geist lästert.
Allerdings könnte das nur eine indirekte Aussage für dasselbe sein. Denn wo soll der Heilige Geist ausgemacht werden, wenn nicht in den Worten der vom Heiligen Geist gelenkten Jünger?

Übrigens ist auch hier, ab Vers 38,
http://www.bibleserver.com/index.php
deutlich das persönliche Interesse der jungen Gemeinde - also der Jünger - herauszulesen:
die Wiederkunft Jesu verzögert sich, und es komme darauf an, jederzeit bereit zu sein.
Das kann unmöglich ein Text von Jesus selber sein.

Und zum Schluss die strittige Stelle selber bei Lukas :

Zitat:49 Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie wünschte ich, es wäre schon angezündet! 50 Ich habe aber eine Taufe, womit ich getauft werden muss, und wie bin ich bedrängt, bis sie vollbracht ist! 51 Denkt ihr, dass ich gekommen sei, Frieden auf der Erde zu geben? Nein, sage ich euch, sondern vielmehr Entzweiung. 52 Denn es werden von nun an fünf in einem Haus entzweit sein; drei mit zweien und zwei mit dreien; 53 es werden entzweit sein Vater mit Sohn und Sohn mit Vater, Mutter mit der Tochter und Tochter mit der Mutter, Schwiegermutter mit ihrer Schwiegertochter und Schwiegertochter mit der Schwiegermutter.


Im Prinzip das Gleiche wie bei Matthäus. Es wird die Spaltung als eine notwendige erklärt. Und im gleichen Sinne wie bei Matthäus.


Meine Schlussfolgerung:

Da ich kein Griechisch kann und auch sonst kein Neutestamentler bin, habe ich einfach mein Gespür für Texte und mein Gelerntes, ideologiekritisch an Texte heranzugehen, benutzt:
also erst einmal zu schauen, welche Intention sich in den Texten äußert. Daraus lässt sich bis zu einem gewissen Grad der Verfasser (und der Grund, warum er den Text geschrieben hat), erschließen.

Und im Moment scheint mir deutlich, dass Jesus nachträglich etwas in den Mund gelegt wurde, was nicht das Interesse Jesu sein konnte, sondern das Interesse der jungen Gemeinde:
sich vor Verfolgung zu wappnen. Offenbar waren die jungen Christen in eine Krise geraten und hatten die Frage: wie verhalten wir uns? Gehen wir jetzt erst recht in die Häuser, die von Jesus nichts hören wollen, oder rennen wir weg. Sollen wir uns rächen an denen, die mir den (christlichen) Veter ermordet haben, oder sollen wir das hinnehmen.

Und die Antworten, die Matthäus und Lukas geben, lauten:
Geht weg, ihr müsst euch nicht auf Teufel komm raus ermorden lassen. Es wird Gott selber dafür sorgen, dass diese Menschen bestraft werden.
Habt aber keine Angst, denn ihr werdet belohnt werden. Eurem Körper kann man was antun, aber nicht eurer Seele.


Welches nun die authentischen Worte Jesu waren, ist daraus nicht zu erkennen. Ich persönlich würde sagen:
da Jesus selbst doch gar nicht an eine Verfolgung gedacht haben kann, stammen diese Worte überhaupt nicht von ihm.
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#4
Marlene schrieb:Ein Schwert spaltet - jedoch auf symbolhafte Weise

Aber wenn die Aussage von Jesus (wenn es denn seine war) symbolisch gemeint war, wie ist es dann zu erklären, dass er nach dem Abendmahl Schwerter an seine Jünger verteilt hat, wie wir aus Epicharms Text erfahren?

Marlene schrieb:..., ist Zeichen eines Kampfes und Wehrhaftigkeit.

Das wäre eine Interpretationsmöglichkeit. Eine andere wäre, dass hier das Schwert als Zeichen für gewaltsame Reformen und "Angriff" (im Gegensatz zu Wehrhaftigkeit) gemeint ist. Zumindest für mich ist das Schwert eher für den Angriff als für die Abwehr relevant.
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#5
Hallo,
das Thomasevangelium (und alle anderen Apokryphen) entstanden wahrscheinlich nach den vier kanonischen. Wie erklärst du dir dann, dass Thomas aus einer Quelle - die höchstwahrscheinlich auch ständig verändert und erweitert wurde mit Aussprüchen zu Profilierungszwecken - genauer zitiert als ein eherer Autor, dem die hypothetische Quelle eher und daher mit weniger Einschüben und Anmerkungen vorlag? Der älteste Evangelist Markus erwähnt diesen Ausspruch Jesu gar nicht. Das würde for die These sprechen, sie wurde Q zugefügt um die Widerstandsbestrebungen gegen die Besatzer zu stärken, also rein politische Zwecke.
Frage zwei:
Wenn man den Vers mit dem Schwert kontextualisiert, liest sich das so wie Saldo schon zitiert hat.
Überschrieben ist der Absatz mit "Entzweiung um Jesu willen". Auch bei Lk hat der Schwertsatz ähnlichen Kontext.

Bernhard von Clairvaux deutet die Schwertmetapher allerdings anders. Und zwar als das weltliche und das geistige. Es würde also geistig wie weltlich "entzweit". Nachlesen kann man das hier.
Ich könnte mir vorstellen, dass der "Pazifist Jesus" eine Konstruktion der Kirche ist. Wenn man sich jedoch fragt, warum gerade Jesus unter den ganzen Wanderpredigern der war, der sich durchsetzen konnte, dann könnte es schon sein, dass das Friedliche das Spezielle an ihm war. Der Täufer bspw. war ja nicht ganz so pazifistisch.

Grüße
Sonne

Das Leben ist doch wunderbar, drum nehm ich Psychopharmaka!
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#6
(19-07-2009, 13:35)Sonne schrieb: Hallo,
das Thomasevangelium (und alle anderen Apokryphen) entstanden wahrscheinlich nach den vier kanonischen.

Im Grunde hast Du recht. Doch es gibt gewichtige Fachmeinungen, die die Datierung (2. Jh nChr) infrage stellen.

Klaus Berger zum Beispiel. Er schreibt:

Die ältere Forschung neigt dazu, das ThomasEv in das 2. Jh nChr zu verlegen. Inzwischen zeigen jedoch neuere Untersuchungen (K. Berger, Theologiegeschichte des Urchristentums, 1995, J. Schröter, Erinnerung an Jesu Worte. Studien zur Rezeption der Logienüberlieferung in Markus, Q und Thomas, 1997), dass die Version, die das ThomasEv von Jesusworten bietet, häufig ebenbürtig neben die Logienquelle tritt oder sogar noch älter sein könnte.

MfG E.
MfG B.
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#7
(19-07-2009, 10:45)Marlene schrieb: Hallo Epicharm,
da du dich mit den Symbolen und deren Deutung gut auskennst, argumentiere ich mit einem eindeutigen Ja, Jesus ist Zeichen der Freiheit, ist Freiheit - und nehme ich das Schwert zuhilfe, bedeutet das für mich, hier findet ein (geistiger) Kampf statt, der Lichtes von Finsternis, Richtiges von Unwahrheit abtrennt. Ein Schwert spaltet - jedoch auf symbolhafte Weise -, ist Zeichen eines Kampfes und Wehrhaftigkeit.Der Glaube kann auch ein Schwert sein, das uns hilft "zu erkennen" und zu widerstehen.

Ja, Marlene,

eine schöne und nachvollziehbare Deutung.

Grüße E.
MfG B.
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#8
Hallo Saldo,

Deine Analyse ist gründlich und einleuchtend!

(19-07-2009, 11:53)Saldo schrieb: Meine Schlussfolgerung:

Da ich kein Griechisch kann und auch sonst kein Neutestamentler bin, habe ich einfach mein Gespür für Texte und mein Gelerntes, ideologiekritisch an Texte heranzugehen, benutzt:
also erst einmal zu schauen, welche Intention sich in den Texten äußert. Daraus lässt sich bis zu einem gewissen Grad der Verfasser (und der Grund, warum er den Text geschrieben hat), erschließen.

Und im Moment scheint mir deutlich, dass Jesus nachträglich etwas in den Mund gelegt wurde, was nicht das Interesse Jesu sein konnte, sondern das Interesse der jungen Gemeinde:
sich vor Verfolgung zu wappnen.

Jedenfalls ist der Text, der mit der Logienquelle vorlag, überarbeitet worden. Jener aus dem Thomas-Evangelium dürfte dem "Original" wohl am nächsten stehen. Wenn man annimmt, dass Q in den frühen Gemeinden erst nach und nach Gestalt angenommen hat und in der Form, wie der Text als Rekonstruktion vorliegt, wahrscheinlich erst nach der Zerstörung des Tempels zur Verfügung stand, also rund 40 Jahre nachdem der Ausspruch möglicherweise getätigt wurde, sind Schlussfolgerungen, wie Du sie ziehst, durchaus zulässig.

Grüße E.
MfG B.
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#9
(19-07-2009, 12:16)Byron schrieb:
Marlene schrieb:Ein Schwert spaltet - jedoch auf symbolhafte Weise

Aber wenn die Aussage von Jesus (wenn es denn seine war) symbolisch gemeint war, wie ist es dann zu erklären, dass er nach dem Abendmahl Schwerter an seine Jünger verteilt hat, wie wir aus Epicharms Text erfahren?

Marlene schrieb:..., ist Zeichen eines Kampfes und Wehrhaftigkeit.

Das wäre eine Interpretationsmöglichkeit. Eine andere wäre, dass hier das Schwert als Zeichen für gewaltsame Reformen und "Angriff" (im Gegensatz zu Wehrhaftigkeit) gemeint ist. Zumindest für mich ist das Schwert eher für den Angriff als für die Abwehr relevant.

Auch Deine Deutung ist zulässig. Die Juden jedenfalls erwarteten sich vom Messias die Befreiung von der Fremdherrschaft. Und Maccoby meinte, Jesus hätte sich dem Volk mit solchen Aussagen als Messias angeboten.

MfG E.
MfG B.
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#10
Klaus Berger polarisiert sehr meiner Meinung nach. Natürlich bin ich nicht dafür, dass Pradigmen wie die bultmannsche Entmythologisierung um jeden Preis erhalten werden müssen, allerdings sehe ich in Bergers Ansätzen schon Punkte, die mir nicht durchsetzungsfähig erscheinen. Wie auch immer.
Die Logienquelle Q ist nur eine Hypothese. Es gibt keine Schriften oder auch nur Fragmente. Wie kann dann das Thomasev. neben diese Quelle treten?

Das Leben ist doch wunderbar, drum nehm ich Psychopharmaka!
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#11
(19-07-2009, 14:52)Sonne schrieb: Klaus Berger polarisiert sehr meiner Meinung nach.

Damit hast Du recht. Seine Meinung stimmt oft mit jener der übrigen Fachgelehrtenschaft nicht überein. Dennoch ist er einer der großen Theologen unserer Zeit, und seine Ansichten sollten nicht vorneweg als unbrauchbar angesehen werden.

(19-07-2009, 14:52)Sonne schrieb: Die Logienquelle Q ist nur eine Hypothese.

Ja, aber eine von den meisten Fachleuten anerkannte.

(19-07-2009, 14:52)Sonne schrieb: Es gibt keine Schriften oder auch nur Fragmente.

Das wird auch von Berger nicht bestritten. Zur Logienquelle schreibt er:

Als Logienquelle (Q) bezeichnet man die gemeinsame "Quelle", die die Evangelisten Matthäus und Lukas außer (jeweils einer anderen Fassung von) Markus noch benutzt haben. Die gemeinsamen Übereinstimmungen gegen Markus sind recht zahlreich, und dazu kommen auch noch Dopplungen gegenüber Markus. Beide Aspekte zusammengenommen haben die Hypothese einer mündlichen oder schriftlichen Sammlung nahegelegt. […]

Dass diese Sammlung schriftlich existiert habe, ist eine unbewiesene Hypothese. […]

Für eine schriftliche Fassung spricht, dass die Technik der Verkettung von Einzellogien (besonders dort, wobeide Evangelisten Q-Worte in derselben Abfolge bieten) der Technik des ThomasEv entspricht.


(19-07-2009, 14:52)Sonne schrieb: Wie kann dann das Thomasev. neben diese Quelle treten?

Das ist Bergers Meinung. Ich habe sie nur wiedergegeben. Und so abwegig scheint sie mir nicht zu sein.

MfG E.
MfG B.
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#12
Ein bisschen komisch finde ich, dass du erst Berger gegen die Mainstream-Theologie verteidigtst und dich dann wieder auf die Mehrheit der Fachleute beziehst *kopfkratz*
Aber wie auch immer. Thesen kann man ja immer stehenlassen...

Das Leben ist doch wunderbar, drum nehm ich Psychopharmaka!
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#13
(19-07-2009, 12:16)Byron schrieb:
Marlene schrieb:Ein Schwert spaltet - jedoch auf symbolhafte Weise

Aber wenn die Aussage von Jesus (wenn es denn seine war) symbolisch gemeint war, wie ist es dann zu erklären, dass er nach dem Abendmahl Schwerter an seine Jünger verteilt hat, wie wir aus Epicharms Text erfahren?

Marlene schrieb:..., ist Zeichen eines Kampfes und Wehrhaftigkeit.

Das wäre eine Interpretationsmöglichkeit. Eine andere wäre, dass hier das Schwert als Zeichen für gewaltsame Reformen und "Angriff" (im Gegensatz zu Wehrhaftigkeit) gemeint ist. Zumindest für mich ist das Schwert eher für den Angriff als für die Abwehr relevant.

Nein, es wurden keine Schwerter beim oder nach dem Abendmahl verteilt, das ist blanker Unsinn, der Lukas-Text gibt das nicht mal im Ansatz her. Zwar werden im Kontext "Schwerter" erwähnt, die nicht im buchstäblichen Sinn verstanden werden wollen, bzw. in einer Form, die nicht auf Angriff oder Aggressivät schliessen lassen.

Es ist das geistige Schwert, daran sich sicher die Geister scheiden/abspalten werden und das hat wiederum etwas mit Lebenswirklich zu tun. Jeder muß seine Entscheidung treffen, ob nun die Familie, der Partner ect. zustimmt oder nicht, vor allem, wenn es sich um geistig-geistliche Entscheidungen handelt.
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#14
(20-07-2009, 12:43)Marlene schrieb:
(19-07-2009, 12:16)Byron schrieb: [..] wie ist es dann zu erklären, dass er nach dem Abendmahl Schwerter an seine Jünger verteilt hat, wie wir aus Epicharms Text erfahren?

Nein, es wurden keine Schwerter beim oder nach dem Abendmahl verteilt, das ist blanker Unsinn, der Lukas-Text gibt das nicht mal im Ansatz her.


Da gebe ich Dir Recht, Marlene. Ich habe den Text gestern auch nachgelesen. Jesus verteilt keine Schwerter, sondern sagt, die Jünger sollen sich welche beschaffen.


Zitat:Zwar werden im Kontext "Schwerter" erwähnt, die nicht im buchstäblichen Sinn verstanden werden wollen, bzw. in einer Form, die nicht auf Angriff oder Aggressivät schliessen lassen.


Das sollte man wirklich mal genau untersuchen. Ich habe das gestern auch gemacht, so weit es in meiner Möglichkeit stand, hatte aber nicht die Ruhe, das hier aufzuschreiben.
Werde ich nachholen.

Jedenfalls soweit schien es mir klar:
Die Jünger fassen die Schwerter konkret auf. Sie zeigen Jesus ja ihre zwei Schwerter, die sie besitzen.
Die Antwort, die Jesus darauf gibt, wird allerdings in den verschiedenen Übersetzungen völlig konträr wiedergegeben. Und von der richtigen Übersetzung oder dem richtigen Verständnis dieses einen Satzes hängt alles ab.


Hier erst mal die Verse Lukas 22, 36-38, auf die sich der Autor Hyam Maccoby- den Epicharm in seinem Eingangspost zitiert hat - bezieht -->

Zitat:35 Und er sprach zu ihnen: Als ich euch ausgesandt habe ohne Geldbeutel, ohne Tasche und ohne Schuhe, habt ihr da je Mangel gehabt? Sie sprachen: Niemals. 36 Da sprach er zu ihnen: Aber nun, wer einen Geldbeutel hat, der nehme ihn, desgleichen auch die Tasche, und wer's nicht hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert. 37 Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was geschrieben steht (Jesaja 53,12): »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet. 38 Sie sprachen aber: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug.
Luther 1984


Der von mir fettgedruckte Satz ist für die Deutung der entscheidende. So, wie es da steht, klingt es wie: Zwei Schwerter reichen für die Aktion.
Da Jesus vorher ja von ganz konkreten Sachen gesprochen hat - Geldbeutel, Tasche, Schuhe - ist es semantisch eigentlich richtig, auch das in Vers 36 erwähnte Schwert konkret zu nehmen. Der Mantel soll verkauft werden, das Schwert für das Geld gekauft werden.
Eine interpretierende Übertragung nur des Schwertes ins Geistige scheint mir nach dieser Übersetzung nicht möglich.
Wenn, dann müssen auch der Beutel und der Mantel nicht konkret gemeint gewesen sein.

Der fettgedruckte Satz wird auch in der Schlachter-Übersetzung und der Elberfelder - zwei berühmte Übersetzungen - genauso übersetzt, wie Luther es tut.

Lediglich bei sehr neuen Übersetzungen - die den Stil an die heutige Zeit angepasst haben - findet man den umstirttenen Satz anders vor:


Neue Genfer Übersetzung:
38 Die Jünger sagten: »Herr, hier sind zwei Schwerter.« Doch Jesus erwiderte: »Genug davon!«

Hoffnung für alle:
38 "Herr", riefen die Jünger, "wir haben hier zwei Schwerter." Doch Jesus unterbrach sie: "Genug damit!"

Gute Nachricht Bibel
38 Die Apostel sagten: »Herr, da haben wir zwei Schwerter!« Jesus antwortete: »Ihr versteht mich nicht.«8

Die Anmerkung 8 der Gute Nachricht Bibel lautet:
"Wörtlich Es ist genug. Dies bezieht sich nicht auf die Anzahl der Schwerter; Jesus bricht damit das Gespräch ab und weist die Antwort der Apostel zurück."


Die Schwierigkeit liegt offen zu Tage. Worin begründet die Gute Nachricht Bibel ihre These, dass nicht die Anzahl der Schwerter gemeint ist? Gibt das der Urtext her?


Noch etwas muss kontextmäßig beachtet werden:
das direkt darauf folgende Kapitel.

Dort geht Jesus mit den Jüngern auf den Ölberg:


Zitat:47 Als er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar; und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her und nahte sich zu Jesus, um ihn zu küssen. 48 Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? 49 Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? 50 Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. 51 Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn.


Das Motiv "Schwert" ist auch hier konkret gemeint, denn immerhin fällt ein Ohr dabei. Die Jünger haben also wirklich Schwerter.


Und noch etwas muss berücksichtigt werden, meines Erachtens etwas sehr Wichtiges:

In dem Text steht ja:


[...] verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert. 37 Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was geschrieben steht (Jesaja 53,12): »Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet."


Dieser Text drückt aus, dass Jesus jetzt bewusst das Verbrecher-Image haben will, weil es bei Jesaja schon angekündigt sei.

Immer dann, wenn die Handlung um Jesus in den Texten des Neuen Testamentes mit denen des Alten parallelisiert wird, kann man davon ausgehen, dass diese Parallelisierung von den Bearbeitern der Erzählungen - also von den Verfassern der Evangelien - vorgenommen wurde.
Die Absicht dabei war, "nachzuweisen", dass Jesus als Messias bereits im Alten Testament angekündigt war.

Das ist vermutlich bei den Neutestamentlern unumstritten. Viele Bezugnahmen auf das Alte Testament wurden von den Forschern so kommentiert, dass die Evangelienschreiber diese alttestamentlichen Stellen künstlich aus dem Kontext gerissen haben, damit es "als vorausgesagt" gelten kann.


Aus all dem folgere ich:
Ich halte folgendes Szenario für möglich, sogar für wahrscheinlich:
die Evangelisten hatten Quellen, die besagten, Jesus sei ein Verbrecher gewesen, also zu Recht hingerichtet worden.

Und weil sie Jesus nicht als Verbrecher sahen, oder nicht sehen wollten, haben sie es so umgedichtet, dass Jesus nur den Anschein erwecken wollte, er sei ein Verbrecher - damit Jesaja erfüllt wird.
Darum habe er die Schwerter zugelassen, damit eben dieser Anschein geweckt werden kann.

Das könnte dazu passen, dass er zulässt, dass dieses Ohr abgehauen wird, dass er es aber gleich wieder heilt. Es ging ja nur um den Anschein.


Meine These also, dass diese Deutung von den Evangelisten hinzugefügt worden ist.
Und dass Hyam Maccoby - den Epicharm im Eingangspost zitiert hat

Zitat:Jesus war eindeutig kein Pazifist. Sein Pazifismus ist ein Teil der Geschichte von seiner Ungefährlichkeit und dem nichtvorhandenen Widerstand gegen das Römische Reich, der Geschichte, mit der die christliche Kirche hoffte, den Argwohn der Römer, die Christen seien eine umstürzlerische Gruppe, zu zerstreuen.

- im gewissen Sinne Recht hat. Die Lukasstelle - die Frage nach den Schwertern - muss zwar nicht "durch die Zensur geschlüpft" sein, aber sie scheint mir doch recht offensichtlich eine Umdeutung realer Gewaltakten zu sein (sie seien nur zum Schein vorgenommen).
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#15
(19-07-2009, 12:16)Byron schrieb: Aber wenn die Aussage von Jesus (wenn es denn seine war) symbolisch gemeint war, wie ist es dann zu erklären, dass er nach dem Abendmahl Schwerter an seine Jünger verteilt hat, wie wir aus Epicharms Text erfahren?

Lk 22,36-38

Da sagte er:
Jetzt aber soll der, der einen Geldbeutel hat, ihn mitnehmen, und ebenso die Tasche. Wer aber kein Geld hat, der soll seinen Mantel (sein Obergewand) verkaufen und sich dafür ein Schwert kaufen.

Ich sage euch:
An mir muss sich das Schriftwort erfüllen: Er wurde zu den Verbrechern gerechnet. Denn alles, was über mich gesagt ist, geht in Erfüllung.

Da sagten sie:
Herr, hier sind zwei Schwerter!
Er erwiderte:
Genug davon.

Was war der Grund für die Anweisung, Schwerter zu kaufen? Und wer kein Geld hat, der möge den Mantel verkaufen! Der Mantel war ein hohes Gut. Lebenswichtig für Menschen auf Wanderschaft. Er schützte vor den kalten Nächten, er durfte nicht als Pfand genommen werden (Ex 22,25f). Was war der Grund dafür, dass ein Schwert wichtiger war als der Mantel?

Es ist nicht leicht, dieser Anweisung eine symbolische Bedeutung zu geben. Die Aussage ist einfach und klar: Die Bedrohung ist groß. Es ist wichtiger, ein Schwert zu besitzen, als einen Mantel.

Im Vers 37 wird Jes 53,12 angesprochen. Er, Jesus, ist der, "der die Schuld der Vielen trägt, und für die sein Leben gibt".

Als seine Jünger den Waffenbestand (zwei Schwerter) vorzeigen, meinte Jesus:
"Es ist genug (Genug davon)!"

Damit war wohl nicht gemeint, dass zwei Schwerter genug gewesen wären, vielmehr hat er das Gespräch abgebrochen. "Genug davon", sagt er, das, was kommen muss, ist auch mit Gewalt nicht aufzuhalten.

Die Aussagen sind schwer zu deuten, sie passen nicht zusammen. Was könnte Jesus veranlassen, seine Jünger aufzufordern, sich zu bewaffnen, wenn er doch weiß, dass er der Gottesknecht (Jes 53,12) ist, an dem sich die Prophezeiung erfüllen wird?

In der Abfolge, wie es in Lk 22,36-38 steht, machen die Aussagen keinen Sinn. Wenn man annehmen will, dass Vers 36 authentisch ist und 37, 38 später hinzugefügt wurden, wäre die Erklärung leichter zu finden.

MfG E.
MfG B.
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