Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Frage zu einem pro-christlichen Gedichtsauszug
#1
Exclamation 
Hallo,
ich schreibe momentan eine Hausarbeit und ein Teil davon ist die Interpretation eines Liedes, dass von einem judenfeindlichen Professor im 15. Jahrhundert verfasst wurde. Es heißt "Mons Stellarum". Es geht dabei um ein Pogrom in Sternberg, dass 1492 stattfand. Leider verstehe ich einen Teil des Gedichtes so gut wie gar nicht, vermute aber, dass es um die christliche Geschichte geht. Ich dachte mir, dass ihr mir vielleicht helfen könnt. Hier der Teil:

"O gnadenreicher Herre mein,
Die Tafel ist das Kreuz, die Hände gestreckt.
Spott iszt Geißel, dran Dornen die Menge,
Messer, Speernadeln, können Nägel sein,
Du sagst: mein Volk so lange geprüfet,
Womit habe ich dich betrübet,
Dem dort das Kreuz so bereitet:
Habe ich dich nicht aus der Gefangenschaft befreit,
über das Rote Mee trocken geleitet,
Und du so denen von Ägypten entgehst
Vierzig Jahre in der Wüste
War himmlisches Brot deine Leckeri
Dafür mir aber ein Kreuz gestiftet.
Einen Weingarten habe ich dir auserwählt,
Wasser aus dem Stein zur Labsal erschaffen.
Ohne Rechtssache du dich vergiftest,
Säuerlinge mir als Trüffeln reichest,
Galle als Honig bitterlich leckest,
Das Kreuz aufrichtend wiederhole,
Undankbar aus Wohltaten finde ich dich,
Deine Liebe, Furcht und Freiheit zu mir
Schätze ich noch geringer als ein Scherflein.
Gegen den Vater du Söhne entbrennst
Du Knecht gegen den Herrn du dich verbindest
Gegen Gott, du unmächtige Kreatur
Mit List ohne Kraft du dich widersetzt,
Dem Behausung auf einem Heiligen Glauben gefestigt.
Vom Anbeginn der Schlagen Natur,
Wenn du sogleich gebrauchst deine Macht,
gegen Braut und Bräutigam in feindlicher Acht
ohne daß Leiden und Ende so noch bestehn,
sonst (so) hat selbst Gottes Sohn
sich verantwortet mit angemessener Weise
Ich kann es verlangen ohne Argwohn
Der ich Jesu ein Verfechter bin"

LG Pia
Zitieren
#2
(27-02-2009, 16:28)Pia24 schrieb: ... ein Teil davon (Hausarbeit) ist die Interpretation eines Liedes, dass von einem judenfeindlichen Professor im 15. Jahrhundert verfasst wurde. Es heißt "Mons Stellarum". Es geht dabei um ein Pogrom in Sternberg, dass 1492 stattfand.
Ich habe zur Geschichte dieses Liedes etwas in den "Jahrbüchern des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde", S. 210, 3. Absatz gefunden. Offensichtlich handelt es sich um die Rechtfertigung der Judenverfolgung. Anlass war wohl, dass man im Jahr 1492 durchstochene Hostien gefunden hatte und dies "den Juden" (wem genau?) zur Last gelegt hatte.

Lassen wir einmal die kaum erträgliche, schwülstige Anrede des Christus beiseite und konzentrieren uns auf den Sachverhalt:
Zitat: "Spott iszt Geißel, dran Dornen die Menge, Messer, Speernadeln, können Nägel sein,"
Hier bezieht sich der Verfasser in der Möglichkeitsform auf den oben beschriebenen Vorfall, dass der "Herrenleib", also die heiligen Hostien durchstochen aufgefunden wurden. Danach folgt ein Vergleich mit den Nägeln, mit denen Jesus ans Kreuz geschlagen wurde.

Dieser Vorfall wird "dem Volk", also den Juden angelastet mit einer rhetorischen Frage.
Zitat: "Du sagst: mein Volk so lange geprüfet, / Womit habe ich dich betrübet, / Dem dort das Kreuz so bereitet:"
Hier wird "den Juden" zweierlei zur Last gelegt: der Christusmord und die symbolische Kreuzigung der Hostien.
Es folgen Anklänge an den "Auszug der Kinder Israels aus Ägypten", welche die Frage an Gott anklagend weiterreichen. Dadurch wird eine Schuld konstruiert.
Ganz deutlich macht das folgende Ergänzung neben anderen:
Zitat: "Dafür mir aber ein Kreuz gestiftet."

Danach geht der Text über in eine unverständliche, aber im Tenor als Anklage aufzufassende Aufzählung von angeblichen Verfehlungen (der Juden) über.
Diese widerwärtige Litanei reicht von:
Zitat: "Ohne Rechtssache du dich vergiftest,"
bis
Zitat: "Mit List ohne Kraft du dich widersetzt,"

Es folgt eine Rechtfertigung der eigenen Position im Glauben:
Zitat: "Dem Behausung auf einem Heiligen Glauben gefestigt".
und Zitat: "Ich kann es verlangen ohne Argwohn, / der ich Jesu ein Verfechter bin"

Die Anrufung Gottes erfolgt durch die Bitte, seine Macht zu gebrauchen gegen "Braut und Bräutigam". Was damit s. Zt. gemeint war, weiß ich nicht. Ich vermute, dass damit Synagoge und Kirche (als Feinde) gemeint waren. Wer's besser weiß, möge sich melden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass diese "Rechtfertigung" dem Schema: "Wir - die Guten und jene - die Bösen" folgt und im Übrigen auch nicht ansatzweise den Versuch macht, wirklich einen Rechtsfall aufzulösen, m. a. W.: Polemik pur!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Zitieren
#3
Ich danke dir vielmals! Das ist mir eine wirklich große Hilfe.
Zitieren
#4
Hallo nochmal:

kann jemand noch was damit anfangen:

Doch mit sehenden Augen bist du blind,
Im Sinne der Schrift niemand von euch (beweist) gewinnt
Daß du geistige Gebete auslegest,
Ein Maus der Kriege, dem Pfeil eine Schlange
Dem Korb Schoß ein Geschütz
Riegelverschluß

Ich versteh wirklich nicht was das bedeuten soll.
Zitieren
#5
Diese Art Gedicht hat Anklänge an alles Mögliche, was ein gebildeter Mensch an Wissen und Mythen im Kopf hat. Dies "klingeln" zu lassen dürfte Absicht des Autors dieser Zeilen sein.

Doch mit sehenden Augen bist du blind,/ Im Sinne der Schrift
Bezug auf das neue Testament, wo Jesus in Gleichnissen spricht Mt. 13, 13.

niemand von euch (...) gewinnt (dadurch), dass du geistige Gebete auslegest
"Auslegen hat 2 Bedeutungen: hinlegen, damit sie gelesen werden, oder erläutern, deuten. In beiden Fällen ist eine Kritik an der Auslegung (wie auch immer!) von subjektiv gestalteten Gebeten zu spüren.

Ein(e) Maus der Kriege, = Ausdruck für "Bedeutungslosigkeit". Man darf vermuten, dass sich dies auf die Auslegung (= Deutung) bezieht.

dem Pfeil eine Schlange = entweder Sündenfall: Jener Schlange rechtzeitig einen Pfeil zu senden oder bildlich: den schnellen, treffenden Pfeil durch eine bewegliche, eigenwillige "Schlange" (maliziöse Interpretation) ersetzen.

Dem Korb Schoß = einen Korb auf den Schoß nehmen, jemanden einlullen.

ein Geschütz Riegelverschluß = entschärfen.

Pia24 schrieb:Ich versteh wirklich nicht was das bedeuten soll.
Ich auch nicht, ehrlich! Darauf kommt es aber nicht an. Die Frage lautet vielmehr, was klingelt trotz sprachlich-dumpfer Unvollständigkeit und geheimnisvollem Pulverdampf?
Das haben philologische Fragesteller (Lehrer, Dozenten) manchmal so an sich!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Zitieren
#6
"Doch mit sehenden Augen bist du blind" - das trifft m.E. auf alle Religionen zu - wenn die verschiedenen Religionsanhänger nämlich gerade ihren Glauben als "Rechtfertigung" für Mord und Totschlag ansehen.
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  UMFRAGE zu christlichen Perioden Sinai 6 688 18-10-2023, 15:47
Letzter Beitrag: petronius
  Kirche befindet sich in einem Bürgerkrieg (Vatikan-Experte Politi in katholisch.de) Sinai 50 6828 04-09-2023, 17:52
Letzter Beitrag: Ulan
  Was ist an einer Flucht an einem Sabbat so schrecklich? Sinai 8 1333 29-05-2023, 17:14
Letzter Beitrag: Sinai

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste