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Goethe
#16
Hallo Miriam :)
Doch, ja, ich kenne einzelne Textpartien, von Goethe, die nicht nur dichterisch sehr elegant gesagt sind, sondern mir auch inhaltlich gefallen, da denk ich allerdings, dass es von seiner Mutter angebahnt war, die war recht patent und fiel ihm dann wohl ein, zum Beispiel in der Rolle seines armen Gretchens im Faust sind manche wunderbar ehrliche Textpartien.
Ein Text, der insgesamt anfangs zwar ziemlich lahmt, aber dann doch nicht ganz verkehrt ist, ist 1814, sein Bericht von der Reise zur Wieder-Eroeffnung der St.Rochus-Wallfahrt zum St.Rupertsberg gegenueber von Bingen, nach Abzug der franzoesischen Besatzung.

Er ist zwar evangelisch und all das Rheinisch-Katholische ist ihm fremd, er scheint im Augenmerk nervoes zu sein und biegt immer wieder ab, auch wenn er dann sprachlich "unter aller Kanone" formuliert - er kann natuerlich auch etwas Spott nicht lassen, aber er spottet nicht ueber das den Leuten damals zentral Wichtige an dem Ereignis, und er fuegt sogar eine ganze Legenda vom Hl.Rochus ein, die er auf der Wallfahrt gar nicht hatte in Erfahrung bringen koennen, wie er sagt. Diese Legende bringt er ohne Randbemerkungen komplett fremdgeschrieben hinein, vermutlich weil er das Ganze dann doch zum Veroeffentlichen drin haben wollte /sollte. Interessant daran ist, in Bezug auf diese Schilderung, dass er wirklich mit einer Art Gutmuetigkeit schliesst, die wohl ehrlich mal da war
- und da ist er anscheinend dann doch mal angesprochen von dem, was er miterlebt, und imstande, sich fuer diese Leute zu freuen, dass ihre Regierung ihnen all dies nun doch ermoeglicht hatte, und wuenscht sich, dass es anderswo auch so viel interkonfessionelles Entgegenkommen gaebe, unter den Preussen-Beamten, die generell nur Protestanten sein durften, was den katholischen Gebieten ja oft wirklich sehr harsch vorkam.

Auch die fast komische Verzweiflung des Helden seines Gedichts vom Zauberlehrling ist vermutlich seiner eignen Biographie Wiederspiegelung und ernster gemeint als er es vor sich selbst zugeben konnte.

Man muss ja bedenken, mit was er sich alles ueberfrachtet hatte, an Halbwissen, um seinem Plan gemaess immer wieder moeglichst authentisch die Sprache zu Situationen zu finden.
Da hatte er manchen "Besen ins Laufen gebracht" auch seine sprachliche Gelaeufigkeit ist so etwas.

Wie wohl jeder, der Fuerst wurde, ist auch das Leben als Dichterfuerst nachher nicht das, was man selbst als Wohlfuehlen betrachten koennte, es draengte ihm Rollen auf, weil es irgendwer machen musste, und nun war er das eines Tages.

Also ganz sicher war er am wenigsten ein Muslim, und auch kein Sufi - er hat nur diesen Hafis - nicht anders wie jene Alchemisten-Kueche - nachzuempfinden versucht, im "West-oestlichen Divan", aber da hat er es selbst irgendwo drin gesagt, dass er nicht im Geringsten von Hafis glaube, es sei jenem um mehr als Wein-Weib-und-Gesang gegangen.

In diesem Sinne ahmt er das dann also mit nicht wenig Freude an den ungewohnten Versmassen des Persers nach, sich parallel sehr gerne dem anschliessend, wie jener seine gestrenge Erziehungs-Institution der Imame nur hinderlich fand - ganz wie er selbst die Kirchen.

Als Goethe geboren wurde, hatte Voltaire "der alte Spoetter" gerade ein Theaterstueck "Mahomet" geschrieben, das insgesamt nur 3-4 mal in Frankreich aufgefuehrt wurde, weil es dem Volke so gefiel, dass die Regierung es lieber gleich wieder sperrte. Der Inhalts-Angabe ist es ein wirklich sehr unfaires Stueck gewesen. Kann sein, dass Voltaire damit ja auch gar nicht auf den Islam zielte, sondern auf eigne Verhaeltnisse in Frankreich, aber es war m.E.richtig so, es nicht weiter zu zeigen.
- doch genau dies war blitzschnell schon ins Deutsche uebersetzt worden und hier im Land kaufbar...
Goethe waehlt die Schreibung des Namens spaeter auffaellig genauso. Da ist es aber nur so etwas wie "Die Moldau" als Gedicht ueber einen Fluss, was den Titel nur so erklaert, dass es andeuten sollte, Mohammed habe es zu singen in einem Stueck, das erst noch geschrieben werden muesste, oder so.
Manche meinen, es habe schildern wollen, wie sich der Islam aus einer kleinen Quelle bis zum maechtigen Strom entwickelt habe - aber ich denke nicht, dass das Goethe entspraeche, denn dann haette er ja mal einen Moment lang kein Freigeist sein duerfen - und es passt als Deutung zu nichts, was ich von oder ueber Goethe in Bezug auf Islamisches fand. Es ging ihm nicht so nahe. Eher noch haette er es erst geschrieben, dann betitelt und vorgetragen und waere selbst gespannt, was nun andere da hinein deuteten....

mfG WiT :)
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#17
Goethes Faust sagt doch sehr viel aus, was er im Menschen und seinen Geistern erkannte. Vor einen bestimmten Karren, wollte Goethe sich gewiss nie/nicht spannen lassen, dafür war er wohl viel zu sehr (auch) Freigeist und zu intelligent. Daß er ein profunder Kenner und Liebhaber des Orients war, ist offensichtlich und wie ich finde, zieht die Kunst und Kultur des Orients den Menschen in ihren Bann. Friedrich Rückert tat das Seine dazu, als er in ähnlicher Weise, sich dem Orient näherte. Beide waren Dichter und Denker und Sprachgenies. Rückert, Rumi, Goethe...und der Dichtungen, Philosophie und Betrachtungen mehr, lohnt immer :).
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#18
Zitat:wollte Goethe sich gewiss nie/nicht spannen lassen, dafür war er wohl viel zu sehr (auch) Freigeist und zu intelligent.

Ich finde es auch absurd, einen Freigeist wie Goethe vor IRGENDEINEN konfessionellen Karren spannen zu wollen....

Lieben Gruss

DE
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#19
Ihr habt Recht mit dem Karren...

gibt es eigentlich jemanden der sich verantwortlich fühlt, wenn so ein großer Denker als Zugpferd benützt wird, ohne dass es diesem Denker entspricht...
ich mein so ne Art Namenspatent? Inhaltspatent?
Gebrauchsmusterschutz :icon_lol: ?


Ja, lieber WiTaimre, das ist ganz gut was du da so über Goethe schreibst...geht eben doch mehr so in die Tiefe und klar ist das lyrische Ich nicht identisch mit seiner eigenen Person...er benützt die Personen der Handlung mal als Sprachrohr mal zur Provokation...so versteh ich´s auch..

ja, der Zauberlehrling ist echt toll...der gefiel mir auch schon immer hervorragend...(die Vertonung dazu ist ja auch so genial...ich hör gleich das Wasser die Treppe runterlaufen...:icon_wink:)

ja, und mit dem Halbwissen und den Erwartungshaltungen an ihn als Geheimrat und Dichter hast du es wohl auch getroffen...
Ich hatte halt immer so den Eindruck, dass ihn nur seine eigenen Gedanken und Gefühle interessieren...auch in seinen Affären interessiert er sich nur für sich...

Und was mich eigentlich immer schon gestört hat, ist, dass er verschiedene Versionen von Faust anbietet...
als ob er nicht wüsste was ihm selber gefällt und der Leser es sich aussuchen darf...
da kann ich als Dichter leicht Bände füllen...wenn ich alle Vorversionen und Nachversionen mit veröffentliche..und mich dann vielleicht auch noch für die geniale Entscheidungssuche rühmen lasse...
War das zu kritisch, na jedenfalls ging´s mir als Schüler so...was meinst du?
Gruß
miriam
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#20
Ach so ja natürlich gibt es viel Faszinierendes an den arabischen Kulturen...
die Schrift, die uns geheimnisvolle Dichtkunst, viel Wissen und Schreibkunst überhaupt...die Hochkulturen? - Bagdad als Inbegriff - ..aber gerade sie, die Hochkulturen waren nicht stark muslimisch geprägt so weit ich das sehe...trotzdem nicht wegzudenken...die kostbaren wunderschönen Moscheen und die Minarette...die Kunst der nicht-gegenständlichen Verzierung, unschlagbar
Icon_smile
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#21
Danke, lieber Einsiedler,
Hüter und Wächter des Wortes :). Goethe und Faust, ich hab sie beide fast leibhaft vor mir gesehen...Der Dichter und seine Figur, sie verschmolzen zu einer Person.

Gruß
Marlene
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#22
(05-02-2009, 22:29)Marlene schrieb: Danke, lieber Einsiedler,
Hüter und Wächter des Wortes :). Goethe und Faust, ich hab sie beide fast leibhaft vor mir gesehen...Der Dichter und seine Figur, sie verschmolzen zu einer Person.

Gruß
Marlene

Liebe Marlene,

ich habe meinen Hinweis jetzt weg editiert, sonst wäre das alles zu verwirrend... Icon_wink

Liebe Grüsse

DE
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#23
Ich habe die Bemerkung "nicht vor den Karren spannen" eher als Kompliment gedacht, in beide Richtungen.
Goethe, der Dichter und Denker, Intellektueller, wie Freigeist usw..., hat der islamisch-orientalischen Kultur, gerade durch seine Übersetzungen und Dichtungen, hohe Aufmerksamkeit und Anerkennung verschafft. Mittels seiner Dichtung - Friedrich Rückert nicht zu vergessen - konnte den Europäern, diese fremde Kultur, ein Stück näher gebracht werden. Diese Kultur der islamisch-orientalischen Welt, gehört zum geistes-wie kulturgeschichtlichen Erbe der Menschheit. Im Islam gibt es übrigens auch bildhafte Darstellungen. Wunderschön und voller Poesie.
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#24
Liebe Marlene,

da sind wir uns einig. So wie Goethe für die Bekanntmachung des Islam in Deutschland, ja, in Europa wichtig ist, so ist ja auch Schopenhauer für die Bekanntmachung des Buddhismus in Deutschland und Europa wichtig.

Aber man kann doch dann nicht, wie es viele Moslems tun, ihn als frühen europäischen Moslem betrachten oder als Menschen, der im Islam "die richtige Religion" gesehen hat. Es wird ja momentan auch versucht, Tolstoi als Moslem zu vereinnahmen, nur weil er (Legende?) in seinen letzten Lebenstagen angeblich einen Koran in seinem Mantel gehabt haben soll. Ich habe zur Zeit eine Ausgabe mit Texten der Wüstenväter in meiner Schultertasche, in welcher ich z.B. in der Strassenbahn oder beim Arzt im Wartezimmer gerne lese. Würde ich nun plötzlich sterben, würde man mir dann unterstellen können, Christ zu sein?!

Goethe war universell interessiert, ein universeller Freigeist. Wäre er damals schon an die alten buddhistischen Texte herangekommen (die erst Schopenhauer und in seiner Nachfolge Georg Grimm erstmals ins Deutsche übersetzt haben), hätte er sich genauso begeistert über diese geäussert, da bin ich überzeugt. Goethe kannte in Denken und Interesse keine Tabus. Und ihn nun in IRGENDEINE Richtung zu "vereinnahmen", halte ich für absurd.

Einen lieben Gruss

DE
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#25
Rückert sagt mir nichts, liebe Marlene, aber ich mach mich mal schlau, er war Orientalist..? Hm

Bildliche Darstellungen, ich dachte das ist irgendwie verboten gewesen..in der arabischen Kunst.

Und dass hier Große Denker schnell benützt werden hatte ich an anderer Stelle auch schon bemerkt (in einem anderen Forum), da aber so, dass es mich selbst auch wütend gemacht hat...Einstein wurde in einer Äußerung über das Judentum leicht abgewandelt zitiert, so dass er sich scheinbar äußerst kritisch gegenüber den Juden, sich selbst eingeschlossen, geäußert hat..
Deshalb kam ich auch auf die Frage ob so was rechtlich belangt werden kann...

Liebe Marlene, hast du dich schon viel mit dem Koran beschäftigt?

Gruß
miriam
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#26
Hallo miriam,
in der islamischen Kultur gibt es zahlreiche Künstler! Sie arbeiten, wie alle bildenden Künstler, mit den Mitteln der Formensprache, der Farben, wenden die unterschiedlichsten Techniken an, wagen sich an Themen heran - ob abstrakt oder naturalistisch - und bearbeiten in der Weise Unaussprechbares, Politisches, Gesellschaftliches usw..., transportieren Kunst in die Welt, wie es Künstler weltweit tun.
In Moscheen finden wir das Ornament, was aber nicht weniger formenstark zu sein braucht.

(Mit dem Koran beschäftige ich mich "von Zeit zu Zeit", unregelmässig und mit eher geringen Leseerfolgen, um deine Frage zu beantworten.)
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