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Negative Theologie
#1
Ein Bekannter von mir, der evangelischer Pfarrer ist, ist ein Vertreter der sogenannten "Negativen Theologie". Wenn ich ihn richtig verstanden habe, versteht er darunter eine Theologie, die sich damit befasst, was Gott NICHT ist. Ja, er geht sogar so weit, dass er meint, dass man mehr über Gott gar nicht sagen könne als das, was er NICHT ist, da jede positive Äusserung, also eine Ist-Aussage ("Gott ist xyz") unmöglich sei.

Laut Wikipedia gehören z.B. Meister Eckhart, Heinrich Seuse, aber auch andere, die man in gewisser Weise auch als "Pantheisten" bezeichnen kann, zu den Vertretern der Negativen Theologie.

Habt Ihr dazu Gedanken, Ideen? Und würde an so einer Gottesauffassung nicht auch jeder Versuch, pantheistisch zu "glauben", scheitern?

Ich finde diesen Gedanken auf jeden Fall sehr spannend...

Lieben Gruss

Petrus
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#2
(06-11-2008, 14:27)Petrus schrieb: Ein Bekannter von mir, der evangelischer Pfarrer ist, ist ein Vertreter der sogenannten "Negativen Theologie". Wenn ich ihn richtig verstanden habe, versteht er darunter eine Theologie, die sich damit befasst, was Gott NICHT ist. Ja, er geht sogar so weit, dass er meint, dass man mehr über Gott gar nicht sagen könne als das, was er NICHT ist, da jede positive Äusserung, also eine Ist-Aussage ("Gott ist xyz") unmöglich sei.
Ich finde eine solche Auffassung gerade für die praktische Ausübung des Pfarrersberuf spannend: Wie kann man von etwas auftragsgemäß (werbend) sprechen, von dem man meint, nichts positiv aussagen zu können?
Schließt diese Selbstverweigergung positiver Seins-Aussagen nicht logischerweise gleichzeitig auch Nicht-Seins-Aussagen aus, weil sie implizit einen Mengenraum übrigbleibender möglicher Vorstellungen beschreiben?

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#3
Hallo, Fritz,

ich frage mich das auch oft, wie er das mit der Arbeit in seiner Pfarrei in Einklang bringt. Er hat zwar keine "eigene Pfarrei", sondern ist da nur so etwas wie eine Vertretung, aber er ist im Pfarrdienst. Ich habe leider nicht viel Kontakt zu ihm (er ist ein ehemaliges Kindergartenkind aus meiner Zeit als Erzieher, den ich vor einigen Jahren nach 20 Jahren wiedergesehen habe), werde aber versuchen, ihn mal zu kontaktieren, und mir erklären lassen, wie er das schafft.

>Schließt diese Selbstverweigergung positiver Seins-Aussagen nicht
>logischerweise gleichzeitig auch Nicht-Seins-Aussagen aus, weil sie
>implizit einen Mengenraum übrigbleibender möglicher Vorstellungen
>beschreiben?

Die Folge wäre dann natürlich, überhaupt nicht mehr von Gott zu sprechen. Ein wortloser Glaube...

Liebe Grüsse

Petrus
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#4
(06-11-2008, 15:07)Petrus schrieb: Die Folge wäre dann natürlich, überhaupt nicht mehr von Gott zu sprechen. Ein wortloser Glaube...
Wortloser Glaube mag noch irgendwie angehen, aber wortloser Pastor????

... na vielleicht noch glaubwürdiger als die allzu silbenreichen Worthülsen-Schleuderer ???
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#5
Eine Negation ist doch auch eine Festlegung - aus einer anderen Perspektive heraus - und wirkt auf mich behelfsmäßig, halbherzig, ja leblos. Glaube stelle ich mir im Kern 'wortlos vor', dennoch voller Ansprache. Vielleicht eine andere Sprache finden?
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#6
(06-11-2008, 15:07)Petrus schrieb: Die Folge wäre dann natürlich, überhaupt nicht mehr von Gott zu sprechen. Ein wortloser Glaube...
Ich sehe die fruchtbarere Alternative in der Methode,
die Jesus anwendet, nämlich Gott zu vergleichen und alle Wirkungen, die man von ihm verspürt, in einer Art "narrativer Theologie" (siehe auch Gerd Theißen: "Der Schatten des Galiläers") zu umschreiben.

Dann bleibt vor allem jedem Hörer oder Leser bewusst,
dass so Gott nicht punktgenau zu erfassen versucht wurde, sondern Erfahrungen verglichen wurden, z.B. mit dem Vater des sog. verlorenen Sohnes, dem Landmann, der seinen Samen aussät usw..
So sind wohl auch die jüdischen Haggadas, die Erzählungen über den Auszug aus Ägypten usw. zu verstehen, die Erfahrungsberichte sind, aus denen die Sicht des Erzählers von Gott deutlich wird, sich aber auch jeder seine Sicht Gottes herauslesen kann.

Das Problem beschrieb auch Rudolf Bultmann schon "spannend" in seinem Aufsatz "Welchen Sinn hat es, über Gott zu reden?"
"Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche!" (Gustav Mahler nach Thomas Morus)
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#7
Diese Probleme mit der apophatischen Theologie sehe ich überhaupt nicht. Zur Orientierung empfehle ich den kurzen Traktat Über die mystische Theologie von Dionysios vom Areopag (gibt es hier). Der ist wohl immer noch der wichtigste Vertreter dieser Art von Theologie. Die erfreut sich übrigens vor allem in der orthodoxen Kirche hoher Wertschätzung.

Gruß
Matthias

P.S.: Ich verstehe ganz und gar nicht, was dieser Thread unter "Pantheismus" zu suchen hat. "Mystik" wäre der angemessene Ort. Vielleicht kann man ihn ja verschieben.
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#8
(06-11-2008, 20:21)azad schrieb: Diese Probleme mit der apophatischen Theologie sehe ich überhaupt nicht. Zur Orientierung empfehle ich den kurzen Traktat Über die mystische Theologie von Dionysios vom Areopag (gibt es hier). Der ist wohl immer noch der wichtigste Vertreter dieser Art von Theologie. Die erfreut sich übrigens vor allem in der orthodoxen Kirche hoher Wertschätzung.

Gruß
Matthias

P.S.: Ich verstehe ganz und gar nicht, was dieser Thread unter "Pantheismus" zu suchen hat. "Mystik" wäre der angemessene Ort. Vielleicht kann man ihn ja verschieben.



Wie ich sehe bist du mir mit deinem Hinweis auf Pseudo-Dionysius Aeropagita zuvorgekommen, sodass mir nur der ergänzende Hinweis auf eine weiteres wichtiges Werk zu diesem Thema bleibt, seine Schrift de divinis nominibus.


Petrus schrieb:Ja, er geht sogar so weit, dass er meint, dass man mehr über Gott gar nicht sagen könne als das, was er NICHT ist, da jede positive Äusserung, also eine Ist-Aussage ("Gott ist xyz") unmöglich sei.

Man muss sich nur darüber klar sein, dass die negative Aussage über Gott eben auch schon wieder eine Aussage ist, die ihn in seinem Wesen charakterisiert.
Gott ist nicht körperlich, nicht geteilt, nicht in der Zeit, nicht zu erkennen, nicht begrenzt usw., dass alles sind nicht weniger charakterisierende Aussagen wie Gott ist Liebe, ist ewig, ist eine Einheit, ist transzendent, usw.
Pseudo-Dionysius geht hier den "dritten" Weg, die via eminentiae, das meint man muss sagen: Gott sei das Über-Gute, der Über-Vater, usw.
Es ist die Frage nach der analogia entis, d.h. in wie fern man überhaupt analoge Aussagen über verschiedenes Sein machen kann, insbesondere im Bezug auf Gott. Das IV. Laterankonzil sagt dazu:

"Denn von Schöpfer und Geschöpf kann keine Ähnlichkeit ausgesagt werden, ohne daß sie eine größere Unähnlichkeit zwischen beiden einschlösse." (DS 806, NR 280)

Es ist im letzten die Erkenntnis, das Sprache ein begrenztes Medium der Gotteserkenntnis ist. Insofern in gewisser Weise eine docta ignorantia, eine belehrte Unwissenheit, wie sie auch Nicolaus Cusanus unter anderem im Rekurs auf Dionysius Aeropagit formulieren wird.

P.S. Dem Vorschlag das Thema ins Forum Mystik zu verschieben kann ich mich nur anschließen. Die Frage der theologia negativa ist sicherlich keine rein Pantheistische.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
-
Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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#9
Ich habe das Thema hier in das Forum "Mystik" verschoben, danke für den Hinweis. Ja, hier passt es besser hin. Eure Antworten sind sehr spannend für mich, weil sie mir ganz neue Aspekte zeigen.

Lieben Gruss

Petrus
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#10
Ich finde zunächst einmal höchst aufschlussreich, was unsere Fachleute (Mandingo, Presbyter, Azad) dazu geschrieben bzw. zitiert haben.
In meinem Kopf setzt sich immer mehr die Erkenntnis fest, dass wir über Gott definitiv nichts wissen und dies in aller Bescheidenheit anerkennen sollen.
Die Aufgabe des Glaubens ist eine andere, als viele meinen. Glaube vermittelt Werte, Verantwortlichkeit, Sinn und Trost. Unsere Gottesvorstellungen sind (Sprach-)Bilder, die uns von der Tradition hinterlassen worden sind. Solange es nichts Besseres gibt, tun wir gut daran, diese Traditionen zu achten, um nicht Wirkungsgeschichten zu provozieren, die unseren Gesellschaften (die säkulare gehört genauso dazu, wie die Religionsgemeinschaften und die Atheisten) durch Entwurzelung schaden - lieber also weiterentwickeln!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#11
Lieber Petrus,
in dem Moment wo ich behaupte, das Etwas von Etwas Anderen DAS nicht ist was es nicht ist (oder nicht zu sein scheint...) begehe ich eine zweifache Verneinung.
Vielleicht drücke ich mich etwas falsch aus.
Ein Beispiel dazu fällt mir im Moment leider nicht ein.
Wenn ich ein Lied spiele und es ist in C-dur dann ist es nicht in A-moll und auch kein Hip-Hop.
Kann damit Jemand irgendetwas anfangen?

Wenn ich aber sage dass die Musik ein Gnade Gottes für uns ist fühlen sich sehr viele Muslims zumimdest falsch verstanden.
Es fällt mir doch ein Beispiel ein:
Viele Muslime glauben dass die Musik verboten, aber mindestens nicht erlaubt wäre.
Man stützt sich da auf die Ahadith: Klick!
die zum größten Teil 200 Jahre nach dem Koran aufgeschrieben wurden.
Man verbietet etwas das Gott nicht verboten hat, im Koran zumindest, und bemisst einer Aussage
eines Bekannten eines Bekannten von einem Freund des Bruders vom Schwager des Großvaters von Abu Hamza, der ein Onkel von Abdullah Mustafa war der gesagt hat er habe von Ibn Daud, dem Bruder von Omar ibn Talib gehört dass Ahmed Rasali von abu Sofia gehört hat dass der Prophet gesagt habe, dass alle schwarze Hunde Teufel sind.

Das sehe ich auch als Nichts sagen über das was nicht erzählt werden soll.

Wenn wir uns jetzt also einig sein können und sicher sind dass man durch Nichts sagen nichts sagen kann und deshalb auch nicht sagen kann was man nicht sagen kann dürfte doch auch dem letzten Trottel einfallen können, dass es auch genau das Gegenteil davon geben muss.

Also wenn man Etwas sagen kann und deshalb etwas gesagt hat und deshalb auch gesagt haben könnte was man sagen sollte so sollte doch einem Nachdenklichen einfallen können, das genau das einen Sinn hat!

Gott ist Außerhalb und doch Mitten dabei.
Er ist nicht aus Atomen aber Er beherrscht sie.
Wir sind Nicht nach seinem Ebenbild weil Er nicht abzubilden ist.
Er kennt die letzte Ecke unserer Seele, wir nicht mal das.
Manche begreifen nicht mal dass sie eine Seele haben.
Gott ist gnädig, wir nicht.

Dem Universum in die Schuhe schieben zu wollen dass alles so ist wie es ist ist Feigheit und Zeugnis der geistigen Bescheidenheit.
Dem "Zufall" zu huldigen ist Faulheit.
Gott zu leugnen ist mehr.
Sich wehren gegen das Unausweichliche ist vergebene Mühe.
Uneinsichtigkeit und Unglaube ist eine Folge des Freien Willens.
Glaube und Rechtschaffenheit auch.
Das Problem der Ungläubigen ist Wege zu finden.
Die Anderen sind ja meist schon zu weit weg.
Aber man bremst nicht gerne bergauf.



Gruß,
Wojciech
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#12
Die Mystik lebt aber nicht vom Wissen, sondern vom Sein, von der Teilhabe und Transzendenz, welche hindurchwirkt. Ein Vogel im Käfig ist zwar ein Vogel, aber abgeschnitten von den Weiten des Himmels.
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#13
(06-11-2008, 21:37)Presbyter schrieb: Wie ich sehe bist du mir mit deinem Hinweis auf Pseudo-Dionysius Aeropagita zuvorgekommen, sodass mir nur der ergänzende Hinweis auf eine weiteres wichtiges Werk zu diesem Thema bleibt, seine Schrift de divinis nominibus.
Danke für das "Pseudo". Hatte ich ganz vergessen. Ja, die göttlichen Namen sind natürlich auch interessant und wichtig, waren mir aber zu lang, um sie der Allgemeinheit hier per Link ans Bein zu binden.

Ergänzend kann man noch sagen, daß das Corpus Areopagiticum in alle möglichen Sprachen übersetzt wurde, u.a. ins Syrische (kurz nach 500). Diese Übersetzung wurde später überarbeitet (ca. 686). Dabei wurde u.a. auf eine wissenschaftliche Terminologie auf der Höhe der Zeit Wert gelegt. Das betrifft zentral die Terminologie rund um die apophatische Theologie. Updates dieser Art scheinen sich bewährt zu haben, wie nicht zuletzt Schriften zum christlich-islamischen Gespräch aus jener Zeit zeigen. Apophatische Theologie kann ja auch als Versuch praktiziert werden, trennende Gottesvorstellungen zwar nicht zu überwinden, aber doch die Einheit als unvollkommene Menschen vor Gott stärker hervorzuheben als es in der hitzigen Polemik zwischen Angehörigen verschiedener Religionen oft geschieht.

Die apophatische Theologie hat also auch für den interreligiösen Umgang schon manches geleistet. Und das kann sie ja vielleicht heute auch wieder.

Gruß
Matthias
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#14
Das kann doch nicht der Weisheit letzter Schluß sein.
"..., aber doch die Einheit als unvollkommene Menschen vor Gott stärker hervorzuheben als es in der hitzigen Polemik zwischen Angehörigen verschiedener Religionen oft geschieht".

Die Einheit der vollkommenen Menschen - des vollkommenen, geliebten Menschen - vor und in Gott hervorheben.
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#15
Marlene, darf ich eine Bitte stellen?

Könntest Du irgendwie kennzeichnen, auf welchen User bzw. seine Aussage Du Dich im Text beziehst, so wie die anderen das auch machen? Ich wusste jetzt gerade gar nicht, wen/was Du meinst, musste erst mal suchen, wer das in welchem Zusammenhang geschrieben hat, um Deinem Gedankengang folgen zu können. Wäre wirklich sehr nett, denn es ist oft sehr schwer, das, was Du schreibst, sofort jemandem zuzuordnen und den Zusammenhang herzustellen.

Lieben Gruss

Petrus
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