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"Christlicher Pantheismus"?
#1
Hallo, Ihr Lieben,

mich würde mal Eure Meinung interessieren, ob es Eurer Meinung/Kenntnis nach einen christlichen Pantheismus geben kann oder gibt?

Ich denke da z.B. an Jakob Böhme, Meister Eckhart und in gewisser Weise auch an Giordano Bruno und Angelus Silesius. Manches, was sie schrieben, klingt durchaus pantheistisch, einiges aber auch ganz und gar nicht (wobei man bei Giordano Bruno wohl eher sagen müsste, manches klingt christlich und einiges ganz und gar nicht).

Wie könnte so ein "pantheistisches Christentum" oder "christlicher Pantheismus" aussehen? Gibt es noch weitere Autoren, die für einen solchen "Verbund" sprechen? Oder schliesst sich das Eurer Meinung nach prinzipiell aus?

Auf Eure Gedanken bin ich gespannt.

Liebe Grüsse

Petrus
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#2
Hallo Petrus!

Wenn ich schon in der Pause gerade reinschaue und den Thread hier neu sehe, kann ich die Klappe natürlich nicht halten – und ich fürchte, ich bin diesbezüglich so berechenbar, dass du den Grund dafür nicht lange suchen musst ;)

Von daher muss jetzt auch gleich die Frage raus, was deiner Meinung nach das spezifisch Christliche bei Bruno ist? Mir fallen da spontan sein Festhalten an der Vorstellung einer göttlichen Vorsehung und seine Verteidigung der Bedeutung eines guten Lebenswandels (in Abgrenzung zur Prädestinationslehre) ein, obwohl man, denke ich, bei letzterem schon wieder genau hingucken kann: Bedeutung wofür eigentlich, denn mit Jenseitsvorstellungen á la Himmel und Hölle hatte er ja nun nichts am Hut – und ist das dann noch die gleiche Bedeutung guter Taten wie im (katholischen) Christentum? Vielleicht hast du aber eh noch mehr oder ganz andere Punkte im Kopf, die christlich sind. Würde mich interessieren, was dir da aufgefallen ist, denn du bist im Christentum sicherlich erfahrener als ich.

Ein Autor, der mir noch einfällt, ist Nicolaus Cusanus, der mir vom ersten Eindruck her (bisher kenne ich zu wenig, um nicht vielleicht viel wichtiges übersehen zu haben) als überzeugter Christ erscheint, aber sich davon nicht abhalten lässt, mal den einen oder anderen Gedanken in Richtung Pantheismus anzustellen.

Nun muss ich sagen, dass mich persönlich diese Cusanische Mischung, obwohl ich einzelne Gedanken sehr mag, bisher überhaupt nicht überzeugt. Grundsätzlich sehe ich aber erstmal keinen Grund, warum sich pantheistische Vorstellungen nicht mit Elementen des Christentums (oder vielleicht auch einer anderen Religion) kombinieren lassen sollten. Ob es dann allerdings gelingt, alles unter einen Hut zu bekommen, ohne dass man sich aufgrund von Widersprüchen auf der einen oder anderen Seite von irgendwas trennt, das weiß ich nicht – mir würde es nicht gelingen, doch das heißt ja nichts. Falls es (auch) auf Seite der Religion passiert, dass man sich von bestimmten Inhalten trennt, muss man halt nur damit rechnen, dass dann so manch anderer Angehöriger dieser Religion einen nicht mehr als "richtigen" Christen oder was auch immer ansieht. Damit kann man aber heutzutage leben, denke ich, da kommt es eher drauf an, was man für sich selbst als das Wesentliche an einer Religion ansieht und ob man sich ihr mit dem, was man glaubt, noch zugehörig fühlt oder ob man die Unterschiede auch selbst als zu groß empfindet.

liebe Grüße, Melmoth (hoffnungslos chaotisch, aber hoffentlich in absehbarer Zeit mal wieder mehr schreibend)
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#3
Lieber Melmoth,

>das spezifisch Christliche bei Bruno ist?

Meiner Meinung nach passt die "Vorsehung" nicht zu seinem Pantheismus. Vorsehung kann ja eigentlich nur theistisch oder "karmisch" interpretiert werden. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, was Vorsehung und Pantheismus gemeinsam haben könnten...

>Verteidigung der Bedeutung eines guten Lebenswandels (in Abgrenzung
>zur Prädestinationslehre) ein,

Das finde ich dagegen nicht spezifisch christlich, sondern ethisch. Und Ethiken gibt es nicht nur christliche.

Ich bin im Christentum nicht mehr erfahren. Ich stehe seit über 30 Jahren ausserhalb des Christentums, und meine Frage kam eigentlich nur deshalb auf, weil ich von einem lieben Freund ein Hörbuch zu Cusanus (!) geschenkt bekommen bekam, und das heute morgen bei meinem morgendlichen Spaziergang hörte.

Insofern ist Dein Hinweis auf Cusanus auch sehr interessant. Viel kann ich zu Deinen Aussagen nicht sagen, ich habe erst das erste Kapitel des "Buches" gehört. Ich muss da noch weiter drüber nachdenken.

Liebe Grüsse

Petrus
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#4
Hallo Petrus!

Ja, und zu allem Überfluss kann er sich noch nicht mal entscheiden, ob er es denn nun im theistischen oder im karmischen Sinne meint bzw. scheint sich beides vorstellen zu können. Wenn er mit dem Gedanken der Wiedergeburt spielt – und ich bin mir da nicht ganz schlüssig, wie ernst es ihm damit ist, diese Position zu vertreten, oder inwiefern er einfach eine diebische Freude an der Vorstellung hat, ohne sie wirklich für real zu halten – ist es diese karmische Variante. Das ist aber eh nicht sonderlich christlich, da war, wenn ich mir die Wahl der Beispiele anschaue (Menschen, die als Esel wiedergeboren werden und dergleichen, was mich auch die satirischen Absichten vermuten lässt), womöglich Platons Phaidon Inspiration.
Wenn er hingegen in Bezug auf Naturvorgänge von Vorsehung spricht, kann er wohl kaum diese karmische Sache meinen. Belebtheit der traditionell unbelebt gedachten Natur hin oder her, einen moralisch bewertbaren Lebenswandel würde wohl nichtmal er einem Kieselstein unterstellen wollen… *g* Von daher vermute ich auch, dass er da seinem eigentlich unpersönlichen Gott doch noch ein theistisches Element zuschreibt.

In eine ähnliche Richtung geht es, dass es in seiner Philosophie eigentlich überhaupt keinen Grund gibt, Gott nur als positiv wahrzunehmen, er aber dann doch, obwohl er ja wahrlich kein naiver Optimist ist, wenn es ums Göttliche geht immer nur das Gute und Weise betont.
Das klingt entweder nach Vorsicht, wobei er die an anderen, genauso wichtigen Stellen auch nicht hat walten lassen, oder nach theistischer Nostalgie von einem Menschen, der nunmal christlich geprägt wurde, mag er sich nachher auch von den meisten christlichen Vorstellungen verabschiedet haben.
Menschlich verständlich wäre beides, aber aus philosophischer Sicht hätte ich mir manchmal gewünscht, dass er das, was er die ganze Zeit nahelegt, endlich auszusprechen wagt: dass es mit "dem lieben Gott" in seiner Philosophie nichts wird, jedenfalls nicht ohne innere Widersprüche.

Ähm ja, hab ich blöd formuliert. Einem moralischen Lebenswandel Bedeutung zuzusprechen, ist natürlich nicht per se christlich. Was ich meinte, ist, dass er das in einem christlichen Kontext tut, indem er sich einmal auf Seiten der Katholiken stellt und deren Vorstellung von Erlösung durch moralisches Handeln der calvinistischen Prädestinationslehre gegenüberstellt, die ihm wohl so sehr zuwider war, dass er dagegen den katholischen Glauben fast sympathisch fand… Ansonsten stimmt es natürlich, dass sich diese moralischen Ansichten problemlos vertreten lassen, ohne sie ans Christentum zu binden.

Lange her mag deine christliche Zeit sein, aber zumindest hast du mal die Erfahrung gemacht, als Erwachsener Christ zu sein. Das hab ich nicht und da weiß ich, dass es mir an Erfahrung mit einem ausgereifteren christlichen Glauben fehlt – mit dem, was man in jungen Jahren von einer Religion mitbekommt, ist in philosophischen Dingen meist einfach nicht viel anzufangen.
Mit Cusanus ist es allerdings ein lustiger Zufall. Wäre mal neugierig, was du von ihm hältst, wenn du ein bisschen mehr gehört hast.

liebe Grüße, Melmoth
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#5
Guten Morgen, Melmoth,

>Von daher vermute ich auch, dass er da seinem eigentlich
>unpersönlichen Gott doch noch ein theistisches Element zuschreibt.

So sehe ich das auch. Aber könnte es anders sein? Gerade bei Bruno frage ich mich sowieso immer, wie dieser Mensch diesen "Schwenk" geschafft hat: Vom Dominikaner zum Pantheisten?! Und das nicht 2008, sondern in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ich finde das enorm, und für mich ist es fast "klar", dass es da bei bestimmten theistischen Wurzeln bleiben MUSS, die man nicht so einfach ausrotten kann (und sollte?). Aber ich muss sagen, dass mir das eher gefällt als dass ich es kritisieren möchte.

>überhaupt keinen Grund gibt, Gott nur als positiv wahrzunehmen,
>er aber dann doch, obwohl er ja wahrlich kein naiver Optimist ist,
>wenn es ums Göttliche geht immer nur das Gute und Weise betont.

Wenn ich Jakob Böhme richtig verstanden habe (ich habe viel zu wenig von ihm gelesen, um zu sagen, dass ich ihn verstanden habe Icon_wink) und ihn richtig einordnen kann, so ist er ja der erste (???) Denker, der Gott auch negativ dachte. Vielleicht war dies also sogar für einen Bruno noch un-denkbar?!

>Menschlich verständlich wäre beides, aber aus philosophischer
>Sicht hätte ich mir manchmal gewünscht, dass er das, was er die
>ganze Zeit nahelegt, endlich auszusprechen wagt: dass es mit
>"dem lieben Gott" in seiner Philosophie nichts wird, jedenfalls
>nicht ohne innere Widersprüche.

Wobei man aber auch bedenken muss, unter welchen Umständen er die letzten Lebensjahrzehnte gelebt hat, oft auf der Flucht, durch halb Europa ziehend. Wenn er dieses "theistische Hintertürchen" nicht offen gelassen hätte, wäre er vielleicht schon viel früher von seinen klerikalen Häschern gekrallt worden?!

>der calvinistischen Prädestinationslehre gegenüberstellt, die ihm wohl
>so sehr zuwider war, dass er dagegen den katholischen Glauben fast
> sympathisch fand…

*schmunzel* Mich wundert's nicht Icon_wink

>Lange her mag deine christliche Zeit sein, aber zumindest
>hast du mal die Erfahrung gemacht, als Erwachsener Christ zu sein.

Das würde ich so nicht sehen, Melmoth. Ich hatte auch als Erwachsener (mit 25 bin ich aus der Kirche ausgetreten, aber die Zweifel am Christentum waren sicher schon 5 Jahre vorher da bzw. begannen) einen eher kindlichen Glauben, nach welchem ich mich ja hin und wieder heute noch zurücksehne. Zwar immer nur kurze Zeit, und vor allem in Krisen, aber das ist durchaus nicht ganz weg, es sind noch "Würzelchen" vorhanden.

Einen schönen Tag wünsche ich Dir

Petrus
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#6
Hallo Petrus!

Es ist schade, dass Brunos frühe Texte nicht erhalten sind, sonst könnte man diese Wurzeln ein bisschen weiter zurückverfolgen, aber dass er sie hat, ja, das merkt man auch später noch. Nun ist er zwar schon in seiner Klosterzeit nicht das beste Beispiel für Kirchentreue gewesen, aber er ist immerhin ins Kloster gegangen und hat da elf Jahre gelebt - da kann man davon ausgehen, dass er sich zumindest anfangs als Christ verstanden hat. (Die Motivation, als wenig begüterter junger Mensch zwecks Studium ins Kloster zu gehen, könnte es zwar auch gegeben haben, aber selbst wenn es so war, dürfte man in seiner Zeit länger als die ~ 16 Jahre bis zu seinem Klostereintritt gebraucht haben, um es zu merken und anzuerkennen, falls man denn kein Christ mehr ist.)

Ausrotten sollte in solchen Dingen meiner Meinung nach eh niemand was. Wenn man eine Überzeugung nicht mehr vertritt und sie nicht mehr braucht, verschwindet sie schon von allein, da muss man nichts ausrotten - und wenn man es ausrotten müsste, weil man noch dran hängt, denke ich nicht, dass man sich einen Gefallen damit täte, es zu tun...

Jakob Böhme hat es als erster fertig gebracht, in diese Richtung zu denken und es sich auch noch aufzuschreiben getraut? Okay, dann muss ich wirklich bald was von ihm lesen! ;)

Daran, dass Bruno es vielleicht nicht nur - ob nun aus Vorsicht oder anderen persönlichen Gründen - nicht fertig gebracht hat, den für uns heute so naheliegenden Gedanken, dass dieser Gott dann auch negativ gedacht werden müsste, auszusprechen, sondern dass das in seiner Epoche selbst für unkonventionellere Denker noch zu unvorstellbar gewesen sein könnte, daran hab ich gar nicht gedacht, wäre aber in der Tat eine Erklärung. Vielleicht sogar noch eher als die Vorsicht mittels "theistischem Hintertürchen". Die könnte man zwar gut verstehen und die will ich als Mit-Grund auch gar nicht ausschließen, aber dass nur Vorsicht ihn da motiviert hat, denke ich eher nicht. Da gibt es genug anderes, was auch gefährlich war, wo er nicht so zurückhaltend geblieben ist - und so sehr, wie sich die Vorsehung und die Güte Gottes durch seine Texte ziehen, werden es wohl wirklich echte Wurzeln sein und kein Alibi.
Wo du allerdings seine ständige Flucht ansprichst, mal so ganz lapidar psychologisch gedacht: Würde man so wirklich ohne Glauben an göttliche Vorsehung leben wollen, selbst wenn man es könnte? (Die Frage führt zu nichts, denn was "man" wollte, kann man nicht beantworten, und ihn kann man für seinen Fall nicht mehr fragen, aber ich überlege gerade, inwiefern der Glaube an Vorsehung, unabhängig davon ob überzeugend oder nicht, für Menschen hilfreich oder hinderlich sein kann...)

Okay, das wusste ich nicht, dass da nicht so viel Weiterentwicklung im Glauben stattgefunden hat, bevor dann die Zweifel begannen. Sehnst du dich nach diesem Glauben denn auch in seiner eher kindlichen Ausprägung zurück oder nur nach der Religion von damals, aber in einem neuen Verständnis?

liebe Grüße, Melmoth (dessen Gedanken schon wieder wirr und undiszipliniert in alle Richtungen schweifen *g*)
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#7
Sich aus den Kategorien zu lösen, hin zu einem lebendigen Sein, dass ist für mich im Eigentlichen 'verwirklichte Religion'. Das Alte im Feuer verbrennen. Wir können nicht ohne Natur, wir sind auch Natur - und mehr. Daher wirkt diese strikte, fast grausam, schneidende Abstrennung - hier christlicher Glaube, da ein Pantheismus - befremdlich auf mich. Ich glaube, es ist mehr möglich, denn die Grenzen existieren fast ausschliesslich in unserem Geist. Grenzen überschreiten, Regeln brechen, wenn diese die eigene Wirklichkeit und Wahrheit einsperren. Der Begriff 'christlicher Pantheismus' ist, da behelfsmäßig, kategorisierend ect., möglicherweise entbehrlich. Lässt sich denn auf Dauer 'der Geist in so kleine Schächtelchen' einpacken? Unvorstellbar. Metanoeite!
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#8
Von der Sache her gebe ich Marlene Recht, auch wenn ich es anders ausdrücken würde.
Aber ich kann mit der Frage: Schließt der Pantheismus dieses oder jenes aus, schließt das Christentum dieses oder jenes aus, rein gar nichts anfangen. -ismen sind für mich immer ein Übel. Da wird etwas definiert, irgendein Weltbild, und dann fragt man die Menschen, ob es ihnen erlaubt ist, außerhalb dieser Definitionen Erkenntnisse oder Einsichten oder Erfahrungen zu haben. Jeder -ismus schließt für mich ein Denkverbot ein.

Ich denke, dass es bei den hier erwähnten Denkern eher umgekehrt ist. Es ist immer zunächst die Erkenntnis oder die Erfahrung da. Und die Religion, in die ein Mensch zum Beispiel hineingewachsen ist, wird den genannten Erkenntnissen oder Erfahrungen angeglichen, bewusst oder unbewusst.
Insofern lässt jede Religion, jede Weltanschauung zu, dass sie um diesen oder jenen Aspekt erweitert oder vertieft wird. Und das ist ja auch ständig geschehen. Und das Christentum selber hat seit seiner Entstehung die unterschiedlichsten Einflüsse in sich aufgenommen - man kann also nicht einmal da objektiv definieren, was "christlich" ist.

In dem Begriff "Pantheismus" sehe ich also überhaupt keine Lehre verborgen, die bestimmte Denkhaltungen verbieten würde oder könnte. Er scheint ja sowieso ein Kunstbegriff zu sein, es hat nie eine pantheistische Schule gegeben, meines Wissen. Man ordnet nur im Nachhinein bestimmte Denker dieser Richtung zu. Und sie standen oft in einem revolutionären Verhältnis zu der gerade herrschenden (religiösen) Denkrichtung, hinterfragten diese, vor allem ihre Dogmen. Es wäre mal zu untersuchen, ob dieses Rebellentum dem sog. pantheistischen Denken schon von Haus aus anhaftet, ähnlich wie der Mystik, die ja auch stets rebellisch war. Da man beide nicht dogmatisieren, nicht zähmen kann, wirkten sie stets beunruhigend.
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#9
(30-10-2008, 08:31)Marlene schrieb: Lässt sich denn auf Dauer 'der Geist in so kleine Schächtelchen' einpacken? Unvorstellbar. Metanoeite!

Hallo, Marlene,

wobei zu hinterfragen ist, ob es diesen "Geist", wie Du ihn anscheinend verstehst, überhaupt gibt. Vielleicht ist das alles nur GEHIRN, und alle Vorstellungen von Gott oder Nichtgott sind auch alles nur GEHIRN...

Liebe Grüsse

Petrus
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#10
Liebe Karla,

natürlich hast Du mit den "ismen" zunächst einmal Recht... "isman" haben oft Denkverbote in sich.

Aber:

Wir nähern uns ja einem Thema, das kaum in Worte zu fassen sind (zumindest habe ich damit meine Probleme). Also verwende ich Worte, die ich kenne und (noch so gerade eben) verstehe. Und diese Begriffe sollten, damit ich einigermassen mit ihnen umgehen kann, ohne die Sprache stets und ständig zu quälen, auch kurz und prägnant sein.

Denn wie will man das, was man unter "Pantheismus" gemeinhin versteht, ausdrücken ausser vielleicht in "Allgottlehre" oder "Universismus", oder aber dadurch, dass man stets und ständig seine eigene Definition hineinsetzt, was u.U. den Diskussionsfluss arg beeinträchtigen würde? "Universismus" oder "Universalismus" aber ist zum einen wieder ein -ismus, und zum anderen wird er meines Wissens für die chinesischen Religionen verwendet (zumindest wird er in den Büchern, die ich dazu gelesen habe, für diese benutzt) und "Allgottlehre" schiene mir so, als würde ich mir einen Begriff radebrechen, nur um einen "-ismus" verbal zu vermeiden.

Die Frage "Schließt der Pantheismus dieses oder jenes aus" kann ich durchaus bejahen. Einen personalen Gott z.B. kann ich mir pantheistisch nicht denken...

>Ich denke, dass es bei den hier erwähnten Denkern eher umgekehrt ist.
>Es ist immer zunächst die Erkenntnis oder die Erfahrung da.

Ja, so sehe ich das auch. Um diese Erfahrung mitteilen zu wollen, muss das aber in Worte gepackt werden, und diese sind bei Erfahrungen dieser Art selten "treffend".

>Und die Religion, in die ein Mensch zum Beispiel hineingewachsen
>ist, wird den genannten Erkenntnissen oder Erfahrungen
>angeglichen, bewusst oder unbewusst.

Ja, siehe meine Hinweise oben zu Bruno. Das ist sicher so.

>Insofern lässt jede Religion, jede Weltanschauung zu, dass sie
>um diesen oder jenen Aspekt erweitert oder vertieft wird.

Ich habe auch keine Probleme damit, einige christliche Lehren pantheistisch zu deuten. Womit ich Probleme habe, ist, das christliche Gottesbild ("liebender" Vatergott, Trinität) in irgendeinen Zusammenhang mit dem Pantheismus zu bringen.

Sei lieb gegrüsst

Petrus
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#11
Lieber Petrus,


(30-10-2008, 10:01)Petrus schrieb: Ich habe auch keine Probleme damit, einige christliche Lehren pantheistisch zu deuten. Womit ich Probleme habe, ist, das christliche Gottesbild ("liebender" Vatergott, Trinität) in irgendeinen Zusammenhang mit dem Pantheismus zu bringen.


Dann verstehe ich Deine Fragestellung besser. Natürlich schließt das, so gefragt, einander aus. Nur leugne ich, dass das "DAS christliche Weltbild" ist. Es ist genauso möglich, dass Meister Eckhart das Wesen des Christentums viel treffender erfasst hat als die kirchliche Lehre der Trinität. Und ich kenne nicht wenige Christen, die mir aus dem Neuen Testament eine Christus-Vorstellung herleiten, die dem pantheistischen Denken oder dem mystischen Denken sehr ähnlich ist und den Vatergott nicht nur nicht überbewertet, sonder auch nicht wörtlich nimmt. Diese Freiheit haben sich immer wieder - oft als Unterströmung - Vertreter des Christentums genommen. Sie haben Jesus schlicht und einfach so verstanden ("Folge mir nach" heiße: so wie Jesus mit Gott verschmelzen). Dass damit die Kirchenlehre angegriffen wurde, ist so. Aber das Christentum hat für mich letztlich überhaupt nichts mit der Kirche zu tun.

Zu den -ismen:
Ich wollte nicht dafür plädieren, diese Begriffe nicht mehr zu benutzen. Aber für mich wird ein Begriff dann zu einer Art Erdrosselungsmaschine, wenn ich nicht mehr sehe, dass er nur ein Kürzel ist für ein komplexes Geschehen. Das wollte ich Dir aber nicht unterstellen. Ich wollte es nur für alle Fälle sagen.



Zitat:Die Frage "Schließt der Pantheismus dieses oder jenes aus" kann ich durchaus bejahen. Einen personalen Gott z.B. kann ich mir pantheistisch nicht denken...

Ich kann mir ohne Weiteres einen Menschen denken, der grundlegend pantheistisch empfindet, dennoch mit einem personalen Gott lebt. Das schließt einander nicht aus. Das "Göttliche" wird auf verschiedenen Ebenen erfahren oder konstituiert sich da.

Da weder der Pantheismus noch das Christentum eine Person ist, sondern ein abstraktes Denkgefüge, möchte ich es jeweils lieber als Merkmale sehen, die einander ergänzen können.

Darum sind Systeme, die in sich "logisch" oder "schlüssig" sein müssen, nur Gedankengebäude, die mir nichts bringen. Für mich sind sie Spielerei, Beschäftigungstherapie. Wenn ich "die Wahrheit" herausfinden möchte, sind sie der falscheste Weg für mich. Aber ich kann Grundgedanken von ihnen vielleicht bestätigen, weil sie mit meinen übereinstimmen. Und das kombiniert sich dann in mir. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der das anders handhabt. Wohl aber welche, die der Meinung sind, sie hätten die Bibel vollkommen richtig gedeutet, und ihre Deutung sei die eine wahre christliche. Aber stimmen tut es nie. Das sind ebenfalls Mixturen. Sie benutzen zwar oft die christlichen Ausdrücke, aber was sie damit abdecken, ist oft ganz woanders herstammend.
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#12
Guten Tag, Melmoth,

sicherlich hat es in der damaligen Zeit bei vielen wenig begüterten jungen Menschen die Motivation gegeben, sich im Kloster eine ordentliche Schulbildung zu holen, aber wir wissen nicht, ob das der einzige Grund für Bruno war. Wir können darüber nur spekulieren.

Ob Jakob Böhme der erste war, der Gott auch negativ dachte, weiss ich nicht, aber seine Philosophie ist gerade auch wegen dieses Punktes wohl so bedeutend. Zumindest liest man das in Texten über Böhme immer wieder. Wenn Du etwas von ihm lesen willst, beginne entweder mit der AURORA (den Text gibt es übrigens auch im Internet: http://12koerbe.de/lapsitexillis/aurora.htm) oder aber mit einer Kompilation seiner Gedanken. SEHR empfehlenswert ist ein uraltes Buch: "Morgenröte. Jakob Böhme in einer Auswahl aus seinen sämtlichen Schriften mit Einführung zusammengestellt und herausgegeben von Alfred Wiesenhütter", die 1925 erschien. Sie ist zwar nicht mehr lieferbar, findet sich aber öfters mal in Antiquariaten. Bei http://www.zvab.com finden sich aktuell 5 Angebote, das preiswerteste für 7,50 EUR zzgl. Porto.

>Sehnst du dich nach diesem Glauben denn auch in seiner
>eher kindlichen Ausprägung zurück oder nur nach der
>Religion von damals, aber in einem neuen Verständnis?

Ich sehne mich MANCHMAL nach dem GEFÜHL, das ich damals hatte, ein Gefühl grosser Geborgenheit "in allem" (fast schon pantheistisch, gell?), vor allem aber Geborgenheit in einer Väterlichkeit, die ich so aus meinem Leben her nicht kannte. Sobald ich eine Kirche betrat, fühlte ich mich rundum geborgen, und noch HEUTE habe in einer schönen Kirche ein sehr "heimisches" Gefühl.

Liebe Grüsse und einen schönen Tag

Petrus
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#13
Hallo Petrus!

Vielen Dank für die Hinweise, den Link und die Tips zu Jakob Böhme! Da kann ich bei der Version im Internet mal schauen, wie weit ich so völlig unbedarft komme - und falls ich nur philosophischen Bahnhof verstehe, weiß ich ja dann, welches Buch weiterhelfen könnte :) Die Kapitelüberschriften im Inhaltsverzeichnis wirken ja schon reichlich kryptisch (nach ein paar Kursen bei einem Literaturwissenschaftsprofessor, der eine Vorliebe für Barocklyrik hat, schockt mich "Wie Luzifer ist der greulichste Teufel worden" sprachlich zwar nicht mehr, aber inhaltlich sieht es nach einer recht bunten Mischung aus biblischen Mythen, Philosophie und Astrologie aus...) - bin mal gespannt, was sich dahinter verbirgt.

Hm, vielleicht hab ich eine Ahnung, was du meinst, vielleicht assoziiere ich mit den Worten auch nur ebenfalls Erinnerungen, die aber eigentlich ganz anders sind... es klingt für mich, als ob Gott das (gewesen) sei, was immer und überall vertraut war - eine Sicherheit, immer / überall dasein zu dürfen...? :icon_confused:

liebe Grüße und, da ich ein paar Tage nicht da bin, schonmal ein schönes Wochenende!

Melmoth
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#14
"... - eine Sicherheit, immer / überall dasein zu dürfen...?"


Zu dieser Erkenntnis zu gelangen, brauchen Menschen manchmal ein Leben lang und ist Kern tiefempfundener Spritualitiät. Immer und überall dasein du dürfen.
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#15
Guten Morgen, Melmoth,

zu Böhme ist noch zu sagen, dass er manchmal sehr "theistisch" schrieb, einfach, damit sein "Erzfeind" nicht noch mehr Munition gegen ihn hatte: Böhme lebte in der Pfarrei des Hauptpastors der Peter-und-Paulskirche, Gregor Richter, und dieser war ein fanatischer Gegner aller "Abweichler". Er machte Böhme nicht nur das Leben schwer, sondern zeitweise musste Böhme Göritz verlassen, um aus der Schusslinie dieses Fanatikers zu kommen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde schrieb Böhme oft in "theistischen Worten und Sätzen", die er aber in seinen Briefen oft ganz anders interpretierte. Hier lohnt sich meiner Meinung nach die Lektüre der "Theosophischen Sendbriefe", die er an Freunde und Anhänger richtete (gibt's auch preiswert bei zvab.com).

>es klingt für mich, als ob Gott das (gewesen) sei, was immer und überal
> vertraut war - eine Sicherheit, immer / überall dasein zu dürfen...?
>:icon_confused:

Damit kann ich mich anfreunden. Ob es so war, weiss ich nicht mehr, ich habe psychoanalytisch nie daran gearbeitet :icon_lol:

Liebe Grüsse und hoffentlich wird's eine angenehme Reise.

Petrus
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