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Das Opfer Abrahams: Zugänge zum Sohnesopfer...
#1
Das Thema wurde in diesem Forum schon einmal ausführlich diskutiert...., aber gerade Dikussion und Disput lebt davon Themen ab und wann wieder zu behandeln, damit veränderte Ansichten und bewährte Überzeugungen zu neuen geistigen Früchten werden.
Als Initiator möchte ich mich meiner Meinung vorerst enthalten, da ich nicht mit meiner Meinung die Diskussion ersticken möchte, sondern das Thema erstmal allgemein vorstellen will. Ein paar Leitfragen (für diese Diskussion, die ich fett markiert habe) sind im Kurztext einer wissenschaftlichen Veranstaltung enthalten, die ich leider nicht besuchen konnte. Viel Spass beim konstruktiven diskutieren.



Das Opfer Abrahams: Stimme, Schrift, Bild. Interdisziplinäre Zugänge zum Sohnesopfer

Wissenschaftliche Tagung in Zusammenarbeit mit der Graduiertenschule »THEOLOGY AND RELIGIOUS STUDIES« der Universität Freiburg Judentum, Christentum und Islam eint ein gemeinsamer Stammvater: Abraham, das Ursymbol des Glaubens an den einen und einzigen Gott. Während Judentum und Christentum sich auf Isaak, den Sohn der Ehefrau Sarah, berufen, bezieht sich der Islam auf Ismael, den Sohn der Magd Hagar. Doch das Erbe Abrahams irritiert: Gott selbst versucht den Abraham, er fordert das Opfer des Sohnes, der dem Vater allzu spät geboren wurde. Dass Gott die Hingabe des Kindes letztlich verhindert und einen Widder als Ersatz schickt, beruhigt nur vordergründig. Die Forderung allein reicht aus, um die Sittlichkeit der Weltordnung Gottes im Kern zu erschüttern. Darf man denjenigen als Gott verehren, der eine ethisch offensichtlich unvertretbare Forderung erhebt – oder verbrämt Gen 22 irrationalen religiösen Wahn, der Abraham beinahe zum Kindsmörder werden lässt? Worum geht es dieser biblischen Erzählung? Um Abraham als Vorbild unbedingten Vertrauens? Um Isaak, der für menschliche Hingabe steht, aber auch das radikale Ausgeliefertsein des Menschen symbolisiert? Oder um Gott selbst, der in der Verschonung des Kindes das Bild korrigiert, das Menschen sich von ihm machen? Die Theologiegeschichte der abrahamitischen Religionen arbeitet sich ab an diesem Skandalon des Sohnesopfers. Neuzeitliche Philosophie ringt um sein Verständnis. Poesie und Musik geben der Spannung von Gabe und Opfer, die in Gen 22 anklingt, eine Stimme. Die international besetzte Fachtagung zum Opfer Abrahams führt Wissenschaftler der Theologie, der Religionswissenschaften, der Kunst- und Literaturwissenschaften sowie der Philosophie zur Diskussion dieser schwierigen Glaubens-Urkunde zusammen.

...mehr Informationen zur Tagung.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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#2
Es freut mich, dass du dieses Thema nochmal aufgreifst, obwohl es scheinbar schonmal besprochen wurde (wovon ich dann noch nichts mitbekommen habe). Es ist gar nicht so lange her, dass ich die Geschichte um Abraham und seinen Sohn Isaak nochmal nachgelesen habe, und vor allem erinnere ich mich daran, wie unheimlich aufwühlend ich sie fand, als ich sie zum ersten mal gelesen habe. Sie gehört auf jeden Fall zu den Bibelstellen, die mich am meisten erschreckt haben, als ich erstmals in der Bibel gelesen habe, weil ich mir dachte, dass es nun (muss so 6. Schulklasse gewesen sein) endlich mal Zeit würde, was über die Religion zu wissen, mit der ich aufgewachsen war.

Darüber, was der Schreiber beabsichtigt haben mag und ob er seinen Schwerpunkt auf Vertrauen oder Ausgeliefertsein legt, will ich nicht spekulieren, da fehlt es mir an Hintergrundwissen und Gesamtüberblick. Aber was das für eine Moral ist, die da über Abrahams Beispiel zum Vorbild erhoben wurde, und ob Gott, falls er tatsächlich so sein sollte, wie er einem in dieser Erzählung begegnet, verehrungswürdig ist, das ist eine Frage, die ich mir beim Lesen auch gestellt hatte und die ich für mich auch beantwortet habe - allerdings werde ich hier mit Interesse mitverfolgen, was für andere Sichtweisen auf diese Geschichte es noch gibt.

Für mich gebe es eigentlich nur eine Version der Geschichte, die mich moralisch überzeugen würde, nämlich die, dass Abraham, wenn er auf die bekannte Weise auf die Probe gestellt würde, antwortete: "Nein, das kann ich nicht." - und dass er damit die Prüfung bestanden hätte.
Ein Abraham, der glauben würde, dass Gott seine Forderung tatsächlich ernst meint, und der Gott auch eigentlich immer ehren wollte, aber dem das, was da von ihm verlangt wird, eine Unmöglichkeit ist, die er nichtmal auf die Gefahr hin begehen könnte, seinen Gott zu enttäuschen, das wäre für mich eine biblische Gestalt, der zu Recht Respekt entgegen gebracht würde. Oder vielleicht auch ein Abraham, der der Stimme, die zu ihm spricht, antworten würde: "Nein. Ich weiß nicht, wer du bist, aber mein Gott bist du nicht - denn das, was du von mir verlangst, ist abscheulich, und mein Gott verlangt so etwas nicht."
Und ein Gott, der solche Reaktionen nicht verdammen müsste, sondern anerkennen könnte, weil ihm Moral mehr bedeutet als seine persönliche Eitelkeit, ein Gott, der die Aufrichtigkeit und moralische Integrität eines Menschen noch dann anerkennen könnte, wenn sie gegen den Gehorsam ihm selbst gegenüber verstößt - solch ein Gott hätte wahre Größe, und vor ihm hätte ich alle Achtung und Ehrfurcht.
Leider sind weder dieser Gott noch dieser Abraham die Gestalten, die einem in der biblischen Geschichte begegnen.
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#3
also zu deiner Meinung:

"Für mich gebe es eigentlich nur eine Version der Geschichte, die mich moralisch überzeugen würde, nämlich die, dass Abraham, wenn er auf die bekannte Weise auf die Probe gestellt würde, antwortete: "Nein, das kann ich nicht." - und dass er damit die Prüfung bestanden hätte. "

Genau dem stimme ich auch zu. Bei irgendjemand hier, sry weis nimmer bei wem, habe ich in der Signatur den Satz eines scheinbar weisen Mannes gelesen: "Dadurch, dass du meinen Worten blind Glauben schenkst, wirst du nicht weise"

genauso könnte man es auf den Glauebn beziehen und auch in dem Zusammenhang sehen. Also wer seinem Gott bzw. der Bibel/Koran blind vertraut, der wird nicht automatisch zu einem guten Menschen. Man muss auch selbständig denken und trotz allem seine moralischen vorstellungen wahren.
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#4
(09-10-2008, 23:38)Schlag schrieb: "Für mich gebe es eigentlich nur eine Version der Geschichte,


Man muß bedenken, daß die Geschichte aus Zeiten stammt, in der Menschenopfer, für welchen "Gott" auch immer, nicht unüblich waren.
Deshalb ist sie eine klare, feste Aussage für alle zu dieser Zeit lebenden und allen nachfolgenden bzw zukünftigen Menschen, daß der Gott Abrahams Menschenopfer verabscheut, selbst wenn der Mensch überzeugt ist, Engel oder gar Gott hätte es gefordert.
Man sollte nicht den "Versucher" vergessen, der die Menschen seit Adam und Eva verführt und auch die Gestalt eines Engels annehmen kann.
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#5
(10-10-2008, 11:00)indymaya schrieb: Man muß bedenken, daß die Geschichte aus Zeiten stammt, in der Menschenopfer, für welchen "Gott" auch immer, nicht unüblich waren.
Deshalb ist sie eine klare, feste Aussage für alle zu dieser Zeit lebenden und allen nachfolgenden bzw zukünftigen Menschen, daß der Gott Abrahams Menschenopfer verabscheut, selbst wenn der Mensch überzeugt ist, Engel oder gar Gott hätte es gefordert.

Hm, das bringt mich gerade auf eine Überlegung: Meinst du das so, dass Gott in dieser Geschichte, als er dem Menschen das Menschenopfer ein für allemal abgewöhnen will, deshalb erstmal zum Schein diese Forderung erhebt und Abraham so weit gehen lässt, es fast zu tun, damit nach diesem Schrecken sich ihm Gottes Eingreifen und somit die Ablehnung des Menschenopfer viel deutlicher einprägt, als wenn er nur gesagt bekommen hätte, dass er sowas nicht tun soll?
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#6
(12-10-2008, 12:31)Melmoth schrieb:
(10-10-2008, 11:00)indymaya schrieb: Man muß bedenken, daß die Geschichte aus Zeiten stammt, in der Menschenopfer, für welchen "Gott" auch immer, nicht unüblich waren.
Deshalb ist sie eine klare, feste Aussage für alle zu dieser Zeit lebenden und allen nachfolgenden bzw zukünftigen Menschen, daß der Gott Abrahams Menschenopfer verabscheut, selbst wenn der Mensch überzeugt ist, Engel oder gar Gott hätte es gefordert.

Hm, das bringt mich gerade auf eine Überlegung: Meinst du das so, dass Gott in dieser Geschichte, als er dem Menschen das Menschenopfer ein für allemal abgewöhnen will, deshalb erstmal zum Schein diese Forderung erhebt und Abraham so weit gehen lässt, es fast zu tun, damit nach diesem Schrecken sich ihm Gottes Eingreifen und somit die Ablehnung des Menschenopfer viel deutlicher einprägt, als wenn er nur gesagt bekommen hätte, dass er sowas nicht tun soll?

das könnte sein... tja, Gottes Wege sind unergründlich Icon_wink
Jeder sieht alles aus seiner Sicht und kann es daher nur aus dieser beurteilen.

Also modern gesprochen:

Schere ist imba aber Stein ist balanced sagte das Papier.
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#7
(10-10-2008, 11:00)indymaya schrieb: Deshalb ist sie eine klare, feste Aussage für alle zu dieser Zeit lebenden und allen nachfolgenden bzw zukünftigen Menschen, daß der Gott Abrahams Menschenopfer verabscheut, selbst wenn der Mensch überzeugt ist, Engel oder gar Gott hätte es gefordert.

Jephtas Tochter hat er als Opfer angenommen.

Weil's nur ein Mädchen war?

MfG E.
MfG B.
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#8
(13-10-2008, 00:37)Epicharm schrieb: Jephtas Tochter hat er als Opfer angenommen.


MfG E.


Gott hat hier weder gefordert, noch angenommen.
Jephtas war ein hartherziger Mensch, der einfach, ohne Mitleid irgend einen Menschen, der seinem Hause diente, töten wollte.
Er sprach vorschnell und unüberlegt vor dem Volk Gottes ein Gelübte aus,
das er als ihr König erfüllen musste.
Demnach erfüllte er es nicht Gott, sondern sich selbst und dem Volk um
weiter als König geachtet zu werden.
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#9
(13-10-2008, 16:08)indymaya schrieb: ...Gott Abrahams Menschenopfer verabscheut...

Jephtas war ein hartherziger Mensch, der einfach, ohne Mitleid irgend einen Menschen, der seinem Hause diente, töten wollte.
Er sprach vorschnell und unüberlegt vor dem Volk Gottes ein Gelübte aus,...

Jephta bat um den Sieg über seine Feinde. Er versprach Jahwe ein Menschenopfer, wenn ihm dieser Sieg (mit Gottes Hilfe) gelänge.

Ein Gott, der Menschenopfer verabscheut, hätte das Opfer nicht annehmen dürfen. Insbesondere dann, wenn es unbedacht (von einem hartherzigen Menschen, wie Du meinst) versprochen wurde.

Nun, sowohl die Isaakgeschichte wie auch jene von Jephtas Tochter sind Mythen. Als solche müssen sie gelesen und verstanden werden. Wer auch immer zu wissen meint, was Gott gedacht, was er gemeint hat, wenn er Opfer forderte oder annahm, lehnt sich sehr, sehr weit aus dem Fenster.
MfG B.
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#10
(13-10-2008, 22:55)Epicharm schrieb: Nun, sowohl die Isaakgeschichte wie auch jene von Jephtas Tochter sind Mythen. Als solche müssen sie gelesen und verstanden werden. Wer auch immer zu wissen meint, was Gott gedacht, was er gemeint hat, wenn er Opfer forderte oder annahm, lehnt sich sehr, sehr weit aus dem Fenster.

Wenn Jephtas etwas gelobt, wieso behauptest du Gott hätte es gefordert? Wenn Jephtas erfüllt, was Gott nicht gefordert hat, wieso behauptest du, Gott hätte es angenommen?
Wer meint zu wissen und behauptet, daß Gott Menschenopfer annimmt ist schon aus dem Fenster gefallen. Hier einen Gruß an alle Islamisten.
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#11
(14-10-2008, 09:57)indymaya schrieb:
(13-10-2008, 22:55)Epicharm schrieb: Nun, sowohl die Isaakgeschichte wie auch jene von Jephtas Tochter sind Mythen. Als solche müssen sie gelesen und verstanden werden. Wer auch immer zu wissen meint, was Gott gedacht, was er gemeint hat, wenn er Opfer forderte oder annahm, lehnt sich sehr, sehr weit aus dem Fenster.

Wenn Jephtas etwas gelobt, wieso behauptest du Gott hätte es gefordert? Wenn Jephtas erfüllt, was Gott nicht gefordert hat, wieso behauptest du, Gott hätte es angenommen?
Wer meint zu wissen und behauptet, daß Gott Menschenopfer annimmt ist schon aus dem Fenster gefallen. Hier einen Gruß an alle Islamisten.

Verstehst Du's nicht oder willst Du es nicht verstehen?!

Im Falle von Abraham forderte er das Opfer, im Falle von Jephta nahm er es an!

Gott hat mit diesen Geschichten nichts zu tun. Sie stammen von Menschen für Menschen. Und sie werden von Menschen gedeutet, wie's ihnen eben beliebt.
MfG B.
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#12
(07-10-2008, 17:10)Presbyter schrieb: Die Theologiegeschichte der abrahamitischen Religionen arbeitet sich ab an diesem Skandalon des Sohnesopfers. Neuzeitliche Philosophie ringt um sein Verständnis.

Hallo Presbyter,

ich will den fruchtlosen Meinungsaustausch, was Gott will, denkt, fordert und verabscheut, nicht weiter fortführen und versuche mich mit ein paar Worten zum eigentlichen Thema.

Wer Texte heiliger Schriften, als "Gottes Wort" versteht, wird Mühe haben, Ungereimtheiten, ethisch verwerfliche Anweisungen (ein Menschenopfer zu bringen, den Bann an besiegten Völkern zu vollziehen u. dgl.) zu verstehen und mit seinem moralischen Empfinden in Einklang zu bringen. Daher ist es nötig, eines zu erkennen: Es sind Mythen, die zu Erzählungen verwoben wurden, nicht weniger faszinierend und blutig als die griechisch-römischen.

Am Beispiel von Gen 22 will ich meine Position dazu kurz erläutern.

Es liegt ein Text vor, der (zumindest) drei Traditionen vermengt. Es sind elohistische, jahwistische und priesterliche Elemente ineinander verwoben und nicht leicht zu entwirren.

Der jahwistischen Tradition nach gibt Abraham sein Leben als Nomade auf und wird in dem Land, das Jahwe ihm zuweist, sesshaft. Dort ist Abraham Fürst, ihm ist man Gehorsam schuldig. Dieser Mythos aus dem 10. Jh hat sich im biblischen Abraham erhalten. Abraham ist der Äneas der biblischen Mythologie. Äneas verlässt auf göttliche Anweisung das zerstörte Troja, Abraham das wirtschaftlich daniederliegende Ur. Sowohl bei Äneas als auch bei Abraham läuten die (mythologischen) Helden aus der Fremde die neue Epoche ein. Wie die Julier ihren Herrschaftsanspruch von Äneas ableiten, tut dies Israel in Kanaan mit dem Hinweis auf Abraham.

Was macht so sicher, dass Isaak dem Urmythos nach nicht geopfert wurde? In der elohistischen Abrahamsgeschichte wurde Isaak offenbar geopfert! In 1Mose 22,19 heißt es: Darauf kehrte Abraham zurück zu seinen Dienern, sie brachen auf und zogen gemeinsam nach Beer-Seba, und Abraham blieb in Beer-Seba wohnen. Die elohistische Tradition setzt erst mit der Jakobsgeschichte fort. Von Isaak erfahren wir (vom elohistischen Erzähler) nichts mehr. Im jahwistischen Beitrag zum Mythos erst verhindert Jahwes Engel die Tötung Isaaks.

Vorerst nicht mehr dazu!

MfG E.
MfG B.
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#13
Epicharm schrieb:Wer Texte heiliger Schriften, als "Gottes Wort" versteht, wird Mühe haben, Ungereimtheiten, ethisch verwerfliche Anweisungen (ein Menschenopfer zu bringen, den Bann an besiegten Völkern zu vollziehen u. dgl.) zu verstehen und mit seinem moralischen Empfinden in Einklang zu bringen. Daher ist es nötig, eines zu erkennen: Es sind Mythen, die zu Erzählungen verwoben wurden, nicht weniger faszinierend und blutig als die griechisch-römischen.


So verwundert es auch nicht, dass die griechische Mythologie der Ursprungsort der Hermeneutik ist. Die Mythen als intellektuell anstößige, philosophisch längst überholte, aber dennoch gesellschaftstragende Texte wurden nun vor allem allegorisch interpretiert. Eine Methode die sich ebenso ins hellenische Judentum, wie in das frühe Christentum eingebettet hat und zu deren geistiger Fruchtbarkeit beitrug.
Grundsätzlich ist aber dieses hermeneutische Problem bei jedem Text, dessen Entwicklungsgeschichte unschlüssig, dessen Metaphern unbekannt oder zumindest dunkel sind. Dazu braucht es keine religiösen Mythen. Das Sola-Scriptura-Denken, der geistige Vorbau, besonders evangelikalen Denkens, allein der Wortsinn zähle und nur die Schrift habe Autorität... führt dabei, da gebe ich dir uneingeschränkt recht, meistens auf den Holzweg.

Dennoch, im Gegensatz zu den griechisch-römischen Mythen, die ihre gesellschaftliche Tragkraft nicht zuletzt durch die Philosophie verloren haben, ist die Abrahamserzählung niemals aus ihrem Kontext in der Bibel als "Wort Gottes" herausgetreten. Die maßgeblichen Deutungen und auch der oben angedeutete Skandalon dieser Erzählung beruhen gerade darauf, dass hier ein Gottesbild tradiert wird, das grundlegend ist für das jüdische und christliche Gottesverständnis und ihrem Verhältnis zum Opferkult. Eine "Entmythologisierung" der Perikope (falls dies überhaupt möglich ist) kann vlt. die textgeschichtlichen und historischen Grenzen und Rahmenbedingungen dieser Erzählung aufklären, nicht aber zu einem adäquaten Verständnis biblischen Gottesglauben beitragen, für den diese Schriftstelle bleibende Bedeutung hat.


Epicharm schrieb:Der jahwistischen Tradition nach gibt Abraham sein Leben als Nomade auf und wird in dem Land, das Jahwe ihm zuweist, sesshaft. Dort ist Abraham Fürst, ihm ist man Gehorsam schuldig. Dieser Mythos aus dem 10. Jh hat sich im biblischen Abraham erhalten. Abraham ist der Äneas der biblischen Mythologie. Äneas verlässt auf göttliche Anweisung das zerstörte Troja, Abraham das wirtschaftlich daniederliegende Ur. Sowohl bei Äneas als auch bei Abraham läuten die (mythologischen) Helden aus der Fremde die neue Epoche ein. Wie die Julier ihren Herrschaftsanspruch von Äneas ableiten, tut dies Israel in Kanaan mit dem Hinweis auf Abraham.

Gewiss gibt es Parallelen was die dynastische Legitimation angeht. Wobei ich auch hier Unterschiede setzen würde. Den Höhepunkt der aeneischer Herschaftlegitmation haben wir bei Augustus, der als Imperator barfüßig (als Gott) mit Amor (Sohn der Venus und des Mars) dargestellt wird. Die Verbindung der Romulus-Legende (Romulus, Sohn des Mars) und der Aeneas-Legende (Aeneas, Sohn der Venus) in der Darstellung des Gottes Armor dient allein personaler Herrschaft in Form der Sakralisierung der Imperatoren. Die Abraham Tradition hingegen wird als einheitsstiftende Verbindung aller Juden gesehen, vor allem aber als Gemeinschaft einer Verheißung. Und gerade die prophetische Literatur dehnt diese eher über das Volk Israel aus, als dass sie zur personalen Herrschaft herangezogen wird. Dafür stehen eher David und Salomo parat. Insbesondere Ersterer, der in der Verheißung (zugegeben, auch diese Verheißung rekuriert auf Abraham) eines ewigen Königtums, als der Urgarant israelischer Königsherrschaft gilt.


"Epicharm schrieb:Was macht so sicher, dass Isaak dem Urmythos nach nicht geopfert wurde? In der elohistischen Abrahamsgeschichte wurde Isaak offenbar geopfert!

Interessant ist gewiss, dass es keine weitere Erwähnung Isaaks gibt. Erst in Gen 24 taucht Isaak, erst indirekt, später namentlich auf. Da auch diese Perikope elohistische Fragmente enthält, scheint es widersprüchlich von einer Tötung Isaaks auszugehen. Die Frage die sich stellt ist: Wurde das Opfer vlt. rechtsgültig vollzogen, ohne das Isaak getötet wurde?
Interessant ist vor allem Vers 5:

"Da sagte Abraham zu seinen Jungknechten: Bleibt mit dem Esel hier! Ich will mit dem Knaben hingehen und anbeten; dann kommen wir zu euch zurück."

Hier wird ausdrücklich im Plural gesprochen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. 1. Abraham belügt die Knechte, da er weiß, dass er Isaak töten wird. 2. Oder Abraham geht in der Gewißheit hin, dass er, Isaak, nicht sterben wird. Es steht also zur Dispition Menschenopfer ja oder nein.

Ich denke grundgelegt ist, dass hier niemals ein Menschenopfer stattfinden sollte. Als erstes Indiz kann meiner Meinung nach der Plural aus Vers 5 zählen, der die gemeinsame Rückkehr andeutet. Ein weiterer Hinweis ist die Andeutung Abrahams, dass Gott sich das Opfer aussuchen werde (Vers 8)! Scheinbar steht das Opfer(tier/mensch) noch nicht fest, entgegen einer Annahme die man aus Vers 2 ziehen könnte. Das Eingreifen des Engels ist der dramaturgische Höhepunkt, der expressis verbis das Menschenopfer unterbindet und zum stellvertretenden Opfer des Widders führt.
Es gibt aber noch ein Argument was gegen das Menschenopfer spricht. Wenn man sich das hebräische Wort für Brandopfer (עולה עלה) anschaut und seine weitere Verwendung, stößt man auf Gen 8, 20:

"Dann baute Noach dem Herrn einen Altar, nahm von allen reinen Tieren und von allen reinen Vögeln und brachte auf dem Altar Brandopfer (עולה עלה)dar. Der Herr roch den beruhigenden Duft und der Herr sprach bei sich: Ich will die Erde wegen des Menschen nicht noch einmal verfluchen; [...] Ich will künftig nicht mehr alles Lebendige vernichten, wie ich es getan habe." (Gen 8, 20f)

Hier bring Noah Gott das Brandopfer als Dank dafür dar, dass er ihn und seine Familie und die Tiere unter seiner Obhut am Leben ließ. Und Gott antwortet mit der Zusage, die er auch in Gen 9 im Form des Regenbogens als Bund stiftet, dass er künftig nichts Lebendiges vernichten wolle.
Wenn man die beiden Stellen in Verbindung bringt und somit die Bedeutung die dem Brandopfer zu kommt, als Dankesopfer dafür das Gott das Leben künftig schonen wird (Noah) bzw. als stellvertretendes Opfer der Ganzhingabe (Abrahahm/Isaak) bzw. später dann als Auslösung der Erstgeburt nach dem Passah, so wird man denke ich legitimer Weise den Schluss ziehen können, dass hier ein barbarisches Menschenopfer nie intendiert war. Auch die Rezeption von Gen. 22 macht deutlich, dass der Gott Israels keine menschlichen Opfer will, die menschliche Erstgeburt muss ausgelöst werden! Und auch die Propheten treten als entschiedene Gegner des Baalskultes und der Molochopfer auf.
Zur neuttestamentlichen und christlichen Rezeption von Gen. 22 möchte ich noch nichts sagen und erst Möglichkeit zur Antwort geben.
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#14
(14-10-2008, 23:52)Epicharm schrieb:
(14-10-2008, 09:57)indymaya schrieb:
(13-10-2008, 22:55)Epicharm schrieb: Nun, sowohl die Isaakgeschichte wie auch jene von Jephtas Tochter sind Mythen. Als solche müssen sie gelesen und verstanden werden. Wer auch immer zu wissen meint, was Gott gedacht, was er gemeint hat, wenn er Opfer forderte oder annahm, lehnt sich sehr, sehr weit aus dem Fenster.

Wenn Jephtas etwas gelobt, wieso behauptest du Gott hätte es gefordert? Wenn Jephtas erfüllt, was Gott nicht gefordert hat, wieso behauptest du, Gott hätte es angenommen?
Wer meint zu wissen und behauptet, daß Gott Menschenopfer annimmt ist schon aus dem Fenster gefallen. Hier einen Gruß an alle Islamisten.

Verstehst Du's nicht oder willst Du es nicht verstehen?!

Im Falle von Abraham forderte er das Opfer, im Falle von Jephta nahm er es an!

Gott hat mit diesen Geschichten nichts zu tun. Sie stammen von Menschen für Menschen. Und sie werden von Menschen gedeutet, wie's ihnen eben beliebt.


Kannst du mir bitte deinen Standpunkt, dass das Opfer von Jephta angenommen wurde, genauer erläutern. Woher soll man das denn wissen?

Wenn ich heute zum Beispiel Gott schwören würde, dass ich meine Schwester für Gott opfern würde wenn ich meine Ausbildungsprüfung bestehe. Und nun nach bestandener Prüfung sie morden würde, hätte Gott es dann angenommen, nur weil er es nicht verhindert hat?

Ich glaube nicht.

Oder gibt es in der Geschichte um Jephta Anhaltspunkte, warum Gott es angenommen haben soll?

MfG
Schlag
Jeder sieht alles aus seiner Sicht und kann es daher nur aus dieser beurteilen.

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#15
(16-10-2008, 16:28)Schlag schrieb: Wenn ich heute zum Beispiel Gott schwören würde, dass ich meine Schwester für Gott opfern würde wenn ich meine Ausbildungsprüfung bestehe. Und nun nach bestandener Prüfung sie morden würde, hätte Gott es dann angenommen, nur weil er es nicht verhindert hat?

Man würde Dich in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einweisen!

Übrigens auch, solltest Du behaupten, Du hättest den Auftrag, Deine Schwester zu opfern, (wie Abraham) von Gott selbst erhalten!

Die großen biblischen Helden haben eben (in der Regel) das, was Gott von ihnen verlangte, befolgt und das, was sie ihm versprochen haben, gehalten. Und jenen, die in seiner besonderen Gunst standen (wie zB Jephta), wird er bei ihrem Handeln mit Wohlwollen zugesehen haben, sollte man annehmen.

Ri 11,29 Da kam der Geist des Herrn auf Jephta,… 11,30 Und Jephta gelobte dem Herrn ein Gelübde und sprach: Gibst du die Kinder Ammon in meine Hand: 11,31 was aus meiner Haustür mir entgegengeht, wenn ich in Frieden wiederkomme von den Kindern Ammon, das soll des Herrn sein, und ich will’s zum Brandopfer opfern.

Und da Jephta ein gottesfürchtiger Mann war, hielt er sein Versprechen ein. (Ps 76,12 Tut Gelübde dem Herrn, eurem Gott, und haltet sie!) Er fühlte sich in seinem Versprechen so gebunden, dass er von der Möglichkeit einer Geldablöse des Opfers (3.Mose 27,2) abstand nahm.

Wie ich das mythengeschichtlich sehe, kannst Du meinem nächsten Beitrag entnehmen.

MfG E.
MfG B.
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