03-06-2008, 20:00
Frieden allseits,
Mir ist in letzter Zeit öfter aufgefallen, dass die Menschen aus einer ganz konkreten Wahrnehmung heraus sprechen und/oder urteilen. Besonders oft findet sich dieses Problem als berufsbedingte Verzerrung der Sicht. Beispiel: Der Mathematiker hat oft mit Behauptungen zu tun, die er entweder widerlegen kann oder beweisen kann, also eine zweiwertige Welt, nach deren Regeln die Erziehung der Kinder fast sicher scheitern wird.
Ein weiteres Beispiel: Um die objektorientierte Sicht der Programmierung verständlich zu vermitteln, bittet der Tutor eine junge Frau nach vorne und erklärt sie (ohne sie natürlich degradieren zu wollen) zu einer Instanz des objektorientierten Klassen-Weltbildes.
Der Satz "Die Welt ist nun mal objektorientiert" ist auch schon einmal gefallen. So wird also allen Ernstes die reale Welt zu einer Instanz des objektorientierten Klassen-Weltbildes erklärt. Dieses Weltbild wird dann manchmal sogar dogmatisch vertreten und verteidigt. Das ist höchst unerfreulich, weil unwissenschaftlich und oft lächerlich. Gerade zu unserer Zeit müssen wir immer wieder verdeutlichen, was die Errungenschaft der Moderne gegenüber früheren Methoden ausmacht:
Nur eine Beobachtung, die so oft wie möglich von so vielen Menschen wie möglich geführt wurde, ist die einzige Vorgehensweise, um die reale Welt objektiver zu erfassen als bis anhin. Wer einfach etwas postuliert, weil es so schön in die Modelle (wegen der "Eleganz"), d.h. in sein Weltbild passt, handelt nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch "religiös".
Gerade diese Empfehlung kommt aber auch direkt im Koran und indirekt in der Bibel vor:
Jetzt fragt sich der Leser vielleicht, was ich mit dem bisherigen Text erreichen will. Zu erkennen, dass der Schöpfer der Welten nicht nur ein christlicher (Stichworte: Liebe, Vater) oder islamischer (Barmherzigkeit) Gott ist, sondern gerade in den Schriften sich von diesen Begrifflichkeiten trennt. Das Gebot, sich kein Bildnis zu machen von dem, was in den Himmeln ist, bedeutet nichts anderes als sein eigenes Weltbild nicht als Postulat zu deklarieren.
Mir fällt gerade in Bezug auf die Gottesbilder auf, dass insbesondere Christen und Muslime dazu neigen, das Gottesbild von anderen Religionen abzuschotten. Interessant ist doch dabei, dass die Juden 'Gott' als den 'Gott Israels' kennen. Wieso aber sprechen Juden häufig in einer universalen Art von Gott, doch die Christen und die Muslime, die Gott als Schöpfer der Welten nennen?
Dass im Koran lediglich "Es gibt keine Gottheit außer den Gott" als Glaubensbekenntnis erwähnt wird, irritiert die meisten Muslime, denn sie kennen das Bekenntnis in traditioneller Form etwa wie folgt: "Es gibt keine Gottheit außer Gott und Mohammed ist Sein Gesandter." Nebst dem, dass Mohammed nicht mehr ein Gesandter sein KANN, da verstorben, möchte ich noch die Reaktion der meisten Muslime erwähnen, wenn sie mit dieser Tatsache konfrontiert werden. Sie entgegnen mir meistens (wohl der erste Gedanke, der einem in den Sinn kommt aufgrund des trennungsorientierten Weltbildes), dass ja dann auch Christen und Juden in die Moscheen eintreten dürften, da sie ja auch nur an EINEN Gott glauben aber NICHT an Mohammed('s Gesandtschaft/Prophetenschaft). Ihr Weltbild, oder besser gesagt ihr Gottesbild ist vermischt mit einer menschlichen Vorstellung. Das wird vor allem dann deutlich, wenn Gott in den Medien unterschieden wird zwischen "Gott" und "Allah". Bei Gott kommt meistens das Christentum in den Sinn und bei Allah natürlicherweise der Islam, obwohl ja auch gerade christliche Araber zu Gott "Allah" sagen.
In diesen Situationen wird deutlich, dass diese Menschen anscheinend vergessen haben, was Gott im Koran sagt: Hoch erhaben ist Er über alles. Damit ist Er auch erhaben über alle Wörter, die Ihn auf keinen Fall umfassen können.
Auch fällt mir auf, dass diese trennungsorientierten Weltbilder ein Hindernis darstellen, das Weltbild des Anderen verstehen zu wollen. So scheint es unmöglich, dem durchschnittlichen Sunniten zu vermitteln, dass der Koran die Sohnschaft Jesu lediglich deshalb anprangert, um das von den Menschen konstruierte Weltbild/Modell zu kritisieren, welche mit der Bibel an sich nichts zu tun hat.
Mancher Muslim ist auf sein Weltbild dermaßen versessen, dass er sogar gewisse Koranverse falsch auslegt, um sich von anderen Religionsanhängern trennen zu können. Als Beispiel sei die falsche Auffassung erinnert, dass der Koran meine, dass die 'Dreifaltigkeit' aus Gott, Jesus und Maria bestünde, was aber natürlich in offensichtlichem Widerspruch zur Wirklichkeit steht, obwohl der Koran die Trinität und diesen Umstand der "Gottheit" Maria trennt. (Nota bene: das Wort "Gottheit" bezieht sich im Koran nicht nur auf Statuen oder Dinge, die physikalisch angebetet werden, sondern allgemein alles, was mehr Gewicht erhält als der Gottesdienst/die Gottergebenheit. Somit kann unsere Gottheit auch das Geld, die Arbeit, die Kinder etc. sein.)
Die offensichtlichen Widersprüche werden in solchen Situationen zwar erkannt, dennoch fallen gewisse Muslime in ein typisches Muster zurück, wo sie meistens die berühmte Phrase "und Gott weiß es besser" zitieren. Hauptsache ihr Weltbild bleibt erhalten, um den Rest brauche ich mich nicht zu kümmern, lautet damit die Devise.
Ich möchte den Koranvers 39:18 mit einem Beispiel erklären:
Stell dir mal vor, du trägst eine Brille, die Farben in andere umwandelt. D.h. keine der konvertierten Farben darf dominant sein, wie bei einer Sonnenbrille, sondern nur in ihren Werten anders versetzt. Du siehst blau, was ich grün sehe, und was ich rot sehe, eher orange. Da du die Brille trägst, hast du sozusagen ein anderes Weltbild gebaut, das zuvor nicht vorhanden war. Dein Vorteil ist, dass du beide Bilder (vor und nach dem Tragen der Brille) kennst und mit mehr Erfahrung bestimmen kannst, welche Sicht der Dinge besser sein könnte!
Im Grunde sagt also 39:18 nichts anders, als dass wir Empathie üben sollten, um die verschiedenen Weltsichten zu verstehen, und zwar von innen heraus. Nur die Beobachtung, die so oft wie möglich von so vielen Menschen wie möglich geführt wurde, ist die einzige Vorgehensweise, um die reale Welt objektiver zu erfassen als bis anhin.
Möge Gott uns alle dazu anleiten, uns einander besser zu verstehen, Amen.
in Frieden,
Kerem
Mir ist in letzter Zeit öfter aufgefallen, dass die Menschen aus einer ganz konkreten Wahrnehmung heraus sprechen und/oder urteilen. Besonders oft findet sich dieses Problem als berufsbedingte Verzerrung der Sicht. Beispiel: Der Mathematiker hat oft mit Behauptungen zu tun, die er entweder widerlegen kann oder beweisen kann, also eine zweiwertige Welt, nach deren Regeln die Erziehung der Kinder fast sicher scheitern wird.
Ein weiteres Beispiel: Um die objektorientierte Sicht der Programmierung verständlich zu vermitteln, bittet der Tutor eine junge Frau nach vorne und erklärt sie (ohne sie natürlich degradieren zu wollen) zu einer Instanz des objektorientierten Klassen-Weltbildes.
Der Satz "Die Welt ist nun mal objektorientiert" ist auch schon einmal gefallen. So wird also allen Ernstes die reale Welt zu einer Instanz des objektorientierten Klassen-Weltbildes erklärt. Dieses Weltbild wird dann manchmal sogar dogmatisch vertreten und verteidigt. Das ist höchst unerfreulich, weil unwissenschaftlich und oft lächerlich. Gerade zu unserer Zeit müssen wir immer wieder verdeutlichen, was die Errungenschaft der Moderne gegenüber früheren Methoden ausmacht:
Nur eine Beobachtung, die so oft wie möglich von so vielen Menschen wie möglich geführt wurde, ist die einzige Vorgehensweise, um die reale Welt objektiver zu erfassen als bis anhin. Wer einfach etwas postuliert, weil es so schön in die Modelle (wegen der "Eleganz"), d.h. in sein Weltbild passt, handelt nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch "religiös".
Gerade diese Empfehlung kommt aber auch direkt im Koran und indirekt in der Bibel vor:
Zitat:1 Thessalonicher 5,21 Prüft alles, das Gute behaltet!
Koran 39:18 Die allem zuhören, was gesagt wird und nur dem Besten folgen, das zu Gott führt. Das sind die von Gott Rechtgeleiteten, und sie sind es, die Verstand haben.
Jetzt fragt sich der Leser vielleicht, was ich mit dem bisherigen Text erreichen will. Zu erkennen, dass der Schöpfer der Welten nicht nur ein christlicher (Stichworte: Liebe, Vater) oder islamischer (Barmherzigkeit) Gott ist, sondern gerade in den Schriften sich von diesen Begrifflichkeiten trennt. Das Gebot, sich kein Bildnis zu machen von dem, was in den Himmeln ist, bedeutet nichts anderes als sein eigenes Weltbild nicht als Postulat zu deklarieren.
qilin schrieb:Ich kann mich da an ein Gespräch erinnern, das Defoe seinem Robinson und Freitag in den Mund legt - dabei erzählt Freitag von einer Gottheit (Namen habe ich vergessen, der war etwas kompliziert) die die ganze Welt geschaffen habe, und zu der alle Dinge "Oh" sagten - ihre Weise des Gebets.
Dieser Gedanke muss also Defoe in irgendeiner Weise beschäftigt haben...
(Natürlich klärt Robinson Freitag dann auf, dass der wahre Weltschöpfer nicht diese Gottheit ist, sondern der christliche Gott... :icon_rolleyes:)
Mir fällt gerade in Bezug auf die Gottesbilder auf, dass insbesondere Christen und Muslime dazu neigen, das Gottesbild von anderen Religionen abzuschotten. Interessant ist doch dabei, dass die Juden 'Gott' als den 'Gott Israels' kennen. Wieso aber sprechen Juden häufig in einer universalen Art von Gott, doch die Christen und die Muslime, die Gott als Schöpfer der Welten nennen?
Dass im Koran lediglich "Es gibt keine Gottheit außer den Gott" als Glaubensbekenntnis erwähnt wird, irritiert die meisten Muslime, denn sie kennen das Bekenntnis in traditioneller Form etwa wie folgt: "Es gibt keine Gottheit außer Gott und Mohammed ist Sein Gesandter." Nebst dem, dass Mohammed nicht mehr ein Gesandter sein KANN, da verstorben, möchte ich noch die Reaktion der meisten Muslime erwähnen, wenn sie mit dieser Tatsache konfrontiert werden. Sie entgegnen mir meistens (wohl der erste Gedanke, der einem in den Sinn kommt aufgrund des trennungsorientierten Weltbildes), dass ja dann auch Christen und Juden in die Moscheen eintreten dürften, da sie ja auch nur an EINEN Gott glauben aber NICHT an Mohammed('s Gesandtschaft/Prophetenschaft). Ihr Weltbild, oder besser gesagt ihr Gottesbild ist vermischt mit einer menschlichen Vorstellung. Das wird vor allem dann deutlich, wenn Gott in den Medien unterschieden wird zwischen "Gott" und "Allah". Bei Gott kommt meistens das Christentum in den Sinn und bei Allah natürlicherweise der Islam, obwohl ja auch gerade christliche Araber zu Gott "Allah" sagen.
In diesen Situationen wird deutlich, dass diese Menschen anscheinend vergessen haben, was Gott im Koran sagt: Hoch erhaben ist Er über alles. Damit ist Er auch erhaben über alle Wörter, die Ihn auf keinen Fall umfassen können.
Auch fällt mir auf, dass diese trennungsorientierten Weltbilder ein Hindernis darstellen, das Weltbild des Anderen verstehen zu wollen. So scheint es unmöglich, dem durchschnittlichen Sunniten zu vermitteln, dass der Koran die Sohnschaft Jesu lediglich deshalb anprangert, um das von den Menschen konstruierte Weltbild/Modell zu kritisieren, welche mit der Bibel an sich nichts zu tun hat.
Mancher Muslim ist auf sein Weltbild dermaßen versessen, dass er sogar gewisse Koranverse falsch auslegt, um sich von anderen Religionsanhängern trennen zu können. Als Beispiel sei die falsche Auffassung erinnert, dass der Koran meine, dass die 'Dreifaltigkeit' aus Gott, Jesus und Maria bestünde, was aber natürlich in offensichtlichem Widerspruch zur Wirklichkeit steht, obwohl der Koran die Trinität und diesen Umstand der "Gottheit" Maria trennt. (Nota bene: das Wort "Gottheit" bezieht sich im Koran nicht nur auf Statuen oder Dinge, die physikalisch angebetet werden, sondern allgemein alles, was mehr Gewicht erhält als der Gottesdienst/die Gottergebenheit. Somit kann unsere Gottheit auch das Geld, die Arbeit, die Kinder etc. sein.)
Die offensichtlichen Widersprüche werden in solchen Situationen zwar erkannt, dennoch fallen gewisse Muslime in ein typisches Muster zurück, wo sie meistens die berühmte Phrase "und Gott weiß es besser" zitieren. Hauptsache ihr Weltbild bleibt erhalten, um den Rest brauche ich mich nicht zu kümmern, lautet damit die Devise.
Ich möchte den Koranvers 39:18 mit einem Beispiel erklären:
Stell dir mal vor, du trägst eine Brille, die Farben in andere umwandelt. D.h. keine der konvertierten Farben darf dominant sein, wie bei einer Sonnenbrille, sondern nur in ihren Werten anders versetzt. Du siehst blau, was ich grün sehe, und was ich rot sehe, eher orange. Da du die Brille trägst, hast du sozusagen ein anderes Weltbild gebaut, das zuvor nicht vorhanden war. Dein Vorteil ist, dass du beide Bilder (vor und nach dem Tragen der Brille) kennst und mit mehr Erfahrung bestimmen kannst, welche Sicht der Dinge besser sein könnte!
Im Grunde sagt also 39:18 nichts anders, als dass wir Empathie üben sollten, um die verschiedenen Weltsichten zu verstehen, und zwar von innen heraus. Nur die Beobachtung, die so oft wie möglich von so vielen Menschen wie möglich geführt wurde, ist die einzige Vorgehensweise, um die reale Welt objektiver zu erfassen als bis anhin.
Möge Gott uns alle dazu anleiten, uns einander besser zu verstehen, Amen.
in Frieden,
Kerem
Gottergebenheit beginnt durch Verleugnung und Hinterfragung; Ein Gott, ein Zentrum, eine gemeinsame Botschaft