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Pantheismus in der Bibel ?
#11
Was ich jetzt schreibe, ist eventuell nicht sehr streng auf den "Pantheismus" selber bezogen, liefert der hier gestellten Frage aber vielleicht doch Material zu. Obwohl mein Hauptanliegen dabei gar nicht ist, dieser so gestellten Frage Material zu liefern, sondern eher etwas einzukreisen, was der gestellten Frage zu Grunde liegen könnte und mich interessiert.
Ich nutze diesen Thread also einfach dazu, gewisse Grundfragen zu thematisieren, von denen die nach einem "Pantheismus" nur eine wäre.

Auslöser dieses posts ist ein Essay von

Holger Nielen, Bonn
Der Einfluß des Zoroastrismus auf das Judentum*
Vortrag gehalten auf dem 9. Religionswissenschaftlichen Symposion
der Studierenden in Bern (10.-12. Mai 2002),

den ich vor ein paar Tagen als pdf-Dokument im Netz gefunden habe:
http://www.relwi.unibe.ch/fachschaft/arc...dentum.pdf

Der Essayschreiber scheint ein Schüler von Gregor Ahn zu sein, der Professor in Heidelberg ist, am Instiut für Religionswissenschaft.
Beide - Gregor Ahn und Holger Nielen - scheinen sich viel mit dem Verhältnis zwischen der jüdischen und der zoroastrischen Religion auseinanderzusetzen.

Worauf ich in dem verlinkten Essay von Holger Nielen hinaus will, ist die Frage nach dem DUALISMUS. Es scheint mir offensichtlich - obwohl ich schon einen Theologiestudenten getroffen habe, der das geleugnet hat -, dass das Weltbild, das sich im Abendland und im neutestamentlichen und alttestamentlichen Denken durchgesetzt hat und allesbestimmend und allesprägend ist, das dualistische ist. Das stärkste Merkmal ist für mich die kategorische Trennung in "gut" und "böse" (die in der Religion und der Heilserwartung eine wesentliche Rolle spielt) und der Konflikt zwischen Körper und Seele/Geist, Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften etc. (dies in der Philosophie, der Medizin und im Alltagsdenken).

Der Pantheismus hingegen denkt nicht dualistisch, für ihn gibt es nur EINE Substanz, die verschiedene Ausformungen hat (man vergleiche Spinoza).

Nun zeigt der verlinkte Aufsatz an einigen Beispielen auf, dass es durchaus so gewesen sein könnte, dass das Judentum erst durch den Einfluss der Zarathustra-Religion - die extrem dualistisch argumentierte - sein ursprünglich NICHT-DUALISTISCHES Denken aufgab.
Sodass die Bibel Restbestände des nicht-dualistischen Gottesbildes enthalten könnte, die man ja auch als pantheistisch in weitem Sinne auffassen kann (obwohl dieser Begriff viel jüngeren Datums ist).

Die paar Beispiele, die Nielen bringt, zeigen zum einen eine Jahwe-Vorstellung auf, die gleichzeitig Gut und Böse enthält, und - überraschenderweise, weil wir im anderen Thread darüber ja auch diskutieren - zum anderen die Erkenntnis, dass das apokalyptische Gericht inklusive der leiblichen Auferstehung der Toten auch nicht originär im Judentum enthalten war, sondern fast wortwörtlich in der persischen Religion vorgebildet war und das Judentum beeinflusst hat.

Mag sein, dass Theologen dieses Forums und solche, die sich schon viel mit diesen Fragen beschäftigt haben, hier nichts Neues in dem erkennen, was ich schreibe - aber ich zumindest habe bislang das so klar noch nirgends gelesen (was aber nicht viel heißen will).

Jedenfalls zitiere ich jetzt mal ein paar Ausschnitte aus dem Essay von Holger Niele. >>>

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"II. Zur Methode
Dies führt uns zum Problem der Methode, wie der Einfluß des Zoroastrismus auf das Judentum nachgewiesen werden kann. Wie sehr auch in der Religionswissenschaft immer noch ein Forschungsgegenstand durch die eigene rosarote Brille gesehen wird, wird gerade hier deutlich. Ich meine mit dem Begriff der „rosaroten Brille“ hier eben nicht, daß jede/r Forscher/in ein eigenes Vorverständnis hat, mit dem er/sie an das Problem herantritt. Nein, vielmehr ist hier zu sehen, wie sehr der Gegenstand offenbar benutzt wird, die je eigene Wissenschaft zu legitimieren. Während nämlich die Iranistik behauptet, der Einfluß der persischen Religion auf die jüdische sei geradezu fundamental gewesen, zumindest, was die eschatologischen Lehren angehe, so behaupten die Alttestamentler die absolute Eigenständigkeit des Judentums. Während die christlichen Theologen den Verlust der Eigenständigkeit des Judentums und damit implizit des Christentums fürchteten, ließen sich die Iranisten von der großen Zahl scheinbar paralleler Vorstellungen beeindrucken. Dazu wurden die Quellen immer so benutzt, wie es der eigenen vorgefaßten Meinung diente. Gregor Ahn schreibt zu Recht: „Bis auf den heutigen Tag ist diese Debatte um die Wirkungsgeschichte zoroastrischer Vorstellungen auf die Entwicklung der nachexilischen jüdischen Theologie unter Einflußbefürwortern wie auch Einflußgegnern von gravierenden Vorurteilen und Ressentiments bestimmt.“2

2 Gregor Ahn, „Toleranz“ und Reglement. Die Signifikanz achaimenidischer Religions-politik für den jüdischpersischen Kulturkontakt, in: Reinhard G. Kratz (Hrsg.), Religion und Religionskontakte im Zeitalter der Achämeniden, Gütersloh 2002, S.200f."
________________________________________________________

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"V. Der zoroastrische Einfluß
Hierzu einige Beispiele:
Die Idee des bösen Geistes, der im Zoroastrismus von Anfang an neben Ahura Mazda gestellt wurde (Ahriman bzw. Angra Mainyu) entspricht der Gestalt des Satan im Judentum. Dieser findet sich dort jedoch nicht von Anfang an. Zunächst werden alle bösen Aspekte noch Jahwe selbst zugesprochen. So heißt es noch im Zweiten Samuelbuch, das in exilisch-nachexilischer Zeit geschrieben wurde (2Sam 24,1): „Der Zorn des Herrn entbrannte noch einmal gegen Israel, und er reizte David gegen das Volk auf und sagte: Geh, zähl Israel und Juda.“ Wogegen es in 1Chr 21,1 heißt: „Der Satan trat gegen Israel auf und reizte David, Israel zu zählen.“ Hier zeigt sich, daß im Chronikwerk, das zwischen 400 und 200 v. Chr. entstand, die bösen Aspekte aus Gott ausgezogen sind und eine eigenständige Figur gebildet haben,11 die aber zunächst noch recht locker als ein engelischer Ankläger denn als großer Gegenspieler Jahwes agiert. Erst im Johannesevangelium wird Satan dann zum Mörder von Anfang an und zum Vater der Lüge (Joh 8,44)

11 Jacques Duchesne-Guillemin, The Western Response to Zoroaster, Oxford 1958, S.91f.

Ein weiterer Aspekt ist die Eschatologisierung der Messiasgestalt."
______________________________________________________


Zu der Eschatlologisierung schreibe ich dann im Thread zur Offenbarung, weil es dort besser hinpasst.

Natürlich ist ein Gott, der sowohl gut als auch böse ist oder - besser ausgedrückt - diese Trennung von gut und böse im Sinne der Dualisten nicht hat, nicht automatisch das, was als pan-theistisch aufgefasst werden kann. Ich will hier keine grobe Vereinfachung machen, sondern nur einen Aspekt zeigen, der allerdings schon überraschend ist. Und den zu verfolgen sich lohnt. Würde dieser Aspekt sich erhärten können, würde das Chrstentum gar nicht auf dem originären Judentum aufbauen, sondern auf Zarathustra. Und das wäre doch mal spannend.
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Pantheismus in der Bibel ? - von Mustafa - 20-01-2008, 01:59
RE: Pantheismus in der Bibel ? - von Petrus - 20-01-2008, 08:28
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