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Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV?
#1
http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueb...95bf01.php
Zitat:Ein 20jähriger Mann aus Speyer verstarb an einer Unterversorgung seiner Organe. Dies teilte die Staatsanwaltschaft in Frankenthal mit. Seit mehren Monaten hatte der Mann zu wenig Nahrung zu sich genommen, um seine Körperfunktionen ausreichend zu versorgen. Auch die Mutter des jungen Mannes, die ebenfalls in der Wohnung aufhielt, weißte eine extreme Unterernährung auf. Die Frau befindet sich zur Zeit in einem Krankenhaus und schwebt nach wie vor in Lebensgefahr.

Die Mutter des Verstorbenen gab zu Protokoll, dass beide aus akutem Geldmangel keine Nahrungsmittel kaufen konnten.
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
#2
Fritz7 schrieb:Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV?

Was eigentlich nicht passieren sollte, ist solche platte Agitation.

So dramatisch und tragisch die angeführte Geschichte auch ist - die beiden Menschen litten, weil sie entweder ihren persönlichen Stolz nicht überwinden konnten oder schlicht zu dumm waren, um Hilfe zu suchen.

Niemand in Deutschland muss verhungern, weil er kein Geld hat. Es gibt eine Solidargemeinschaft des Staates, die so etwas verhindert. Ich weiß nicht, was die beiden genannten Personen mit dem Geld aus den HartzIV-Zuwendungen gemacht haben, aber für den Einkauf von Lebensmitteln, um damit über den Monat zu kommen, reicht es allemal (wenn man statt dessen das Geld z.B. lieber für drei Schachteln Zigaretten ausgibt, muss man natürlich die Konsequenzen tragen).

Abgesehen davon wird es in Speyer ebenso Obdachlose geben wie in vielen anderen Städten. Diese Leute bekommen kein HartzIV, verhungern aber dennoch nicht. Und nur Betteln oder Schnorren wird kaum ausreichen, um lebensmittelmäßig über die Runden zu kommen.

Denn Speyer verfügt wie viele andere Städte auch über gewisse Sozialeinrichtungen, wo man sich Lebensmittel holen kann. Eine solche Einrichtung nennt sie "Die Tafeln". In Speyer ist das in der Seekatzstraße 12. Dort kann man sich - bei Bedürftigkeit - kostenlos Lebensmittel abholen. Das hätten die beiden auch tun können.

Es bleiben also die Fragen:
- was haben die beiden mit ihrem Geld aus HartzIV gemacht?
- warum haben sie die lokalen Sozialeinrichtungen nicht genutzt?

Wenn man mal genauer in anderen Quellen recherchiert, dann liest sich der Fall auch etwas anders:

Der Tagesspiegel, 18.04.2007 schrieb:Die Frau gab an, dass sie aus Geldmangel keine Nahrungsmittel habe kaufen können. Sie hatte offenbar früher soziale Zuwendungen erhalten, jedoch seit einiger Zeit keinen Antrag mehr auf Unterstützung gestellt.

Der Sohn hatte sowohl Arbeitsangebote als auch Untersuchungen ausgeschlagen, und daher ebenfalls seit einiger Zeit keine sozialen Hilfeleistungen mehr erhalten. Die Mutter beschrieb ihren Sohn als depressiv und antriebslos. Sie sagte gegenüber der Justiz aus, dass der 20-Jährige ihr gegenüber mehrmals den Wunsch geäußert habe, sterben zu wollen.

Die Süddeutsche, 17.04.2007 schrieb:Der Tod des jungen Mannes ist nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler auf eine Mangelversorgung seiner Organe zurückzuführen. Die Mutter habe ihren Sohn als depressiv und phlegmatisch beschrieben. Seit dem vergangenen Jahr habe er mehrmals den Wunsch geäußert, zu sterben. Die 48-Jährige, die ebenfalls ohne Job ist, hat nach den Angaben in früheren Jahren Sozialleistungen bezogen, seit einiger Zeit jedoch keinen Antrag mehr gestellt.

Ihr Sohn habe nach derzeitigem Stand keine staatliche Unterstützung mehr bekommen, weil er Arbeitsangebote und Untersuchungen ausgeschlagen habe.

Von daher relativiert sich die Tragödie schon deutlich.

Grüße
Moski
Ich bin gegen Religion weil sie uns lehrt, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen (Richard Dawkins)
#3
Hallo Moski!

Ich weiß nicht, ob das Verhalten dieser beiden Menschen mit persönlichem Stolz zu begründen ist. In dem Artikel wird berichtet, daß die in lebensgefahr befindlichen Mutter ihren Sohn als depressiv beschrieb. Inwieweit die Mutter selbst depressiv sei wurde in dem Artikel nicht beschrieben. Ich möchte hier einen Link von Wikipedia beifügen, der Depression beschreibt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Depression

Inwieweit nun Depression oder Stolz in Kombiantion mit dem Verhalten der Ämter und des zuständigen Gerichts zu der Situtation geführt haben, die zum Tod des jungen Mannes geführt hat und die Mutter in Lebensgefahr brachte vermag ich nicht zu beurteilen.

Ich befürchte, daß es bereits solche oder ähnliche Fälle gibt und immer wieder geben wird. Jeder Fall ist einer zu viel.

Gruß
Gerhard
#4
Moski schrieb:
Fritz7 schrieb:Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV?
Was eigentlich nicht passieren sollte, ist solche platte Agitation.
Die Süddeutsche, 17.04.2007 schrieb:Die 48-Jährige, die ebenfalls ohne Job ist, hat nach den Angaben in früheren Jahren Sozialleistungen bezogen, seit einiger Zeit jedoch keinen Antrag mehr gestellt.
Ihr Sohn habe nach derzeitigem Stand keine staatliche Unterstützung mehr bekommen, weil er Arbeitsangebote und Untersuchungen ausgeschlagen habe.
Von daher relativiert sich die Tragödie schon deutlich.
... ich wüsste nicht, wieso ...

Dass Menschen objektiv nicht verhungern müssten, ist subjektiv imho keinesfalls hinreichend zur eigenen Entlastung. Der körperliche wie geistige wie emotionale Verfall von Hilfsbedürftigen, wie vereinzelt auch ihr Unerreichbarbar-Werden für Hilfsangebote scheint mir real dem Umgang mit Menschen in unseren Sozialsystemen zurechenbar.

Ich denke, so einfach können wir anderen uns nicht aus unserer Mitverantwortung stehelen. Ich kanns nicht, wo ich hätte helfen können. In Speyer konnte und musste ICH nicht, aber es wiederholt sich leider vorhersehbar ... an vielen Orten und in vielen Konstellationen.

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
#5
Fritz7 schrieb:Ich denke, so einfach können wir anderen uns nicht aus unserer Mitverantwortung stehelen. Ich kanns nicht, wo ich hätte helfen können.

So eine Aussage ist ein zweischneidiges Schwert. Wo kann man helfen, und wo nicht?

Wenn sich Menschen auf das Meer hinaus wagen und in abenteuerlich zusammengezimmerten Schiffen auf den Weg von Westafrika nach Fuerteventura oder von Nordafrika nach Malta oder Sizilien machen, kann man diesen Menschen helfen? Soll man diesen Menschen helfen?

Was ist hier die sinnigere Hilfe - ihnen ein erträgliches Leben in ihrem Heimatland ermöglichen oder sie aus Seenot retten, nach Europa bringen, von wo aus sie ihren Angehörigen berichten können, dass es Sinn macht, das Risiko einer Meeresüberquerung auf sich zu nehmen?

Ist es sinnvoll, ein Land in der Dritten Welt massiv mit Lebensmittelspenden zu unterstützen, auch auf das Risiko hin, dass die dortige Bevölkerung lernt, von solchen Spenden sich leichter ernähren zu lassen als durch die eigene Feldarbeit?

Es mag moralisch verwerflich sein, wenn ich sage, der betroffene Mann aus Speyer ist selbst Schuld an seinem Schicksal, weil er die Hilfe, die tatsächlich existiert, nicht angenommen hat. Ist die Gemeinschaft dazu verpflichtet, in solchen Fällen die Leute zwangszuversorgen? Wann endet die Eigenverantwortlichkeit und wann beginnt die Herrschaft der Obrigkeit?

Wie ich anfangs schon sagte: ein zweischneidiges Schwert.

Grüße
Moski
Ich bin gegen Religion weil sie uns lehrt, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen (Richard Dawkins)
#6
Moski schrieb:Es mag moralisch verwerflich sein, wenn ich sage, der betroffene Mann aus Speyer ist selbst Schuld an seinem Schicksal, weil er die Hilfe, die tatsächlich existiert, nicht angenommen hat. Ist die Gemeinschaft dazu verpflichtet, in solchen Fällen die Leute zwangszuversorgen? Wann endet die Eigenverantwortlichkeit und wann beginnt die Herrschaft der Obrigkeit?
Imho reicht es NICHT, dass "Hilfe" abstrakt irgendwo "existiert", sondern sie müsste auch subjektiv mit dem für die Bedürftigen aktuell mögliche "Eigen-Initiative" auch real und praktisch erreichbar sein - imho auch ohne ihnen die Würde zu nehmen.

Für mich ist die Frage, welchen Aufwand muss ICH treiben, um Hilfsbedürftige, die die gebotene Hilfe NICHT erreicht, zu erkennen. Das hat immer auch mit Eindringen in Privatsspären zu tun. UND es hat mit Mühen für MICH zu tun, manchmal auch Kosten!

Zweischneidigkeit ist bei allem und jedem immer konstatierbar, aber imho KEIN tragfähiges Alibikonstrukt, wo die Konsequenz gesundheitliche Gefahr oder Leiden und Sterben von Menschen sein kann ...
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

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#7
Vielleicht haben diese Menschen einfach keine Kraft mehr gehabt, um für ihr Überleben zu kämpfen. Es kann sein, dass sie aufgrund von vielen Schwierigkeiten irgendwann resigniert haben.

Maya
Wir können Gott mit dem Verstande suchen,
aber finden können wir ihn nur mit dem Herzen
(Josef von Eötvös)
#8
Maya schrieb:Vielleicht haben diese Menschen einfach keine Kraft mehr gehabt, um für ihr Überleben zu kämpfen. Es kann sein, dass sie aufgrund von vielen Schwierigkeiten irgendwann resigniert haben.
Hätte man dies von außen erkennen KÖNNEN und dann einschreiten MÜSSEN, wäre meine Frage.
Grundrechte: GG §1 "(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt."
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#9
Ja-wenn man es hätte erkennen können, hätte man auch einschreiten müssen!
Wir können Gott mit dem Verstande suchen,
aber finden können wir ihn nur mit dem Herzen
(Josef von Eötvös)
#10
Maya schrieb:Ja-wenn man es hätte erkennen können, hätte man auch einschreiten müssen!
Und ich behaupte, man wäre verpflichtet gewesen, mit etwas Sachverstand und Sorgfalt, zumindest anbahnende Überforderung und Rückzug erkennen zu MÜSSEN und dann näher hinzusehen und Hilfe anbieten ... Mir drängt dich der Verdacht leichtfertig unterlassener Hilfeleistung auf ...

Und DAS wiegt schlimm in einem Gebilde, dass sich Sozial-(Staat) nennt ...
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#11
Moski schrieb:
Fritz7 schrieb:Darf das "passieren" III - Tod durch Hartz IV?

Was eigentlich nicht passieren sollte, ist solche platte Agitation.

So dramatisch und tragisch die angeführte Geschichte auch ist - die beiden Menschen litten, weil sie entweder ihren persönlichen Stolz nicht überwinden konnten oder schlicht zu dumm waren, um Hilfe zu suchen.

"Tod durch Hartz IV" ist etwas reißerisch, einseitig, überzeichnet. Die Antwort empfinde ich wiederum eher zynisch. Ja, es gibt Leute, die dumm - oder vielleicht auch krank sind; so sehr, dass sie mit den von ihnen verlangten Behördengängen nicht zurecht kommen. So wie manche dumm genug sind, sich eine Grippe einzufangen vielleicht?

Moski schrieb:Niemand in Deutschland muss verhungern, weil er kein Geld hat.
Dachte ich auch mal. Selber vollgefressen und fett schaute ich nicht auf meine Nachbarn. Aber es ist nie zu spät zu lernen. Was Hartz IV anbelangt: zu dahinvegitieren reicht es, zum Leben nicht.

Aus anderer Sicht betrachtet: eine 'Reform', die im Wesentlichen Verschlechterung brachte - Ausweitung der Armut nämlich, garniert mit Mehrkosten, also teurer als das alte System.

Dieter
#12
Hallo,
angesichts ca. 1000 Selbstmorde von HartzIV -Empfängern (mit Abschiedsbrief und entsprechender Begründung) seit 2005, gehe ich mal davon aus, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die beiden einfach keine Lust mehr hatten -- zu ihrem "HartzIV-Leben" : Aufstehen, versuchen, den Tag zu überstehen,... versuchen, die halbe Nacht zu überstehen,...versuchen zu schlafen,......dann wieder aufstehen.....

Sicher hätten die beiden sich irgendwie etwas zum Essen beschaffen können, wenn sie wirklich gewollt hätten.
Nicht Geldmangel (wenn's auch knapp ist) ist die Krankheit, unter der sie gelitten haben, sondern soziale Kälte, das Gefühl, von "funktionierenden" Mitgliedern der Gesellschaft als Schmarotzer, als Abschaum betrachtet zu werden.

Diskriminierung, Isolation und Hoffnungslosigkeit sind ihnen vermutlich auf den Magen geschlagen und haben ihnen den Mut (und die Lust?) genommen, um ihr Existenzminimum zu kämpfen.Irgendwann reicht die Kraft nicht mehr, um das Haus zu verlassen.

Der Rest stand in der Zeitung, --- aber nicht als Schlagzeile....

Ich würde eher sagen - zwei Selbstmorde mehr...unspektakulär,...ohne Abschiedsbrief...

gruß - gudrun
Jedes Mal, wenn ein Traum in Erfüllung geht, geht er verloren.
#13
Hallo Gudrun!

Natürlich kann ich nicht ausschließen, daß es sich in diesem hier genannten Fall um Selbstmord gehandelt haben kann. Jedoch würde ich in Zweifel ziehen, daß diese Leute wirklich sterben wollten, was für einen Suizid Voraussetzung wäre. Ich denke, es ist allemal schlimm genug, da braucht man nicht zu spekulieren.

Gruß
Gerhard

http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstmord
#14
Gerhard schrieb:daß diese Leute wirklich sterben wollten, was für einen Suizid Voraussetzung wäre. Ich denke, es ist allemal schlimm genug, da braucht man nicht zu spekulieren.
Sehe ich auch so, zudem von überfordert über verzweifelt, ausgegrenzt, antriebslos bis lebensmüde ein kontinuierliches Spektrum.

Man hätte rechtzeitig erkennen können müssen und HELFEN, auch emotional ... Und gerade da sind kommerzialisierte Dienststellen bisweilen schwach ... beim Mitfühlen, Zeit haben und zuhören ...

Für Spekulationen wie für Schuldzuweisungen ists jetzt zu spät, aber wohl KEIN Einzelfall ... wenn auch nicht immer so spektakulär. Und darauf wollte Gudrun anscheinend hinweisen ...

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
#15
Ja, natürlich Gudrun und Fritz. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Menschen irgendwann keine Kraft mehr haben.

Behörden können das (rechtzeitige Erkennen und Helfen erst recht emotional) nicht leisten.

Leider lese ich dann heute auch noch in der Zeitung, daß eine Einrichtung, die den Menschen ohne Paragraphen und Formulare hilft die Zuschüsse von der NRW Landesregierung gestrichen bekommen soll.


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