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Wo steht Jesus politisch?
#1
Ich persönlich habe Jesus immer als linken Pazifisten eingeordnet. Deshalb ist für mich das Phänomen der christlichen Rechten
unverständlich. Kann mir jemand helfen?
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#2
Ehe ich antworte möchte ich wissen: Glaubst du an Jesus? Dein Nick wäre schon ein Hinweis, aber man kann sich irren.
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#3
Ich halte von allen vorhandenen Weltanschauungen den christlichen Glauben in einer aufgeklärten toleranten Form nicht für das Schlechteste.
Also eher im Sinne einer Arbeitshypothese. Nicht im Sinne einer tief empfundenen Frömmigkeit.
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#4
Lassen wir den Glauben einmal außen vor. Jesus war traditionsbewusster Jude, der sämtliche Texte der Thora genau kannte. Was er nach dem Zeugnis seiner Nachfolger/Jünger vorgetragen hatte, war eine Endzeittheologie mit Anbruch eines Gottesreiches. Darin hatte offenbar niemand mit "sozialen Mängeln" etwas verloren, so die Gleichnisse. Zugleich verkündete er wohl, wie man durch Buße diese sozialen Mängel abstellen kann.

Die Frage des Pazifismus stellte sich für ihn nicht, denn Gott würde sich seiner Gefolgschaft annehmen. Friedlose Menschen kämen ohne die zuvor genannte Umkehr (Buße) gar nicht ins Gottesreich.
Darüber hinaus war Jesus ein frommer (religiös eifriger) Mensch, auf den "Extremist" passt. Ob er "populistisch" (rechts?) gepredigt hat, kann ich nicht behaupten. Aber nach dem Zeugnis der Evangelisten hat er dem Volk eher nicht das erzählt, was sie gerne hören wollten (heutiges "rechts").
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#5
(10-01-2022, 12:09)Thomas der Ungläubige schrieb: Ich halte von allen vorhandenen Weltanschauungen den christlichen Glauben in einer aufgeklärten toleranten Form nicht für das Schlechteste. Also eher im Sinne einer Arbeitshypothese. Nicht im Sinne einer tief empfundenen Frömmigkeit.

Danke für die Antwort. Bitte um Verständnis für mein Forechecking, aber an einer rein politischen Diskussion bin ich nicht sehr interessiert, wie ich auch nicht über die poltische Gesinnung eines Kaiser Franz Josefs erpicht wäre oder der eines Papstes, wenn wir das aus der Perspektive betrachten, die ebenso auch Jahrhunderte lang Politk machen hatten.

Der Grund ist der. Ein Politker, ein Regent, ein Herrscher, wer immer er gegenwärtig ist oder war, hat nur einen begrenzten Einfluss auf diese Welt, Jesus aber einen allumfassenden. Darüber hinaus er ist der Garant für das ewige Leben auch nach unserem Tod. Das würde in dieser Diskussion nicht berücksichtigt werden oder bloß zu kurz kommen (weil dann auch o.t.).

Ich wünsche dir aber gute Gespräche.
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#6
@Ekkard

Danke, dass sind schon mal sehr gute Hinweise. Kann man Jesus denn wirtschaftspolitisch einordnen? Ich denke an das Kamel, das nicht durchs Nadelöhr passt...
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#7
Fuer Reiche hatte Jesus wohl nichts uebrig. Andererseits sehe ich auch nicht, dass er und seine Juenger so etwas wie Fleiss und Arbeitstugend gepredigt oder vorgelebt haetten, so dass das mehr nach einer "Es wird schon werden"-Haltung aussieht. Solange jemand genug zu essen und irgendetwas anzuziehen hatte, war gut.

Politisch strebt er natuerlich eine absolute Herrschaft an (Koenigreich, das absolute Macht ausuebt und alle Widersacher beseitigt). Da ist wohl auch die Schnittmenge mit der politischen Rechten zu finden. Die meisten dieser Evangelikalen sehen sich ja wohl als die, die an der rechten Seite Jesu sitzen und ein bisschen mitregieren duerfen.
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#8
(10-01-2022, 13:09)Helmuth schrieb: Ein Politker, ein Regent, ein Herrscher, wer immer er gegenwärtig ist oder war, hat nur einen begrenzten Einfluss auf diese Welt, Jesus aber einen allumfassenden

dann sag mir doch bitte, welchen einfluß dein jesus auf mich haben soll

bis zu deiner antwort halte ich deine auslassung für absoluten quatsch und reine anmaßung
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#9
Helmuth hat erkannt, dass dies eine politische Diskussion ist an der er nicht teilnehmen will. Wir sollten seine Bemerkung deshalb einfach so stehen lassen.
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#10
(10-01-2022, 11:20)Thomas der Ungläubige schrieb: Ich persönlich habe Jesus immer als linken Pazifisten eingeordnet. Deshalb ist für mich das Phänomen der christlichen Rechten
unverständlich. Kann mir jemand helfen?

Zur Beantwortung der Frage müsste man sich erst darüber verständigen, was man unter "links" und "rechts" verstehen will. Pazifismus ist sicher kein Definitionsmerkmal der Linken, da es auch zahlreiche linke Bellizisten gibt, und ebenso wenig ist Populismus etwas per se spezifisch Rechtes (viele Konservative verabscheuen ihn, und es gibt auch jede Menge linke Populisten). Die wirtschaftspolitische Position ist ein wichtiges Kriterium, aber den Gegensatz links/rechts auf Meinungsverschiedenheiten über die Verteilung materieller Güter oder den Besitz von Produktionsmitteln zu reduzieren ist arg banal und wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Links und rechts sind weltanschauliche und kulturelle Grundhaltungen.

Fragt man nun, wie Jesus da einzuordnen ist, wobei natürlich der kerygmatische Jesus gemeint ist, so ist zunächst zu klären, ob es überhaupt legitim sein kann, solche moderne Terminologie auf Personen des Altertums anzuwenden. Meine Meinung: In einer wissenschaftlichen Publikation sollte man das unterlassen, aber in einem Essay darf man es und da kann es auch nützlich sein: Weil die Begriffe "links" und "rechts" auch epochenübergreifend zwei kulturelle Grundhaltungen des homo sapiens bezeichnen, ist es sinnvoll, auch einmal essayistisch - jenseits des streng positivistisch Beweisbaren - darauf hinzuweisen, dass es schon in der Antike typische "Linke" und "Rechte" gegeben hat. Und zwar nicht nur wo es um politische Macht und das liebe Geld geht, wo Optimaten rechts sind und Popularen links, sondern auch in einem weiteren kulturhistorischen Sinn, wo man feststellen kann: Aischylos und Sophokles waren Rechte, Euripides war ein Linker (ebenso wie der unbekannte Verfasser des Prometheus desmotes). In diesem Sinn wäre die Frage auch hinsichtlich Jesus zu stellen.

Jesus (gewiss auch der historische) rechnete ganz fest mit dem bald bevorstehenden Untergang der Welt, in der er lebte, durch das Eingreifen Gottes, worauf völlig neue Verhältnisse entstehen würden und er selbst als Stellvertreter seines göttlichen Vaters die Macht übernehmen würde. Vor diesem Hintergrund ergab sich für ihn zwangsläufig die Irrelevanz aller machtpolitischen, wirtschaftspolitischen und rüstungspolitischen Fragen in der bereits dem Untergang geweihten Welt. Das erschwert seine Einordnung in das Schema links/rechts. Dennoch zeigen sich beim kerygmatischen Jesus eindeutig Züge, die für eine "rechte" Grundhaltung charakteristisch sind. Er tritt für das Almosengeben ein und sagt: "Arme werdet ihr immer unter euch haben" (Markus 14,7). Diese Einstellung ist durch und durch rechts und den Linken verhasst: Linke postulieren ein Recht der Armen auf Wohlstand und sehen in Mildtätigkeit ein verachtenswertes Ablenkungs- und Beschwichtigungsmanöver der Reichen, denen ihr unrechtmäßiger Reichtum gar nicht zustehe. Vor allem sind sie zutiefst überzeugt, dass Armut fundamental beseitigt werden kann, muss und wird, also Arme keineswegs immer unter uns sein werden. Jesus hingegen betrachtet die Armut, also einen markanten sozial-ökonomischen Unterschied, offensichtlich als unabänderliche Naturgegebenheit, so wie es Rechte tun. Für eine rechte Grundhaltung spricht auch seine scharfe Trennung zwischen der quasi "aristokratischen" Elite seiner Jünger und Anhänger (wenngleich diese einfacher Herkunft sind) und der breiten Masse, dem Pöbel, der hoffnungslos unbelehrbar ist und daher letztlich in der Hölle landen wird (Markus 4,11-12; Matthäus 13,11-17; Lukas 8,10). Verachtung der breiten Masse ist rechts - Linke haben ein positives Verhältnis zur Masse der Bevölkerung (oder behaupten das wenigstens), sie wollen die Massen erziehen und bilden, und alles Elitäre ist ihnen suspekt oder verhasst. Jesus sagt: "Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt." Auf so eine Idee - dass es von vornherein schicksalhaft Auserwählte gibt - käme ein Linker niemals. Ein Linker würde ein solches Vorsehungskonzept und Elitedenken scharf ablehnen. Oder betrachte Matthäus 13,12: "Wer hat, dem wird gegeben und überreichlich gewährt werden; wer aber nicht hat, von dem wird selbst, was er hat, genommen werden" - eine Aussage über Gottes Vorsehung, die rechter Mentalität gewiss eher einleuchtet als linker. 

Daraus ergibt sich für mich: Jesus ist seinen Instinkten nach, seiner sozialen Grundhaltung nach rechts - auch und gerade dort, wo er für die Armen eintritt. Er baut das aber nicht zu einer konsequent rechten Weltanschauung aus, da ihn wesentliche Bereiche wie Staatsform, Wirtschafts- und Rüstungspolitik gar nicht interessieren.

Vielleicht ist dir unter diesen Gesichtspunkten das Phänomen der christlichen Rechten besser verständlich, also der Umstand, dass Christentum für Rechte attraktiv sein kann. Wobei natürlich stets zu beachten ist: Jeder bastelt sich sein Christusbild selbst; für Rechte muss der Heiland und Erlöser rechts sein, für Linke links. Ich bin da völlig unbefangen, da ich kein persönliches Verhältnis zur Christusgestalt habe. 

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#11
Gute Analyse. Da passt eigentlich auch meine Vorstellung hinein, die Jesus eher als einen konservativen, "zurueck zu den Wurzeln", also zum Text der Tora, an dem kein Iota geaendert werden duerfe, Prediger sah. Die Pharisaeer hatten ihm zu viele Neuerungen gebracht. Ironischerweise wurde gerade diese Botschaft in der christlichen in ihr Gegenteil verkehrt.
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#12
(10-01-2022, 11:20)Thomas der Ungläubige schrieb: Ich persönlich habe Jesus immer als linken Pazifisten eingeordnet. Deshalb ist für mich das Phänomen der christlichen Rechten
unverständlich. Kann mir jemand helfen?

Ergänzung zu meiner obigen Antwort:
Was die Erzählung vom reichen Jüngling (Markus 10,17-31) mit dem Gleichnis vom Nadelöhr betrifft: Das spricht nicht für eine linke Grundhaltung, auch wenn es oberflächlich so scheint. Es geht Jesus gar nicht darum, dass die Reichtümer der Reichen gleichmäßig unter den Armen aufgeteilt werden sollen, damit es keine Armut mehr gibt. Vielmehr geht es ihm darum, dass jeder, der sich ihm anschließt, besitzlos sein muss. Und das ist ja nur eine winzige Minderheit unter seinen Zeitgenossen. Alle anderen können und sollen die traditionellen Gebote einhalten und dürfen im übrigen weiterleben wie bisher (Markus 10,17-20), auch ihren Reichtum behalten.  


 t“
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#13
Siehst Du hier uebrigens Parallelen zu Platons Politeia? Ich weiss nicht mehr, welcher Autor es war, aber auch die Gemeinschaft der Apostel, wie sie in der Apg geschildert wurde, wurde mit der Idealvorstellung des Staates bei Platon verglichen. Die Fuehrung ist von jeglichen Sorgen um ihr materielles Wohl befreit; dafuer sorgt das Fussvolk.
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#14
(12-01-2022, 03:02)Ulan schrieb: Da passt eigentlich auch meine Vorstellung hinein, die Jesus eher als einen konservativen, "zurueck zu den Wurzeln", also zum Text der Tora, an dem kein Iota geaendert werden duerfe, Prediger sah. Die Pharisaeer hatten ihm zu viele Neuerungen gebracht.


Gute Analyse!
Wenn Du feststellst, daß die Phrarisäer zu viele Neuerungen in den Kultus gebracht haben, hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen.
Beispielsweise untersagt die Thora, ein Zicklein in der Milch seiner Mutter zu kochen (laut Maimonides ein Verbot eines uralten heidnischen Fruchtbarkeitskultes des Mittelmeerbeckens, ein archaischer Kult für den die frühen Israeliten aber fallweise anfällig gewesen waren, der aber schon lange vor Christi Geburt ausgemerzt war und längst in Vergessenheit geraten ist), aber die Pharisäer bastelten in ihrer Ratlosigkeit eine Küchenvorschrift für die jüdische Hausfrau daraus, vorschreibend daß Fleisch und Milch in der Küche hysterisch getrennt werden müssen
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#15
(12-01-2022, 02:40)Apollonios schrieb: Zur Beantwortung der Frage müsste man sich erst darüber verständigen, was man unter "links" und "rechts" verstehen will. Pazifismus ist sicher kein Definitionsmerkmal der Linken, da es auch zahlreiche linke Bellizisten gibt, und ebenso wenig ist Populismus etwas per se spezifisch Rechtes (viele Konservative verabscheuen ihn, und es gibt auch jede Menge linke Populisten). Die wirtschaftspolitische Position ist ein wichtiges Kriterium, aber den Gegensatz links/rechts auf Meinungsverschiedenheiten über die Verteilung materieller Güter oder den Besitz von Produktionsmitteln zu reduzieren ist arg banal und wird der Wirklichkeit nicht gerecht.


Das ist sehr gut analysiert.
Ich kenne Leute, die eherechtlich rechts sind und arbeits- und mietrechtlich links.
Und ich kenne Leute, die eherechtlich links sind und arbeitsrechtlich und mietrechtlich rechts.

An diesen ständig weggeleugneten Rissen in den Weltanschauungen sind bislang alle Parteien zerbrochen
Gott sei Dank!
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