10-02-2022, 01:24
(09-02-2022, 23:49)Ulan schrieb:Hervorzuheben ist dabei besonders der äußerst ruppige, gehässige und arrogante Ton in den Polemiken der Kirchenväter - sowohl untereinander als auch gegenüber Häretikern und Heiden. Jede sachliche Differenz gibt Anlass zu einem beleidigenden persönlichen Angriff, der Andersdenkende ist zwangsläufig dumm und bösartig. Deschner hat diesen Aspekt unter anderem im ersten Band der Kriminalgeschichte eindrücklich herausgearbeitet. Auch wenn man nicht alle Einschätzungen Deschners teilt und auch wenn man berücksichtigt, dass er selbst ein hassender Polemiker war - die Quellen, die er anführt, sprechen für sich. Die Kontroversen zwischen den Anhängern der verschiedenen antiken Philosophenschulen spielten sich in der Regel weit zivilisierter ab als die Polemiken der Christen, denn für die Philosophen war der Andersdenkende trotz aller Meinungsverschiedenheiten ein Kollege. Dieser Unterschied zwischen Philosophen und Kirchenvätern hängt kausal damit zusammen, dass die Kirchenväter über Gottes Wort verfügten und die Philosophen nicht (was die Kirchenväter auch stets betonten). Wenn man über Gottes Wort verfügt, also über absolute Wahrheit, prägt das den Debattenstil. Auch das hängt mit dem Thema "Jesus als Lehrer und Vorbild" zusammen. Der kerygmatische Jesus war ja selbst ein großer Polemiker. Er ließ an den Schriftgelehrten, die von der Ausbildung her seine Kollegen waren, kein gutes Haar. Er titulierte sie öffentlich und ganz pauschal "Schlangen und Otternbrut", "Narren und Blinde", "Sohn der Hölle", "übertünchte Gräber" und dergleichen. "Heuchler" war noch das Mildeste. Diesen Stil konnten sich die Kirchenväter zum Vorbild nehmen. Auch in diesem Punkt - Umgang mit Andersdenkenden - war Jesus ein schlechter Lehrer und ein schlechtes Vorbild. Noch die sprichwörtliche rabies theologorum der Reformationszeit war eine späte Frucht davon. Wenn Gottes Sohn höchstpersönlich so rüpelhaft polemisiert, kann daran nichts verkehrt sein, folgerten die Theologen, beginnend in der Epoche der Kirchenväter und - zumindest bei Evangelikalen - bis heute.(09-02-2022, 23:13)Teudebrand schrieb: Gut wer uminterpretiert liegt eh falsch
Das war einfach
Ja, und so einfach machen es sich alle. Du kannst die ganzen Polemiken der Kirchenvater, mit denen sie "Haeretiker" in Buechern ueber Buechern ueberschuettet haben, mit einem "Ihr habt uminterpretiert und liegt falsch" zusammenfassen, wobei sie zum Teil so ehrlich waren zuzugeben, dass die Gegenseite ihnen gegenueber exakt denselben Vorwurf machte.
Das ist dann in der Tat einfach. Und billig.