(25-01-2022, 20:01)Helmuth schrieb: Ich kenne deine Interpretationsregeln nicht. Meine basieren auf der Methodiken wie man jede Art von Wahrheit erforscht und herausfindet. Man muss da schon auch von Fakten ausgehen.
- Jesus gab es, er war eine historische Person.
- Jesus gab sich als Sohn Gottes aus.
- Er verkündete, dass Gott ihn gesandt hatte
- Er starb für unsere Sünde am Kreuz.
- Er stand wieder von den Toten auf.
- Er versprch ewiges Leben wer an ihn glaubt.
Das sind keine Fakten. Um mal die Punkte einzeln abzuhaken:
- Dass Jesus eine historische Person war, ist zwar ein wahrscheinliches Faktum; dass der Jesus der Evangelien mit dieser historischen Figur besonders viel zu tun haette, ist vollkommen unklar. Deshalb spricht die Neutestamentik auch vom kerygmatischen Jesus, wenn sie von der literarischen Figur der Evangelien spricht.
- Dass Jesus sich als Gottes Sohn ausgab, ist auch weder hier noch da, weil ueber die Frage, was das nun genau bedeutet, endlos gestritten werden kann. Dass er einen messianischen Anspruch hatte, ist zumindest wahrscheinlich.
- Dass er verkuendete, dass er von Gott gesandt wurde, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit wahr. Leute mit prophetischem Anspruch gab es viele zu seiner Zeit.
- Dass er fuer unsere Suende am Kreuz starb, ist spaetere christliche Interpretation, kein Fakt. Nicht mal alle Evangelien sind sich in dem Punkt einig.
- Dass er von den Toten wieder aufstand, ist kein Fakt. Man beachte, wie vorsichtig das Markus-Evangelium dieses Thema anfasst, oder die merkwuerdige Aufzaehlung in 1 Kor 15, wo eigentlich jedem klar werden sollte, was Auferstehungserscheinungen wirklich waren. Das gilt in der Neutestamentik als eine langsam gewachsene Erzaehlung in seiner Anhaengerschaft, die dann um allerlei fantasievolle Episoden erweitert wurde.
- Dass er denen, die an ihn glauben, ewiges Leben schenken wuerde, steht sicherlich so irgendwo in den Evangelien, aber zum Fakt wird das dadurch auch noch nicht. Die urspruengliche Botschaft war die von der Erloesung, wenn seine Zuhoerer sich an die Gebote Gottes halten, was eine vollkommen andere Qualitaet ist.
Der Rest ist fuer mich nicht weiter relevant. Ich versuche nicht, mir meinen persoenlichen, fuer mich persoenlich konsistenten Jesus Christus zu basteln, wie Du das tust, sondern interpretiere die Evangelien, jedes in Bezug auf das, was es eigentlich sagt, und nicht, was die aus anderen Evangelien zusammengemixte Sosse besagt. Da die Evangelien eben gerade nicht unabhaengige Zeugnisse darstellen, ist das der einzige Weg, wie man die Entwicklung des christlichen Glaubens rekonstruieren kann. Und das ist das Thema, was mich interessiert: die historische "Wahrheit" hinter dem Entstehen des Christentums, soweit das rekonstruierbar ist.
Fuer das Threadthema heisst das natuerlich, dass auch die Lehre Jesu gewachsen ist. Man denke nur an die Gemeinden, in denen Paulus ein Prophet unter vielen war und jeder seine eigenen Jesusworte, die dieser ihm im Traum oder in der Trance vermittelt hatte, beisteuern konnte. Da sieht's dann ploetzlich gar nicht mehr so gut aus mit der Wahrscheinlichkeit, noch so etwas wie die urspruengliche Lehre Jesu zu finden.