13-01-2022, 05:03
(12-01-2022, 19:20)Sinai schrieb:(12-01-2022, 19:02)Apollonios schrieb: er hat sie aufgrund des Umstands, dass sie Kanaanäerin war, sehr verächtlich behandelt.
Was ist eigentlich eine "Kanaanäerin" ?
Es lebten ja auch Juden in Kanaan — wie auch sonst überall auf der Welt. Von Iberien bis zum Persischen Golf
(12-01-2022, 19:02)Apollonios schrieb: Die Frau hat Jesus (Matthäus 15,22) als "Sohn Davids" angesprochen
Kann man da einen gehässigen Unterton heraushören? Eine Art Respekt vor einem übermächtigen Feind in einer Machtposition gegenüber Dämonen?
Die Stelle ist zu arg, als dass man sie banal kommentieren oder irgendwie abtun kann. Eine genaue Textanalyse ist nun endlich — nach 2000 Jahren — erforderlich
Ich kann nicht sehen, was daran gehässig sein könnte. Wieso sollte hier ein Element von Gehässigkeit in der Absicht des Evangelisten gelegen haben? Was Matthäus erzählt, und ähnlich schon Markus (7,24-30), soll offensichtlich in erster Linie zeigen, dass die Anerkennung des Messias-Status generell und grundsätzlich ein großes Verdienst ist, das von Gott bzw. seinem Sohn entsprechend großzügig belohnt wird, auch wenn die Person einem sehr minderwertigen Volk angehört und daher an und für sich keine Beachtung verdienen würde. Das soll dem Leser zu denken geben. Bei Markus spricht die Frau Jesus als Kyrios (Herr) an, was wie "Sohn Davids" als Codewort zu verstehen ist, das die Anerkennung des Status als Sohn Gottes signalisiert. Da ist nichts gehässig, vielmehr ist die Frau extrem unterwürfig, diesbezüglich auch ganz aufrichtig, und wird gerade dafür belohnt. Außerdem bekommen die verstockten Juden einen Wink mit dem Zaunpfahl: Wenn sogar eine Frau aus einem tief verachteten Volk von Ungläubigen imstande ist zu erkennen, dass sie den Messias vor sich hat, wie können dann rechtgläubige Juden so verbohrt sein, sich dieser Einsicht zu verschließen? Das ist die offenkundige Botschaft.
Die Minderwertigkeit der Kanaanäer wird von den Evangelisten und deren Lesepublikum als selbstverständlich vorausgesetzt. Für den Historiker ist das trivial. Wie ich schon schrieb: Es ist ein billiges und armseliges Vergnügen heutiger Menschen, sich als selbsternannte Moralrichter über Personen früherer Epochen und Kulturen aufzuspielen. Das ist nicht meine Absicht. Ein Urteil über Jesus - wohlgemerkt: den kerygmatischen - zu sprechen, hat nur insofern Sinn, als von christlicher Seite behauptet wird, er sei epochenübergreifend, also auch für uns, ein optimaler Lehrmeister und ein makelloses Vorbild. Es ist diese Behauptung, die ich mit dem thread "Christus als Lehrer" hinterfrage.