(02-01-2022, 00:16)Apollonios schrieb: Ja, Geheimnisse und Gleichnisse sind nicht synonym. Die Gleichnisse der Evangelien sind ein Spezialfall von Geheimnissen: Es sind unnötig geschaffene, künstlich mit Absicht erzeugte Geheimnisse. Ich nenne das Geheimnistuerei oder Geheimniskrämerei, jetzt speziell auf Jesus bezogen, weil Jesus auch einfache, eigentlich allgemeinverständliche Sachverhalte unnötig verhüllt und unverständlich oder schwer verständlich vorträgt, und zwar zugegebenermaßen mit Absicht: Die Hörer sollen nicht aufgeklärt, sondern verwirrt und mit der Unverständlichkeit beeindruckt werden; sie sollen hören und nicht verstehen. Zu dieser Vorgehensweise bekennt sich Jesus, an Jesaja anknüpfend, sogar explizit. Auf diese Art verschafft sich der Schriftgelehrte Jesus Autorität beim einfachen Volk, das staunend dasteht.Ich gebe Dir Recht, dass Religionslehren keine Geheimnisse enthalten sollten. Wer Geheimnisse sein eigen nennt übt Macht aus oder versteht oft selbst nicht, was er hier gemäss Lehrauftrag der Kirche zu erzählen hat.
Gerade das Gleichnis vom Sämann ist ein gutes Beispiel. Der Inhalt ist einfach: Die Hörer des Predigers werden in vier Gruppen eingeteilt, die je nach ihrer Disposition unterschiedlich auf die Botschaft reagieren, so wie es Jesus den Jüngern in seiner Auslegung des Gleichnisses erklärt. Statt diesen einfachen Sachverhalt verständlich mitzuteilen, verhüllt er ihn in einem Gleichnis, das nicht einmal seine vertrauten Anhänger verstehen, weswegen er es ihnen später auslegt. Verstanden hat das Gleichnis überhaupt niemand. Er hat es einem großen Publikum einschließlich der Jünger vorgetragen im Wissen und in der Absicht, dass niemand es versteht. Der Inhalt ist keineswegs mystisch, sondern simpel; durch die Verhüllung im Gleichnis wird er mystifiziert. Mit solchen Mystifikationen arbeitet der Jesus der Evangelisten auch sonst. Das ist genau das Gegenteil von dem, was ein guter Lehrer macht. Ein guter Lehrer klärt auf; Jesus verwirrt. Ein guter Lehrer enthüllt; Jesus verhüllt. Das bekräftigt die These meines Eröffnungsbeitrags: Jesus (gemeint: der Jesus der Evangelisten) ist ein miserabler Lehrer. Er predigt dem Volk, aber er versucht nicht einmal, sich verständlich zu machen, und das bedeutet: Er hat keinen Respekt vor seinen Hörern. Er nimmt sie nicht ernst, sondern hält sie zum Narren. Was das mit Nächstenliebe zu tun hat, bleibt sein Geheimnis.
Das Gleichnis vom Sämann jedoch sollte für uns ja kein Problem darstellen. Die damaligen Menschen jedoch hatten selbst mit so einfachen Darstellungen Mühe. Wie erst, wenn Jesus vom Reich Gottes sprach, sowas konnten sie sich einfach nicht vorstellen.
Nur die Jünger gingen danach zum Meister und erkundigten sich. Aber auch sie sahen ja täglich die Krankenheilungen und anderen Wunder und glaubten teilweise doch nicht, hörten, er sei der Sohn Gottes, und glaubten nicht. Was hätte er noch tun können?
Jesus war nicht als Lehrer inkarniert worden. Jesu Christi Auftrag war die Erlösung. Explizit hat er den Geist der Wahrheit versprochen, da es noch so viel gäbe, das sie noch nicht verstehen können.