01-01-2022, 13:59
@Helmuth: Ob der historische Jesus auf meine Kritik im Sinne der zwei von dir zitierten Stellen antworten würde, sei dahingestellt; sicher ist jedenfalls, dass viele Christen auf solche Art antworten ("Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu erkennen, den Übrigen aber werden sie in Gleichnissen mitgeteilt, damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht verstehen."). Mit "euch" sind die Jünger gemeint, mit den "Übrigen" offenbar alle Nichtjünger, und im heutigen Kontext, wenn die Stelle angeführt wird, jedenfalls die Nichtchristen, Leute wie ich. Diese Stelle nun (Lukas 8,10) gibt mir Anlass, meine Kritik an Jesus als Lehrer, die ich im Eröffnungsbeitrag vorgebracht habe, zu erweitern (es ließe sich auch sonst noch viel ergänzen). Jesus sagt also hier ganz offenherzig: "Ich rede zu den Leuten (d.h. allen außer den Jüngern) mit der Absicht, dass sie mich hören, aber nicht verstehen sollen. Ich will gar nicht verstanden werden." So ist das also mit Jesus als Lehrer: Wir haben hier einen Lehrer, der nach eigenem Bekunden will, dass die Hörer, die er belehrt, ihn nicht verstehen (wörtlich: "damit sie ... nicht verstehen"). Er ist nämlich der Meinung, dass sie ohnehin gar nicht fähig sind, zu verstehen. Dennoch redet er zu ihnen (Lukas 8,4: "Als aber viel Volk zusammenkam und ihm aus den Städten die Leute zuströmten, sprach er im Gleichnis: ..."). Ein einzigartiges didaktisches Konzept und ein sehr eigentümlicher Lehrer. Für mich als unbefangenen Leser zeigt sich hier eine beträchtliche Arroganz gegenüber allen, die nicht zur Elite der Jüngerschaft gehören. Eine große Menge ist zusammengeströmt, um ihn zu hören, und er redet zu ihnen in der Absicht, nicht verstanden zu werden! Wo bleibt da der Respekt vor dem Publikum, das gekommen ist, um etwas zu lernen, und dann vom "Lehrer" verarscht wird? Ist das die vielgerühmte Nächstenliebe? Wobei gerade das Gleichnis vom Sämann, um das es hier geht (Lukas 8,4-15), gar nicht so ungeheuer anspruchsvoll ist, dass ein normaler damaliger oder heutiger Hörer/Leser den in Lukas 8,12-15 erläuterten Sinn nicht begreifen könnte. Dieser Sinn ist nämlich durchaus simpel und allgemeinverständlich. Da drängt sich doch der Verdacht auf: Gleichnisse wie dieses sollen simple Inhalte in ein Mysterium hüllen, künstlich geheimnisvoll machen, um dem Publikum zu imponieren. Die Leute sollen denken: Das verstehe ich nicht, also ist es wohl sehr tiefgründig.
Analoges geschieht im heutigen Diskurs. Christen argumentieren und versuchen zu überzeugen, ganz rational, und genau an dem Punkt, wo ihnen die Argumente ausgehen, sagen sie: Das ist Gottes Geheimnis, das können Normalsterbliche nicht verstehen. Das Geheimnis Gottes beginnt genau dort, wo die Argumentation scheitert. Kannst du nachvollziehen, dass mir das sehr verdächtig vorkommt?
Analoges geschieht im heutigen Diskurs. Christen argumentieren und versuchen zu überzeugen, ganz rational, und genau an dem Punkt, wo ihnen die Argumente ausgehen, sagen sie: Das ist Gottes Geheimnis, das können Normalsterbliche nicht verstehen. Das Geheimnis Gottes beginnt genau dort, wo die Argumentation scheitert. Kannst du nachvollziehen, dass mir das sehr verdächtig vorkommt?