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Christus als Lehrer
#31
(10-12-2021, 14:39)Apollonios schrieb: Wenn er heute wiederkäme und so aufträte wie damals, würden sämtliche kirchlichen Sektenexperten dringendst vor ihm warnen.

Da gebe ich dir Recht. Aber er wird diese Menschen nicht länger an den Schalthebeln der Macht sitzen lassen, denn das Übel sind dann solche und nicht er. Er tat auf Erden keiner Fliege was zuleide. Also von welchem Auftreten spricht du hier bitte? Das wird sich ändern müssen, wenn er wiederkommt, doch ist jenen Gott sei Dank dann auch die Macht genommen.

Man hat immer wieder seine Worte und auch Werke verdreht in ihrer Beurteilung und missbraucht. Du machst also Jesus für den Missbrauch seiner Lehre verantwortlich und nicht Menschen, die sie falsch praktizieren? Ja, das hat nicht nur er, sondern das haben auch seine Apostel vorausgesagt. Zitate gefällt? Kann bei Bedarf nachgeliefert werden.

Entzweiung um Jesu willen erfolgt z.B., wenn Familien gläubig gewordenn Mitglieder nicht mehr anerkennen und sie aus der Familie werfen.  Falls dieser in der Anfechtung seinen Glauben wieder aufgibt, dann bleibt er nicht weiter erlöst. Dann erfolgt auch keine Entzweiung.

Es gibt auch umgekehrte Fälle. Wer den Spieß umdreht, um damit einen Grund zu suchen um anhand der Worte Jesu jemand aus seiner Familie hinausstoßen, der hat exakt nicht verstanden was er lehrte. Kommt dir das nicht bekannt vor, wenn die RKK ununterbrochen von "anathema" redet?

Der Spieß wurde immer wieder von Menschen umgedreht die seine Worte nicht verstehen, auf die also zutrifft, was ich zuletzt gesagt habe. Sie benutzen zwar seinen Namen, wollen aber gar nicht auf ihn hören, sondern er dient dabei nur der eigenen Machterhaltung.
#32
(10-12-2021, 13:56)Helmuth schrieb: Allerdings schließen Jesu Endzeitreden das schon vom Ansatz her aus, nur gab es das NT ja noch nicht. Es kursierte also herum, Jesus kehre bald wieder. Tendenz zu dieser Haltung zeigte auch Paulus in seinem allerersten Brief, was er aber bereits im Folgebrief korrigiert hatte. Desgleichen mahnte später Petrus in seinen Briefen, indem er zur Geduld aufruft.

Wo, ausser aus den Evangelien, willst Du denn etwas von Jesu Endzeitreden erfahren? Nur noch mal das Zitat hier (Mt 24, EU):

"29 Sofort nach den Tagen der großen Drangsal wird die Sonne verfinstert werden und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. 30 Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde wehklagen und man wird den Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. 31 Er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, von einem Ende des Himmels bis zum andern. 32 Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. 33 So erkennt auch ihr, wenn ihr das alles seht, dass das Ende der Welt nahe ist. 34 Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles geschieht."


Wo, bitte schoen, soll da das Missverstaendnis sein? Da steht etwas vom Ende der Welt noch zu Lebzeiten einiger seiner Zuhoerer.

Und ja, ich kenne einige der schwurbeligeren Interpretationen, die versuchen, das Problem irgendwie wegzureden. Davon gibt's ja genug.

(10-12-2021, 13:56)Helmuth schrieb: Was zeigt das: Jesu Lehre musste auch erst aufgearbeitet werden. Sie stand ja nicht sofort da.

Also haben wir doch subjektive Interpretationen vor uns.

(10-12-2021, 13:56)Helmuth schrieb: Seine grundsätzliche Sendung stand nicht zur Debatte, Mitläufer und Pseudochristen ausgenommen, unter denen Johannes später auch etlche als Antichristen erkannt hatte. Diese hat es wie heute auch schon gegeben und werden den Sohn Gottes wohl oder übel immer anders sehen und seine Lehre verdrehen.

Und diese "Antichristen" sehen die Verdreher dann halt auf der anderen Seite. Diese Sektenkaempfe sind schon aus dem 2. Jhdt. zu genuege dokumentiert. Wer da der "Haeretiker" ist, ist dabei gar nicht klar. Das Johannes-Evangelium sehe ich als das Produkt einer proto-gnostischen Sekte aus Kleinasien. Das hat sich aber durchgesetzt, weil ihre direkte Konkurrenz vor Ort, die "Markioniten", das mit dem Keuschheitsgebot etwas uebertrieben. Das sorgt dann von ganz alleine, dass solche Glaubensgemeinschaften nach ein paar Generationen verschwinden.

(10-12-2021, 13:56)Helmuth schrieb: Aber ehe man Stellung zu seiner Lehre nimmt, sprich sie annimmt, ihr kritisch gegenübersteht oder sie verwirft, muss man sie zuerst auch kennnen. Gemeint ist objektiv kennen, was er wirklich gelehrt hatte und nicht was der Kritiker denkt. Und hier stelle ich fest, viele verstehen nicht einmal seine Grundlagen.

Das mit dem Verstaendnis ist halt so eine Sache. Im Prinzip behaupten ja die meisten Menschen von sich selbst, sie haetten die Weisheit mit Loeffeln "gefressen". Und an dem Punkt gebe ich halt nicht viel auf reine Selbstbezeugungen.

(10-12-2021, 13:56)Helmuth schrieb: Das ist auch der Haken, denn Jesus sagt dazu auch, seine Lehre kann nur der verstehen, der ein offenes Herz hat. Vorurteile und Verschlossenheit ihm gegenüber sind daher Killer seiner Wahrheit näherzukommen.

Klar, den Spruch lernt man schon im Kurs "Sektenfuehrer 101". Kritik moegen die naemlich nicht.
#33
(10-12-2021, 14:39)Apollonios schrieb: Mir geht es um den Charakter der Persönlichkeit Jesus, so wie er sich aus den Schilderungen der Evangelisten ergibt. Ich will diesen Charakter einfach unbefangen anschauen, unabhängig von der unlösbaren Historizitätsfrage. Und dabei fällt mir auf, dass dieser Charakter - so wie er beschrieben wird - viel fragwürdiger ist, als Christen und auch viele Nichtchristen anzunehmen pflegen. Auch Leute, die ihn nicht für Gottes Sohn halten, sehen in ihm oft eine makellose Lichtgestalt. Dagegen richtet sich die Kritik in meinem Ausgangsbeitrag.

Im Prinzip hast Du da vier verschiedene Charaktere vor Dir. Meinst Du den fast schon brutal harschen Jesus des Markusevangeliums? Das wird verstaendlich, wenn man bedenkt, dass das nicht mehr der Mensch Jesus ist, der da spricht, sondern dieser Geist, der waehrend der Taufe am Jordan in in eingefahren ist und ihn von da an ferngesteuert hat (die Familie erkannte ihn folgerichtig gar nicht mehr wieder). Wo der Mensch mal kurz rausschaut, ist, wenn er Angst vorm Tod hat, und ganz zum Schluss, als der Geist - und Gott - ihn verlassen haben.

Als Matthaeus das Markus-Evangelium umgeschrieben hatte, hat er all diese Ecken und Kanten abgeschliffen und den Text mit ein paar mehr und oefter mal weniger kompetenten AT-Zitaten vollgestopft. Das ist dann die "Milchtoast"-Variante, aber immer noch erkennbar. Das wurde zum Lieblingsevangelium der alten Kirche, da es kaum irgendwo aneckte.

Die Bearbeitung von Lukas zeigt dann einen sanfteren Charakter, mehr im Reinen mit sich selbst, eher mitfuehlend mit Frauen und Armen, aber trotzdem getrieben, da er einem Endzeit-Drehbuch folgt, wo anscheinend aufgelistet ist, durch welche Moves er gehen muss, damit das mit der Endzeit auch funktioniert (Jesus spricht das aus, als er den Befehl zum Waffenkauf gibt).

Oder ist es der Jesus des Johannes? Arrogant, selbsterklaerter Gott, hat er natuerlich keine Angst vor dem Tod - schliesslich weiss er ja, was kommt - und auch sonst muss er diese graessliche Geschichte mit der Taufe am Jordan aus der Welt schaffen, denn das ging ja nun gar nicht und war mit der Theologie eines Johannes vollkommen unvereinbar. Dies ist natuerlich das Lieblings-Evangelium aller Evangelikalen.

Man hat die Auswahl. Aber ja, einen Kuschel-Jesus findet man beim genauen Lesen eher nicht. Am ehesten noch bei Lukas, der zwar fuer sein exzellentes Griechisch gelobt wird - was jetzt jemanden, der das Evangelium auf Deutsch liest, eher nicht interessiert - aber ansonsten ein eher langweiliges Werk abliefert.
#34
(10-12-2021, 15:24)Helmuth schrieb: Er tat auf Erden keiner Fliege was zuleide.

Da hab ich viel davon, wenn er die halbe Menschheit ausrotten will.

Allerdings ist die Apokalypse ein nachchristlicher Text. Jesus hätte dieses Büchl ins Feuer geworfen  Icon_cheesygrin
#35
(10-12-2021, 00:04)Apollonios schrieb: im konkreten Fall geht es nicht um die Frage, ob Gott sich deutsch, hebräisch oder griechisch ausdrückt. Der Satz, von dem die Rede ist, hat in allen Sprachen genau denselben Sinn

das trifft nicht zu - noch nicht mal in ein und derselben sprache. du willst "liebe" verstehen als die sinnliche liebe, welche aber z.b. schon etwas anderes ist als die liebe zu seinem kind oder eben die zum menschen an sich ("nächstenliebe")

Zitat:Das "lieben" kann man als Bedeutung im Kontext auffassen. Das heißt, man muss zuerst die Bedeutung in den Kontext hineinlegen und dann kann man sie daraus herauslesen. Ein anderer sagt jedoch: "Für mich hat es nicht diese Bedeutung, ich finde diese Bedeutung in diesem Kontext nicht, sondern verstehe es ganz anders." So funktioniert das

ganau das sage ich doch. weil du etwas ganz bestimmtes unter "liebe" verstehen willst, konstruierst du eine widersprüchlichkeit im bibel text

kann man machen, wenn man lustig ist, klar...

muß aber andere nicht jucken und hat schon gar keine allgemeinverbindliche bedeutung

Zitat:Ergebnis: Jeder bastelt sich nach seinem Geschmack "aus dem Kontext" seinen Christus zurecht, und alle sind zufrieden

by jove, he's got it!

Zitat:In der Tat glaube ich nicht, dass Gott einem Evangelisten oder Luther den Text diktiert hat. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass die biblischen Texte nichts mit Gott zu tun haben, sondern ausschließlich das Werk ihrer menschlichen Autoren sind und deren Meinungen und Wünsche widerspiegeln

natürlich geben die texte die "Meinungen und Wünsche" ihrer autoren wieder. und haben dabei mit gott zu tun, so wie sie ihn verstehen wollen

Zitat:Aber es geht nicht um diese persönliche Meinung von mir, die ganz egal ist und niemanden interessiert. Ich diskutiere hier mit Leuten, die das Evangelium für Gottes Wort halten und Christus für Gottes Sohn

ok, dann bin ich raus
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#36
(10-12-2021, 15:24)Helmuth schrieb: Er tat auf Erden keiner Fliege was zuleide

das werden die händler im tempel anders gesehen haben
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#37
(10-12-2021, 20:58)petronius schrieb: Apollonius hatte geschrieben:
Zitat:Aber es geht nicht um diese persönliche Meinung von mir, die ganz egal ist und niemanden interessiert. Ich diskutiere hier mit Leuten, die das Evangelium für Gottes Wort halten und Christus für Gottes Sohn

ok, dann bin ich raus


Bist ja doch nicht raus!

(10-12-2021, 21:05)petronius schrieb:
(10-12-2021, 15:24)Helmuth schrieb: Er tat auf Erden keiner Fliege was zuleide

das werden die händler im tempel anders gesehen haben

Sicher! Fliegen sind unschuldig, Händler im Tempel nicht.
#38
Und welche Schuld haben die Haendler im Tempel auf sich geladen? Dass sie die Sensibilitaet eines Predigers verletzt haben, der Dinge anders sieht?
Dabei hat Jesus hier nicht mal die eigentlich Schuldigen - wenn wir das Wort schon benutzen wollen - attackiert. Die Funktion der Geldwechsler auf dem Tempel war fuer die Glaeubigen notwendig. Der Tempel akzeptierte nur phoenizische Muenzen mit dem Abbild des Gottes Melkart; anderenfalls konnten die Glaeubigen nicht die vorgeschriebenen Opfer bringen. Da so gut wie niemand in Judaea solche Muenzen hatte, musste der Tempel diesen Service anbieten. Wenn Jesus das stoerte, haette er sich an die Verantwortlichen wenden sollen.

Die ganze Geschichte zeigt natuerlich, wie lebensfremd die Evangelien eigentlich sind. Steht da irgendwo in einem dieser Texte, welche Funktion der Tempel eigentlich hatte? Zu welchem Zweck die ganzen Menschen da waren? Scheint mir nicht so. Hier geht's nur um Symbolik.
#39
@Helmuth: Du fragst, welches Auftreten Jesu ich meine. Ich meine gerade das, was du angesprochen hast: die Entzweiung in den Familien, die er (nach seinen eigenen Worten) bewirkt hat, das Auseinanderbrechen von Familien und Freundschaften um seinetwillen. Das ist ganz genau das, was man heute den Sekten-Gurus vorwirft: Dass sie ihre Anhänger deren Familien, Partner/innen und dem Freundes- und Bekanntenkreis entfremden, sie dort rausholen und damit isolieren und dann die Sekte zur Ersatzfamilie machen. Das war offenbar vor zweitausend Jahren so wie heute. Dabei völlig unnötig - man konnte ja verschiedener Meinung sein und doch befreundet bzw. Familie bleiben. Aber der religiöse Fanatismus ertrug das nicht. Das ist das, was ich Jesus vorwerfe: Fanatismus, Unduldsamkeit. Die antike Welt war religiös tolerant, einen zusätzlichen Gottesboten oder Gottmenschen namens Jesus hätte sie problemlos verkraftet. Aber der erhob einen Exklusivitätsanspruch: "Niemand kommt zum Vater außer durch mich!" Da war dann Entzweiung vorprogrammiert. Nicht weil die Heiden intolerant waren, sondern weil die Christen überhaupt nichts außer ihrer eigenen Lehre gelten ließen. Die Heiden wurden erst dadurch intolerant, dass alle ihre Errungenschaften und ihre Lebensweise von den Christen verächtlich gemacht wurden. Da schlugen sie dann entsprechend zurück. Die Schriften der Kirchenväter sprechen eine deutliche Sprache.

Dass Jesus keiner Fliege etwas zuleide tat, ist eine rhetorische Übertreibung. Tatsächlich wurde anlässlich seines berühmten Abendmahls ein Lamm geschlachtet, wie es der Brauch erforderte. Ich bin weit davon entfernt, ihm das anzukreiden. Aber ich bin für Korrektheit der Angaben. Ein Lamm ist wohl mehr als eine Fliege. Und wie er es mit den Fliegen hielt weiß niemand. Außerdem ließ er eine ganze Herde von zweitausend Schweinen ersaufen. Aber geschenkt, darum geht es mir nicht. Vielleicht hat er die Fliegen verschont, aber gegen die Menschen, die er mit der Hölle bedrohte, hat er massive verbale Gewalt angewendet. Verbale Gewalt ist auch Gewalt.

@Petronius: Ich verstehe unter "Liebe" keineswegs nur sinnliche Liebe, sondern alles was der normale Sprachgebrauch darunter versteht. Sehr umfassend. Aber die Christen haben einen ganz speziellen Sprachgebrauch, der mit dem normalen nichts zu tun hat. Für sie ist Liebe zum "Nächsten" und auch zum Feind etwas, das per Gebot angeordnet und dann per Willensakt angeknipst wird. Liebe = Respekt und Rücksichtnahme. Konkretes Beispiel: Angenommen, mir ist ein bestimmter Mensch extrem unsympathisch, in jeder Hinsicht, ich kann ihn nicht ausstehen. Nun beschließe ich, trotzdem nett zu ihm zu sein und ihn nicht schlechter zu behandeln als die Leute, die ich mag. In christlicher Terminologie, wo Liebe = Respekt, heißt das dann: Ich liebe diesen Menschen! Ich kann ihn nicht ausstehen, aber ich liebe ihn. Du kannst wohl nachvollziehen, dass ich als Nichtchrist nicht verstehe, was diese seltsame Terminologie soll.
#40
(10-12-2021, 22:03)Sinai schrieb: Bist ja doch nicht raus!

doch

aus der debatte um "das Evangelium für Gottes Wort halten und Christus für Gottes Sohn", denn das tu ich natürlich nicht

wäre jetzt nicht wirklich sooo schwierig gewesen, zu verstehen...
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#41
(10-12-2021, 23:59)Apollonios schrieb: Ich verstehe unter "Liebe" keineswegs nur sinnliche Liebe, sondern alles was der normale Sprachgebrauch darunter versteht. Sehr umfassend

dann gehört dazu also auch die nächstenliebe, also das mit seinen mitmenschen anständig umgehen. auch feinde sind mitmenschen

Zitat:Konkretes Beispiel: Angenommen, mir ist ein bestimmter Mensch extrem unsympathisch, in jeder Hinsicht, ich kann ihn nicht ausstehen. Nun beschließe ich, trotzdem nett zu ihm zu sein und ihn nicht schlechter zu behandeln als die Leute, die ich mag. In christlicher Terminologie, wo Liebe = Respekt, heißt das dann: Ich liebe diesen Menschen! Ich kann ihn nicht ausstehen, aber ich liebe ihn. Du kannst wohl nachvollziehen, dass ich als Nichtchrist nicht verstehe, was diese seltsame Terminologie soll.

meine güte - das sind worte. nur worte

es soll schon mal vorkommen, daß verschiedene leute für dasselbe verschiedene begriffe verwenden. ich würde das nicht so hoch aufhängen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
#42
(10-12-2021, 16:54)Ulan schrieb: Und ja, ich kenne einige der schwurbeligeren Interpretationen, die versuchen, das Problem irgendwie wegzureden. Davon gibt's ja genug.

Ich denke nicht, dass du dich mit mir messen willst wie man die Evangelien auslegt. Ich bin darin nicht mehr ganz unerfahren. Ich habe das zuvor in Bezug auf einen Lukas-Text eher ausnahmsweise gemacht. Ich wollte sehen wer darauf eingeht und habe es auch kommentiert.

Aber ich werde kein Bibelstellen und Auslegungs Ping-Pong Spiel betreiben. Dazu wurde de Schrift nicht verfasst, denn dessen Ausgang steht meist fest, Jeder bunkert am Ende seine Auffasung. Des bringt nix! Ich gehe auch nur einmal auf deine Mt. 24 Stelle ein.

Dass die Wiederkehr Jesu nicht im 1. Jh stattgefunden hat, zumindest das sehen wir gemeinsam als klaren Fakt weil alles andere historisch gesehen Blödsinn wäre solches zu behaupten. Dass sie damit nicht aufgehoben ist, was gem. deiner Interpretation bloß falsche oder "unerfüllte" Prophetie ist, gilt für mich hingegen weiterhin als Fakt. Es steht nach meiner Interpretation seine Erfüllung bloß noch aus und er kommt schon noch.

Zur Auslegung kommen hier auch rein sprachliche Probleme hinzu. Da wäre z.B. die Übersetzungsvariante, ob man γενεά – genea mit Generation oder Geschlecht übersetzt. Beides wäre rein sprachlich legitim.

Das kann enorme Unterschiede ausmachen. Z.B. verstehst du unter Generation die gerade lebende Menschheit. Und ich verstünde das auch so. Geschlecht meint aber die gesamte Sippschaft, d.h. das gesamte Volk Israel, das einst aus Abraham hervorgegangen ist. Und die exisitert heute noch. Welches Wort soll der ÜS in Mt 24:34 nun wählen?

Meine Antwort (nennt sich bei mir Regeln der Exegese):

1. Der Kontext steht über dem Buchstaben.
2. Eine Mehrfach-Bezeugung hat Vorrang.

Weiters kommen die menschlichen Unschärfen hinzu. Das Mt-Ev meint Jesu ritt in Jerusalem mit zwei Eseln ein, die anderen sagen, es war doch nur einer. Was nun? --> hier entscheide ich z.B. nach der Mehrheitsbezeugung, weil drei übereinstimmende Zeugen eher Recht haben sollten als ein vierter, der davon abweicht.

All das ändert aber an Jesus nichts. Denn er lebte nun mal so wo er lebte, egal was O815-Maxi-Müller-Mensch sich dazu nun denkt oder nicht denken will.

Daher ist es sogar wichtiger als alles andere, was insbesondere auch für jede Form der Theologie gilt, die jeweiligen Zusammenhänge in ihrem Kontext möglichst breit zu erfassen und nicht als reiner Buchstabenklauber zu agieren.

Am Ende wir ein solcher nichts von der Wahrheit erfahren und lediglich in seiner Dogmatik ersticken. Oder er steht allem von vorherein überkritisch gegenüber, weil er gar nicht glauben will, egal was geschrieben steht. Hierzu spielt unser Herz eine zentrale Rolle.

Soweit mal dazu. Deine Stellungnahme dazu?
#43
(11-12-2021, 00:48)Helmuth schrieb: Daher ist es sogar wichtiger als alles andere, was insbesondere auch für jede Form der Theologie gilt, die jeweiligen Zusammenhänge in ihrem Kontext möglichst breit zu erfassen und nicht als reiner Buchstabenklauber zu agieren um am Ende doch nichts von der Wahrheit zu erfahren oder nur in einer Dogmatik zu erstarren. Doch hierzu spielt unser Herz eine zentrale Rolle.

Soweit mal dazu. Deine Stellungnahme dazu?

Wegen des Kontextes uebersetzt ja die Einheitsuebersetzung hier "Generation". Es gibt das Konglomerat aus dem Enstehungszeitraum der Evangelien (die Zerstoerung Jerusalems als Indikator fuer den Beginn der Endzeit - auch von Jesus selbst als solcher benannt) und auch der selbsterklaerte Sinn seiner Selbstopferung, die im Prinzip der Daniel-Prophezeiung als Drehbuch folgt (am deutlichsten bei Lukas bezeugt). Dass wir das jeweils anders interpretieren, ist klar, aber ich folge hier dem zeitgeschichtlichen Kontext, in dem die Erzaehlung spielt. Nur sehen wir anscheinend "Kontext" als etwas vollkommen anderes.

Auf Mehrfachbezeugungen gebe ich hier nichts. Die Texte sind nicht unabhaengig. Drei Evangelien sind verschiedene Bearbeitungsstadien desselben Textes, waehrend das vierte eine Reaktion auf die anderen drei darstellt.
#44
(11-12-2021, 01:04)Ulan schrieb: Wegen des Kontextes uebersetzt ja die Einheitsuebersetzung hier "Generation".

Und die ELB-CSV übersetzt Geschlecht. Was nun? Im alt-griech Urtext gibt es aber nur ein Wort.

(11-12-2021, 01:04)Ulan schrieb: Die Texte sind nicht unabhaengig. Drei Evangelien sind verschiedene Bearbeitungsstadien desselben Textes, waehrend das vierte eine Reaktion auf die anderen drei darstellt.

Nun, das sieht auch jeder anders. Lk unterscheidet sich von Mt und Mk, als wir in der Einleitung einen Hinweis auf die Autorenschaft haben. Derselbe hat auch die Apg verfasst. Das Lk-Ev ordne ich als das erste Werk der Evangelien ein.

Er hätte ansonsten in der Einleitung anders schreiben müssen. So bildete es vielleicht eine Vorlage für Mk und Mt. Die Forschung sieht das wieder ganz anders und im Grunde genommen bleibt die Entstehungsgeschchte eine reine Theorie.

Am Ende bleibt nur der innerbiblische Kontext. Was wurde geschrieben und wie passen die Inhallte dem Kontext nach zueinander. Es gibt keine anderen Quellen oder so notdürftig, dass sie dazu nichts beitragen. Will man also die Geschichte des ersten Jh. hat man 4 Evangelien für die Zeit von ca. -1 bis 32 und von 32 bis ca. 62 die Apg. Das wars dann. Auf welche andere Quellen könntest du denn zugreifen? Ich meine die Relevanz haben. Flavius Josefus kann es nicht sein.

Und alles Spätere ist reinstes Spekulari, insbesondere das mit den Vor- oder Nachdatierungen wegen der Tempelzerstörung um 70 nach Chr. Die biblischen Berichterstattung endet mit 62 nach Chr. und dann wird es sehr sehr dünn. Die spätere Joh Offb ist ja an sich kein historisches Werk. Sie muss ganz anders eingeordnet werden, Was aber schon auffällt ist, dass die gefundenen Fragmente des 2. - 4. Jh keine nennenswerten Textabweichungen aufweisen. Also an sich gab es die Urschriften.

So sind auch sog. Bearbeitunsstadien Theorie bzw. handelt es sich nur um vereinzelte Verse, aber nicht um grundverschiedene Textvarianten. Einige ernsthafte Abweichungen stelle ich im Mt-Ev fest, aber wenn, dann war das schon von Anbeginn so. Am dem bin ich selbst noch im Erforschen. Erst im 4 Jh taucht erstmal ein Gesamtcodex auf. Wie der entstanden ist wird dürftig anhand der Krichgeschichte dargestellt. Fakt ist man hat diesen Codex.

Also wir haben einen Text! Und darin sehe ich sehr wohl die Hand Gottes mit im Spiel. Darum sage ich zählt der innerbiblische Kontext umso mehr als das dünne Material außerbiblischer Quellen.

Und last but not least haben wir noch den Heiligen Geist, also die, die an Jesus glauben. Durch ihn dringen wir noch tiefer zur Wahrheit vor, man kann sagen, wir tauchen in eine völlig neue Dimension ein, als nur zu den rein natürlichen historischen und damit irdischen Begebenheiten. Diese geistliche Dimension ist ein Geschenk Gottes aus Gande und schafft so auch die grundlegenden Auffassungunterschied zu allen anderen Dingen.
#45
@Ulan: Der Kuschel-Jesus ist Erfindung einer Epoche, die einen solchen braucht und sich daher erschafft. Jede Epoche erfindet sich ihren Jesus, und das ist kulturhistorisch hochinteressant, denn es sagt sehr viel über die Bedürfnisse und Ideale der jeweiligen Epoche aus. Immer ist Jesus das Ideal. Heutzutage ist Kuschelzeit, und daher will man von den wuchtigen Höllenandrohungen nichts wissen, die werden mit eiserner Konsequenz überlesen. Himmel gerne, Hölle pfui. Außer bei den Evangelikalen, die natürlich die Höllengeschichten lieben.

Man könnte sagen, es seien vier verschiedene Jesus-Charaktere. Aber so weit würde ich nicht gehen: Die menschliche Natur ist vielschichtig, Jesus war offenbar eine besonders komplexe Persönlichkeit mit unterschiedlichen Zügen, er konnte mal liebenswürdig, mal schroff und aggressiv sein. Die vier Charaktere scheinen mir nicht inkompatibel. So verschiedenartige Aspekte kann ein Mensch schon in seiner Seele tragen. Sicher ist jedenfalls eines: In seiner Gefühlswelt gab es unter anderem auch einen wilden, hemmungslosen Sadismus, der in seinen Höllenphantasien hervortritt. Diesen Sadismus haben die Jünger sicher nicht frei erfunden - warum sollten sie ihrem verehrten Meister etwas so Abstoßendes anhängen? Gerade der Umstand, dass es so abstoßend ist und dass die Evangelisten es trotzdem nicht verschwiegen haben, spricht für die Glaubwürdigkeit, die Historizität. Alles spricht dafür, dass der historische Jesus ein religiöser Fanatiker mit sadistischen Zügen war, der am Ende dem Sadismus anderer Fanatiker zum Opfer fiel. Er wollte andere in die Hölle werfen, und dann bereiteten ihm andere die Hölle auf Erden.

Am Ende fragte er seinen Gott, warum der ihn verlassen hat. Er hätte vorher schon fragen können: Warum verlässt Gott die verhungernden Vögel, die er doch angeblich sorgsam nährt? Und warum verlässt er die verhungernden und anderweitig krepierenden Menschen? Aber die Frage tauchte ihm erst auf, als es um sein eigenes Schicksal ging. Das zeigt die Enge seines Horizonts.


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